• Uber-Software Greyball spionierte Nutzer aus - Digital - Süddeutsche.de
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    6. März 2017 - Von Jürgen Schmieder
    – Mit einer Software namens Greyball wollte Uber seine Fahrer vor übergriffigen Kunden schützen.
    – In Städten, in denen Uber noch keine offizielle Zulassung hatte, sollte die Software aber auch Kontrollen durch die Stadtverwaltung verhindern.
    – Das Unternehmen gerät damit erneut in die Kritik. Zuvor hatten sich ehemalige Mitarbeiter über das Arbeitsklima beschwert.

    Wäre die Idee nur dazu genutzt worden, wozu sie ursprünglich gedacht war, könnte man sie vielleicht sogar als genial bezeichnen. Sie ist gleichzeitig aber auch derart ausgeklügelt und niederträchtig, dass sie zeigt, wie weit der Fahrdienst Uber zu gehen bereit ist, um an der Börse eine noch höhere Bewertung als die gegenwärtig knapp 70 Milliarden Dollar zu erreichen.

    Medienberichten zufolge soll es bei Uber ein Programm mit dem Namen VTOS geben. Das steht für „Violation of Terms of Service“ und soll über einen Algorithmus Nutzer filtern, die für Ärger sorgen. In Frankreich, Indien und Kenia etwa sind Uber-Fahrer von Konkurrenten und Taxi-Unternehmen angegriffen worden, oftmals ist es dabei zu Gewalt gekommen. Über das Programm, das seit 2014 eingesetzt wird, sollen zuvor identifizierte Problemstifter nicht mehr in der Lage sein, sich ein Auto zu bestellen. Das berichtet die New York Times unter Berufung auf vier ehemalige und aktuelle Mitarbeiter sowie auf Dokumente.

    Auf den ersten Blick klingt das nach einer sinnvollen Sicherheitsmaßnahme, doch Uber ging offenbar noch viel weiter. Das Unternehmen setzte die zum VTOS-Programm gehörende Software Greyball wohl auch dazu ein, um Beamte in die Irre zu führen - etwa in Städten wie Boston, Portland und Paris und Ländern wie Australien, Südkorea und China.

    In Portland beispielsweise beantragte der Fahrdienst keine Genehmigung, sondern legte einfach mal los - wie in vielen anderen Städten und Ländern auch. Die Stadtverwaltung wollte Uber verbieten und schickte zur Beweissammlung Zivilbeamte los, die ein Auto bestellen und die Fahrer anschließend verwarnen sollten. Die Beamten jedoch blieben oftmals tagelang erfolglos, es war einfach kein Fahrzeug verfügbar oder die Chauffeure sagten eine Fahrt kurzfristig ab. Was war da los?

    Uber spionierte seine Nutzer aus - auch, um Zivilbeamte zu erkennen
    Den Aussagen der Mitarbeiter und den Dokumenten zufolge hat Uber ein Programm entwickelt, das einzig und allein darauf ausgelegt war, die Nutzer auszuspionieren. Es überprüft etwa, ob ein Kunde die App häufig in der Nähe von Regierungsgebäuden öffnet. Bei diesen Nutzern forschte das Unternehmen, ob die zur Zahlung benutzte Kreditkarte womöglich mit der Stadtverwaltung verknüpft war.

    Weil die Beamten meist Billighandys benutzten, um mehrere Profile gleichzeitig anzulegen, hatten Uber-Mitarbeiter in den Geschäften die Seriennummern herausgefunden und damit einen weiteren Warnhinweis bekommen. Sie überprüften zudem die sozialen Netzwerke und andere Internetseiten, um Nutzer als Beamte zu identifizieren.

    Wer auf dem Index stand, der wurde von Uber mit einem Greyball-Code versehen. Wenn der Kunde dann die App öffnete, dann sah er entweder, dass gerade keine Autos verfügbar seien - sollte er dennoch ein Fahrzeug bestellt haben, dann rief ein Uber-Mitarbeiter schnell beim Fahrer an und bat ihn darum, den Auftrag zu stornieren.

