Depressive wie Straftäter behandeln ? – Hintergrund

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    En Bavière le gouvernement prévoit de traiter le malades mentaux comme criminels. Une nouvelle loi met en question l’ensemble des droits obtenus par les patient depuis cinquante ans.

    Liest man den Entwurf, so bekommt man den Eindruck, dass in Bayern psychisch Kranke künftig mit Straftätern und «Gefährdern» gleichgesetzt und ebenso behandelt werden sollen. Der Psychiater und Philosoph Samuel Thoma sieht hierin einen allgemeinen Trend: Die von der Psychiatriereform vor gut fünfzig Jahren angestoßenen Verbesserungen drohten gegenwärtig wieder zurückgenommen zu werden; der Entwurf der bayerischen Landesregierung mache aus der Psychiatrie wieder «ein Gefängnis».
    Höchst diskriminierend

    Wer aufgrund einer psychischen Störung Rechtsgüter anderer, das Allgemeinwohl oder sich selbst erheblich gefährdet, kann gegen seinen Willen in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht werden. Als «Sicherungsmaßnahmen» sieht der Entwurf unter anderem Durchsuchungen der Person, ihres Körpers, ihrer Habseligkeiten sowie ihres Wohn- und Schlafbereiches, die ständige Beobachtung, auch mit technischen Mitteln, sowie die Einschränkung der Bewegungsfreiheit «durch Festhalten oder durch eine mechanische Vorrichtung, insbesondere durch Fixierung», vor. Zahlreiche Grundrechte wie jenes auf Leben, körperliche Unversehrtheit und die Freiheit der Person, das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, die Freizügigkeit sowie die Unverletzlichkeit der Wohnung sollen eingeschränkt werden dürfen.

    Sowohl Berufs- und Betroffenenverbänden als auch Datenschützer zeigten sich schockiert, nachdem das Vorhaben bekannt wurde. «Die Fachwelt ist entsetzt; als einzige positive Errungenschaft im neuen Gesetz gilt der Aufbau eines flächendeckenden psychiatrischen Krisendienstes. Fast alle anderen Vorschriften orientieren sich am Strafrecht und am Maßregelvollzug für Straftäter. Die Stellungnahmen der Mediziner und Psychiater lesen sich daher wie ein Aufschrei», war Mitte April in der Süddeutschen Zeitung zu lesen.

    «Sehr kritisch» sehe man «die Regelungen zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung insgesamt», heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme verschiedener Fachverbände. Bestimmungen wie jene, die regelhaft die Meldung der Beendigung einer Unterbringung an die Polizei vorsehen, würden sich gegenüber Patienten «in höchstem Maße diskriminierend» auswirken. Die Regelungen zur Unterbringung seien deshalb «in ihrer Gesamtheit dem vorgeblichen Ziel einer Entstigmatisierung psychiatrischer Erkrankungen diametral entgegengesetzt, weshalb dieser Gesetzentwurf aus unserer Sicht nur in Gänze abgelehnt werden kann». Herausgegeben haben das Papier die Bayerische Direktorenkonferenz, die Bundesdirektorenkonferenz, die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) sowie die Deutsche Gesellschaft für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP).
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    Wann – und in welcher endgültigen Form – das Gesetz in Kraft tritt, steht noch nicht fest. Geplant ist ein gestaffeltes Inkrafttreten, um, wie es heißt, «der Praxis in den Einrichtungen Gelegenheit zu geben, sich auf die Änderungen in ihrer Arbeit einzustellen» und «die notwendige Zeit zur Errichtung der zentralen Dateien» zu haben. Die Regelungen zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung aber sollen bereits ab dem 1. Januar 2019 gelten. Nachdem das umstrittene neue Polizeigesetz in Bayern mittlerweile beschlossene Sache ist, bleibt zu hoffen, dass das neue Unterbringungsgesetz, welches, wie Heribert Prantl kommentierte, in seiner geplanten Form «eine Art Polizeirecht gegen psychisch kranke Menschen» darstellt, noch verhindert oder wenigstens in weiteren Punkten entschärft werden kann. Möglich wäre auch, dass es an verfassungsrechtlichen Bedenken scheitern wird – denn, so Prantl: «Ein Rechtsstaat sieht anders aus.»

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