• Mord im Auftrag des Staates ? Zum Tod des Verlegers Giangiacomo Feltrinelli
    https://www.sueddeutsche.de/kultur/zum-tod-des-verlegers-giangiacomo-feltrinelli-mord-im-auftrag-des-staat

    Ernest Moret des éditions La Fabrique vient d’avoir du bol. On ne l’a qu’interrogé dans des circonstance désagréables. On n’octroie pas à tous les éditeurs de gauche nun tel traitement de faveur.

    12.3.2012 von Henning Klüver - Ein Toter in einem Hochspannungsmast in der Lombardei - und zahlreiche Ungereimtheiten. Nachdem der italienische Verleger Giangiacomo Feltrinelli 1972 tot aufgefunden wird, landet der Fall schnell bei den Akten. Nun gibt es neue Indizien, die den Verdacht erhärten, dass der Mann, der Rudi Dutschke pflegte und Che Guevara nach Italien lotsen wollte, von Geheimdiensten ermordet wurde.

    Vor 40 Jahren, am 14. März 1972, fand man die Leiche des Mailänder Verlegers Giangiacomo Feltrinelli unter einem Hochspannungsmast in Segrate, einem kleinen Ort in der Peripherie der lombardischen Metropole. Eine eilig abgeschlossene gerichtliche Untersuchung kam zum Schluss, Giangiacomo Feltrinelli sei bei dem Versuch, den Mast zu sprengen, selbst ums Leben gekommen.

    Dass Feltrinelli italienischen Terroristen nahestand, war bekannt: Der Verleger, der 1967 vergeblich nach Bolivien gereist war, um Che Guevara nach Italien zu holen, hatte sich im aufgeputschten Klima jener Jahre politisch radikalisiert und die Untergrundgruppe GAP ("Gruppe der Partisanenaktion") gegründet. Gerüchte, dass Feltrinelli nicht durch einen Unfall ums Leben gekommen war, sondern Opfer eines Mordanschlags geworden war, gab es sofort, und sie wollten auch nicht verstummen.

    Vierzig Jahre nach dem Tod haben diese Gerüchte neue Nahrung bekommen. Die Tageszeitung Corriere della Sera hat gerade in seinem Wochenmagazin „Sette“ ein medizinisches Gutachten veröffentlicht, das damals unterdrückt worden war. Danach ließen Verletzungen am Kopf und am Körper des Toten auf einen „Angriff von hinten“ schließen. Zugleich bekundeten die Mediziner, unter anderem auf Grund der nur leichten Wunden an den Händen, starke Zweifel an der offiziellen Version, eine selbstverschuldete Bombenexplosion habe Feltrinelli getötet. Wie der Corriere berichtet, wurden die polizeilichen Untersuchungen am Tatort von einem Carabinieri-Offizier durchgeführt, der, wie sich jetzt erst heraus gestellt hat, zugleich Mitglied des militärischen Geheimdienstes SID war.
    Staatsanwalt seines Amtes enthoben

    Der Staatsanwalt, der damals die Untersuchungen begonnen hatte, wurde nach nur wenigen Tagen wegen angeblicher „Linkslastigkeit“ seines Amtes enthoben und durch den damals jungen, unerfahrenen Guido Viola ersetzt. Dieser will inzwischen eine Verwicklung der Geheimdienste und der (1982 verbotenen) politischen Geheimloge „P2“ in den Tod Feltrinelli nicht mehr ausschließen. Dass sich die Geheimdienste für den Verleger interessierten, belegt auch ein Dokument des CIA. Führende Köpfe des SID hatten ihn als „ein Element“ bezeichnet, das zu „eliminieren“ sei.

    Feltrinelli selbst hatte kurz vor seinem Tod den Verdacht geäußert, „dass mich der Mossad umbringen wird“. Der israelische Geheimdienst, so beschreiben jüngste Veröffentlichungen wie „Mossad Base Italia“ von Eric Salerno (Verlag Il Saggiatore), hatte in Italien sowohl die rechte wie auch die linke Terrorszene unterwandert und sogar eine Einheit in Mailand gebildet. Feltrinelli, der mit Palästinensergruppen nicht nur sympathisierte, sondern sie möglicherweise auch finanziell unterstützte, galt dem Mossad bereits länger als Feind. Und der Chef der Gegenspionage des SID, General Gianadelio Maletti, so berichtet der Corriere jetzt, habe in enger Partnerschaft mit den Israelis gearbeitet. Die Protestbewegung jener Jahre bezeichnet denn auch den Tod des Verlegers „als Mord im Auftrag des Staates“.

    Sein Tod, so erinnert sich heute der Journalist und Publizist Antonio Ferrari, war auch ein Schock für die bürgerlichen Kreise der Stadt gewesen. Die Feltrinelli waren immerhin so etwas wie die Buddenbrooks von Mailand gewesen. Als Giacomo Feltrinelli, der Gründer dieser Dynastie von Händlern und Bankiers, im Jahr 1913 starb, galt er als der reichste Mann Mailands. Am Gardasee hatte er sich eine Villa bauen lassen, die ein Schloss war (und später, zu den Zeiten der Republik von Salò, Mussolini als Amtssitz diente). Der Wirtschaftshistoriker Luciano Segreto hat gerade den Band „I Feltrinelli“ (Die Feltrinelli) veröffentlicht, in dem er, so der Unteruntertitel, die „Geschichte einer Unternehmerdynastie 1854-1942“ beschreibt.
    Rudi Dutschke in Mailand gepflegt

    Die Krise des Unternehmens kam unter Mussolini, aber politische Gründe spielten wohl keine Rolle. Carlo Feltrinelli, das damalige Oberhaupt der Familie in dritter Generation, starb relativ jung 1935 mit 54 Jahren. Er hatte sich vermutlich das Leben genommen. Einige Geschwister waren bereits gestorben oder suchten als Künstler ein alternatives Leben. Dennoch blieben die Feltrinelli Milliardäre. Der 1925 geborene Giangiacomo Feltrinelli konnte 1946 als Volljähriger drei Viertel des Erbes antreten, ein Viertel fiel an seine Schwester Antonella. Er gründete 1949 das heute noch bestehende Studienzentrum für die Geschichte der Arbeiterbewegung, im Jahr 1954 folgte der Verlag. Die Privatbank kontrollierte er bis 1968.

    Als Verleger sicherte er sich die Weltrechte an „Doktor Schiwago“, mit Tomasi di Lampedusas „Gattopardo“ landete er einen weiteren Weltbestseller und hatte außerdem mit Texten von Nehru Erfolg. Politisch engagiert, von der KPI wegen der Pasternak-Veröffentlichung als Linksabweichler ausgestoßen, ließ er unter anderem Rudi Dutschke in Mailand pflegen. Anfang der siebziger Jahre ging er in den Untergrund, nachdem er seiner Frau Inge den Verlag übergeben hatte.

    Das Jahr 1972, in dem Feltrinelli starb, war in Italien durch eine Reihe von politischen Morden (unter anderem an Luigi Calabresi, dem Chef der politischen Polizei Mailands) sowie links- wie rechtsradikalen Terroranschlägen geprägt. Die Bewertungen der politischen Hintergründe des Terrors sind bis heute umstritten, widersprüchliche Urteile der Justiz haben zudem einen Nebel um die Vorgänge gelegt, in dem es schwer ist, vierzig Jahre danach mehr als Spuren zu erkennen, die sich nicht in Vermutungen verlieren. Dass nun neue Akten zum Tod Giangiacomos Feltrinelli ans Tageslicht kommen, die den konspirativen Charakter seines Endes bestätigen, während gleichzeitig die Familiengeschichte aufgearbeitet wird, deutet zumindest darauf hin, dass sich dieser Nebel bald lichten wird.

    • Frankreichs Islam-Debatte - Die Laizität muss bleiben, die Liberalität muss gehen

      Im Angesicht des islamistischen Terrors wird in Frankreich erregt darüber diskutiert, wie sich das laizistische Prinzip durchsetzen lässt. Zur Debatten stehen neue Verbote von Kopftuch und Schleier, zudem wird die Linke schuldig gesprochen, weil sie zu vieles toleriert habe.

      Eine Podcast-Serie der katholischen Tageszeitung La Croix befasst sich mit dem „Platz der Religionen“. Darin kommt auch Marlène Schiappa zu Wort, rechte Hand des Innenministers und zuständig für das Thema „Staatsbürgerschaft“. Im – vor den jüngsten Attentaten aufgezeichneten – Interview äußert sich Schiappa zur „laicité“.

      „Ich bin seit langem davon überzeugt, dass die Laizität nichts ist, das spaltet oder trennt. Ich denke, sie ist genau das Gegenteil: Die Laizität ist der Zement der Staatsbürgerschaft. Das Laizitäts-Prinzip soll zusammenzuführen.“

      Schreckbild Kommunitarismus

      Ein hehrer Wunsch – vor allem angesichts der aktuellen Lage im Land: Die Frage, wie die Laizität durchgesetzt werden kann, sorgt für endlosen Streit. Befeuert wird der auch von Regierungsmitgliedern.

