• Menschenrechtsverletzungen bei Rückkehrprogrammen

      Immer wieder gibt es Berichte über eklatante Verstöße gegen die humanitären Bedingungen bei den Rückkehrprogrammen der IOM. Eine neue Studie von Brot für die Welt und medico international belegt die Vorwürfe.

      Die EU lagert seit Jahren Grenzkontrollen aus und setzt innerhalb von Herkunfts- und Transitregionen auf die Förderung „freiwilliger“ Rückkehr, damit Migrantinnen und Migranten erst gar nicht Europas Außengrenzen erreichen. Eine neue Studie von Brot für die Welt und medico international weist nach, dass die EU dabei Menschenrechtsverletzungen an den Außengrenzen und in den Transitländern Libyen, Niger und Algerien in Kauf nimmt.

      Die EU-Kommission hatte 2015 den Nothilfe-Treuhandfonds für Afrika aufgelegt. Eine gemeinsame Taskforce aus Europäischer Union, Afrikanischer Union und Vereinten Nationen beauftragte die Internationale Organisation für Migration (IOM), ein humanitäres Rückkehrprogramm für Migrantinnen und Migranten durchzuführen.Tatsächlich aber gibt es immer wieder Berichte über eklatante Verstöße gegen die humanitären Bedingungen.In ihrer Studie kann die Autorin Jill Alpes nun belegen, dass die Teilnahme an den Rückkehrprogrammen oftmals unfreiwillig erfolgt und teils erheblicher psychischer und in Einzelfällen auch physischer Druck auf die Migrantinnen und Migranten ausgeübt wird, damit sie der Rückführung zustimmen.

      Zusammenfassung der Studie

      Eine neue von Brot für die Welt und medico international herausgegebene Studie untersuchtbestehende Rückkehrprogramme für Migrantinnen und Migranten in Libyen und Niger entlang der Frage: Sind die Programme tatsächlich geeignete Instrumente zum Schutz der Menschen? Oder werden sie nach ihrer Rückkehr neuen Gefahren ausgesetzt?

      Im November 2017 alarmierte ein Beitrag des Nachrichtensenders CNN die Öffentlichkeit. Die Reporter berichteten über sklavenähnliche und zutiefst menschenunwürdige Verhältnisse in libyschen Internierungslagern. Europäische und afrikanische Regierungen, die zur gleichen Zeit ihr Gipfeltreffen in Abidjan abhielten, sahen sich daraufhin gezwungen, geeignete Schritte zum Schutz und zur Rettung der internierten Migranten und Flüchtlinge zu präsentieren.

      Doch statt eine Evakuierung der Menschen in sichere europäische Länder zu organisieren oder in Erwägung zu ziehen, die Unterstützung der für Menschenrechtsverletzungen verantwortlichen libyschen Küstenwache zu beenden, wurde die Rückführung von Flüchtlingen und Migranten aus Libyen in ihre Herkunftsländer beschlossen. Eine gemeinsame Taskforce aus Europäischer Union, Afrikanischer Union und Vereinten Nationen beauftragte die Internationale Organisation für Migration (IOM) damit, ein humanitäres Rückkehrprogramm aus Libyen durchzuführen.

      Doch in ihrer Studie kann nun die Autorin Jill Alpes belegen, dass es bei der Umsetzung der Rückkehrprogramme teilweise zu erheblichen Verstößen gegen humanitäre und menschenrechtliche Prinzipien kommt. So legen Berichte von Betroffenen nahe, dass die Beteiligung an den Rückkehrprogrammen keineswegs immer freiwillig erfolgt, wie von IOM behauptet, sondern teils erheblicher psychischer und in Einzelfällen auch physischer Druck auf die Migrantinnen und Migranten ausgeübt wird, damit sie ihrer eigenen Rückführung zustimmen. Vielfach erscheint ihnen eine Rückkehr in ihr Herkunftsland angesichts in Libyen drohender Folter und Gewalt als das kleinere Übel, nicht jedoch als eine geeignete Maßnahme, um tatsächlich in Sicherheit und Schutz zu leben. In Niger akzeptierten interviewte Migrantinnen und Migranten ihre Rückführung nach schweren Menschenrechtsverletzungen und einer lebensbedrohlichen Abschiebung in die Wüste durch die algerischen Behörden. Häufig finden sich Migrantinnen und Migranten nach ihrer Rückführung mit neuen Gefahren konfrontiert, bzw. genau jenen Gefahren wieder ausgesetzt, die sie einst zur Flucht bewegten.

