• jungle.world - Tschüss, Drecksblatt - Das Naziblatt »National-Zeitung« tritt die Reise nach Walhalla an
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    On regrette souvent la disparition de journaux imprimés. Là c’est de la pure joie. 69 ans après sa première parution le National-Zeitung fait savoir à ses lecteurs qu’il n’y en aura plus dans l’avenir.

    16.01.2020, von Kevin Culina- Die rechtsextreme »National-Zeitung« wurde nach 69 Jahren eingestellt. Zwar liegen Rassismus, Antisemitismus und Geschichtsfälschung weiterhin im rechten Trend – doch den bedienen heutzutage andere schneller.

    Wer die Titelseite der aktuellen Ausgabe der National-Zeitung betrachtet, dürfte sich freuen – nicht etwa wegen der äußerst unappetitlichen Aufmachung, dem dicken Eisernen Kreuz im Titel etwa, sondern wegen der fast schon versteckten, kleinen Bekanntmachung des Verlags am unteren Seitenrand. Es handele sich um die letzte Ausgabe, wird dort verkündet. Seinen 70. Geburtstag wird das Hetzblatt nicht mehr erleben, stattdessen tritt es die Reise nach Walhalla an.

    Das Ende des Naziblatts gehört zur schönen Seite des Zeitungssterbens. Der »Medienwandel der letzten 15 Jahre« sowie ein »geändertes Nutzerverhalten« seien für die Einstellung verantwortlich, heißt es in der am 20. Dezember erschienenen letzten Ausgabe: Digitalisierung, Produktionskosten – all das eben. Doch dürfte der flächendeckende Ausbau von Internetzugängen im imaginierten Deutschen Reich nicht der einzige Grund für das Ende sein. Denn thematisch liegt die National-Zeitung mit ihrem Antisemitismus, ihrem Rassismus und ihrer Geschichtsverfälschung eigentlich voll im rechtsextremen Trend. Vielmehr wandelt sich der Markt für extrem rechte Publikationen.

    Das Blatt erschien seit 1951 wöchentlich. Unter anderem drei ehemals ranghohe Nazis aus der NSDAP, Waffen-SS und Wehrmacht gründeten es in einem US-amerikanischen Gefangenenlager in Garmisch-Partenkirchen, damals zunächst unter dem Titel Deutsche Soldaten-Zeitung. Ende der fünfziger Jahre, in einer von finanziellen Schwierigkeiten geprägten Situation, übernahm Gerhard Frey die Zeitung und vertrieb sie fortan über seinen Druckschriften- und Zeitungsverlag (DSZ-Verlag) in München. Dem bayerischen Verfassungsschutz zufolge war dieser »über einen langen Zeitraum das bedeutendste rechtsextremistische Propagandain­strument in Deutschland«. Die Zeitung durchlief einige Umbenennungen, zuletzt erschien sie wöchentlich als ­»National-Zeitung« bundesweit in einer Auflage von etwa 7 000 Exemplaren, von denen nur rund 2 500 verkauft wurden. Das schätzt der Fachdienst Pressenews in Deutschland.

    Bis zu seinem Ableben 2013 prägte Gerhard Frey die Zeitung. Er war Gründer und langjähriger autoritärer ­Vorsitzender der rechtsextremen Partei »Deutsche Volksunion« (DVU), die 2011 mit der NPD fusionierte. Weil er zahlreiche Immobilien besaß, wie etwa einige Mietshäuser in Berlin, konnte Frey die Zeitung auch in finanziell schwierigeren Zeiten tragen. Mit Geld lässt sich allerdings nicht nur Zeitung machen, sondern auch das militante Milieu unterstützen. So soll Frey dem Neonazi Karl-Heinz Hoffmann, dem Anführer der rechtsterroristischen »Wehrsportgruppe Hoffmann«, einen Strafbefehl bezahlt haben, zu dem Hoffmann verurteilt worden war.

