• Corona und Arbeit: Der leise Tod der Spätis (neues-deutschland.de)
    https://www.neues-deutschland.de/artikel/1146785.corona-und-arbeit-der-leise-tod-der-spaetis.html

    10.01.2021, von Marie Frank - Der 29-Jährige gebürtige Berliner hat bis vergangenen Samstag in einem Späti in Berlin-Mitte gearbeitet. Mehmet Aygün: Wegen der schlechten finanziellen Lage wurde ihm gekündigt. Der Neuköllner hofft nun, bei der Post oder im Lebensmittelhandel eine neue Anstellung zu finden.

    »Die Spätis leiden. Wir verdienen so gut wie gar nichts mehr«, sagt Mehmed Aygün. Der 29-Jährige arbeitet in einem Spätkauf in Berlin-Mitte. »Arbeitete« muss man eigentlich sagen, denn an diesem Freitag hat Aygün erfahren, dass am Samstag sein letzter Arbeitstag ist. Wie bei den meisten Spätis unweit des Rosenthaler Platzes machen sich auch hier die in der Coronakrise fehlenden Tourist*innen, die in normalen Zeiten die Straßen regelrecht verstopfen, schmerzlich bemerkbar. So nervig die vielen Besucher*innen für den einen oder die andere Hauptstädter*in auch sein mögen, ohne sie fehlen den Späti-Verkäufer*innen - ebenso wie den Taxifahrer*innen - die Einnahmen.

    »Wir leben hier in Mitte von den Touristen. Jetzt ist die Straße vollkommen tot«, sagt Aygün resigniert und zeigt nach draußen, wo nur vereinzelt Menschen vorbeilaufen. Ein älterer Mann betritt den kleinen Laden und kauft ein Päckchen Camel. »Die Leute kaufen maximal noch einen Kaffee oder Zigaretten«, sagt Aygün seufzend. Damit allein ließe sich nicht einmal die Miete bezahlen, geschweige denn der Lohn für die Mitarbeiter*innen. Dabei bekommt Aygün ohnehin nur Mindestlohn, doch auch der fällt jetzt erst mal weg. Überraschend kam die Kündigung für ihn jedoch nicht, sein Chef hatte ihn angesichts der schwierigen finanziellen Situation des Spätis schon darauf vorbereitet.

    Laut Besitzer sind die Einnahmen um mindestens 80 Prozent zurückgegangen. Bei den umliegenden Spätis sieht es nicht anders aus, weiß Aygün aus Gesprächen mit den Kolleg*innen. Das Verkaufsverbot von Alkohol ab 23 Uhr sei dabei nicht mal das größte Problem, auch wenn der Neuköllner das für »Schwachsinn« hält. »Das Bier und Alkohol-Sortiment haben wir auch schon davor nicht mehr losbekommen.« Jetzt, wo das Geld knapp ist, würden die Leute eher in den Supermarkt gehen und auf Vorrat kaufen. Hinzu kommt das Ausbleiben des Feiervolks.

    »Bis wann soll es so weitergehen?«, fragt Aygün, der die bis Ende Januar verlängerten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie für übertrieben hält. An die Lufthansa und Autokonzerne würden Milliardenhilfen gezahlt, doch der Einzelhandel gucke in die Röhre. Was er sich von der Politik wünscht? »Man muss mit dem Lockdown aufhören, das zerstört uns alle.« Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus hat der 29-Jährige weniger als vor den wirtschaftlichen Folgen. »Keiner weiß, wie es weitergeht. Die Spätis sind alle am untergehen und werden es nicht mehr lange machen. Ein paar Monate vielleicht noch«, schätzt er.

    Berlin ohne Spätis? Für viele kaum vorstellbar, gehören die kleinen Läden mit ihrem rund um die Uhr verfügbaren Sortiment zur Großstadt doch einfach dazu. Dass der Impfstoff alles ändern wird, glaubt Aygün nicht. Der junge Mann ist überzeugt, dass uns das Virus noch lange begleiten wird. Statt einfach alles dichtzumachen und auf ein Ende der Krise zu hoffen, müsse man einen langfristigen Umgang damit finden, meint er. Ohnehin ist er angesichts der kurzen Zeit, in der das neue Mittel entwickelt und erforscht wurde, skeptisch. »Ich würde mich jetzt nicht impfen lassen.«

    Weitere Geschichte im Dossier: Solidarisches Berlin und Brandenburg.

