Medizinischer Dienst : Zur Objektivität verpflichtet

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  • Medizinischer Dienst: Zur Objektivität verpflichtet
    https://www.aerzteblatt.de/archiv/27580/Medizinischer-Dienst-Zur-Objektivitaet-verpflichtet

    Keine „Zweckgutachten“ für Auftraggeber

    Der frühere Vertrauensärztliche Dienst (VäD), der den Landesversicherungsanstalten zugeordnet war, wurde ab 1. Januar 1989 als Medizinischer Dienst der Kran­ken­ver­siche­rung (MDK) vom Gesetzgeber neu organisiert und in Form einer Arbeitsgemeinschaft in die Trägerschaft der jeweiligen Landesverbände der gesetzlichen Krankenkassen übergeben. Die Finanzierung erfolgt durch eine Umlage, die von den Trägern nach der Anzahl der Versicherten aufgebracht wird.

    Seit Einführung der Pflegeversicherung zum 1. Januar 1995 werden je 50 Prozent der Kosten von der Kranken- und der Pflegeversicherung ge-tragen.

    Der Medizinische Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS), Essen, bringt seine sozialmedizinische und pflegefachliche Kompetenz auf Bundesebene ein und soll für eine koordinierte Zusammenarbeit der Medizinischen Dienste untereinander und mit den Krankenkassen sorgen. Er berät bei grundsätzlichen Fragen zur Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit von Behandlungsmethoden und entwickelt Begutachtungsanleitungen.

    Rolle des Vertrauensarztes

    Die Tradition des Vertrauensarztes der Krankenkassen reicht weit zurück. Sie wurde 1925 erstmals gesetzlich geregelt, und 1934 erfolgte die Zuerkennung des Beamtenstatus aus der Überlegung heraus, die Unabhängigkeit der Vertrauensärzte gegenüber den Krankenkassen zu stärken. Tatsächlich geriet der VäD jedoch durch die Kriegs- und Nachkriegssituation lange Zeit in den Geruch des rigorosen „Gesundschreibers“. Die Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit blieb jahrzehntelang seine Hauptaufgabe.

    Erst 1969 nach Einführung der arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung durch die Arbeitgeber auch für Arbeiter verringerte sich die Zahl der zu untersuchenden Arbeitsunfähigen drastisch.

    Bundesgesetzblatt Teil I1969Nr. 67 vom 30.07.1969
    https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/media/49176E7A86765EA543A4775C20F915AD/bgbl169s0946_13605.pdf

    Nachdem die Krankenkassen eine immer entscheidendere Rolle im Gesundheitswesen spielten, wurde auch der Bedarf an sozialmedizinischer Kompetenz immer größer. Die Konsequenz war, dass dieser Bereich des ärztlichen Sachverstandes von den Krankenkassen zur Beratung genutzt und systematisch ausgebaut wurde. Die Einzelfallbegutachtung hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit trat stark in den Hintergrund. Sie hat für den niedergelassenen Arzt aber immer noch dann Bedeutung, wenn der Arbeitgeber Zweifel an der Erkrankung seines Arbeitnehmers anmeldet.

    Gelegentlich können unterschiedliche Meinungen zwischen den beiden Arztgruppen auftreten, die sich oftmals durch ein Gespräch beilegen lassen.

    Mit Einführung der Pflegeversicherung zum 1. Januar 1995 hat die dem MDK übertragene individuelle Begutachtung eine neue Dimension erreicht, wobei jedoch auch zahlreiche erfahrene Pflegekräfte eingebunden sind. Auch hier ergibt sich gelegentlich Konfliktstoff mit dem behandelnden Arzt. Die Beratung hinsichtlich neuer oder unkonventioneller Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, Hilfsmittel und Rehabilitationsmaßnahmen war schon von jeher eine Domäne des MDK.

    Gestärkte Position des MDK

    Die gesetzgeberischen Initiativen der letzten Jahre haben dem MDK weiterreichende Kompetenzen eingeräumt. Er soll in stärkerem Umfang als bisher zur Beratung der Krankenkassen genutzt werden, besonders bei der medizinischen Steuerung der Leistungen der GKV unter Berücksichtigung der Leistungsspektren der Krankenhäuser mit Überprüfung der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung zur Vermeidung von Fehlbelegungen.

    Dementsprechend wurde dem MDK ein generelles Zugriffsrecht auf sämtliche Unterlagen, auch der Krankenunterlagen mit Nutzung elektronisch gespeicherter externer Daten, zugestanden (§§ 275; 276 SGB V). Nicht nur die Beurteilung von Wirtschaftlichkeit, Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit erbrachter Leistungen, sondern auch deren Qualität wurde auf den MDK übertragen.