      Dass die strikte Neutralität des Staats gegenüber den Religionen eine Säule der Laicité ist, scheint der Pariser Innenminister, dem auch der Kultusbereich untersteht, übersehen zu haben. Gérald Darmanin erklärte, kurz nach der Ermordung des Geschichtslehrers Samuel Paty, im TV-Infokanal BFM die Stände mit Halal-Produkten zum Problem:

      „Es hat mich schon immer schockiert, zu sehen, dass in großen Supermärkten ein Regal mit kulinarischen Spezialitäten einer community steht und daneben die einer anderen. Ich meine: So fängt es doch an mit dem Kommunitarismus.“

      Kommunitarismus meint hier den Rückzug aus der Gesellschaft in die Gemeinschaft der Gleichgesinnten – ein Schreckbild. François Fillon, glückloser konservativer Kandidat im Präsidentschaftswahlkampf 2017, fordert ein Schleier – und Kopftuch-Verbot im öffentlichen Raum. Die Ganzkörperverschleierung ist seit 2010 untersagt. Und schon seit 2004 dürfen Kinder und Jugendliche auf dem Schulgelände nicht mehr sichtbar Merkmale religiöser Zugehörigkeit tragen.
      Streit um religiöse Symbole

      Fillon ist nun für eine Ausweitung der Verbotszone. So sollen – und das wünscht auch Bildungsminister Blanquer seit langem – verschleierte Mütter nicht mehr als ehrenamtliche Helferinnen an Schulausflügen teilnehmen dürfen. Auch in öffentlichen Einrichtungen mit Publikumsverkehr und an den Universitäten will Fillon keine religiösen Symbole mehr sehen. Ähnliches fordert auch François Baroin, der als potenzieller Kandidat der Konservativen bei der nächsten Präsidentschaftswahl gilt. Marine Le Pen, Chefin des rechtsextremen Rassemblement National, geht bei einer Pressekonferenz nach dem Paty-Attentat noch weiter.

      „Die Laizität, Grundpfeiler des zivilen Friedens, muss eingesetzt werden, um den öffentlichen Raum von der maßlosen religiösen Aneignung zu befreien, die ihren Ausdruck unter anderem in Kopftuch und Schleier findet, um nicht-akzeptablen Forderungen vorzubeugen, um kommunitaristischen Auswüchsen etwas entgegenzusetzen.“

      Und zum öffentlichen Raum zählt für Le Pen auch die Straße. Zudem fordert die rechtsextreme Politikerin Sondergesetze, für den „Krieg gegen den Islamismus“.

      Kampfbegriff „Islamo-Gauchisme“

      Für anhaltenden Wirbel allerdings sorgt Bildungsminister Jean-Michel Blanquer mit einem Interview im Privatradio Europe 1.

      „Unsere Gesellschaft war viel zu durchlässig für gewisse Geisteshaltungen.“

      Auf Bitte der Moderatorin wird Blanquer konkret.

      „Es geht um das, was man im allgemeinen ‚Islamo-Gauchisme‘ nennt. Der sorgt für verheerende Schäden, an den Hochschulen, beim Studierenden-Verband UNEF. Bei der linksextremen Partei La France insoumise, wo einige hervorkehren, dass sie diesen Geistes Kind sind.“

      Blanquer kritisiert die UNEF, den größten Studierenden-Verband, weil dessen Vize-Präsidentin kürzlich zu einer Anhörung im Parlament mit Kopftuch erschienen war. Jean-Luc Melenchon und den Seinen von La France insoumise unterstellt er, sie würden islamistische Umtriebe negieren. Und Dozenten und Forschern kreidet der Bildungsminister deren Arbeiten zum Thema Entkolonialisierung an. Per Communique widersprach die Hochschulrektoren-Konferenz aufs Energischste, vom „Islamo-Gauchisme“ unterlaufen zu sein. Letzten Samstag druckte die Tageszeitung Le Monde allerdings einen Text von 100 prominenten Akademikern – pro Blanquer.

      „Der Begriff ‚Islamo-Gauchisme‘ hat eine eigene Geschichte und stand anfangs für gewisse Realitäten.“

      Jean-Yves Pranchère ist Professor für Politik-Theorie an der Freien Universität Brüssel und beschäftigt sich seit langem mit dem Begriff „Islamo-Gauchisme“. Ein Wort mit eher verwirrender Aussage. „Gauchisme“ bedeutet Linksextremismus. Doch ob „Islamo“ für Islam steht oder für Islamismus, bleibt unklar.

      Öffentlich eingebracht wurde die Wortschöpfung 2002, von Politologe Pierre-André Taguieff. Der linke Denker meinte damit, dass Islamisten auch als Befreier gesehen werden könnten. Jean-Yves Pranchère:

      „Es gibt linke Splittergruppen, die anti-kapitalistisch, anti-imperialistisch, anti-israelisch sind und die einräumen, dass der Islamismus nicht immer der Hauptfeind ist, sondern dass man auch teils Seite an Seite gegen diktatorische Staaten kämpfen kann, gegen imperialistische Relais, die damals immer amerikanisch waren.“

      Sehr bald wurde das Wort zum Kampfbegriff in rechtsextremen Kreisen. Als „Islamo-Gauchiste“ gilt heute jedermann, dem eine zu laxe Haltung zu Menschenrechtsverletzungen in Namen des Islam vorgeworfen wird. Damit wird auch ein Laizitäts-Konzept kritisiert, das angeblich zu nachsichtig mit dem Kommunitarismus sei, weil kulturelle Eigenheiten geduldet werden. Jeder Bürgermeister, der in der Schulkantine neben Schweinebraten alternativ ein Halal-Menü anbieten lässt, macht sich aus Sicht der Rechten des „Islamo-Gauchisme“ verdächtig. Dass nun, nach den Attentaten im Oktober, auch Bildungsminister Blanquer sich, wie viele andere ebenso, des Begriffs bedient, sei, meint Politologe Pranchère, einfach zu erklären.

      „Im aktuellen Kontext wird der Begriff ganz klar als Ablenkungsmanöver eingesetzt, als Mittel, um nicht davon zu sprechen, was politisch, sozial, im Erziehungswesen, strukturell schief läuft, wie beim grauenhaften Attentat auf den Geschichtslehrer offensichtlich wurde. Der Begriff dient dazu, Sündenböcke zu bestimmen, er ist derzeit in inflationärer Weise im Umlauf.“

      Ideologisch statt liberal

      Philippe Portier, renommierter Religions-Soziologe und Laizitäts-Experte, sieht die derzeitige Stimmung im Land mit Sorge. Er fürchtet, dass die Liberalität einem ideologischen Laizismus weichen muss.

      „Die Laizitäts-Debatten sind viel schärfer, aggressiver als früher. Heute sind die Anhänger einer strikten Auslegung der Laizität sehr zahlreich und haben es geschafft, ihren Einflussbereich auszuweiten. Es ist sehr schwierig geworden, noch Anhänger eines liberalen Kurses zu finden. Ganz so, als sei ein Damm gebrochen.“

      La Gauche, Frankreichs linkes Parteienspektrum, seit Jahren heillos zersplittert, steht dieser Tage öffentlich am Pranger: Um Frankreichs Muslime nicht zu stigmatisieren, hätte sie Kommunitarismus bis hin zu islamistischen Umtrieben freien Lauf gelassen. Auch wenn der pauschale Vorwurf zu hart ist – die Linke schwankt nun zwischen Selbstzerfleischung und Umdenken. Portier:

      „Die Linke wollte immer den Muslimen nahestehen. Heute aber verlangt die öffentliche Meinung, dass die Linken den Muslimen nicht mehr nahe seien. Das erklärt, warum es für sie heute so schwierig ist, einen neuen Diskurs zu entwickeln. Finden tut sie den, indem sie massiv auf eine restriktive Laizitäts-Linie umschwenkt.“

      Und damit in gewissem Sinne ihr politisches Erbgut verrät: Das Gesetz, mit dem 1905 die strikte Trennung von Staat und Kirche eingeführt wurde, war ein Werk der Linken. Sie setzten auf den Geist des Konsenses – und nicht auf Unnachgiebigkeit. Hinzu kommt heute: Die große Mehrheit der einheimischen Muslime wählt links.

      Experte Philippe Portier spricht noch einmal die verschiedenen Laizitäts-Ansätze an.

