Interview mit Wladimir Gall – 9.Mai- 9 мая

/interview-mit-wladimir-gall

  • Berlin Spandau bekommt einen Wladimir-Gall-Weg - Spandau - Berliner Morgenpost
    https://www.morgenpost.de/bezirke/spandau/article216207033/Spandau-bekommt-einen-Wladimir-Gall-Weg.html

    Ehrung von Wladimir Gall wurde 2017 von BVV beschlossen

    Den Beschluss, Gall mit einer Wegbenennung und einem Festakt zum 100. Geburtstag zu ehren, gibt es bereits länger. Im Herbst 2017 war bereits von der Spandauer Bezirksverordnetenversammlung auf einen gemeinsamen Antrag von SPD, Linken und Grünen hin entschieden worden, dass das Bezirksamt eine solche Benennung prüfen sollte. Ursprünglich ging es damals allerdings um die Zufahrt zur Zitadelle, die Teil der Straße „Am Juliusturm“ ist. Wegen der formellen Hürden und Kosten habe man sich allerdings dagegen entschieden, erklärte Daniel Scheytt, Referent des Kulturstadtrates, auf Nachfrage.

    Zum Einen wäre das laut Scheytt ein komplexes Verfahren gewesen, das wohl länger als bis zum 100. Geburtstag Galls gedauert hätte. Zum anderen wären dadurch Kosten entstanden, weil sämtliche Vereine, Künstler und andere Institutionen auf der Zitadelle ihre Adresse hätten ändern müssen. Stattdessen wählte man daher den Weg um die alte Festung, der keine offizielle Straße ist und bislang keinen Namen hatte. Im Kultur- und Weiterbildungsausschuss habe man diesen Vorschlag einvernehmlich angenommen, so Scheytt. Läuft alles nach Plan, dann werden zum Festakt am Sonntag auch Enkelin und Urenkel von Wladimir Gall nach Spandau kommen.

    Interview mit Wladimir Gall – 9.Mai- 9 мая
    https://neuntermai.vvn-bda.de/2013/03/03/interview-mit-wladimir-gall

    GALL: Ich gehörte zu einem Sondertrupp der Armee. Unser Kampfauftrag bestand darin, die deutschen Soldaten über den Krieg, den Faschismus und die sowjetische Kriegsgefangenschaft aufzuklären und sie zur Aufgabe zu bringen. Jeden Abend fuhren wir mit einem Lautsprecherwagen an die sog. HKL (Hauptkampflinie) und wandten uns über das Mikrofon direkt an die Wehrmachtsangehörigen. Sehr oft wurden wir dabei von ihnen heftig beschossen.

    APB: Dein Einsatz als sowjetischer Parlamentär in der Festung Berlin-Spandau hat vielen Deutschen, vor allem Frauen und Kindern das Leben gerettet. Erzähl uns doch bitte noch etwas über diesen im wahrsten Sinne des Wortes „filmreifen“ Einsatz.

    GALL: Der Höhepunkt meiner Tätigkeit im Sondertrupp war der Parlamentärgang in die Zitadelle Spandau am 1. Mai 1945. Ausführlich habe ich alles in meinem Buch „Moskau – Spandau – Halle. Etappen eines Lebensweges“ beschrieben. Dieser Einsatz war nicht nur „filmreif“, sondern in erster Linie lebensgefährlich.

    Das war die dramatischste Episode meines Lebens.

    Zu Zweit, also Major Grischin und ich, stiegen wir über eine Strickleiter – einem Weidenstock mit einem Stück weißen Stoff in der Hand – als Parlamentäre in die Spandauer Zitadelle. SS-Fanatiker, die sich in der Festung befanden, versuchten immer wieder unsere Verhandlungen zur Vermeidung weiteren sinnlosen Blutvergießens zu sabotieren und wollten unsere Erschießung. Zum Glück war das nicht geschehen. Damit waren hunderte Zivilisten gerettet. Es freut mich, dass viele Deutsche diese humane Tat von uns und der Roten Armee nicht vergessen haben.

    APB: Später hat dich der wunderbare Film „Ich war neunzehn“ von Konrad Wolf einem breiten deutschen Publikum bekannt gemacht. Was verband dich mit Konrad Wolf und seiner Familie, vor allem mit seinem Bruder Markus Wolf? Welche Bedeutung hatten sie für dich?

    GALL: Ich lernte Konrad Wolf an der Front, in einem Sondertrupp, kennen, schätzen und lieben. Er wurde mein bester Freund und blieb es bis zu seinem viel zu frühen Tod 1982. Konni machte mich mit seinem Vater, dem bedeutenden antifaschistischen Schriftsteller Friedrich Wolf und seinem älteren Bruder, dem späteren legendären Chef der DDR-Aufklärung Markus (Mischa) Wolf bekannt. Ich bewunderte alle drei als kluge, aufrechte, rechtschaffende Menschen, mutige Kämpfer gegen den deutschen Faschismus, als Kampfgefährten im Kriege und in der Nachkriegszeit. Sie waren für mich die besten Vertreter des deutschen Volkes.

    Nachruf Wolodja Gall – 9.Mai- 9 мая
    https://neuntermai.vvn-bda.de/archiv/broschure/nachruf-wolodja-gall

    Konni hockte am Rundfunkgerät und hörte eine Sendung der BBC ab. Plötzlich sprang er auf und rief mit vor Freude überschnappender Stimme: ‚Jungs! In Reims ist ein provisorisches Protokoll über den Waffenstillstand unterschrieben worden. Morgen wird in Berlin die volle und bedingungslose Kapitulation unterzeichnet. Das bedeutet doch Sieg! Frieden!“

    Wladimir Gall Moskau-Spandau-HalleSo beschrieb Wladimir Samoilowitsch Gall in seiner Autobiographie „MOSKAU – SPANDAU – HALLE. Etappen eines Lebensweges“ (GNN-Verlag, Schkeuditz 2000) den 7. Mai 1945, den er und sein bester Freund Konrad Wolf als Offiziere der Roten Armee in Rathenow erlebten. Gerne erzählte Wladimir oder Wolodja, wie wir ihn nannten, in zahlreichen Lesungen von seinem Lebensweg, von seiner Freundschaft mit Konrad Wolf und natürlich von dem Ereignis, das ihn so bekannt gemacht hat: seinem Parlamentärgang in die Spandauer Zitadelle. Die Verhandlungen auf der Zitadelle Spandau bezeichnete Wolodja in einem Interview für unsere Broschüre zum 9.-Mai-Fest 2010 als „dramatischste Episode“ seines Lebens. Konrad Wolf hatte dieses Ereignis in seinem Film „Ich war neunzehn“ mit einigen dramaturgischen Freiheiten dargestellt. Im Februar 1968 wurde er im Kino „International“ uraufgeführt.

    #Berlin #Spandau #Geschichte #Krieg #Faschismus #Rote_Armee #Wladimir-Gall-Weg #Zitadellenweg