Taxi-Fahrer : Eine Branche kämpft - MOZ.de

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    So sieht wahrer Glaube aus: Die Liberalsierung des Öffentlichen Personennahverkehrs verbessert seine Qualität. Einfach so. Argumente braucht es nicht. Man muss nur daran glauben.
    Wir hätten gerne von Frau Torebko erfahren, wie die angeblichen Probleme im Taxi durch den Umstieg auf Mietwagen mit noch schlechter qualifizierten und entlohnten Fahrern gelöst werden. Dazu kein Wort, es ist einfach besser. Glaube mir, singt die Schlange Kaa in Disneys Dschungelbuch. Sie erinnern sich daran, was dann passiert. Oder?

    Dorothee Torebko / 13.09.2019, 06:45 Uhr
    Berlin (NBR) Es gab einen Punkt in Rainers Leben, da wollte er nicht mehr. Sich nicht mehr jeden Tag sorgen, ob sein Auto kaputt geht und er ohne Gehalt dasteht.

    Nicht mehr über den kürzesten Weg diskutieren. Sich nicht mehr mit gestressten Städtern auseinandersetzen, die aufs Taxameter starren. Also beschloss er, seinen Job als Taxifahrer an den Nagel zu hängen. Heute macht Rainer das, was er schon vorher getan hat: Er fährt Menschen zu ihren Zielen. Doch ohne den Ballast, der ihm vorher zu schaffen machte. Rainer ist Fahrer beim Ridepooling-Dienst Clevershuttle. Damit ist er einer der Feinde der Taxibranche. Denn er steht für all das, was dort falsch läuft.

    Ridepooling, bei dem sich viele Passagiere ein Taxi teilen, erobert in vielen deutschen Großstädten den Markt. Zugleich breiten sich kapitalkräftige Unternehmen wie Uber und Sixt aus, die Fahrdienste zwar nicht gepoolt, dafür aber billiger als Taxis anbieten. Die Bedrohung für die Taxibranche wird sogar noch größer: Mit einem überarbeiteten Personenbeförderungsgesetz will die Bundesregierung die Anbieter stärken. Sie sollen ein Teil der neuen Mobilitätswelt werden, in der Autos zugunsten des Klimaschutzes nicht mehr besessen, sondern geteilt werden. Taxifahrer befürchten, dass sie ins Abseits geraten. Und mit ihnen könnte ein Teil der Daseinsvorsorge sterben. Denn Taxis sind für Krankentransporte zuständig und sind durch ihre Tarifbindung für viele Bürger bezahlbar. Ist die Branche gerüstet für die Zukunft?

    „Junge Leute werden bald keine Taxis mehr benutzen“, prognostiziert Rainer. Auf seinem Smartphone, das er am Armaturenbrett seines E-Autos befestigt hat, ploppt ein Symbol auf. Der Passagier „Andrea“ will abgeholt und zu einem Start-up-Zentrum gebracht werden. Rainer fährt los. Unterwegs blinken auf seinem Smartphone immer mal wieder Signale auf, dass er Passagiere auf dem Weg einsammeln soll. Beim Ridepooling teilen sich mehrere Leute ein Taxi – so wird die Fahrt günstiger. Hat Rainer keine Passagiere, muss er zurück zur Basis. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will diese Rückkehrpflicht, an die Mietwagenunternehmen, nicht aber Taxis, gebunden sind, aufheben. Doch das gefällt den Taxifahrern gar nicht.