    Ubers Rechtsabteilung segnete die Praxis ab

    Die Beamten in Portland wunderten sich, warum sie so selten jemanden erwischten und warum andauernd Fahrten abgesagt wurden. „Zwei Fahrer haben innerhalb kürzester Zeit storniert“, sagt Erich England, Mitarbeiter der Stadtverwaltung von Portland, in einem Video der Zeitung The Oregonian vom Dezember 2015: „Ich weiß nicht, was da los ist. Vielleicht ist die Nachfrage groß.“ Uber wusste, was da los ist: England war offenbar entdeckt worden.

    Es heißt, dass die Anwendung bei Uber für heftige Diskussionen im Management gesorgt hat, von der Rechtsabteilung jedoch abgesegnet wurde. In einem Statement des Unternehmens nach Bekanntwerden des VTOS-Programmes heißt es nun: „Es verweigert betrügerischen Nutzern, die gegen unsere Geschäftsbedingungen verstoßen, Fahrten anzufordern. Das können Leute sein, die unseren Fahrern Gewalt antun wollen. Es können Konkurrenten sein, die unseren Betrieb stören wollen. Es können aber auch Gegner sein, die mit Beamten zusammenarbeiten und auf geheimen Missionen unsere Fahrer in die Falle locken wollen.“

    Uber steht nicht gut da

    Es ist unklar, ob dieses Vorgehen das Gesetz bricht - es klingt jedoch moralisch höchst verwerflich und wirft kein gutes Licht auf ein Unternehmen, das sich gerade nun wahrlich nicht im besten Licht präsentiert. Das Arbeitsklima gilt nicht erst seit dem Blogeintrag der ehemaligen Angestellten Susan Fowler (sie wirft ihren damaligen Vorgesetzten Diskriminierung und sexuelle Belästigung vor) als frauenfeindlich und ausbeuterisch, mehrere Mitarbeiter haben sich mittlerweile beschwert.

    Zwei hochrangige Manager, Ed Baker und Amit Singhal, sind in der vergangenen Woche zurückgetreten. Baker soll sich auf Partys ungebührlich verhalten haben, Singhal hatte vor seiner Einstellung verschwiegen, dass es bei seinem früheren Arbeitgeber Google eine Untersuchung wegen sexueller Belästigung gegeben hatte.

    Im vergangenen Monat fuhr das Unternehmen den Flughafen JFK an - und brach damit den Streik der Taxigewerkschaft von New York, der aufgrund des von US-Präsident Donald Trump verhängten Einreisestopps ausgerufen worden war. Erst nach heftigen Protesten und der Drohung vieler Kunden, die Uber-App zu löschen, entschuldigte sich Firmenchef Travis Kalanick und räumte seinen Platz im Beratergremium des Präsidenten.

    Kalanick, 40, wurde zudem bei einem Streit mit einem Fahrer gefilmt, bei dem er schnell ausfällig und aggressiv wurde. „Es wäre eine gewaltige Untertreibung, wenn ich behaupten würde, dass ich mich schäme“, schrieb Kalanick danach in seinem privaten Blog: „Ich muss mich gewaltig ändern und erwachsen werden. Ich brauche Hilfe und die werde ich mir auch holen.“ Zum aktuellen Skandal hat er sich noch nicht geäußert.

    #Uber #disruption

  • Plattformunternehmen bilden zunehmend das Rückgrat der Infrastruktur ganzer Volkswirtschaften | Telepolis
    https://www.heise.de/tp/features/Plattformunternehmen-bilden-zunehmend-das-Rueckgrat-der-Infrastruktur-ganzer-V

    Il semble que des chercheurs et institutions découvrent l’urgence de défendre nos sociétés contre les plateformes capitalistes. A gauche on essaie de créer un coopérativisme de plateforme contre le capitalisme de plateformes. Ce mouvement reste petit par rapport á l’ignorance répandue.