    Wie es für ihn weitergeht, weiß Aygün noch nicht. Er sehe immer mehr Menschen auf der Straße, die Flaschen sammeln, sagt er besorgt. »Natürlich habe ich Existenzängste, so wie alle anderen auch.« Er will sich nun nach einem krisenfesteren Job umschauen, bei der Post oder im Lebensmittelhandel. »Ich bin ein fleißiger Mann, ich werde schon was finden«, sagt er zuversichtlich. »Wenn nicht, gehe ich halt auch Flaschen sammeln.«

    #Berlin #Wirtschaft #Soziales

  • BVG: Streit um Berlkönig (neues-deutschland.de)
    https://www.neues-deutschland.de/artikel/1146164.bvg-streit-um-berlkoenig.html

    22.12.2020 von Nicolas Šustr - Die Verkehrsverwaltung sieht keine Zukunft, die BVG durchaus

    »Ein Konzept zur Ausweitung des Berlkönigs als Teil des Öffentlichen Personennahverkehrs ist im Verkehrsvertrag nicht vorgesehen«, sagt Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) zu »nd«. »Wir haben bei der BVG vielmehr den Einsatz von Rufbussen bestellt, die dort zum Einsatz kommen sollen, wo es Erschließungslücken außerhalb der Innenstadt gibt«, so die Senatorin weiter. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sollten ein solches Konzept in ausgewählten Gebieten zügig umsetzen, um den Öffentlichen Personennahverkehr zu verbessern.

    Eines der ersten Rufbus-Gebiete soll Mahlsdorf-Süd inklusive des Ortsteils Waldesruh der brandenburgischen Gemeinde Hoppegarten werden. In den kleinen Straßen dieses Einfamilienhausgebiets ist die Anbindung zum Teil schlecht. In Lichtenberg sollen Rufbusse im Gebiet nördlich und südlich der Frankfurter Allee erprobt werden. Rund ein Fünftel der über 31 000 Bewohner dort hat keine Haltestelle in der Nähe. Neukölln ist der dritte Testkandidat. Zwischen Flughafenstraße und Ringbahn sowie Sonnenallee und dem ehemaligen Flughafen Tempelhof geht es um Angebotsverbesserungen für fast 72 000 Bewohner. Vor allem in Ost-West-Richtung fehlen bisher attraktive Verbindungen.

    »Wir brauchen etwas für die Außenbezirke; für die Hipster-Klientel in der Stadt brauchen wir das nicht«, ist Jens Wieseke, Sprecher des Berliner Fahrgastverbands IGEB überzeugt.

    So weit, so unumstritten. Doch die BVG sieht die Zukunft des Sammeltaxidienstes Berlkönig etwas anders. »Sowohl den Berlkönig in der Innenstadt als auch die neu zu entwickelnden Angebote laut Verkehrsvertrag sehen wir als Teile eines On-Demand-Angebotes«, erklärt Unternehmenssprecherin Petra Nelken auf nd-Anfrage. »On Demand« steht für Bedarfsverkehre auf Anforderung. »Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass diese Zusatzangebote, gerade als integrierter Bestandteil des Berliner ÖPNV, von unseren Kunden gut angenommen und gerne genutzt werden. Wir setzen daher weiter auf diese Angebote und entwickeln sie weiter«, heißt es weiter von der BVG.

    »Was ich erwarte, ist, dass ausgehend von den Erfahrungen, die die BVG mit dem Berlkönig gemacht hat, sie dem Senat und der Koalition ein neues und ausgewogenes Rufbus-Konzept vorstellt«, sagt Kristian Ronneburg, verkehrspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, zu »nd«. »Natürlich kann die BVG gemeinsam mit dem Betreiber Viavan ihr Berlkönig-Angebot im Rahmen der vierjährigen Erprobungsphase weiterführen«, so Ronneburg weiter. »Aber eine Verkopplung mit den vom Land bestellten Rufbussen und der Mobilitätsgarantie ist nicht möglich«, stellt er klar. Die Mobilitätsgarantie soll ab Ende 2021 zunächst für die U8 und einen Teil der U5 greifen. Fehlen dort Aufzüge oder sind sie defekt, können Menschen, die auf Barrierefreiheit angewiesen sind, eine alternative Beförderung zum nächsten per Fahrstuhl erreichbaren Bahnhof in Anspruch nehmen.