    Einer davon ist Thomas Grätz. Er ist Geschäftsführer beim Bundesverband Taxi und Mietwagen. „Wenn die Rückkehrpflicht fällt, geht die Taxibranche unter“, sagt Grätz. Er befürchtet, dass die Konkurrenz der Ridepoolinganbieter andernfalls zu groß werde. Denn diese Unternehmen können ihre Preise selbst gestalten, Taxifahrer nicht. Fiele die Rückkehrpflicht weg, nähmen die Ridepoolingdienste Taxis Kunden weg. Zugleich wären mehr Autos unterwegs – und das ist politisch nicht gewollt. Das Problem an der Rückkehrpflicht ist die Kontrolle. Für Grätz gibt es dafür eine einfache Lösung. Der Fahrweg könne digital aufgezeichnet werden, so würden jene, die auf der Suche nach Kunden durch die Stadt fahren, erkannt und bestraft werden können. Ob das datenschutzrechtlich geht, ist fraglich.

    Rainer öffnet die Tür. Hinein springt der Unternehmer Andrea, Mitte 20, mit Smartphone in der Hand. „Ach, du bist’s“, ruft Rainer. „Schön, dass wir uns mal wieder sehen“, sagt Andrea. Es kommt häufiger vor, dass die Gäste die Fahrer kennen. Per App können sie ihr Feedback abgeben – wenn der Fahrer gut ankommt, bekommt er einen Bonus ausgezahlt. Das Klientel sind meist gebildete, digital versierte 20- bis 40-Jährige. Auf die Frage, warum Andrea denn Ridepooling nutzt und nicht etwa ein Taxi, antwortet er: „Weil’s umweltfreundlich und unkompliziert ist. Die Fahrer sind nett. Hier treffe ich Gleichgesinnte.“

    Solche Sätze sollten ein Alarmsignal für Taxifahrer sein, sagt Andreas Knie. Für den renommierten Mobilitätsforscher und Professor an der Technischen Universität Berlin hat die Branche die Zukunft aber verschlafen. „Die Taxibranche muss sich endlich umstellen“, warnt Knie. Modernisierung heißt für den Wissenschaftler mehr Service, mehr Qualitätskontrollen bei der Rekrutierung und bessere Sprachkenntnisse der häufig ausländischen Fahrer. Der Geschäftsführer des Bundesverbands Taxi und Mietwagen, Grätz, plädiert dafür, dass die Ausbildung der Taxifahrer umgestellt wird. Derzeit besteht sie aus der Ortskundeprüfung. In Zeiten von Google-Maps ein veraltetes Konzept. Taxifahrer müssten vor Berufsaufnahme lernen, wie eine Quittung richtig auszufüllen ist und wie ein guter Umgang mit dem Fahrgast funktioniert. Seit zehn Jahren diskutiert die Branche über diese Veränderungen. Passiert ist bisher nichts.

    Doch was geschieht, wenn diese Modernisierung nicht erfolgt? Sind die Menschen auf dem Land dann abgehängt? Dem Mobilitätsforscher Knie zufolge kümmert sich die Taxibranche schon heute nicht um die ländlichen Regionen. „Wer auf dem Land ein Taxi vom Bahnhof braucht, hat häufig Pech gehabt. Ab 20 Uhr fährt dort keines mehr – und ohne Vorbestellung geht sowieso nichts“, stellt er fest. „Diese Dienste sind weder verlässlich noch attraktiv.“ Das Problem sieht auch Grätz: „Es ist ein betriebswirtschaftlicher Selbstmord, einen Fahrer eine ganze Nacht lang an eine S-Bahn-Station zu stellen.“ Sein Vorschlag: Busse sollten durch Taxis ersetzt werden. Dazu müsse man die Kommunen ins Boot holen. „Gemeinsam kriegen wir die Mobilität auf dem Land hin.“

    Gemeinsamkeit ist auch für Andreas Knie der Schlüssel zur Mobilitätswende: Man müsse die Taxibranche und das Mietwagengewerbe, worunter die Ridepooling-Firmen fallen, gesetzlich zusammenspannen. Dazu zählt er, dass Taxis ihre Preise innerhalb eines bestimmten Korridors selbst gestalten könnten. So könnten sie mit Uber und Co. konkurrieren. Andernfalls sähe es für die Branche schlecht aus.

    #Taxi #disruption