    Neuinterpretation der Rolle des Staats im Zeitalter der Plattformökonomien

    Das angestammte Marktgeschehen wird seit rund einem Jahrzehnt von globalen Plattformunternehmen wie Google, Amazon, Uber, AirBnB und Co. disruptiv aufgebrochen und umgestaltet. Die Plattformunternehmen nutzen die Möglichkeiten, die ihnen die Digitalisierung bietet, und vernetzen die Marktteilnehmer in einer neuartigen Weise. Die Plattformen senken dabei massiv die Transaktionskosten. Sie bieten den Marktteilnehmern einen großen Mehrwert und schöpfen einen erheblichen Teil dieses Mehrwerts ab.

    Der Marktwert der globalen Plattformunternehmen übersteigt mittlerweile den der meisten angestammten Unternehmen.1 Die angestammten Unternehmen wiederum müssen entweder selbst Plattformen aufbauen oder sich unter die Obhut einer der großen Plattformen begeben, um weiterhin erfolgreich am Markt agieren zu können.

    Die Plattformen bieten den Konsumenten ein völlig neues Einkaufserlebnis. Neben den klassischen Merkmalen der angebotenen Produkte und Dienstleistungen rücken mehr und mehr auch die Komfortmerkmale des Handels in den Fokus.

    Durch die Plattformen wird der Markt für den Konsumenten transparenter. Er findet schneller, was er sucht. Er kann die Angebote leichter vergleichen. Er kann einfacher als bisher Verträge schließen, Bestellungen auslösen, Rechnungen bezahlen, Reklamationen durchsetzen, Service in Anspruch nehmen und vieles mehr.

    Das Geschäftsmodell der Plattformunternehmen basierte in der Anfangszeit auf der Senkung der Transaktionskosten und dem Abschöpfen ihres Anteils am erzeugten Mehrwert. Die Plattformen bieten den Marktteilnehmern Vorteile und zwar gerade auch deshalb, weil sie die Vielfalt auf beiden Seiten des Marktes einschränken. Sie erzeugen und nutzen Netzeffekte2, prägen ganze Technologiepfade und setzen neue Industriestandards.3

    Die Plattformunternehmen entwickeln sich zunehmend zu Torwächtern der Märkte, ohne die Angebot und Nachfrage nicht mehr zusammenfinden. Den Plattformunternehmen liegt inhärent die Tendenz inne, ihre Gewinne fortwährend in die Ausweitung ihrer Plattform zu reinvestieren, um ihre Position immer weiter auszubauen und sich die Marktdominanz zu sichern. Sie aggregieren zu immer größeren Unternehmen und entwickeln globale Monopole.
    Was ist der Preis?

    Das Geschäftsmodell der Plattformunternehmen hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt. Es geht ihnen zunehmend darum, ganze Marktsegmente oder gleich ganze Märkte unter ihre Kontrolle zu bringen, um in den (alleinigen) Besitz der Nutzungs- und Transaktionsdaten zu gelangen. Auf der Grundlage dieser Daten und unter Verwendung aktueller Technologien wie Data-Mining, maschinelles Lernen etc. haben sich die Plattformunternehmen daran gemacht, das eigentliche Gold der Digitalisierung zu heben. Sie sitzen schon heute auf einem wahren Datenschatz, nutzen die darin enthaltenen Informationen, um den Marktteilnehmern einen maximalen Nutzen zu bieten und erhalten daher mehr und mehr Nutzungs- und Transaktionsdaten.

    Mittlerweile kennen die Plattformunternehmen jeden einzelnen Konsumenten und jeden Anbieter besser als diese sich selbst. Sie alleine verstehen die Bedürfnisse, die Entscheidungswege der Konsumenten sowie die Geschäftsmodelle und -prozesse der Anbieter. Aus diesen intimen Kenntnissen über alle Marktteilnehmer (wohl gemerkt der individuellen Marktteilnehmer und nicht irgendwelchen anonymen statistischen Mittelwerten) schlagen sie Kapital und beziehen sie ihre Marktmacht.

