Attacke gegen Betriebsräte (Tageszeitung junge Welt)

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  • 14.04.2020: Attacke gegen Betriebsräte (Tageszeitung junge Welt)
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    14.04.2020, von Daniel Behruzi - Gewerkschaftsrechte in der BRD, Attacke gegen Betriebsräte.
    Im Windschatten der Coronakrise betreibt der Deutsche Anwaltsverein die Aushöhlung von Mitbestimmungsrechten. Kritische Juristen halten dagegen

    Die Einschränkung von Grundrechten hat dieser Tage Konjunktur. Doch nicht immer geht es den Protagonisten darum, die Ausbreitung des Coronavirus zu bremsen und Menschenleben zu schützen. Von solch hehren Motiven nichts zu erkennen ist jedenfalls in der Stellungnahme »zu der Notwendigkeit, die Handlungsfähigkeit der Betriebspartner in der aktuellen Krise zu gewährleisten«, die der Deutsche Anwaltsverein (DAV) kürzlich abgegeben hat. Vielmehr empfiehlt die Vereinigung – in der kapitalnahe Juristen offenbar den Ton angeben – eine drastische Einschränkung von Betriebsratsrechten während der Pandemie. In einer in der vergangenen Woche veröffentlichten »Gegenposition« lehnen zahlreiche Arbeitsrechtler diese »einseitige Verfolgung von Arbeitgeberinteressen durch den DAV auf das schärfste ab«.

    Lediglich ein Vorschlag des Anwaltsvereins bezieht sich auf das im Titel seiner Stellungnahme formulierte Ziel, die Handlungsfähigkeit der betrieblichen Mitbestimmungsorgane zu erhalten: Während der Pandemie sollen Betriebsräte auf digitalem Wege und im Umlaufverfahren Beschlüsse fällen können, speziell zur Einführung von Kurzarbeit. Bei allen weiteren Vorschlägen ist ein Zusammenhang zum vorgegebenen Zweck nicht erkennbar. Im Gegenteil. So wird unter anderem gefordert, die Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen – also zum Beispiel bei der Einstellung, Versetzung oder der Eingruppierung von Beschäftigten – zu beschneiden. »Sofern sie wegen der Eindämmung der Covid-19-Pandemie erfolgen«, sollen die Betriebsräte zu solchen Maßnahmen nur noch angehört werden, ihre Zustimmung soll nicht mehr nötig sein. »Es ist zynisch, die Handlungsfähigkeit der Betriebsparteien damit gewährleisten zu wollen, dass Betriebsräten ihre elementaren Mitbestimmungsrechte genommen werden«, heißt es dazu in der »Gegenposition«, die schon mehr als 350 Juristen unterzeichnet haben. Die formulierte Einschränkung »wegen der Eindämmung der Covid-19-Pandemie« sei »so konturenlos und weit interpretierbar, dass diese Norm geradezu dazu einlädt, Mitbestimmungsrechte nicht mehr zu beachten«.

    Völlig unklar ist auch, warum der Deutsche Anwaltsverein fordert, Leiharbeit über eine Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes weiter zu erleichtern. »Es wäre eher die Bekämpfung des Missbrauchs und nicht die Ausweitung prekärer Arbeitsverhältnisse das Gebot der Stunde«, stellt der von den Kritikern veröffentlichte Aufruf fest, der unter anderem von der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen unterstützt wird. Diese lehnen auch die vorgeschlagene Änderung des Arbeitszeitgesetzes vehement ab. Unternehmen, die zur Versorgung der Bevölkerung ihren Betrieb aufrechterhalten, sollen laut DAV die gesetzlich festgelegten Arbeitszeitgrenzen überschreiten dürfen, weil für sie generell »ein Notfall vermutet« wird. Das sei »zu keinem Zeitpunkt vertretbar, und erst recht nicht in Zeiten extrem hoher krisenbedingter Beanspruchung«, heißt es im Gegenpapier. Gerade Beschäftigte in der Pflege und im Einzelhandel bräuchten jetzt »Schutz vor Überforderung, zum Beispiel durch die gesetzlichen Ruhepausen und –zeiten, und nicht die Aufweichung dieser Standards«. Hier werde deutlich, »dass im Windschatten der Coronakrise das Ziel verfolgt wird, in Arbeitnehmerschutzrechte einzugreifen«.

    Die Attacke zielt auch auf die demokratischen Entscheidungsprozesse innerhalb der Betriebsratsgremien. Nach Vorstellungen des DAV sollen sie gezwungen werden, einen dreiköpfigen Ausschuss zu bilden, auf den sämtliche Beteiligungsrechte übertragen werden, »soweit ein Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie besteht«. Die Kritiker weisen diesen Vorstoß als »zutiefst undemokratisch« zurück.

    Insgesamt ziele das DAV-Papier allein darauf ab, die kollektive Vertretung von Belegschaftsinteressen zu schwächen. Statt dessen sei es gerade in der aktuellen Situation nötig, die Rechte der Beschäftigten zu stärken – zum Beispiel, wenn diese Einsätze wegen unzureichender Schutzmaßnahmen verweigern wollen.

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