Wie Regierungen und Firmen mit unseren digitalen Doppelgängern umgehen

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  • Data Doubles: Wie Regierungen und Firmen mit unseren digitalen Doppelgängern umgehen
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    Algorithmische Staatsbürgerschaft und digitale Staatenlosigkeit: Zum Projekt “Citizen Ex”
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    Staatsangehörigkeitsrecht ist eigenartig und komplex, mit einer Reihe von Ausnahmen und Auslassungen, die die gemeinhin gültige Ansicht, dass eine Staatsbürgerschaft im Globalen Norden etwas Stabiles und Absolutes ist, untergräbt. So ist zum Beispiel im Vereinten Königreich die Staatsbürgerschaft erst seit dem frühen 20. Jahrhundert juristisch definiert, und die Geschichte ihrer Definition ist in erster Linie eine des Ausschlusses und der Aberkennung. Denn zunächst trachtete der britische Staat danach, seine Grenzen zu stärken. Danach wurden die früheren (und nun nicht mehr britischen) Untertanen vom Festland vertrieben. Und schließlich “entledigte” man sich jener Menschen, deren scheinbar abscheuliches Verhalten dazu führte, ihnen rechtsstaatliche Verfahren zu versagen. Wie Hannah Arendt in einem berühmt gewordenen Satz sagte: Staatsbürgerschaft sei “das Recht, Rechte zu haben”. Eine Garantie, auf der alle anderen Schutzmaßnahmen beruhen. Daher lohnt es sich, das Staatsbürgerschaftsrecht und seine Anwendungen genauer zu betrachten – als Lackmutest für demokratische Freiheiten.

    Neue Formen der Staatsbürgerschaft im Netz

    Heute gerät das Konzept der Staatsbürgerschaft zunehmend unter Druck. Einer der Orte, an denen man das besonders gut beobachten kann, ist das Internet. Im Netz mit seinen scheinbar grenzenlosen Weiten, fließen Information und Daten fast ohne Einschränkungen über die Grenzen hinweg, von Staat zu Staat. Als Staatsbürger werden unsere Rechte und Absicherungen immer weniger unseren physischen Körpern zugeordnet, sondern unseren digitalen Profilen. Also jenen Datensätzen, die unsere Stellvertreter geworden sind hinsichtlich unserer Beziehungen zu Staaten, Banken und Firmen. Somit entstehen an transnationalen, digitalen Knotenpunkten neue Formen der Staatsbürgerschaft.

    “Ius algoritmi” ist ein Begriff, den John Cheney-Lippold prägte, um damit eine neue, vom Überwachungsstaat hervorgebrachte, Staatsbürgerschaft zu beschreiben.

    Digitale Schnitte: Warum und auf welche Art wir uns von unseren Data-Doubles trennen sollten
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    Digitale Schnitte können Data Doubles und Datenschatten von verkörperten Subjekten abtrennen oder Schnitte oder Teilungen innerhalb von Data Doubles vollziehen und sie in Datenflüsse verwandeln. Mit dem Konzept der digitalen Schnitte lassen sich sowohl Phänomene beschreiben, in denen diese Aufspaltungen willentlich und wissentlich vonstatten gehen, als auch solche wie die Einspeisung biometrischer Information in Datenbanken der Migrationskontrolle, bei denen von Freiwilligkeit keine Rede sein kann.

    Digitale Schnitte können von menschlichen und nicht-menschlichen AkteurInnen (wie künstlichen Intelligenzen) durchgeführt werden. Mithilfe der Schnitte können Fleisch-Technologie-Informations-Amalgame verschiedenen rechtlichen, technologischen oder biopolitischen Regimen untergeordnet und in deren jeweiligen Logiken weiterverarbeitet werden. Neben landläufigen Akzentuierungen von Hybridität oder Amalgamierung gilt es ebenso zu untersuchen, wo und mit welchen Konsequenzen diese Kopplungen wieder aufgebrochen werden: In manchen Fällen, wie z. B. den quer durch Europa reisenden biometrischen Daten in Hotspots festsitzender MigrantInnen, bleibt mit dem Schnitt eine Referenz auf ein konkretes Individuum erhalten, in anderen, wenn z.B. Potenzialitäten verhandelt werden, ist die Loslösung von konkreten Subjekten programmatisch.

    Antiterrorbekämpfung mittels „risk alerts“ kann hierfür als Beispiel gelten: In deren Rahmen können spezifische Nachnamen, die Religionszugehörigkeit, Sprachkenntnisse oder Reiserouten etc. zu Risikopotenzialen werden. Es sind daher nicht konkrete Individuen, die im Namen von Sicherheit fokussiert werden, sondern fragmentierte Elemente eines angeblichen Risikos. Das potenziell gefährliche, dividuierte Subjekt wird also aus einem Amalgam von Teilelementen anderer Subjekte und Objekte zusammengesetzt, wie Louise Amoore betont.

    In einigen Situationen erweisen sich die Schnittstellen zwischen verkörpertem Subjekt und Data Double gleichzeitig auch als Schnitt-Stelle, als Instanz, die Schnitte durchführt, in anderen – z. B. bei der geheimdienstlichen Überwachung oder der Social-Network-Analyse der Drohnenkriege – haben Interfaces wie soziale Medien selbst wenig mit den Schnitten zu tun. Teilweise liegen agentische Schnitte in der Eigenlogik der jeweiligen Technologien begründet, z. B. entstehen die von Bridle beschriebenen algorithmischen StaatsbürgerInnenschaften aus der Logik des Routings heraus. Ihre Auswirkungen reichen von existenzbedrohenden Einschnitten in die Gestaltbarkeit des einzelnen Lebens bis hin zur banalen Film- oder Produktempfehlung auf Netflix oder Amazon.

    #politique #internet #état #nationalité