Das Lächeln der Könige / Eine Erwiderung. Teil 2
►http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-125443767.html
Im Spiegel 11/2014 schreibt Jochen-Martin Gutsch über Berliner Taxifahrer. Der Artikel versucht positiv bis neutral zu sein. Irgenwie ist er fair, dann aber doch ganz falsch. Das gehört kommentiert.
Berlin ist für vieles bekannt, aber nicht für Taxifahrer, die den Fahrgast als VIP behandeln.
Jetzt könnte ich zurückfrotzeln und allen Möchtegern-VIPs empfehlen, sich vom Wagenmeister des Hotel Adlon den Rolls Royce zum Flughafen schicken zu lassen. Aber das wäre falsch, denn wir behandeln alle Fahrgäste wie echte VIPs.
Ich zum Beispiel bin beim Bundestag zugelassener Abgeordenetenkutscher mit Security-Check und amtlicher Verpflichtung zu Diskretion. Und so genießen die Damen und Herren Volksvertreter nun exakt den selben Service, den auch Oma auf dem Weg zum Arzt bekommt. Ein Wort der Aufmunterung gibt es gratis, wer seine Ruhe haben will bekommt sie, und ich fahre alle völlig diskriminierungsfrei und ganz entspannt zu ihrem Ziel. Wer unbedingt die S-Klasse haben muß oder einen beschlipsten Fahrer, kann auch das per Taxifunk bestellen, das kostet keinen Cent mehr, aber dann ist vielleicht ein Viertelstündchen Warten angesagt, bis auch dieser Wunsch erfüllt wird.
Berliner Taxifahrer sprechen den Fahrgast traditionell eher auf zupackende Art und Weise an. Mit rauer Herzlichkeit und selbstbewusster schlechter Laune. Sie sagen Sätze wie: „Schillerstraße? Wo soll ditt denn sein?“ Oder: „Schillerstraße? Na vielen Dank! Dafür hab ick eine Stunde gewartet. Kann man ooch mal loofen.“
Laune und Umsatz haben miteinander zu tun und manchmal bekommt das auch der Fahrgast mit. Aber das wird ja nun besser, denn in Kürze verdienen wir nicht mehr vier oder fünf Euronen sondern achtfuffzig pro Stunde. Dank Mindestlohn sitzt dann immer die beste Laune hinterm Steuer.
Scherz beseite, auch das ist noch kein Anlaß zum Jubeln, aber vielleicht kann sich der Spiegel ja mal für eine bessere Bezahlung der Urberliner einsetzen. Moralische Unterstützung hebt die Laune nämlich enorm.
Nicht selten hat man das Gefühl, einen Berliner Taxifahrer mit dem Wunsch nach Beförderung eher zu stören: beim Warten, Zeitunglesen, Rauchen, Telefonieren, Musik hören. Es geht gefühlt weniger um eine Dienstleistung, die der Taxifahrer anbietet. Eher um eine Dienstbitte, die der Fahrgast demütig vorträgt.
Na gut, heute sage ich noch etwas dazu, dann muß aber gut sein.
Für die Gefühle der Fahrgäste sind wir nun wirklich nicht zuständig, und die mittlerweile stundenlangen Wartezeiten am Halteplatz kann einer schlecht in Habachtstellung mit aufmerksamem Blick für den nächsten Fahrgast zubringen. Das halten die Nerven nicht aus : Fährt er oder fährt er nicht ? Ach, wieder nur einer, der so nah am Auto vorbeischrammt, daß man um den Lack fürchten muß ... usw . Länger als zehn Minuten erträgt man das nicht.
Also lesen. Wenn einer einsteigt, wird das Lesenzeichen ins Buch gelegt, dann wird es zugeklappt, und dann sind wir ganz für den Fahrgast da. So geht das. Ist doch OK, oder ?
Teil 1
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Teil 3 folgt