Spionage : Türkei will gezielt Spitzel im Verfassungsschutz platzieren

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    https://www.welt.de/politik/deutschland/article166732068/Tuerkei-will-gezielt-Spitzel-im-Verfassungsschutz-platzieren.html

    Die Türkei hat laut Sicherheitskreisen versucht, Informanten in das Bundesamt für Verfassungsschutz einzuschleusen.

    Bei Überprüfungen waren zuletzt mehrere Bewerber aufgefallen, die im engen Kontakt zum türkischen Geheimdienst standen.
    Die Kölner Behörde wollte sich nicht zu Details äußern. Eine Anfrage an die Botschaft der Türkei blieb unbeantwortet.

    Das Verhältnis zwischen deutschen und türkischen Geheimdiensten ist traditionell schwierig. Seit einem halben Jahrhundert operieren die von der Staatsmacht in Ankara hierher entsandten Agenten so, als ob es sich bei der Bundesrepublik um ihr Land handeln würde. Nach dem Putschversuch vor einem Jahr sind jetzt die ohnehin angespannten Beziehungen auf einem neuen Tiefpunkt angelangt.

    Nach Informationen der WELT versucht der türkische Geheimdienst MIT offenbar, gezielt Spitzel im Verfassungsschutz zu platzieren, um den Inlandsnachrichtendienst zu unterwandern. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) teilte der WELT dazu mit: „Das BfV ist wie jeder andere Nachrichtendienst Ziel von strategischen Einschleusungsversuchen ausländischer Geheimdienste. Deshalb müssen wir als Sicherheitsbehörde besonders wachsam in Bezug auf Bewerber sein.“ Zu Details des heiklen Sachverhalts äußert sich die Kölner Behörde nicht.
    „Ganz neue Qualität“ der Infiltrationsversuche

    Sicherheitskreisen zufolge sollen die mutmaßlichen Spitzel des MIT bei den routinemäßigen Überprüfungen der Bewerber aufgefallen sein. Das BfV stockt derzeit sein Personal massiv auf, der Bundestag hat Hunderte von zusätzlichen Stellen bewilligt. Entsprechend viele Bewerbungen gehen derzeit beim Verfassungsschutz ein. „Die mehreren verdächtigen Kandidaten hatten sich sowohl auf Stellen für türkischsprachige Mitarbeiter als auch auf Jobs in anderen Bereichen des Verfassungsschutzes beworben“, sagte ein Nachrichtendienstler. Sie sollen in Kontakt mit dem türkischen Geheimdienst gestanden haben.

    Stephan Mayer (CSU), innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, erklärte: „Generell ist es nicht hinnehmbar, wenn fremde Geheimdienste unsere Nachrichtendienste zu unterwandern versuchen. Dies gilt vor allem für das Bundesamt für Verfassungsschutz, dessen Aufgabe gerade die Spionageabwehr ist. Dabei kommt es auch nicht darauf an, welches Land diesen Versuch unternimmt. Sollte ein Nato-Partner dies tun, wäre es natürlich besonders verwerflich.“ Er gehe davon aus, dass das Thema auch das Parlamentarische Kontrollgremium beschäftigen wird.

    Der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom bewertete die Versuche, den Verfassungsschutz zu infiltrieren, „als eine ganz neue Qualität“. In der Vergangenheit hätte sich der MIT darauf beschränkt, von den bundesdeutschen Diensten genutzte Dolmetscher als Zuträger zu rekrutieren. Doch ihm sei kein Fall bekannt, dass der türkische Geheimdienst versucht habe, seine Spitzel direkt im Verfassungsschutz unterzubringen.

    Eenboom fordert, nun zu prüfen, ob gegen enttarnte Bewerber wegen des Verdachts der „Geheimdienstlichen Agententätigkeit“ nach Paragraf 99 des Strafgesetzbuches ermittelt werden müsse. „Auch der Versuch ist strafbar“, sagt er. Wenn man da zu lasch reagiere, sei die „Abschreckungswirkung für den MIT gleich Null“. Ohnehin stellt sich die Frage, ob es der Türkei nicht längst gelungen ist, Spione einzuschleusen.

    Bereits lange vor der Ägide von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan brüskierte der MIT mit dreisten Aktionen die Deutschen. In dem Standardwerk „Lexikon der Geheimdienste im 20. Jahrhundert“, das 2003 erschien, wird dazu ausgeführt: „Mehr als ärgerlich ist es für Deutschland, dass seit dem Beginn der Zuwanderung türkischer Arbeitnehmer auch der türkische Geheimdienst MIT ziemlich ungeniert, gestützt auf diplomatische Einrichtungen der Türkei, in Deutschland sein Unwesen treibt.“

    Erst mit dem Putschversuch gegen Erdogan jagen die Spione aber vor allem seine Kritiker. „Früher ging es hauptsächlich um türkische Terrororganisationen, unter anderem die linksextremistische DHKP-C, die auch bei uns verboten ist. Seinerzeit kooperierten wir sogar mit dem MIT, indem wir Informanten aus diesem Bereich gemeinsam nutzten“, sagte August Hanning, ehemaliger Staatssektretär im Innenministerium und früherer BND-Präsident der WELT.

    Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat auf die zunehmenden Spionageaktivitäten der Türkei in Deutschland reagiert. Im Bereich der Spionageabwehr gibt es eine spezielle Einheit, die sich mit den MIT-Operationen hierzulande befasst. Unter Nato-Partnern ist so etwas höchst ungewöhnlich.

    #Allemagne #Turquie #espionnage