Aufschwung mit verstecktem Sparkurs - Portugals kleines Wirtschaftswunder

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  • Gibt es ein portugiesisches Wunder? | Telepolis
    https://www.heise.de/tp/features/Gibt-es-ein-portugiesisches-Wunder-3988243.html

    Im Vergleich mit dem rechten Spanien zeigen sich die Erfolge der portugiesischen Linksregierung besonders deutlich

    Inzwischen spricht auch der deutsche Mainstream davon, dass sich Portugal unter der Linksregierung „vom Sorgenkind zum Paradebeispiel“ entwickelt hat. Das war lange anders, als das Land unter der neuen Regierung miesgemacht wurde, weil es sich von der Austeritätspolitik verabschiedete. Doch die portugiesische Wirtschaft verzeichnete im Jahr 2017 ein Wachstum von 2,7%, das ist das stärkste Wachstum des portugiesischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) in diesem Jahrhundert. Das hat das portugiesische Statistikamt (INE) bestätigt.

    Aufschwung mit verstecktem Sparkurs - Portugals kleines Wirtschaftswunder
    https://www.deutschlandfunk.de/aufschwung-mit-verstecktem-sparkurs-portugals-kleines.724.de.html?dr

    Das Ende der Sparpolitik als Wahlkampfthema

    Für die Publizistin Clara Ferreira Alves gibt es einen Grund, warum es den Portugiesen jetzt wieder sehr viel besser geht: Das Land, so Alves, habe sich von der harten Sparpolitik befreit.

    „Für die Probleme in den südeuropäischen Ländern hat es seit 2011 nur einen Lösungsansatz gegeben: Eine Zwangs-Spar-Politik, die gleichzeitig als Bestrafung wahrgenommen wurde. Die Sparmaßnahmen haben in Portugal – wie auch in Griechenland und anderen Staaten – die ärmste Bevölkerungsschicht hart getroffen und gebrandmarkt. Mit schweren Konsequenzen: Vor allem die ewige Rede von der Sparpolitik – erniedrigte die ganze Wirtschaft, ließ den Konsum einbrechen und machte die Völker depressiv. Und ein depressives Volk ist weder produktiv noch wettbewerbsfähig.“

    Bei den Parlamentswahlen im Oktober 2015 stützten die Sozialisten, die damalige größte Oppositionspartei, ihren Wahlkampf deshalb auf ein ganz simples Motto: Das Ende der Sparpolitik. Dennoch fehlten der konservativen Regierung nur wenige Prozentpunkte zur Wiederwahl, weil die ersten Anzeichen des Wirtschaftsaufschwungs bereits zu spüren waren. Sozialistenchef António Costa griff tief in die Trickkiste der Demokratie, um schließlich doch Premierminister zu werden: Er formte eine Minderheitsregierung, gestützt auf drei kleinere, komplett regierungs-unerfahrene Linksparteien, die gegen den EU-Stabilitätspakt waren.

    Portugal ǀ „Die Austerität ist eine große Lüge“ — der Freitag
    https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/die-austeritaet-ist-eine-grosse-luege

    der Freitag: Frau Martins, wie beurteilen Sie die Bilanz der letzten zwei Jahre?

    Catarina Martins: Wir haben den Menschen einen Teil ihrer krisenbedingt verlorenen Einkommen und Gehälter zurückgegeben, und gezeigt, dass es möglich ist, die Rechte der Menschen zu verteidigen, mehr Gerechtigkeit zu schaffen und zugleich die Wirtschaft anzukurbeln. Überall hieß es, die wirtschaftliche Situation Portugals würde ein Ende der Austerität nicht zulassen, aber das hat sich als falsch herausgestellt. Und das war ja von Anfang an die Position des Bloco de Esquerda: Die Inlandsnachfrage der Familien ist notwendig, damit die Wirtschaft sich erholen kann. Anhand der letzten Kerndaten stellen wir fest, dass genau das passiert ist.

    Was lief weniger gut?

    In vielen Bereichen ist es sehr schwierig, gegenüber der Vorgängerregierung einen echten Kurswechsel durchzusetzen. Das betrifft all jene Bereiche, in denen eine informelle große Koalition des Zentrums weiter das Sagen hat, dieselbe, die auch den Rest Europas beherrscht: eine Koalition aus Konservativen und Sozialdemokraten.