    Die Plattformunternehmen bilden zunehmend das Rückgrat der Infrastruktur ganzer Volkswirtschaften. Sie werden zunehmend unangreifbar für andere Unternehmen und künftig auch für Staaten. Wenn die Konsumenten und die anderen Unternehmen weiter am Markt teilnehmen wollen, wenn die Staaten ihre Aufgaben weiter wahrnehmen wollen, werden sie sich unter das Dach der Plattformen begeben und sich dann auch deren Regeln unterwerfen müssen. Am Ende werden auch die Staaten zu Kunden degradiert, ihr Gestaltungsspielraum wird dabei zunehmend marginalisiert werden. Die Plattformunternehmen werden sich der demokratischen Kontrolle mehr und mehr entziehen.

    Die Plattformunternehmen definieren auf ihrer Plattform die Spielregeln und entwickeln diese zu ihrem Vorteil weiter. Am Beispiel von Uber oder AirBnB wird deutlich, dass die Plattformunternehmen sich auch von nationalen oder multinationalen Gesetzen zunehmend nicht mehr einhegen lassen. Sie schleifen Gesetze und sozialen Normen indem sie diese aushebeln oder auch einfach ignorieren. Sie zwingen Menschen, für die es bisher noch reguläre Jobs gab, sich als Uber-Fahrer, als AirBnB-Vermieter oder als Click-Worker zu verdingen.

    Die Plattformunternehmen folgen der neoliberalen Philosophie. Sie reduzieren den Menschen auf seine Rolle als Marktteilnehmer und presst die Menschen mit ihren Plattformen in diese Rolle. Dies wirkt auf das Weltbild der Menschen zurück und überformt es neoliberal.

    Die Plattformunternehmen „verstehen“ die individuellen Menschen zwar immer besser und können sie folglich auch immer besser manipulieren. Für sie zählen am Ende aber nur Kaufkraft, Aufmerksamkeit und Verweildauer.

    Andere Stellen interessieren sich aber auch für die immer ausgefeilteren Möglichkeiten, die Bevölkerungen als Schwarm von Individuen zu „verstehen“ und zu manipulieren. Diese anderen Stellen verschaffen sich - ohne allzu großen Widerstand - Zugang zu den Daten der Plattformunternehmen. Sie reduzieren den Bürger auf die Rolle, die sie ihm aufgrund ihrer Philosophie zubilligen und pressen in durch ihre Manipulationen in diese Rolle.
    Was wollen wir?

    Der Staat als Ordnungsmacht und Garant für die allgemeinen Infrastrukturen ist durch die Digitalisierung im allgemeinen und die Plattformökonomien im speziellen massiv herausgefordert. Bisher hat der Staat Unternehmen durch Gesetze und andere Regelungen eingehegt und dadurch dafür gesorgt, dass die Unternehmen mehr oder weniger zum Nutzen der Gesellschaft agiert haben. Bisher hat der Staat die Verwaltungsinfrastruktur, die Verkehrsinfrastruktur, die Kommunikationsinfrastruktur etc. bereitgestellt oder zumindest die Rahmenbedingungen geschaffen, dass die notwendigen Infrastrukturen bereitgestellt werden.

    Durch die Digitalisierung haben sich die Dinge bereits so weit beschleunigt, dass die althergebrachten Gesetzgebungsverfahren nicht mehr hinterherkommen. Die Gestaltungsmacht liegt faktisch schon heute bei den Plattformunternehmen - technologiegetriebenen Wirtschaftsunternehmen unter der Kontrolle weniger - und nicht mehr bei der demokratisch legitimierten Politik. Die global aufgestellten Plattformunternehmen lassen sich durch einzelne Staaten auch nicht mehr einhegen, sondern spielen diese bereits gegeneinander aus.

    Eine Neuinterpretation der Rolle des Staats könnte einen Ausweg aus diesem Dilemma weisen. Statt der Entwicklung bei den Plattformen hinterherzulaufen und den Abstand auf die globalen Akteure immer größer werden zu lassen, könnten die Staaten - solange sie noch über die notwendige Gestaltungsmacht verfügen - selbst zum Plattformbetreiber im Sinne einer allgemeinen Infrastruktur werden und sich von den Plattformunternehmen emanzipieren. In dieser Rolle könnten sie die Spielregeln definieren und auch für das notwendige amtliche Vertrauen sorgen beziehungsweise als Bürge auftreten.