      „Da geht es um sehr unterschiedliche Sichtweisen der Demokratie. Auf der einen Seite eine Demokratie, die Pluralität in all ihren Ausdrucksformen akzeptiert. Und auf der anderen Seite eine Demokratie, die im Rahmen einer gemeinsamen Verstandesnorm wesentlich mehr darauf besteht, Verhalten uniform zu gestalten.“

      Frankreich stehe derzeit an einem Wendepunkt, meint Portier. Am 9. Dezember, exakt 115 Jahre nachdem die strikte Trennung von Staat und Kirche eingeführt wurde, soll im Pariser Ministerrat ein Gesetzesprojekt zum Kampf gegen den islamistischen Separatismus präsentiert werden. Dessen Arbeitstitel: „Gesetzesprojekt zur Verstärkung der Laizität und der republikanischen Prinzipien.“

      „Ich hoffe sehr, dass Staatspräsident Macron den restriktiven Elan auszubremsen vermag. Dass er nichts entscheidet, solange die Emotionen so hoch gehen. Aber ich muss eines festhalten: Die Lage ist derzeit überaus heikel für die Verfechter eines liberalen Laizitäts-Modells.“

      https://www.deutschlandfunk.de/frankreichs-islam-debatte-die-laizitaet-muss-bleiben-die.886.de.html

    • Frédérique Vidal

      Frankreichs Ministerin für Hochschule und Forschung stürzt sich in ideologische Grabenkämpfe.

      „Islamo-Gauchisme“, Islamo-Linke - wer diesen Begriff verwendet, kann sich sicher sein, in Frankreich viel Aufmerksamkeit zu bekommen. Und so geht es nun auch der Ministerin für Hochschule und Forschung, Frédérique Vidal. Vergangene Woche sprach sie zunächst in einem Fernsehinterview davon, dass der „Islamo-Gauchisme“ die „Gesellschaft vergifte“ und damit auch die Universitäten. Vor der Nationalversammlung legte die Ministerin dann nach: Sie forderte eine Untersuchung, um zu klären, inwieweit der „Islamo-Gauchisme“ dazu führe, dass bestimmte Recherchen verhindert würden. Zudem solle untersucht werden, wo an den Universitäten „Meinungen und Aktivismus“ statt Wissenschaft gepflegt würden. Sie nannte auch direkt ein Forschungsfeld, dass ihr besonders untersuchungswürdig erschien - postkoloniale Studien.

      Mit ihrem Vorschlag hat Vidal nun große Teile derjenigen gegen sich aufgebracht, die sie als Hochschulministerin vertritt. 600 Forscher und Professoren, darunter auch der Ökonom Thomas Piketty, veröffentlichten am Freitag einen offenen Brief, in dem sie Vidals Rücktritt fordern. Vidal handele so wie „das Ungarn Orbáns, das Brasilien Bolsonaros oder das Polen Dudas“, also wie eine nationalistische Populistin. Sie greife diejenigen Institute an, in denen zu rassistischer Diskriminierung, zu Gender und zu den Folgen des Kolonialismus geforscht werde. Kritik an Vidal kam dabei nicht nur von Linken. Auch die französische Hochschulrektorenkonferenz sagte, sie sei „verblüfft“ über Vidals Idee. Das nationale Forschungsinstitut CNRS stellte klar, dass „Islamo-Gauchisme“ kein wissenschaftlicher Begriff sei und warnte davor, die Freiheit der Wissenschaft einzuschränken.

      Tatsächlich distanziert sich auch der Schöpfer des Begriffes, der Soziologe Pierre-André Taguieff, von seiner eigenen Wortfindung. Er habe 2002 mit „Islamo-Gauchisme“ eine Allianz zwischen einigen Linksextremen und muslimischen Fundamentalisten beschreiben wollen, durch die ein neuer Antisemitismus entstand. Seitdem hat sich das Wort zum Lieblingskampfbegriff der Rechten entwickelt, die Linken vorwirft, sich nur für die Diskriminierung von Muslimen zu interessieren, nicht jedoch für islamistischen Terror.

      Sonderlich präzise ist der Begriff des „Islamo-Gauchisme“ dabei nicht. Allein schon, weil er keine klare Grenze zwischen Muslimen und Islamisten zieht. In die Rhetorik der Regierung hat er dennoch Einzug gehalten. Vor Vidal verwendeten ihn bereits der Bildungs- und auch der Innenminister. Gerade Innenminister Gérald Darmanin gibt in Emmanuel Macrons Regierung die rechtskonservative Gallionsfigur. Die Angst vorm links-islamistischen Schulterschluss treibt vor allen Dingen konservative und rechte Wähler um. Laut einer aktuellen Ifop-Umfrage halten mehr als 70 Prozent der Le-Pen-Sympathisanten den „Islamo-Gauchisme“ für eine in Frankreich weit verbreitete Denkrichtung.

      Vidal reagiert auf die Kritik an ihren Äußerungen gelassen. In Interviews am Sonntag und Montag betonte sie jeweils zum einen, dass die „aktuelle Polemik“ den Blick auf die wirklichen Probleme, also auf die Not der Studenten in Corona-Zeiten, versperre. Zum anderen hielt sie daran fest, dass eine „Bestandsaufnahme“ zu linkem Aktivismus an den Universitäten nötig sei. Die 56-Jährige sieht sich dabei als Wissenschaftlerin, die „Rationalität zurückbringt“. Bevor Macron sie 2017 zur Wissenschaftsministerin machte, war die Biochemikerin Vidal Präsidentin der Universität von Nizza.

      Auch jenseits ideologischer Kämpfe stecken Frankreichs Universitäten in der Sinnkrise. Das Geburtsland des Impfpioniers Louis Pasteur hat bislang keinen Corona-Impfstoff entwickeln können. Wissenschaftler machen dafür auch die schlechte finanzielle Ausstattung der Labore verantwortlich. Diese Arbeitsbedingungen kennt Vidal gut. Vor ihrer Doktorarbeit forschte sie am Institut Pasteur.

      https://www.sueddeutsche.de/meinung/frankreich-islamismus-hochschulen-1.5214459

    • Debatte über „Islamo-Gauchismo“ in Frankreich: Der Feind steht in der Uni

      Frankreichs Hochschulministerin Frédérique Vidal wittert eine „giftige“ Allianz von Linken, Akademikern und Islamisten. La Grande Nation ist empört.

      Ein Gespenst geht um in Frankreich, in den derzeit wegen der Coronapandemie so stillen Korridoren der Universitäten. „Islamo-Gauchisme“ ist sein Name. Mit diesem zum Slogan verkürzten Wortpaar ist eine ­Allianz zwischen Islam, Islamisten und den „Gauchistes“ gemeint, als die in ­Frankreich Linksextremisten bezeichnet werden. Die französische Hochschulministerin Frédérique ­Vidal hatte vor der Gefahr einer solchen unheiligen Union gewarnt und hatte Linke und Wis­sen­schaft­le­r:in­nen als „nützliche Idioten der Dschihadisten“ bezeichnet und damit eine Riesendebatte ausgelöst.

      Begonnen hatte alles mit einem Auftritt von Vidal Mitte Februar in einer TV-Talkshow. Diskutiert wurde, inwiefern religiöse Eiferer die Laizität bedrohen. Der Gesprächsleiter Jean-Pierre Elkabbach (83) äußerte am Ende der Plauderei den Verdacht, in den Unis gebe es so etwas wie „eine Allianz zwischen Mao Tse-tung und dem Ajatollah Khomeini“. „Sie haben völlig recht“, meinte die Ministerin, die ankündigte, sie wünsche eine „Untersuchung“ über den „verheerenden“ Einfluss des „Islamo-Gauchisme“ in der Forschung und in den Universitäten. Das Nationale Forschungszentrum (CNRS) müsse „die Gesamtheit der Forschungsarbeiten überprüfen, damit man unterscheiden kann, was akademische Forschung ist und was in den Bereich des Aktivismus und der Gesinnung gehört“.