    Politisch war Frey gut vernetzt. Nach dem Tod des ehemaligen bayerischen Kultusminister Theodor Maunz (CSU) wurde bekannt, dass dieser bis zu ­seinem Tod anonym Texte in der National-Zeitung veröffentlicht hatte. Zum Vermächtnis des Altnazis Maunz gehört vor allem ein Kommentar zum Grundgesetz, der bis heute als Standardwerk gilt. Der Verlag C. H. Beck legte in diesem Jahr die 88. Auflage dieser nach Verlagsangaben »höchsten Instanz zum Grundgesetz« auf. Auch zum ehemaligen bayerischen Innenminister und Verteidiger des Naziverbrechers Rudolf Heß, Alfred Seidl (CSU), soll Frey ein enges Verhältnis gehabt haben. Maunz und Seidl hätten 1988 für Frey sogar die Satzung der DVU auf ihre Verfassungsmäßigkeit geprüft, berichtete die National-Zeitung.

    Neo- wie Altnazis sprach das Blatt lange Zeit aus dem Herzen. So wurden die deutsche Schuld an der Shoah und die nationalsozialistischen Verbrechen kleingeredet, geleugnet und relativiert. Stattdessen konzentrierte man sich auf den vermeintlichen »Massenmord an Deutschen« durch die Alliierten. Antisemitische ­Hetze gegen israelische oder deutsch-jüdische Persönlichkeiten gehörte ebenso zum Standardprogramm wie die Agitation gegen die Sozialdemokratie, etwa wenn die Zeitung über den »würdelosen Kniefall« des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt am ehemaligen Warschauer Ghetto 1970 schrieb.

    Thematisch schwamm das Blatt im verschwörungsideologischen Mainstream der extremen Rechten. Hinter den jihadistischen Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA witterte das Blatt einen sinistren Plan US-ame­rikanischer Geheimdienste. Die Flüchtlingsbewegungen der vergangenen Jahre dienten einem Plan zum Austausch des deutschen Volks, behauptete die Zeitung.

    Doch in jüngster Zeit fand die National-Zeitung auch Gefallen am Rechtspopulismus. So wird in der letzten Ausgabe der Wahlerfolg der britischen Tories bejubelt und Boris Johnson für sein Vorhaben gelobt, einen schnellen EU-­Austritt des Vereinigten Königreichs durchzusetzen. Sympathien äußerte das Blatt im vergangenen Jahr nicht nur für Rainer Wendt, den Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), und die Proteste deutscher Bauern, sondern sogar für Sahra Wagenknecht, die ehemalige Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag – was freilich nur gegen Wagenknechts linksnationalistische Inhalte spricht. Insbesondere den Aufstieg der »Alternative für Deutschland« (AfD) verfolgte die National-Zeitung zuletzt voller Begeisterung und berichtete wohlwollend über den völkischen Parteiflügel.

    Am Puls der rechten Zeit war das Blatt dennoch schon lange nicht mehr. ­Während rechtsextreme Internetblogs und -kampagnen deutlich schneller agieren und mit krawalligem Auftreten Wirkung erzeugen können, betreiben Neonaziparteien ihre eigenen Haus- und Hofpublikationen. Zudem bedient etwa die Junge Freiheit die gemäßigter daherkommende Strömung. Und das rechtsextreme Magazin Compact liefert Märchen über die jüdische Weltverschwörung im modernen Hochglanzformat an die Kioske der Republik.

    Der Chefredakteur von Compact, Jürgen Elsässer, beschäftigte sich im Jahr 1998, damals noch in kritischer Absicht, mit der Nazipartei Freys und der ­»Entfesselung des völkischen Ressentiments« in seinem »Braunbuch DVU«. Dabei schaute Elsässer sich offensichtlich einiges ab. Bei aller Freude also über das Ende eines Naziblattes – mögen ihm noch viele weitere folgen – bleibt angesichts der ideologischen Erben und des Erfolgs ihrer Propagandamagazine ein fader Beigeschmack.

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