    Die öffentliche Verwaltung handelt auf der Basis eines gesetzlichen Auftrags. Wenn die Nachfrage nach amtlichen Leistungen jedoch immer weiter sinkt, wird die öffentliche Verwaltung aber über kurz oder lang durch die Politik geschrumpft werden müssen. Weder die Bedeutsamkeit noch der Bestand der öffentlichen Verwaltung sind für immer gesichert. Umgekehrt kann eine innovative Verwaltung aber auch positiv auf ihren künftigen gesetzlichen Auftrag hinwirken. Hierzu muss es ihr aber gelingen, in einer von privatwirtschaftlichen Plattformökonomien dominierten Welt neuen infrastrukturellen Nutzen zu stiften.
    Was können wir tun?

    Für staatlich betriebene Plattformen sind drei Szenarien denkbar. Der Betrieb kann zentral, dezentral oder auch kollaborativ erfolgen.

    Das letzte Szenarium ist zivilgesellschaftlich geprägt, setzt auf offene Standards, offene Schnittstellen, offene Soft- und Hardware, offene Innovation, offene Prozesse, offene Verwaltungsdaten, offenes Verwaltungshandeln etc. Beispiele, die zeigen, wie so etwas funktionieren kann, sind Open-Street-Map oder auch die Wissenschaftlergemeinde mit ihren Ansätzen zu Open-Data und Open-Access. Hier wirken offene Praxisgemeinschaften kollaborativ zusammen und erzeugen überzeugende Mehrwerte für die Allmende.

    Mit staatlich betriebenen Plattformen würden die Nutzungs- und Transaktionsdaten und auch das Nutzungsrecht an diesen Daten - dem eigentlichen Gold der Digitalisierung - in den Besitz der Allmende übergehen. Da die Staaten hier selbst die Entwicklung der Plattform steuern oder zumindest regeln und selbst auf dem Datenschatz sitzen, greifen dann auch wieder ihre Gesetze und Regelungen.

    Bei der Offenlegung der amtlichen Daten kann über geeignete Lizenzen sichergestellt werden, dass diese nicht von den privatwirtschaftlichen Plattformunternehmen in unverdienter und unfairer Weise vereinnahmt werden, um nochmal schneller zu wachsen.
    Was bisher geschah

    Die Politik hat in den letzten Jahren mehrere Gesetze auf den Weg gebracht, um die öffentliche Verwaltung digital zu transformieren. Die Verwaltung ist derzeit dabei, diese Gesetze im Rahmen ihrer Möglichkeiten umzusetzen. Die Gesetze zielen darauf ab, Bürgern und Unternehmen künftig Verwaltungsleistungen anzubieten, die sich primär an deren Situation und Bedürfnissen orientieren.

    Das Angebot und dessen Inanspruchnahme sollen sich an den Erwartungen und Erfahrungen mit anderen digitalen Angeboten orientieren. Die behördlichen Leistungen sollen verständlich und nachvollziehbar sein und sich möglichst naht- und mühelos in andere Abläufe eingliedern. Dabei soll den Bürgern und Unternehmen auch die Möglichkeit gegeben werden, sich so weit wie möglich vom behördlichen Genehmigungs- und Interpretationsvorbehalt zu emanzipieren. Die Verwaltung soll möglichst nur noch dann eingreifen, wenn Entscheidungen strittig sind oder unerwartete Ausnahmesituationen auftauchen.

    Die Bundesregierung schreibt in ihrer KI-Strategie „Wer die Standards setzt, bestimmt den Markt.“ Es ist an der Zeit, dass sich die Gesellschaft eine Meinung bildet und entscheidet, wie die Rolle des Staats im Zeitalter der Plattformökonomien aussehen soll. Wir können uns jedenfalls auf Dauer nicht nicht entscheiden, ob wir eine demokratisch legitimierte Einhegung der Plattformen haben wollen oder nicht.