      Vidal, die vor ihrer überraschenden Berufung in die Regierung Biochemieprofessorin und Präsidentin der Universität Nizza Sophia-Antipolis war, begründete ihre Überprüfungsforderung so: „Gewisse Akademiker – sicherlich eine Minderheit – benutzen ihren Titel und ihre Aura, um radikale und militante Ideen des Islamo-Gauchisme zu fördern, indem sie alles so betrachten, wie es ihrem Wunsch entspricht: um zu spalten, zu fragmentieren und zur Benennung von Feinden.“

      Die Reaktionen auf ihre Tirade ließen nicht lange auf sich warten. Zuerst kamen sie von den attackierten Linken: Jean-Luc Mélenchon von der Bewegung La France insoumise (Unbeugsames Frankreich) sprach von einer „Gesinnungspolizei“ und einer Bedrohung der Meinungs- und Forschungsfreiheit an den Universitäten. Ungewöhnlich scharf im Tonfall war auch die Absage der Konferenz der Hochschulvorsitzenden. In ihrem Kommuniqué warf sie der Ministerin vor, mit ihrer Polemik für große Konfusion zu sorgen. „Islamo-Gauchisme ist kein Konzept, sondern ein Pseudobegriff, für den man vergeblich auch nur den Ansatz einer wissenschaftlichen Definition sucht.“ Die Ministerin verwende „populäre Schlagworte der extremen Rechten“, deren hinlänglich bekannte Absicht es sei, die intellektuelle Elite und die Universitäten zu diskreditieren. Politische Interessen der Regierung könnten eine solche Wortwahl nicht rechtfertigen: „Die politische Debatte ist gewiss keine wissenschaftliche Debatte. Das heißt aber nicht, dass man deswegen gleich Unsinn erzählt.“

      Die Debatte aber lief heißer und heißer. Vidal selber gab zu bedenken, an der Universität Paris (Sorbonne) sei eine „Black-Face“-Aufführung des Stücks „Die Schutzflehenden“ von Aischylos von Protestierenden verhindert worden. Abgeordnete der konservativen Partei Les Républicains verlangten in der Nationalversammlung einen Untersuchungsausschuss „zur Kulturverhinderung“ durch „Islamo-Gauchistes“. Konservative Tageszeitungen wie Le Figaro oder offen reaktionäre Blätter wie Valeurs actuelles schlugen sich auf die Seite von Vidal und erinnerten an die trotzkistische Nouveau Parti anticapitaliste (NPA), die 2010 bei Regionalwahlen eine Kandidatin mit Schleier auf ihrer Liste hatte oder an Linke, die an einer Kundgebung gegen die „Islamophobie“ teilgenommen hätten.

      Aber auch linke, feministische Publizistinnen wie die Chefredakteurin des Magazins Marianne, Natacha Polony, oder Caroline Fourest kritisierten Vidal zwar dafür, die Universität politisch kontrollieren zu wollen, gaben ihr aber in der inhaltlichen Bewertung des Phänomens recht. „Islamo-Gauchisme ist eine Realität, für die wir einen anderen Begriff finden können. Aber er bleibt eine Realität“, sagte auch Philippe Val, ehemaliger Redakteur von Charlie Hebdo. Auch in der linksliberalen Tageszeitung Libération warnte ein Kollektiv von Aka­de­mi­ke­r:in­nen, dass gewisse sozialwissenschaftliche Forschungen zu Rassen- und Genderfragen eine Tendenz hätten, dogmatisch zu werden und keine Widerrede zuzulassen. Dem zu begegnen, sei aber Sache der universitären Gemeinschaft selber – und nicht der Ministerin.

      Präsident Emmanuel Ma­cron hatte schon vor längerer Zeit die Befürchtung geäußert, dass in der Folge der „Black Lives Matter“-Demonstrationen und der Proteste gegen rassistische Polizeigewalt in Frankreich postkoloniale oder dekoloniale Studien samt der sogenannten „Cancel Culture“ aus den USA „importiert“ würden.

      In einer Grundsatzrede zum politischen Islamismus in Les Mureaux bei Paris warnte Macron, es gebe heute Kinder und Enkelkinder aus der Immigration, die ihre Identität im Licht postkolonialer und dekolonialer ­Theorien begreifen wollten. „Sie sind damit Opfer einer methodisch gelegten Falle seitens gewisser Leute, die mit solchen Theorien den Hass auf die ­Republik und sich selbst, aber damit auch den Separatismus nähren.“

      Gegen diesen „Separatismus“ hatte die Regierung erst kürzlich eine Gesetzesvorlage ins Parlament eingebracht.

      Chloé Morin von der Jean-Jaurès-Stiftung vermutet, dass Macron und seine Regierung damit der von Umfragen bestätigten Verschiebung ihrer Wählerbasis nach rechts Rechnung tragen wollen. „Nichts ist effizienter, um den Gegner zu diskreditieren als das Schreckgespenst des „Islamo-Gauchisme“, erklärte die Politologin der Zeitung New York Times, die sich ansonsten wie andere nichtfranzösische Medien über die Heftigkeit der französischen Debatte nur wundern konnte.

      Der von Beginn an anklagend gemeinte Begriff „Islamo-Gauchisme“ stammt von dem Soziologen Pierre-André Taguieff, der ihn vor 20 Jahren zum ersten Mal benutzte. Er sah sich während der von der Ministerin ausgelösten Debatte genötigt, sich von der heutigen Verwendung des Begriffs zu distanzieren. Er habe damals einen Teil der antiimperialistischen und antirassistischen Bewegung ansprechen wollen, in der sich neben weiten Teilen der Linken auch politisch aktive Muslime und radikale Islamisten in ihrer antizionistischen Kritik an Israel in vielen Punkten einig waren. Aus solchen punktuellen Begegnungen eine große Bewegung zu konstruieren, ist nach Ansicht des Soziologen Samuel Hayat ein typisches Beispiel für ein „Amalgam“.

      „Gerade weil der Begriff ständig an Präzision einbüßt, gewinnt er an Effizienz. Seine Wirksamkeit beruht auf der Zweideutigkeit. Das erlaubt es reaktionären Kreisen, Islamspezialisten, Ras­sis­mus­for­sche­r:innen und engagierte Intellektuelle mit aktivistischen Vereinigungen, die gegen Islamophobie kämpfen, in einen Topf zu werfen und eine vermeintliche Nähe zu dschihadistischen Gruppen und den mörderischen Attentaten zu suggerieren, wie jenem von Oktober 2020, als ein tschetschenischer Terrorist den Lehrer Samuel Paty ermordete.“

      „Das ist alles andere als harmlos“, meint Hayat. Etwas Ähnliches habe es in der Geschichte schon mit dem Schimpfwort „jüdisch-bolschewistisch“ gegeben. Dieser im zaristischen Russland verwendete Kampfbegriff habe es in den 1920er und 1930er Jahren ermöglicht, Antisemiten und Antikommunisten mit einem gemeinsamen Feindbild zu vereinen.

      Die ganze Debatte jedenfalls lief so aus dem Ruder, dass sich inzwischen mehrere Minister öffentlich von ihrer Kollegin Vidal distanzierten. Diese bedauerte schließlich, die Kontroverse ausgelöst zu haben. Ihre Äußerung nahm sie aber nicht zurück.

      https://taz.de/Debatte-ueber-Islamo-Gauchismo-in-Frankreich/!5752291

    • Frankreich: Kampf gegen Linke und Muslime | Die Freiheitsliebe

      Unter dem Namen „Islamo-Gauchisme“ hat die französische Rechte ein neues Kampffeld gefunden, welches zwei Feindbilder von ihnen vereint: Muslime und Linke. Die Debatte um einen vermeintlichen „Islamo-Gauchisme“ steht im Zusammenhang mit einem neuen Gesetz gegen Separatismus, welches vor allem gegen Muslime gerichtet ist.

      Die französische Regierung hat im Parlament das „Gesetze zur Stärkung des Respekts vor den Prinzipien der Republik“ durchgesetzt. Widerstand dagegen kam sowohl von Linken wie auch von Rechts. Während die faschistische Partei Rassemblement National kritisiert, dass der Gefahr des Islamismus nicht entschieden genug begegnet wird, kritisieren sowohl die kommunistische Partei als auch noch deutlicher La France insoumise, dass das Gesetz alle Muslime stigmatisiert, wie der Vorsitzende von La France insoumise, Jean-Luc Mélenchon erklärt.

      Bezeichnend ist in diesem Kontext, dass der französische Innenminister Darmanin selbst dem Rassemblement National „Weichheit“ vorwarf, weil dieser sagte, dass der Islam vereinbar sei mit dem französischen Staat. Dies zeigt sehr deutlich, welches Ziel das Gesetz hat: nämlich den Islam als antifranzösisch zu brandmarken.

      Islamo-Gauchisme

      Kurz nach der Verabschiedung des Gesetzes im Parlament äußerte die auf dem rechten Flügel der französischen Regierung stehende Wissenschaftsministerin Frédérique Vidal, dass „Links-Islamisten die französischen Universitäten vergiften“ würden. Sie forderte eine „Untersuchung“ über den „verheerenden“ Einfluss des „Islamo-Gauchisme“ und erklärte: „Gewisse Akademiker – sicherlich eine Minderheit – benutzen ihren Titel und ihre Aura, um radikale und militante Ideen des Islamo-Gauchisme zu fördern, indem sie alles so betrachten, wie es ihrem Wunsch entspricht: um zu spalten, zu fragmentieren und zur Benennung von Feinden.“ Darüber hinaus kritisierte sie auch den Einfluss von postkolonialen Wissenschaftlern, die ebenfalls die freie Meinung gefährden würden.

      Ihre Äußerungen sorgten berechtigterweise für Empörung, da sie die freie Wissenschaft gefährden würden, wenn von staatlicher Seite überprüft würde, welche Wissenschaft genehm ist. Dies führte zu scharfer Kritik aus den Universitäten. Unter anderem warnt der Präsident der Sorbonne, Jean Chambaz, dass Frankreich mit solchen Maßnahmen in eine Reihe mit Ungarn, Polen und Brasilien zu geraten drohe. Ähnlich vernichtend war eine Erklärung der Konferenz der Hochschulvorsitzenden: „Islamo-Gauchisme ist kein Konzept, sondern ein Pseudobegriff, für den man vergeblich auch nur den Ansatz einer wissenschaftlichen Definition sucht.“

      Auch von der politischen Linken wurde die Debatte als Angriff auf die Meinungs- und Forschungsfreiheit gewertet, wie auch als Mittel der Diffamierung von Linken und Muslimen.

