Der Selbstausbeuterhase (Tageszeitung junge Welt)

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  • Der Selbstausbeuterhase (Tageszeitung junge Welt)
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    22.10.2019 von Ralf Wurzbacher - Nach Uber, Deliveroo und Lime kommt nächste Ausnutzer-App, die billige Hilfskräfte für Alltagsgebrauch anbietet

    MICHAEL OSTUNI IMAGES
    Zu beschäftigt, um einen Spiegel anzubringen? Erfolgreiche City-Menschen können jetzt »Tasker« anheuern

    Keine Freunde, keine Nachbarn, keine Zeit. Aber im Kofferraum einen siebentürigen Platsa-Kleiderschrank von IKEA – noch verpackt und in tausend Teile zerlegt. Was tun? Die Rettung naht und hat einen Namen: »Task-Rabbit«. Bisher schon in Nordamerika, Großbritannien und Frankreich im Einsatz, schlägt der »Aufgabenhase« demnächst auch in Deutschland seine Haken. Das 2008 im Silicon Valley gegründete Startup-Unternehmen vermittelt über eine App sogenannte Minidienstleistungen an Privatpersonen. Wenn die Klospülung streikt, der Kühlschrank Zicken macht oder der Weg zum Bäcker zu beschwerlich ist, dann schlägt die Stunde der »Tasker«. Sie rücken an, verrichten die Arbeit, kassieren und hoffen gespannt auf die nächste Buchung. Über 60.000 solcher Helfer sollen weltweit bereits unterwegs sein, und gerade der deutsche Markt verspricht enormen Zuwachs.

    Losgehen wird es Ende November. Ab dann steht der »Hiwi für alle Fälle« auch hierzulande zum Anheuern bereit. Den Anfang machen das Rhein-Ruhr-Gebiet sowie Berlin und Umgebung. Bis Ende 2020 wolle man das Angebot auch auf Frankfurt am Main, München, Hamburg und Stuttgart ausweiten, äußerte sich Task-Rabbit-Chefin Stacy Brown-Philpot in einem Interview mit der Zeitung Die Welt vom Montag. Darin beschreibt sie, wie alles vonstatten geht: Der Kunde müsse per App kurz beschreiben, wo der Schuh drückt, und den Zeitpunkt bestimmen, wann der Auftrag zu erfüllen ist. »Dann zeigen wir eine Liste von ›Taskern‹ die zu ihren selbst festgelegten Stundensätzen zur Verfügung stehen. Sie wählen jemanden aus, können sich im Chat besprechen – und dann kommt die Person vorbei und erledigt einfach ihren Job.«

    Was so schön und einfach klingt, hat natürlich Kehrseiten. Wie in der sogenannten Share- und Gig-Economy üblich, wirtschaften auch die Leute, die für Task-Rabbit arbeiten, komplett auf eigenes Risiko: Sie arbeiten durchgängig als Freelancer, haben keine Sozialversicherung und können bestenfalls in engen Grenzen frei über ihre Tätigkeit entscheiden. Allerdings soll es laut Brown-Philpot in ihrem Laden weitaus menschlicher zugehen als etwa beim Fahrdienstleister Uber oder dem Essenszusteller Lieferando, wo sich Betroffene überwiegend zu Hungerlöhnen verdingen. Angeblich erhielten die Tasker in den USA einen durchschnittlichen Stundensatz von 35 Dollar . Das sei das »Fünffache des nationalen Mindestlohns, in Frankreich ist es das Dreifache«. Dazu komme eine große Freiheit, dahingehend, dass man die Höhe der Bezahlung selbst bestimmen und entscheiden könne, wann, wo und wie viel man arbeiten wolle.

    Doch ein Problem besteht: Ein hoher Stundensatz bringt wenig, wenn man den Rest des Tages aus Mangel an Aufträgen Däumchen drehen muss. In diesem Fall kann man sich auch keine soziale Absicherung leisten, selbst wenn das der Hasen-Chefin am Herzen liegen mag. Man setze sich stark für sogenannte Portable Benefits ein, erklärte sie, »also Fürsorgeleistungen, die nicht an eine Firma, sondern an eine Person gebunden sind und von Job zu Job übertragen werden können«. In den USA biete man überdies die Möglichkeit an, »direkt über unsere Plattform einen Teil der Einnahmen für die eigene Rente zu sparen«. Auch liefen bereits Gespräche darüber, »welche Fürsorgeleistungen wir unseren deutschen Nutzern anbieten können«. Schließlich sei man stets bemüht, »unser Geschäftsmodell an die jeweiligen Märkte anzupassen«.

    Das mutet wie eine Drohung an. Anders als die USA verfügt Deutschland über eine ausgeprägte Handwerkstradition mit zertifizierten Klempnern, Schreinern, Malern oder Elektrikern. Allerdings befinden sich diese Berufe seit längerem auf dem Rückzug, bedingt dadurch, dass sich immer weniger Haushalte die Dienste leisten können und der Trend zur Heimwerkerei und zur Schwarzarbeit anhält. Mit dem Aufgalopp der Tasker wird der Niedergang weiter an Fahrt gewinnen, weil sich hier ein ganzes Heer an billiger Konkurrenz in Stellung bringt. Brown-Philpot legt Wert darauf, dass Task-Rabbit »für jeden offensteht und viele der Helfer Studenten oder Pensionäre sind, die sich etwas dazu verdienen wollen«. Von beiden Gruppen gibt es hierzulande reichlich, und viele der Betroffenen stehen finanziell schlecht da. Hier zeichnet sich ein heftiger Unterbietungswettbewerb ab, der die Preise sukzessive in den Keller befördern und ganz nebenbei Teile des professionellen Handwerks verwüsten wird.

    Task-Rabitt dagegen verspricht sich goldene Zeiten. Als Vermittler verdient das Unternehmen an jedem Deal mit. »Wir glauben, dass allein der Hausarbeitsbereich ein Milliardenmarkt ist«, erklärte Brown-Philpot. Das Potential hat auch der schwedische Möbelriese IKEA erkannt und das US-Startup vor zwei Jahren kurzerhand aufgekauft. Nach einem Handelsblatt-Bericht von gestern sorgt sich der Konzern um die Zukunft seines Geschäftsmodells. Die Menschen hätten immer weniger Zeit, Betten, Tische und Regale selbst aufzubauen. Auf lange Sicht soll deshalb bundesweit jeder IKEA-Markt einen Task-Rabbitt-Service offerieren.

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