    Literaturempfehlungen

    Prof. Ayad Al-Ani, Fernuniversität Hagen, Der Staat muss in Mobilitätsdienste eingreifen
    https://www.zeit.de/mobilitaet/2017-06/mobilitaetsdienstleistungen-online-plattformen-autohersteller-politik
    Prof. Dr. Stefan Baldi, Munich Business School, Regulierung in der Plattformökonomie?
    https://www.munich-business-school.de/insights/2017/regulierung-plattform-oekonomie
    Prof. Dr. Jörn von Lucke, Zeppelin Universität, In welcher smarten Welt wollen wir eigentlich leben?
    https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/0947-9856-2018-4-177/in-welcher-smarten-welt-wollen-wir-eigentlich-leben-jahrgang-24-2018-
    Dr. Holger Schmidt, Netzökonom.DE, Wert der Plattformökonomie steigt im ersten Halbjahr um 1 Billion Dollar
    https://www.netzoekonom.de/2018/06/24/wert-der-plattform-oekonomie-steigt-im-ersten-halbjahr-um-1-billion-doll
    Prof. Dr. Andreas Wagener, Hochschule Hof, Plattformökonomie als Geschäftsmodell
    https://nerdwaerts.de/2018/02/1294
    Prof. Dr. Shoshana Zuboff, Harvard Business School, Überwachungskapitalisten wissen alles über uns
    https://www.sueddeutsche.de/digital/2.220/shoshana-zuboff-ueberwachungskapitalismus-google-facebook-1.4198835
    Bundesregierung, KI-Strategie der Bundesregierung
    https://www.bmbf.de/files/Nationale_KI-Strategie.pdf
    Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Digitale Plattformen
    https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Digitale-Welt/digitale-plattformen.html
    Fraunhofer FOKUS, Kompetenzzentrum Öffentliche IT, Plattformökonomie
    https://www.oeffentliche-it.de/-/plattformokonomie

    #platform_capitalism #platform_cooperativism

  • Facebook: Gefällt mir ganz und gar nicht mehr - Digital - Süddeutsche.de
    https://www.sueddeutsche.de/digital/facebook-kritiker-1.4213203

    Facebook soll kritische Organisationen bewusst mit George Soros in Verbindung gebracht haben, den viele Konservative und Rechte antisemitisch angreifen.
    Das geht aus einer Recherche der New York Times hervor, die unter anderem offenbart, mit welchen Methoden sich Facebook gegen Kritik wehrt.
    Facebook weist einzelne Vorwürfe in Teilen zurück, lässt den Großteil des Berichts aber unwidersprochen.

  • (2)Shoshana Zuboff: „Facebook ist nicht die Dorfwiese“ - Digital - Süddeutsche.de
    https://www.sueddeutsche.de/digital/shoshana-zuboff-ueberwachungskapitalismus-google-facebook-1.4198835

    7. November 2018 - Der Überwachungskapitalismus geht davon aus, dass die private menschliche Erfahrung frei zugängliches Rohmaterial ist.

    Die großen Datenkonzerne beuten ihre Nutzer aus, sagt die emeritierte Harvard-Professorin Shoshana Zuboff. Sie erklärt, warum es so schwer ist, sich dem Überwachungskapitalismus zu entziehen.

    Shoshana Zuboff ist emeritierte Professorin der Harvard Business School und eine der bedeutendsten Kennerinnen der digitalen Welt. In ihrem neuen Buch „Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus“, mehr als 600 Seiten stark, warnt sie vor der wachsenden Macht von Google, Facebook und Co. Vor der immensen Gefahr für Demokratie und Wirtschaftsordnung, die von den Datensammlern ausgeht, für die Menschen nur noch die Quelle dieses kostenlosen Rohstoffes sind. Ihre Thesen hat sie kürzlich auf einer interdisziplinären Konferenz des „Forums Privatheit“ in Deutschland einem größeren Publikum vorgestellt.

    Frau Zuboff, Sie sagen, wir befinden uns im Zeitalter des Überwachungskapitalismus. Was macht ihn aus?