      Linke Solidarität mit Muslimen ist notwendig

      Die Ablehnung des Gesetzes wie auch der Vorwürfe der Ministerin durch die französische Linke ist vollkommen richtig, wie auch der Einsatz von La France insoumise, die an verschiedenen Protesten gegen Islamfeindlichkeit und antimuslimischen Rassismus teilnahm. Im Jahr 2019 führte der antimuslimische Rassismus in Frankreich zu 798 gemeldeten Straftaten, die von Beleidigungen über Bedrohungen bis zu tätlichen Angriffen reichten. Die französische wie auch die deutsche Linke haben die Aufgabe, gemeinsam an der Seite der von Rassismus Betroffenen zu stehen, sowohl bei Angriffen von rechts wie auch bei Versuchen der Kriminalisierung durch die Regierungen. Unsere Aufgabe ist es, gemeinsam gegen antimuslimischen Rassismus vorzugehen und der zunehmenden Stimmungsmache gegen Minderheiten entschieden entgegenzutreten.

      Denn die wirkliche Gefahr für die Demokratie geht in Frankreich wie auch in Deutschland von Rechts aus, nicht von der religiösen Minderheit der Muslime.

      https://diefreiheitsliebe.de/politik/frankreich-kampf-gegen-linke-und-muslime

    • „Islamo-gauchisme“ ist auch ein deutsches Problem [sic]

      Die Satirezeitschrift Charlie Hebdo feierte diesen Montag ihren 50. Geburtstag, doch es darf bezweifelt werden, daß dem Redaktionsteam derzeit nach Feiern zu Laune ist. Vor einigen Wochen erst wurde der französische Lehrer Samuel Paty für das Zeigen der Mohammed-Karikaturen von Charlie Hebdo enthauptet. Doch ein übergreifender Aufschrei, gar eine Revolution, ist ausgeblieben und mehr als ein weiteres #Jesuis… und leeren Worthülsen ist nicht dabei rumgekommen.

      Ganz im Gegenteil! Samuel Paty ist nicht nur ein Opfer eines islamistischen Anschlags geworden, sondern war im Vorfeld schon dem vorauseilenden Gehorsam seiner Kollegen ausgesetzt, die, anstatt mit ihm zusammen die Werte der Republik zu verteidigen, Paty dafür intern anprangerten, daß er mit seinem Handeln bewußt nur Schaden anrichtete.

      Eben mit dieser falsch verstandenen Solidarität, die vor allem aus dem linken Teil der Gesellschaft kommt und in Frankreich als „Islamo-gauchisme“ bezeichnet wird, spielt man den Islamisten in die Hände. Niemandem ist damit geholfen, wenn Probleme nicht als solche benannt werden und eine Täter-Opfer Umkehr stattfindet, welche die Schuld nie bei den Moslems selbst sucht, sondern diese von jeglicher Schuld freispricht.
      Deutschland, das Zentrum des Islamismus in Europa

      Leider muß man bezweifeln, daß die Gefahr einer solch laschen Herangehensweise im Umgang mit dem Islam hierzulande vollständig erkannt worden ist und sich das Problem alleine auf Frankreich beschränkt. Wer weiterhin von der Idee eines „Euro-Islam“ oder „deutschen Islam“ fabuliert, und nicht sieht, daß die vom Innenminister Horst Seehofer (CSU) geleitete Islamkonferenz spätestens seit dem Austritt des Publizisten Hamed Abdel-Samad nichts weiter als eine staatlich subventionierte Schmierenkomödie ist, um die Öffentlichkeit zu beschwichtigen, tut nicht nur den integrierten Moslems Unrecht, sondern erweist den Radikalen einen Dienst.

      Umso überraschender ist es, daß ausgerechnet aus Seehofers Schwesterpartei, der CDU, die baden-württembergische Politikerin Birgül Akpina fordert, daß der deutsche Staat sein Appeasement gegenüber den Islamverbänden beendet und sie entmachtet. Akpinas Worte dürften den vielen „Islamo-gauchisten“ nicht gefallen, doch sie spricht aus, was viele nicht wahrhaben wollen oder sich nicht trauen, klar beim Namen zu nennen.

      Nämlich daß Deutschland sich immer mehr zum Zentrum des Islamismus in Europa wandelt, wenn es das nicht schon längst ist. Der Einfluß der Ditib, die direkt aus Ankara gesteuert wird, reicht bis in die Schulen und Kindergärten hinein und verweigert die Anerkennung von in Deutschland mit deutschen Steuergeldern finanzierten ausgebildeten Imamen.
      Falsche Toleranz kann in die „Unterwerfung“ führen

      Wem das noch immer nicht Beweis genug ist, der braucht seinen Blick nur an die Außenalster nach Hamburg zu richten, wo in bester Lage das Islamische Zentrum Hamburg (IZH), auch „blaue Moschee“ genannt, residiert und als Vorposten des iranischen Mullah-Regimes gilt. Es steht im Verdacht, in der Vergangenheit die jährlich zum Ende des Ramadans stattfindende „Al-Quds“ Demonstration mit zu organisieren, auf denen offen Antisemitismus zur Schau gestellt und „Tod Israel“ skandiert werden. Sowohl die Ditib als auch das IZH – letzteres ist sogar Mitglied im Hamburger Staatsvertrag – führen den deutschen Staat seit Jahren am Nasenring durch die Manege. Wohin ein solcher, von falscher Toleranz geleiteter „Islamo-gauchisme“ führen kann, ist in Michel Houellebecqs Roman „Unterwerfung“ geschildert.

      Um Marine Le Pen vom rechtspopulistischen Rassemblement National zu verhindern, wird eine islamische Partei zur Macht verholfen. Erst einmal dort angelangt, beweist diese Partei, daß es eine Trennung von Staat und Religion im Islam nicht gibt und ersetzt die französische Verfassung peu à peu durch die Scharia. Die zunächst noch aufgeklärten Franzosen lassen das alles widerstandslos mit sich ergehen. Damit das düstere Zukunftsszenario Houellebecqs nicht zum bitteren Alltag in Europa wird, müssen die „Islamo-gauchisten“ endlich ihre Augen aufmachen.

      https://jungefreiheit.de/debatte/kommentar/2020/islamo-gauchisme

      –-> The German right-wing weekly newspaper #Junge_Freiheit claims islamo-leftism also as a German problem

    • Flirt mit dem Fundamentalismus

      Ihre Rolle als Opfer islamistischen Terrors scheint Redakteuren und Zeichnern von Charlie Hebdo auch ein wenig über den Kopf gewachsen zu sein. Ihr mutiger und hartnäckiger Einsatz für Meinungsfreiheit kommt in der Öffentlichkeit oft nur noch als Routine, nicht mehr als wirklich erfrischende Botschaft an. Es scheint nicht gelungen zu sein, aus dem Schock ein weiter tragendes Anliegen zu machen.

      Das ist ganz anders, wenn ein Schullehrer nach einer Unterrichtsstunde zu eben jenen Karikaturen von einem 18-Jährigen getötet und enthauptet wird wie vorletzte Woche in der Pariser Vorstadt Conflans. Die Schule, seit der Dritten Republik ein Grundpfeiler politischer Gemeinschaftskultur in Frankreich, hat einen gewaltigen Resonanzraum, durch den allerdings auch obskure Begriffsfloskeln schwirren. Eine davon ist die des „Islamo-gauchisme“, gemeint ist eine angebliche Komplizenschaft mancher Linker mit dem islamistischen Fundamentalismus.

      Seit der Bildungsminister Jean-Michel Blanquer in einem Rundfunkinterview in der vergangenen Woche erklärte, die „Islam-Gauchisten“ richteten an französischen Universitäten Verheerungen an, ist das Wort in aller Munde. Der Minister hatte ein paar Dozenten und eine Studentengewerkschaft im Visier, die mit einem einseitigen Opferbegriff sehr unterschiedlich auf Gewaltakte reagieren, je nachdem, ob sie von Rechtsradikalen oder von Islamisten kommen. Mit dem seit 20 Jahren durch die Diskussion geisternden Ausdruck „Islamo-gauchisme“ ist diese Situation allerdings schlecht umrissen.