    BVG-Chefin Eva Kreienkamp scheint die Kopplung der verschiedenen Angebote durchaus im Sinn zu haben. »Wir bereiten die Ausschreibung eines ganzen Pakets von On-Demand-Lösungen vor«, sagte sie kürzlich und meinte den Berlkönig mit. Für Kristian Ronneburg ist klar: »Das Angebot darf keine Konkurrenz zum Taxi sein.«

    »Grundsätzlich wollen wir uns an der Ausschreibung der BVG beteiligen. Es kommt jedoch auf die Machbarkeit an«, sagt Hermann Waldner zu »nd«. Er ist Geschäftsführer der Taxizentrale Berlin, an die fast alle rund 7000 Taxen der Hauptstadt angeschlossen sind.

    »Es gibt seit vielen Jahren eine Kooperation von Taxi Berlin mit der BVG, um beispielsweise bei Störungen schnell einen Schienenersatzverkehr mit Taxen anbieten zu können«, sagt Waldner. Ebenfalls gebe es seit vielen Jahren in Kooperation von BVG und Taxi-Innung Berlin einen regelmäßigen Linienersatzverkehr mit kleineren Bussen. »Genau das Gleiche wie die neuen Mobilitätsangebote der BVG könnten wir mit unseren vielen Großraumtaxen auch anbieten, wahrscheinlich sogar kostengünstiger«, berichtet der Taxivermittler, der auch Vizepräsident des Bundesverbands Taxi und Mietwagen ist. Seit Jahren biete er das BVG an.

    Demnächst will er sich mit der Taxizentrale Berlin um die Neuausschreibung des Sonderfahrdienstes der Sozialverwaltung für Menschen mit Behinderung bewerben. Im Unterschied zum Taxi werden die Nutzer am Start- und Zielpunkt auch im Gebäude selbst abgeholt beziehungsweise dorthin gebracht. »Ich will das Angebot ausbauen und auch Inklusionstaxen mit anbieten«, sagt Waldner.

    Obwohl reichlich Fördermittel für den Umbau der Fahrzeuge bereitstehen, war im Sommer gerade mal ein Dutzend dieser Fahrzeuge unterwegs, die einen Rollstuhlfahrer in seinem Gefährt sitzend befördern können. »Wir können die Taxibetriebe nur zu den Umbauten motivieren, wenn sie auch Aufträge bekommen«, so der Taxilobbyist. Denn die Inklusionstaxen haben auch Nachteile wie einen höheren Kraftstoffverbrauch.

    #Berlin #ÖPNV #Berlkönig

  • Taxi: Berlkönig fährt weiter medizinisches Personal (neues-deutschland.de)
    https://www.neues-deutschland.de/artikel/1135603.taxi-berlkoenig-faehrt-weiter-medizinisches-personal.html

    Traurig, traurig. Die Berliner Taxiunternehmen haben seit vielen Jahren ihre Verankerung in der Stadtgesellschafft verspielt und es nicht verstanden, den Berliner Bevölkerungsaustausch für den Aufbau einer neuen Verankerung zu nutzen. Jetzt hört niemand auf sie, ihre Rolle als Teil des ÖPNV ist reine Buchwissenschaft aber schon lange keine Realität mehr.

    Kennt noch jemand Herrn Peter? Wenn zu seiner Zeit ein Problem im Nahverkehr auftrat, rief die Senatskanzleit den historischen Chef der „Taxiinnung“ an und der beriet mit seinen Kollegen eine Lösung. Das wurde dann gemacht. Die neuen Taxiunternehmer kennen nur den starren Blick auf Geld, die Perspektive ihrer Fahrer und Kunden ist ihnen abhanden gekommen. Das rächt sich.

    17.04.2020 von Nicolas Šustr - Kostenloser Shuttleservice bis 3. Mai verlängert – Taxigewerbe wartet auf Antwort des Senats auf Angebot

    Der für Beschäftigte des Gesundheitswesens kostenlose Sammeltaxidienst #Berlkönig geht in die Verlängerung bis zunächst 3. Mai. Das teilten die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) am Freitag mit. In deren Auftrag betreibt ViaVan, ein Joint Venture des Automobilkonzerns Mercedes-Benz und des US-amerikanischen Technologieunternehmens Via den Berlkönig. Zunächst galt das Angebot bis 20. April.

    Täglich zwischen 21 und 8 Uhr befördert der Dienst exklusiv und kostenlos ärztliches Personal, Pflegepersonal, medizinische Fachangestellte und Rettungskräfte. Das reguläre Angebot für die Allgemeinheit, das hauptsächlich in der östlichen Innenstadt verfügbar war, ist daher seit 25. März eingestellt.