    Shoshana Zuboff: Der Überwachungskapitalismus ist eine Mutation des modernen Kapitalismus. Er geht davon aus, dass die private menschliche Erfahrung frei zugängliches Rohmaterial für die kapitalistische Produktion und den Warenaustausch ist. Zweitens kombiniert er digitale Technologien mit Strategien heimlicher Überwachung, um Verhaltensdaten aus allen menschlichen Erfahrungen zu extrahieren. Drittens nutzt er Maschinenintelligenz, um Verhaltensdaten in Verhaltensprognosen umzuwandeln - ich nenne sie „Vorhersageprodukte“. Diese Produkte werden dann an die neuen Märkte verkauft, die ausschließlich mit Prognosen über unser zukünftiges Verhalten handeln.

    Woher kommt dieser Überwachungskapitalismus?

    Google hatte Anfang der 2000er-Jahre im Online-Geschäft erste Erfolge erzielt und prognostizierte dann Klickraten für maßgeschneiderte Anzeigen. Aber die Überwachung ist mittlerweile nicht mehr auf Online-Werbung beschränkt. Die Produkte, die durch die Überwachung entstehen, werden zunehmend lukrativer als traditionelle Produkte und Dienstleistungen. Unternehmen aus allen Bereichen konkurrieren um unsere Verhaltensdaten, damit sie Vorhersagen darüber treffen können, was, wann und wie wir handeln, fühlen, wollen und kaufen werden.

    Sie schreiben, dass der Überwachungskapitalismus dem monströsen Gemetzel an Elefanten gleiche, um an das Elfenbein zu kommen. Und wir Menschen seien nicht das Produkt, also das Elfenbein, sondern der zurückgelassene Kadaver. Was meinen Sie damit?

    Es ist schwierig, unsere tatsächliche Position in dieser Konstellation zu erfassen. Zunächst wurde uns gesagt, wie glücklich wir sein könnten, dass wir kostenlose Dienstleistungen bekommen. Als wir dann erfahren haben, dass die Unternehmen Daten über uns sammeln, waren wir „das Produkt“. Und uns wurde gesagt, dass das ein fairer Tausch sei. Aber wir sind nicht das Produkt, sondern vielmehr die Quelle, das frei zugängliche Rohmaterial. Das wird wiederum zu Produkten verarbeitet, die den Interessen derer dienen, die von unserem zukünftigen Verhalten profitieren.

    Inwiefern?

    Dies ist schwer zu verstehen, weil diese Operationen geheim und kaum zu entschlüsseln sind. Aber auch deshalb, weil eine solche parasitäre Entwicklung die Grundlage für einen lukrativen Kapitalismus des 21. Jahrhunderts geworden ist. Es gibt nun eine beispiellose Konzentration von Wissen und Macht, die frei von demokratischer Kontrolle ist und unsere individuellen Einflussmöglichkeiten übersteigt. Der Überwachungskapitalismus baut auf historisch unvorstellbaren Wissensasymmetrien auf. Überwachungskapitalisten wissen alles über uns. Wir wissen sehr wenig von dem, was sie tun oder was sie wissen. Sie nutzen ihren Wissensvorsprung, um unser Verhalten zu beeinflussen. Das ist eine völlig neue Art von Macht.

    Was unterscheidet den Überwachungskapitalismus vom Industriekapitalismus, wie wir ihn kennen?

    Der Kapitalismus im 19. und frühen 20. Jahrhundert und die Bevölkerung dieser Zeit waren voneinander abhängig. Menschen waren Arbeiter und Kunden dieses Systems. In dieser Hinsicht war dieser Kapitalismus - mit all seinen Schrecken - ein Kapitalismus für uns. Im Überwachungskapitalismus sind wir dagegen kaum noch Kunden oder Angestellte, sondern in erster Linie Rohstoffquellen ...

    ... die ständig ausgebeutet werden?

    Der Überwachungskapitalismus beobachtet uns, um datenbasierte Vorhersagen über unser Verhalten zu entwickeln, die den tatsächlichen Kunden zugutekommen. Das sind Werbetreibende, Einzelhändler, Gesundheitsdienstleister, Versicherer, Finanzdienstleister und so weiter. Diese Mutation des Kapitalismus verbreitete sich schnell aus dem Silicon Valley in alle Wirtschaftsbereiche.