      Der Soziologe Pierre-André Taguieff hatte ihn 2002 in seinem Buch „La nouvelle judéophobie“, über einen neuen Judenhass von links, in die Runde geworfen. Im Namen der Toleranz und der Verteidigung von Minderheiten seien manche linke Kreise vor dem damals aktuellen Hintergrund der zweiten Intifada einen taktischen Schulterschluss mit dem politischen Islam eingegangen, argumentierte der Autor. Andere, etwa 2006 Pascal Bruckner mit seiner Polemik gegen den abendländischen „Schuldkomplex“, Alain Finkielkraut mit seiner Warnung vor einem geschichtsblinden neuen Antisemitismus oder Élisabeth Badinter mit ihrer Kritik an falsch verstandenen Toleranzvorstellungen, haben die These einer linken Verharmlosung des Islamismus aufgegriffen.

      Hauptziel ihrer Angriffe sind der ehemalige Le-Monde-Redaktionschef und heutige Direktor des Internetmediums „Mediapart“, Edwy Plenel, der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon und die zu dessen Bewegung „La France Insoumise“ gehörende Abgeordnete Danièle Obono, die sich 2015 öffentlich der Solidaritätsbekundung „Je suis Charlie“ verweigert hatte. Bedeutet eine solche Verweigerung aber zwangsläufig Zustimmung für das andere Lager?

      Ein seltsames Echo fand das schnell zum Kampfbegriff umfunktionierte Wort vom „Islamo-gauchisme“ in dem aus der frühen Zwischenkriegszeit bekannten Ausdruck des „Judéo-bolchévisme“, der Wahnidee also, die bolschewistische Revolution sei ein jüdisch geprägtes Komplott gewesen. Zu Recht verwahrt sich Taguieff heute gegen einen solchen begrifflichen Kurzschluss. Anders als der „Judenbolschewismus“, erklärt er, unterstelle die These einer unterschwelligen Linkssympathie für die Bewegung des Islamismus keine Wesensidentität, sondern nur eine faktische Übereinstimmung der politischen Positionierung.

      Dennoch stiftet der Begriff mehr Verwirrung als Klärung. Abgesehen davon, dass er zwischen „Islam“ und „Islamismus“ keinen Unterschied macht, leuchtet er keinen der entscheidenden Aspekte wie die republikanische Religionsneutralität, die Respektierung kultureller Eigenheiten, das Recht auf kollektive Selbstdarstellung aus. Und er reiht auch Persönlichkeiten ins islamlastig-linke Spektrum ein, die sich nie dazu bekannten. Eher als einen Weg zum besseren Verständnis des Phänomens kann man in der Begriffskonstruktion „Islam-Gauchismus“ eine Art Schleimspur sehen, auf welcher Antirassismus, Toleranz, Gerechtigkeitssinn, humanistisches Engagement durch naives oder gezieltes Wegschauen in ihr Gegenteil abgleiten.

      Der deutsche Kolumnist Sascha Lobo sprach im Zusammenhang des Mordfalls jüngst in Dresden durch einen Islamisten von einem „Verniedlichungsrassismus“ und meinte damit die Bereitschaft mancher hierzulande, den Attentätern aus einer anderen Kultur oder Volkszugehörigkeit nicht die geringste Verantwortungsfähigkeit für ihre Akte zugestehen zu wollen. In Anlehnung an den Jusovorsitzenden Kevin Kühnert liest Lobo diese Haltung aus dem gequälten Schweigen mancher Linken. In Frankreich haben sie bisher nach den entsprechenden Attentaten nicht geschwiegen, sondern ihre jeweils nur bedingte Bestürzung zu erklären versucht. Noch vor einem Jahr marschierten bei einer vom „Kollektiv gegen Islamophobie in Frankreich“ veranstalteten Demonstration selbstgewisse Vertreter des linken, alternativen, grünen Lagers sowie der Linksgewerkschaft CGT unter den Protestierenden mit.

      Nach der Hinrichtung des Schullehrers in Conflans ist das anders geworden. Die Schule der Republik ist ein Kernanliegen gerade der Linken. Selbst die Ankündigung des Innenministers Gérald Darmanin, das „Kollektiv gegen Islamophobie in Frankreich“ als islamistische Kampforganisation gegen die Republik auflösen zu wollen, rief von ihrer Seite keine Protestrufe wach. Das braucht nicht als Indiz für eine endlich zur Vernunft gekommene „islamkompatible Linke“ verstanden zu werden, von der man nie genau wusste, was damit gemeint war. Als Zeichen, dass im Land sich etwas bewegt, darf man es aber nehmen.

      https://www.sueddeutsche.de/kultur/frankreich-flirt-mit-dem-fundamentalismus-1.5095162

    • Populismus und Islamismus: Sagten Sie „Islam-Linke“? [ includes doubtful and sic content]

      Führt ein falsch verstandener Antirassismus bei populistischen Linken zur Verbrüderung mit Islamisten? Es gibt deutliche Anzeichen dafür.

      Entgegen dem, was man zuletzt lesen konnte, kommt das Wort „Islam-Linke“ (frz. islamo-gauchisme) nicht von der extremen Rechten. In Frankreich wurde es von Pierre-André Taguieff geprägt, einem angesehenen Gelehrten , der sich insbesondere mit verschwörungstheoretischen und antisemitischen Bewegungen befasst.

      In seinem Verständnis bezeichnet dieser Begriff den während der zweiten Intifada geschlossenen Pakt zwischen Bewegungen der extremen Linken und solchen islamischer Fundamentalisten, als diese gemeinsam gegen die Politik Israels demonstrierten und dabei auch antisemitische Ausrufe und Sprüche in ihren Reihen duldeten.

      Dieses Bündnis machte sich zumal bei der UN-Konferenz in Durban im Jahr 2001 bemerkbar, als Aktivisten der extremen Linken und Islamisten gemeinsam revisionistische Flugblätter verteilten, auf denen Hitler nachgetrauert wurde. Das war ein Schock für andere linke Aktivisten, die gekommen waren, um jede Art von Rassismus anzuprangern.

      Denn das war das erste Mal, dass diese dubiosen Bündnisse offen in Erscheinung traten. In der islamischen Welt bestanden sie unter der Hand schon lange. Im Irak und in Ägypten kam es vor, dass progressive Bewegungen mit Fundamentalisten gemeinsame Sache machten, wenn es darum ging, ein Regime zu stürzen. Auch Khomeini wäre im Iran nicht an die Macht gekommen ohne die Hilfe der Intellektuellen und der radikalen Linken, sowohl der iranischen als auch der europäischen.

      Schockierende Bündnisse

      Noch schockierender ist es, festzustellen, dass es solche Bündnisse auch inmitten der Demokratien gibt, – und zwar gegen die Demokratie.

      So geschieht es, dass Bewegungen, die den Anspruch erheben, fortschrittlich zu sein, die Sache der Frauen oder die Redefreiheit verraten, um sich mit intoleranten Aktivisten zu verbünden, deren regressive Weltanschauung für Freiheit nichts übrig hat. Das müssen wir heute in Europa feststellen. Studenten der extremen Linken und militante Islamisten protestieren zuweilen Hand in Hand, manchmal auch gewalttäig, gegen Verfechter einer universalistischen, feministischen und säkularen Linken, denen sie Veranstaltungen an Universitäten verbieten wollen.

      Das passierte mir auch selbst vor einigen Jahren in Belgien. Etwa sechzig militante „Islam-Linke“ brachten es fertig, eine von mir einberufene Konferenz zu unterbrechen, und zwar eine über Rechtsextremismus und Rassismus…

      Sie warfen mir vor, dass ich als Feministin die „Burka“, die Verschleierung des gesamten Körpers, kritisierte. Das ist auch anderen schon passiert. In England wurde Maryam Namazie, eine säkulare iranische Aktivistin, von militanten Islamisten und Linksextremisten angegriffen. Sie warfen ihr vor, sie sei „islamophob“, weil sie den religiösen Fundamentalismus und das Regime der Mullahs kritisierte (derentwegen sie ins Exil gegangen war).

      Mit Islamisten gegen Charlie

      In Frankreich protestierten Vertreter studentischer Gewerkschaften und Islamisten gegen die (posthume) Lesung eines Textes von Charb, dem von Islamisten bei dem Anschlag vom 7. Januar 2015 ermordeten Chefredakteur von Charlie Hebdo. Dieser Text richtete sich gegen genau jene Verwirrung, die das Wort „Islamophobie“ stiftet, so es dazu benutzt wird, Säkulare zu Rassisten zu stempeln.

      Nun ist dieses Wort jedoch in eben dieser problematischen, die Freiheit bedrohenden Verwendung das Thema von gegenwärtig 120 Dissertationen an französischen Universitäten. Professoren und Forscher benutzen ihre Stellung, um diese Verwirrung zu fördern, so es etwa um die Frage der Dekolonisierung geht.

      Das Problem besteht nicht darin, dass sie diese Weltanschauung in die Universität hineintragen, sondern dass sie in den Sozialwissenschaften inzwischen eine so überwältigende Mehrheit bilden . Und, dass sie jeden anderen Zugang zu diesen Themen, der ihnen widerspricht oder auch nur stärker differenziert, unmöglich machen. Ein solches Sektierertum passt zu einer Generation, die dazu neigt, sich von allem beleidigt zu fühlen.