    Gerade bei Betriebsbeginn am frühen Morgen oder auch spätabends waren zu Beginn des Notfahrplans im März BVG-Busse, die Krankenhäuser ansteuern, zumindest für Corona-Verhältnisse überfüllt.

    Nach Kritik am anfänglich zu kleinen Bediengebiet und einem in Bezug auf die Schichtwechselzeiten zu eingeschränkten Zeitfenster wurden beide Anfang April ausgeweitet. Inzwischen werden 75 Prozent der Berliner Krankenhausbetten angefahren. Nach BVG-Angaben haben sich inzwischen mehr als 2600 Gesundheitsbeschäftigte für den Dienst registriert, täglich finden über 400 Fahrten statt.

    #Berlin #ÖPNV #disruption

  • Straßenbahnneubau in Berlin: Das Ende der Autoschneise (neues-deutschland.de)
    https://www.neues-deutschland.de/artikel/1133459.strassenbahnneubau-in-berlin-das-ende-der-autoschneise.htm


    So könnte die Leipziger Straße auf Höhe des Bundesrates in einigen Jahren aufgeteilt sein – für Autos bliebe nur eine Spur pro Richtung.

    Man fragt sich, wozu der ganze Aufwand gut sein soll. Billiger und wirksamer wäre es, den privaten motirisierten PKW- und Lieferverkehr per Verordnung aus der Innenstadt zu verbannen, und nur noch unbedingt benötigte, städtische und konzessionierte Verkehre zuzulassen. Damit würde die Verkehrsdichte soweit reduziert, dass die Gefährdung für Fahrradfahrer auf das zur Zeit unvermeidliche Mass reduziert würde, und die Gemeinschaft kosten würde die Sache nichts. Im gegenteil würden viele interessante Arbeitsplätze und Nutzungsarten entsteen, für die zur Zeit kein Raum und keine Gelegenheites existieren.

    Weshalb gibt die grüne Umweltsenatorin nicht dort Geld aus, wo die Gemeinschaft es benötigt und spart es dort ein, wo es sinnlos in private Taschen fliesst ?

    Meiner Auffassung nach sind Fahrzeug- und Rüstungsindustrie gleich menschenverachtend tödlich und sollten dringend einer Konversion hin zu menschenfreundlichen Produkten unterzogen werden. Stadtentwicklung im Sinne von Menschen, nicht von Verkehren, sollte die Stadt ein einem entsprechenden Prozess umgestalten und lebenswert machen.

    26.02.2020 von Nicolas Šustr - »Es geht darum, die Stadt umzugestalten, sie menschenfreundlicher zu machen. Deswegen wollen wir versuchen, den motorisierten Individualverkehr deutlich zu reduzieren«, sagt Hartmut Reupke, Leiter der Abteilung Verkehr in der Senatsverwaltung für Verkehr, Umwelt und Klimaschutz am Dienstagabend.

    In der Leipziger Straße soll der Hebel für dieses Anliegen der Bau der Straßenbahnstrecke vom Alexanderplatz bis zum Potsdamer Platz sein. Für den Autoverkehr soll nach den präferierten Planungen nur noch eine Spur pro Richtung übrig bleiben, lässt bei dem Informationsabend über den Projektstand in der Alten Münze die Verwaltung die Katze aus dem Sack. Allerdings, so räumt Reupke ein, muss aus rechtlichen Gründen auch eine zweispurige Alternativplanung erstellt werden.

    Letztlich ist das nur die Folge der konsequenten Anwendung des Mobilitätsgesetzes, das mindestens zwei Meter breite Radspuren an Hauptstraßen sowie den Vorrang für den Öffentlichen Personnennahverkehr vorsieht. »In Summe werden wir den motorisierten Individualverkehr deutlich - wohl um die Hälfte - reduzieren können«, erklärt Holger Kölling-Orb von der Verkehrsverwaltung.

    Gegenüber den ersten, im Juni vergangenen Jahres vorgestellten Planungen muss sich die Straßenbahn an der Engstelle der Leipziger Straße zwischen Charlottenstraße und Leipziger Platz mit knapp 500 Metern fast nur noch die Hälfte der einst vorgesehenen Streckenlänge mit Autos teilen. Damit steigt die Chance, dass die Straßenbahnen mit Hilfe einer Ampelschaltung jeweils vor der Autokolonne fahren können. Eine Lösung, die in anderen Städten reibungslos funktioniert. Auch zwei Meter breite Radspuren sind vorgesehen.

    #Berlin #Mitte #Leipziger_Straße #Verkehr #Stadtentwicklung