    Der Widerstand gegen diese Form der Überwachung ist bislang nicht sehr groß. Sehen wir die Gefahren nicht?

    Umfragen zeigen, dass die Mehrheit in den USA und Europa diese Überwachung ablehnt. Trotzdem fällt es den meisten Menschen schwer, sich von den digitalen Produkten und Dienstleistungen der Überwachungskapitalisten zurückzuziehen. Ein Grund ist die Abhängigkeit. Es geht ja um Kanäle, auf die wir uns verlassen, für tägliche Logistik, soziale Interaktion, für Arbeit, Bildung und Gesundheitsfürsorge, Zugang zu Produkten und Dienstleistungen.

    Warum diese Abhängigkeit?

    Es gibt keinen Ausweg aus Prozessen, die absichtlich so gestaltet sind, dass sie das individuelle Bewusstsein umgehen und auf die wir für ein effektives tägliches Leben angewiesen sind. Diese Abhängigkeit ist ein klassischer faustischer Pakt, dieser Konflikt betäubt unsere Psyche. Darauf reagieren wir dann wiederum mit resigniertem Zynismus oder Abwehrmechanismen und sagen zum Beispiel: „Ich habe nichts zu verbergen.“ Der Überwachungskapitalismus lässt die Menschen des 21. Jahrhunderts in ihren Ketten tanzen.

    Wie konnte das passieren?

    Wir sind in die Falle des Überwachungskapitalismus geraten, weil er ohne Beispiel ist. Ich vergleiche das mit den Ureinwohnern der Karibik, die die spanischen Eroberer gastfreundlich begrüßten. Das noch nie Dagewesene hinderte sie daran, sich eine Zukunft in Unterwerfung oder Todesangst vorzustellen. Es gibt immer eine Tendenz, das, was ohne Beispiel ist, durch die Linse der bereits gemachten Erfahrung zu interpretieren. Google ist keine Bibliothek, Facebook nicht die Dorfwiese. Sie sind mächtige Akteure mit Einfluss und Kontrolle.

    Es gelang damals, die schlimmsten Auswüchse des Industriekapitalismus einzudämmen - kann das mit dem Überwachungskapitalismus nicht auch gelingen?

    Ja, auch wenn die damaligen Vertreter argumentierten, dass keine Gesetze erforderlich seien, dass die Gesetze von Angebot und Nachfrage ausreichten. Aber sowohl in Europa als auch in den USA reagierten die Demokratien rechtzeitig mit Gesetzen und Vorschriften, die den Industriekapitalismus dazu zwangen, sich den Interessen der Gesellschaft zu beugen, und dies legte den Grundstein für unsere relativ erfolgreichen Marktdemokratien des 20. Jahrhunderts.

    Was ist zu tun?

    Arbeitnehmerrechte, Gewerkschaften, Arbeitszeiten, Mindestlöhne, ein Verbot von Kinderarbeit - diese und viele andere Errungenschaften erforderten jahrzehntelange soziale und politische Kämpfe. Wir werden diesen Prozess der Zähmung wieder durch demokratischen Druck und mit Entschlossenheit durchführen müssen. Wir stehen am Anfang eines ähnlichen Kampfes.

    In der EU gibt es Ideen und Überlegungen, Google, Facebook und Co. stärker zu regulieren oder gar zu zerschlagen.

    Nach den Maßstäben des 20. Jahrhunderts sind diese Unternehmen immer noch klein. General Motors beschäftigte auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise mehr Menschen als Google auf dem Höhepunkt seiner Marktkapitalisierung. Wenn wir von einer Zerschlagung dieser Firmen sprechen, muss es um die Konzentration der Daten gehen. Die einzige Möglichkeit ist, die spezifischen Mechanismen des Überwachungskapitalismus, die diese Datenkonzentrationen produzieren, zu unterbrechen oder auch zu verbieten. Das wären Eingriffe, die weit über das heutige Kartellrecht hinausgehen.