    Bloco de Esquerda – Wikipedia
    https://de.wikipedia.org/wiki/Bloco_de_Esquerda

    Der Bloco de Esquerda (BE) [’blɔku də ’(ɨ)ʃkerdɐ] Audio-Datei / Hörbeispiel anhören?/i, (portugiesisch: Linksblock) ist ein portugiesisches Parteienbündnis in Form einer politischen Partei.

    Portugal: Mit links aus der Krise | Blätter für deutsche und internationale Politik, November 2017
    https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2017/november/portugal-mit-links-aus-der-krise

    Costa gewann also eine Atempause. Ihm wurde eine Chance zuteil, die Alexis Tsipras in Griechenland nie bekam. Dessen Syriza-Regierung hatte die Konfrontation gesucht und dafür keine Verbündeten gefunden. Am Ende wurde an ihr ein Exempel statuiert, bevor sie überhaupt zeigen konnte, ob ihr ökonomischer Ansatz Früchte getragen hätte. Den Beweis, dass eine andere Wirtschaftspolitik sehr wohl funktionieren kann, erbrachte wenig später der diplomatischere António Costa.

    Seine Regierung setzte von Beginn an darauf, die Wirtschaft durch eine steigende Binnennachfrage zu beleben. Dazu begann sie schrittweise, die Kürzungen ihrer Vorgänger zu revidieren, etwa bei Renten und Familienbeihilfen. Auch den Mindestlohn hob sie in zwei Schritten an, von 505 auf 557 Euro im Monat. Zudem wurde die Privatisierung öffentlicher Infrastruktur gestoppt. Außerdem soll der öffentliche Dienst zur 35-Stunden-Woche zurückkehren. Costa will keinen Unterbietungswettbewerb bei den Beschäftigungsbedingungen führen: „Die Idee, dass die Produktivität mit mehr Arbeitsstunden steigt, setzt einen falschen Anreiz. Stattdessen müssen wir den Wert unserer Güter und Dienstleistungen erhöhen.“[5]

    Das Ergebnis gibt ihm recht: Lag die Arbeitslosigkeit bei seinem Amtsantritt noch bei über 12 Prozent, so ist sie 2017 erstmals seit acht Jahren unter die 10-Prozent-Marke gefallen. Bis 2019 wird gar ein Rückgang auf 7 Prozent erwartet.[6] Die Wirtschaft ist um 2,5 Prozent gewachsen und damit stärker als der Eurozonendurchschnitt (1,9 Prozent). Zwar profitiert Portugal neben steigenden Exporten erheblich von einem Rekordzustrom an Touristen, die dem sicheren Reiseziel den Vorzug vor Nordafrika oder der Türkei geben. Entscheidend ist aber, dass die Regierung die Kaufkraft gestärkt und zudem den wichtigen Dienstleistungssektor entlastet hat, etwa durch einen reduzierten Mehrwertsteuersatz für Hotels und Gaststätten. Das und der langsam wiederkehrende Optimismus machen das Land attraktiver – zunehmend auch für ausländische Investoren.

    Inzwischen ist der Aufschwung so stabil, dass Unternehmerverband und Regierung gemeinsam um die Rückkehr junger, gut gebildeter Emigranten werben. In den Krisenjahren hatten rund 500 000 Menschen Portugal in Richtung europäisches Ausland oder portugiesischsprachiger Länder wie Angola und Brasilien verlassen. Bis zu 100 000 sollen nun zurückgewonnen werden.[7]

    Bei alldem hat die Regierung ein weiteres Ziel erreicht: Das Haushaltsdefizit erfüllt die Vorgaben der Eurozone. Mehr noch: 2016 war die Neuverschuldung mit 2,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes die niedrigste seit 42 Jahren, und dieses Jahr soll sie gar auf 1,5 Prozent sinken. Das Land ist einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung deutlich nähergekommen und zerstreut Befürchtungen über ein zweites europäisches Kreditpaket. Die Regierung widerlegt zudem all jene Eurokritiker – auch im eigenen Land –, die eine soziale Politik innerhalb der Währungsunion für undenkbar halten.

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