      Das geht mittlerweile so weit, dass der Streit um Ideen mit einem Zusammenstoß von Identitäten, das Recht auf Gotteslästerung mit Rassismus und beinahe jede Abweichung oder Schattierung mit einer „Mikroverletzung“ verwechselt wird. Was die Lehre und selbst jedes Gespräch an einer Universität immer heikler machen.

      Die Hetzkampgane gegen Paty

      Während die Aufstachelung zum Hass im Internet kaum jemals so enthemmt war wie heute, wird es immer schwieriger, schöpferisch tätig zu sein oder zu debattieren, ohne zur Ordnung gerufen, bedroht, beschimpft oder „annulliert“ zu werden. Wenn es denn nicht noch darüber hinausgeht. In Frankreich wurde Samuel Paty, der seine Schüler die Redefreiheit und das Recht auf Gotteslästerung zu lehren versuchte, von einem Dschihadisten enthauptet, infolge einer von Islamisten und „Islam-Linken“ geführten Hetzkampagne, in der man ihn der „Islamophobie“ bezichtigte.

      Danach trauten sich viele Lehrer , über die Schwierigkeiten zu sprechen, denen sie begegnen, sobald sie bestimmte Themen anschneiden.

      Daher die Besorgnis der Ministerin für Hochschulbildung Frédérique Vidal . Ihre Ungeschicklichkeit bestand darin, dass sie eine „Untersuchung“ zum Thema „Islam-Linke“ forderte, womit sie den Eindruck erweckte, die akademische Freiheit in Frage stellen zu wollen. Sie hätte besser nur einen Bericht bestellt oder eine große Diskussion über Pluralität und akademische Freiheit angeregt. Denn darum geht es im Grunde.

      Das Wort „Islam-Linke“ gibt die komplizierten Mechanismen kaum wieder, die am Werk sind, wo identitäre Vorstellungen gelehrt werden sollen, sei es in der Frage der Dekolonisierung oder selbst der der Geschlechter.

      Bisweilen verunglimpft die extreme Rechte alle, die ihren Vernebelungen widerstehen, als „Islam-Linke“. Doch das bedeutet nicht, dass es eine Islam-Linke nicht gäbe. Die ist leider eine ideologische und politische Realität.

      Das beste Mittel, die Vereinfachungen der extremen Rechten zu bekämpfen, ist nicht, sie zu leugnen, sondern im Gegenteil eine hellsichtige Linke zu verteidigen, die die Dinge genau benennt, den Verrat fortschrittlicher Ideen denunziert und einen anderen Weg einschlägt: einen egalitären und säkularen.

      https://taz.de/Populismus-und-Islamismus/!5754686

      ...this has been published by taz, green-left daily newspaper?! Written by Caroline Fourest...

    • Ein Gespenst geht um in Frankreich
      Rechter Haken abgeblockt

      Gegen Muslim:innen, Linke und freie Forschung – wenn man sich da nicht die Finger verbrenn...

      Islamo-gauchisme. Um ihren islamfeindlichen Kurs voranzutreiben, legt sich die Macron-Regierung mit dem Hochschulwesen an – und stößt auf heftigen Widerstand.

      In Frankreich geistert ein Wort durch Medien und Politik: „Islamo-gauchisme“, gerne mit „Links-Islamismus“ übersetzt, bedeutet er eigentlich „Islamo-Linksextremismus“. Er geht auf den neokonservativen Soziologen Pierre-André Taguieff zurück, der ihn Anfang der 2000er prägte, um eine angebliche Allianz aus sogenannten Islamist:innen und „Linksextremist:innen“ zu beschreiben, die eine vermeintliche Allianz eines israelbezogenen Antisemitismus eingingen.

      Spätestens seit dem Mord an dem Lehrer Samuel Paty im vergangenen Jahr ist die Wortkreation zum Lieblingsslogan von konservativen Politiker:innen, bürgerlichen Feminist:innen und radikalen Rechten geworden. Denn nach dem Mord hatte sich die seit Jahren in Frankreich angefachte Islamfeindlichkeit in Angriffen auf Muslim:innen und Moscheen entladen. Weil sie sich vor die von Rassismus betroffenen gestellt hatten, trafen dieser Hass und diese Gewalt auch linke Kräfte, vor allem die Kommunistische Partei Frankreichs. Die antirassistische Solidarität, die mäßigenden Worte und die Erklärungsversuche, die islamistische Gewalt in den Kontext von neokolonialen Kriegen, globalen Ausbeutungsverhältnissen und virulentem Rassismus einbetteten, wurden sowohl von der Regierung als auch der politischen Rechten zu einer angeblichen Verteidigung dieser Gewalt durch die Linke umgedeutet. Der Vorwurf traf neben der Kommunistischen Partei und weiteren kleineren linken und linksradikalen vor allem auch migrantische Organisationen.

      Mittlerweile greift die Kampagne auch auf die Unis über: Macrons Wissenschaftsministerin, Frédérique Vidal, behauptete kürzlich in einem Interview, der „Islamo-gauchisme“ habe die Universitäten und die Gesellschaft „vergiftet“. Sie kündigte eine Untersuchung in der staatlichen Wissenschaftsorganisation Centre national de la recherche scientifique (CNRS) und an den Universitäten an. In einer weiteren Stellungnahme hatte sie neben dem „Islamo-gauchisme“ zudem die Thematisierung von Rassismus an den Universitäten und die Auseinandersetzung mit den Post Colonial Studies als problematisch bezeichnet. Als Beispiel für die Einschränkung von Meinungsfreiheit durch „militante Linke“ verwies sie auf eine Theateraufführung an der Sorbonne Université, die wegen Black Facings von Aktivist:innen gestört und verhindert worden sei.

      Dieser Vorstoß scheint ihr jetzt auf die Füße zu fallen. Heftige Kritik kam nämlich nicht nur von der linken Partei La France insoumise, , deren Abgeordnete Bénédicte Taurine die Ankündigung als „Hexenjagd“ bezeichnete, während der Parteiführer Jean-Luc Mélenchon Vidal vorwarf, eine „Gesinnungspolizei“ einrichten zu wollen, sondern auch von der Konferenz der Hochschulvorsitzenden: „Islamo-gauchisme“ sei „kein Konzept, sondern ein Pseudobegriff“ und zähle zu den „Schlagworten der extremen Rechten“, hieß es in einer offiziellen Stellungnahme.

      Vidal hatte das betreffende Interview, in dem sie den Schritt ankündigte, passenderweise auch dem Fernsehsender CNews gegeben, der als Sprachrohr der Rechtskonservativen bis extremen Rechten gilt. Der zunehmende Widerstand sowohl von Linken als auch von Akademiker:innen hat die Regierung Macron mittlerweile dazu gezwungen, sich von Vidals Äußerungen zu distanzieren: Man erklärte die „Verbundenheit“ mit den „Prinzipien der freien Wissenschaften und der Unabhängigkeit der Forscher“. Vidal gilt als Vertreterin von der rechtsaußen Position in Macrons Kabinett. Ihr Auftritt wird von Beobachter:innen als Zugeständnis an die rechte Wählerschaft verstanden, die zu Marine Le Pens Rassemblement National tendiert.

      https://www.bszonline.de/artikel/rechter-haken-abgeblockt

  • Das faszinierende ist für mich die Wahrnehmung, z. B. der Großbaute...
    https://diasp.eu/p/12565126

    Das faszinierende ist für mich die Wahrnehmung, z. B. der Großbauten am Mehringplatz. „Gerade bei letzterem zeigt sich die bemerkenswerte historische Wandlungsfähigkeit von Architektur. Galten sie doch in den 70er und 80er Jahren als Inbegriffe seelenloser Wohnmaschinen und urbanistischer Verwüstung.“ (piqd) Für mich sind sie heute ein Beispiel gelungener, lichter #Architektur der Begegnung, ich würde dort jederzeit einziehen. https://www.sueddeutsche.de/kultur/werner-duettmann-architekt-bruecke-museum-1.5224933

  • jungle.world - Zumutbare Erinnerung
    https://jungle.world/artikel/2019/02/zumutbare-erinnerung


    Edgar Hilsenrath est mort le 30 décembre 2018. Avant son déménagement dans une province moins polluée on le rencontrait de temps en temps dans les locaux du parti de gauche de son arrondissement berlinois. Ce survivant des efforts nazis pour exterminer les juifs d’Europe détestait les philosémites parce qu’il considérait leur manière de penser comme structurellement antisémite. Ses romans tragiques et grotesques traitent les génocides juifs et arméniens. Son succès international précédait de vingt ans sa céĺébrité allemande. Pour lui ses contemporains du Gruppe 47 se comportaient comme une mafia culturelle qui n’échappait pas au philosémitisme obligatoire en l’Allemagne de l’Ouest. L’ironie de l’histoire veut que l’organe officiel des philosémites de gauche ( Antideutsche ) lui consacre un nécrologue qui montre encore que son auteur n’a rien compris.