    Nachdem die Krankenkassen vom Gesetzgeber verpflichtet wurden, ihre Versicherten im Zusammenhang mit vermuteten Behandlungsfehlern zu unterstützen, ist auch dadurch dem MDK ein zusätzliches Betätigungsfeld erwachsen. Es ist eine umfassend konzipierte Großinstitution geschaffen worden, die als zentrales Steuerungsinstrument im Gesundheitssystem gedacht ist. Für den niedergelassenen Arzt hat sie erhebliche Bedeutung, ist sie doch Schnittstelle zwischen Krankenkassen, Patienten, Krankenhäusern und behandelnden Ärzten.

    Neutralität des Gutachters

    Die Ärzte des MDK sind ausschließlich als Gutachter tätig. Es zeigt sich auch hier, ähnlich wie in anderen Bereichen der ärztlichen Gutachtertätigkeit, wie dringend erforderlich dabei die Neutralität und Objektivität ist. Der Vorwurf einer einseitigen Parteinahme zugunsten des Auftraggebers ist nicht neu und reicht weit in die Zeiten des VäD zurück. Er ist heute nicht pauschal gerechtfertigt. Die Zusammenarbeit mit dem MDK ist aus Sicht eines langjährig niedergelassenen Arztes positiv.

    Trotzdem gibt es immer wieder Stimmen aus unterschiedlichen Richtungen, die – zumindest in Einzelfällen – Zweifel an der Unparteilichkeit des MDK äußern. Das Problem wurde auch früh erkannt, und es wurde 1998 ein Kodex für die Gutachter der MDK-Gemeinschaft geschaffen, der das Spannungsfeld zwischen Auftraggeber, Versicherten, Leistungserbringern, anderen Anbietern, gesetzlichen Grundlagen und Erkenntnissen von Forschung und Wissenschaft thematisiert und dem MDK die Aufgabe zuweist, in einer nicht interessengeleiteten Begutachtung die „sozialmedizinische Wahrheit“ zu finden.

    Auch die Ärzte des MDK sind nach § 275 Abs. 5 SGB V nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen und nur an die Regeln der ärztlichen Kunst gebunden. Allerdings arbeitet der MDK auftragsbezogen in der Funktion eines Dienstleisters und sieht sich mit der Forderung konfrontiert, sich mit der grundsätzlichen Rolle der Gesetzlichen Kran­ken­ver­siche­rung identifizieren zu müssen.

    Es muss vonseiten der übrigen Ärzteschaft auf das Erfordernis hingewiesen werden, die Ärzte des MDK bei der Umsetzung des hohen Zieles einer unabhängigen medizinisch-fachlichen Bewertung, die frei von jeglichen äußeren Interessen ist, zu unterstützen. Eine Einflussnahme irgendwelcher Gruppierungen auf eine medizinische Begutachtung sollte unter allen Umständen verhindert werden.

    Gerade die erweiterte Kompetenz des MDK erfordert ein hohes Maß an Unabhängigkeit und Neutralität der begutachtenden Ärzte, um nicht zum Spielball verschiedener
    Interessengruppen zu werden. Sie benötigen den Respekt ihrer ärztlichen Kollegen aus Praxis und Krankenhaus ebenso wie die Autorität bei ihren Entscheidungen gegenüber Patienten und Krankenkassen. Beides ist aber nur durch strikte Objektivität zu erreichen. Andernfalls könnte ein Krankenkassenangestellter allein über Genehmigung oder Ablehnung beantragter Leistungen entscheiden.

    Nur der kompetente sozialmedizinische Gutachter des MDK mit der erforderlichen Unabhängigkeit kann sowohl die Wünsche der Patienten als auch die durch die Gesetze vorgegebenen Interessen der Solidargemeinschaft adäquat berücksichtigen. Dies liegt im Interesse der gesamten Ärzteschaft.

    Dr. med. Wolfgang Hausotter
    Facharzt für Neurologie und Psychiatrie
    – Sozialmedizin – Rehabilitationswesen –
    Martin-Luther-Straße 8
    87527 Sonthofen/Allgäu

    Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums – Wikipedia
    https://de.wikipedia.org/wiki/Gesetz_zur_Wiederherstellung_des_Berufsbeamtentums

    Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, kurz Berufsbeamtengesetz (BBG), wurde nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 7. April 1933 erlassen und erlaubte es den neuen Machthabern im Deutschen Reich, jüdische und politisch missliebige Beamte aus dem Dienst zu entfernen. Ziele des unter Federführung von Wilhelm Frick veröffentlichten Gesetzes waren die Verwirklichung der rassenpolitischen und antikommunistischen/faschistischen Ziele der NSDAP und die Gleichschaltung des öffentlichen Dienstes.

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