    Edgar Hilsenrath, dieser witzigste Autor unter den Überlebenden der Shoah, ist tot. Humor in der Holocaust-Literatur, geht das überhaupt? In seinem Fall, ja. Niemand verblüffte mit solchen alltagssprachlichen Dialogen, kaum jemand konnte solche Grotesken über die Judenvernichtung schreiben und zugleich so einfühlsame, leise Töne der Erinnerung an den größten Massenmord der Geschichte anschlagen wie Hilsenrath.

    Als 1926 in Leipzig geborener, in Halle aufgewachsener und 1938 in das Schtetl Sereth in der rumänischen Bukowina geflohener Jude überlebte Hilsenrath das Ghetto von Mohyliw-Podilskyj, in dem bis zur sowjetischen Befreiung im April 1944 etwa 40 000 Menschen an Kälte, Hunger, Fleckfieber und Cholera starben. Über Palästina und Frankreich emigrierte er schließlich in die USA. Dass er seine schriftstellerische Karriere dort begann, beeinflusste sein Schreiben stark. Zugleich machte Hilsenrath aus seiner Liebe zu seiner Muttersprache keinen Hehl und zog 1975 zurück in die Bundesrepublik.

    Zum Leben und Werk von Edgar Hilsenrath. Nachruf anlässlich seines Todes am 30. Dezember 2018 – Edgar Hilsenrath
    http://hilsenrath.de/nachruf
    Son ami et éditeur Ken Kubota publie un long nécrologue sur le site officiel de l’auteur.

    Edgar war Zionist, aber kein Dogmatiker. Als ich ihn wegen der Diskriminierung der Palästinenser einmal zur Rede stellte, so räumte er ein, auch er wisse, dass die Araber unfair behandelt würden. Er sehe aber keine wirkliche Lösung des Problems, und so sehe er auch keinen anderen Weg. Zugleich war mir bewusst, dass er als jüdischer Holocaust-Überlebender einen instinktiven Überlebensreflex hatte, der auch in seiner Argumentation zugunsten des jüdischen Staates zum Ausdruck kam.

    Edgar Hilsenrath war ein großer Verehrer der Politikerin Sahra Wagenknecht, die er auch im Wahlkampf unterstützte.
    ...
    Schon als Studentin übertraf Sahra Wagenknecht mühelos die allermeisten Philosophieprofessoren einschließlich derer, die offiziell für Hegel zuständig sind.

    Œuvre
    https://fr.wikipedia.org/wiki/Edgar_Hilsenrath#%C5%92uvre

    Voici une liste de nécrologues des médias philosémites notoires.

    https://www.tagesspiegel.de/kultur/nachruf-auf-edgar-hilsenrath-so-reden-die-menschen-halt/23817440.html
    https://www.sueddeutsche.de/kultur/nachruf-edgar-hilsenrath-ist-gestorben-1.4271386
    https://www.berliner-zeitung.de/kultur/literatur/nachruf-auf-schriftsteller-edgar-hilsenrath-der-meister-des-geschwa
    https://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article186366878/Edgar-Hilsenrath-ist-tot-Nachruf-auf-einen-Solitaer.html
    https://www.zeit.de/news/2019-01/01/edgar-hilsenrath-mit-92-jahren-gestorben-190101-99-398971
    https://www.swr.de/swr2/literatur/nachruf-edgar-hilsenrath/-/id=6891032/did=23130850/nid=6891032/2dbvis
    http://www.taz.de/!5562395

    #Allemagne #histoire #gauche #holocaust #littérature #nécrologie

  • « Stella » von Takis Würger : Ein Ärgernis - Kultur - Süddeutsche.de
    https://www.sueddeutsche.de/kultur/takis-wuerger-stella-goldschlag-rezension-buchkritik-1.4282968

    Le Süddeutsche Zeitung n’aime pas ce roman qui raconte une histoire d’amour fictive avec la femme qui à traqué des juifs clandestins.

    Mit seinem zweiten Buch ist Würger vom kleinen Schweizer Verlag Kein & Aber zum Publikumsverlag Hanser gegangen, der es heftig bewirbt. Nazisex und Judenfetisch (und umgekehrt) gibt es darin nicht, der Roman bleibt geradezu keusch. Am Willen zur Ausbeutung der Vergangenheit fehlt es nicht, aber Würger geht wie ein Vampir vor, der die Halsschlagader nicht trifft. Bestsellerkompatibel scheint allein der plätschernde Tonfall zu sein, der sich wie das Voice-Over eines Nazidramas mit Veronica Ferres liest: „’Verlass mich nicht’, sagte sie in mein Ohr. Ich schüttelte den Kopf und küsste ihre Tränen.“

    Stella Goldschlag – Wikipedia
    https://de.wikipedia.org/wiki/Stella_Goldschlag

    Stella Ingrid Goldschlag (verh. Stella Kübler-Isaacksohn) (* 10. Juli 1922 in Berlin; † 1994 in Freiburg im Breisgau) war eine jüdische Gestapo-Kollaborateurin, die während des Zweiten Weltkriegs als sogenannte „Greiferin“ untergetauchte Juden (sie wurden „U-Boote“ genannt) in Berlin aufspürte und denunzierte.

    Stella Goldschlag - Das blonde Gift - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de
    https://www.aviva-berlin.de/aviva/Druck.php?id=141679

    Ich führe TouristInnen durch das Scheunenviertel. Vor dem Krieg war es eine heruntergekommene Gegend, wo sich viele mittellose orthodoxe Jüdinnen und Juden aus Osteuropa niedergelassen hatten, nachdem sie vor den Pogromen zu Beginn des 20. Jahrhunderts geflüchtet waren. Heute ist es dort von TouristInnen überlaufen, voller schicker Boutiquen und trendigen Cafés, kaum etwas ist von dem jüdischen Leben vor dem Krieg übrig geblieben, außer einigen Gedenksteinen und den Geschichten der Vergangenheit, die ich, als eine Fremdenführerin, versuche lebendig zu erhalten.
    ...
    Stella endete als einsame und depressive alte Frau. Sie übernahm fast keine Verantwortung für ihre Verbrechen und sah sich selbst weiterhin als eher als ein Opfer, denn als eine Täterin. Im Jahr 1994 begang sie Selbstmord, indem sie aus dem Fenster ihrer Wohnung in Freiburg sprang.

    Wenn ich damit fertig bin, Stellas Geschichte zu erzählen, kommen verschiedenste Reaktionen. „Sie hätte die Todesstrafe kriegen sollen“ "Man kann es ihr am Gesicht ansehen, dass sie absolut böse ist" Andere haben Verständnis für sie „Sie war bloß ein zwanzigjähriges Mädchen, ich weiß nicht, was ich an ihrer Stelle getan hätte“ "Wenn sie der Gestapo nicht so nützlich gewesen wäre und so viele Juden verraten hätte, hätten die sie wohl deportiert, oder?" Einmal hat ein Psychologe während meiner Tour erklärt, dass Stella aus einem Schutzmechanismus heraus begonnen hatte, sich mit ihren PeinigerInnen zu identifizieren. Stellas Geschichte löst bei meiner Tour oft Debatten aus. Hätte sich jede Person unter den Umständen so verhalten, oder war sie das reine Böse, oder eine Psychopathin?

    Wenn ich mich von der Gruppe verabschiede und ihnen einen angenehmen Aufenthalt in Berlin wünsche, weiß ich, dass Stellas Geschichte die ist, an die sie sich noch lange erinnern werden.

    Autorinnen:

    Shlomit Lasky ist Journalistin und Drehbuchautorin. Shlomit schreibt seit 2005 regelmäßig für israelische Medien und wurde in Israel auch zur Theaterschauspielerin ausgebildet. Während sie in London lebte (2001-2005), erwarb sie einen Master in Screenwriting an der University of the Arts London. Seit 2010 lebt sie in Berlin. Sie hat eine Förderung der FFA erhalten, um ein Drehbuch schreiben zu können und arbeitet außerdem als Fremdenführerin für "Gablinger Tours.

    Maayan Meir ist Trickfilmproduzentin und Projektmanagerin. Maayan hat mehrere große Animationsfilme produziert. Sie ist eines der Gründungsmitglieder der „Keset Hebrew Poetry Society“. Ihre Gedichte wurden in israelischen Poesiezeitschriften veröffentlicht. Eines ihrer Drehbücher erhielt 2003 eine Ehrung des „The Micky Albin Funds“. Außerdem organisierte sie die Film- und Drehbuchwettbewerbe des Tel Aviv Students Film Festivals.

    #Allemagne #Berlin #Scheunenviertel #nazis #juifs #histoire #littérature #tourisme