      Auch die zur Verfügung gestellten Reintegrationshilfen, für die u.a. über den EU Trust Fund for Africa (EUTF) erhebliche finanzielle Mittel aufgewendet werden, bewertet die Autorin kritisch. Libyen allein hat seit 2015 mehr als 280 Millionen Euro für die Rückkehrprogramme bekommen. Offizielle Zahlen bestätigen, dass nur ein Teil der Rückkehrerinnen und Rückkehrer überhaupt Zugang zu den Programmen erhält. Viele scheitern bereits daran, die Kosten für den Transport zum Büro der IOM aufzubringen, um dort Unterstützung zu beantragen. Empfängerinnen und Empfänger von Reintegrationshilfen kritisieren, dass die angebotenen Hilfsmaßnahmen, bspw. Seminare zur Unternehmensgründung, häufig an ihrem eigentlichen Bedarf vorbeigingen und dem formulierten Ziel, nämlich nachhaltige Lebensperspektiven zu entwickeln, nicht ausreichend gerecht werden würden.

      Um tatsächlich zum Schutz von Migrantinnen und Migranten in Nord- und Westafrika beizutragen, zeigt die Autorin politische Handlungsempfehlungen auf. Eine Neuausrichtung der Flüchtlings- und Migrationspolitik müsse sich orientieren an Schadensvermeidung und -verhinderung, Befähigung der Menschen, ihre Rechte einzufordern, Unterstützung der Entwicklung von Selbstschutzkapazitäten und bedarfsgerechter Hilfe.

      Konkret:

      Die Europäische Union und die EU-Mitgliedstaaten müssen die Finanzierung der libyschen Küstenwache einstellen. Stattdessen sollten sie für proaktive Such- und Rettungsaktionen im zentralen Mittelmeer sorgen, Ausschiffungs- und faire Verteilungsmechanismen sowie besseren Zugang zu Asylverfahren schaffen, die Rechte von Migrantinnen, Migranten und Flüchtlingen in der migrations-politischen Zusammenarbeit mit Libyen schützen und sich zu einer globalen Teilung der Verantwortung und zur Förderung regulärer Migrationswege verpflichten.
      Die derzeitige Abschiebepraxis von Staatsangehörigen aus Subsahara-Ländern von Algerien nach Niger stellt eine eklatante Verletzung des Völkerrechts dar und macht Migrantinnen und Migranten extrem verwundbar. Internationale Organisationen, die Europäische Union und die Regierung von Niger müssen eine entschlossene und öffentliche Haltung gegen diese Praktiken einnehmen und die potentiell negativen Auswirkungen der in Niger verfügbaren Rückkehrprogramme auf die Abschiebepraxis aus Algerien kritisch untersuchen.
      Rückkehrprogramme müssen den Rechten von Menschen, die vor oder während ihrer Migration intern vertrieben, gefoltert oder Opfer von Menschenhandel geworden sind, mehr Aufmerksamkeit schenken. Opfer von Menschenhandel und Folter sollten Zugang zu einem Asylverfahren oder einem Umsiedlungsmechanismus in ein Drittland als Alternative zur Rückkehr in die Herkunftsländer haben.
      Humanitäre Akteure (und ihre Geldgeber) sollten die Begünstigten von Programmen ausschließlich auf der Grundlage humanitärer Bedürfnisse definieren und sich nicht von Logiken des Migrationsmanagements beeinflussen lassen. Nur ein kleiner Teil der afrikanischen Migrationsbewegungen hat Europa zum Ziel. Der Entwicklungsbeitrag von Rückkehrerinnen und Rückkehrern ist dann am stärksten, wenn sich die Migrantinnen und Migranten freiwillig zu einer Rückkehr entschlossen haben.
      Gelder der Entwicklungszusammenarbeit sollten nur dann für Rückkehr- und Reintegrationsprogramme verwendet werden, wenn eine positive Verbindung zu Entwicklung hergestellt werden kann. Die entwicklungspolitischen Auswirkungen der Reintegrationshilfe müssen untersucht und mit dem Nutzen und den Auswirkungen der Rücküberweisungen von Migrantinnen und Migranten verglichen werden.

      https://www.medico.de/menschenrechtsverletzungen-bei-rueckkehrprogrammen-17805

    • Paying for migrants to go back home: how the EU’s Voluntary Return scheme is failing the desperate

      By the time James boarded a flight from Libya to Nigeria at the end of 2018, he had survived a Mediterranean shipwreck, travelled through a half dozen African states, been shot and spent two years being abused and tortured in Libya’s brutal detention centres.

      In 2020, back home in Benin City, Edo State, James has been evicted from his house after failing to cover his rent and sleeps on the floor of his barbershop.

      He has been shunned by his family and friends for his failure to reach Europe.

      “There’s no happiness that you are back. No one seems to care about you [...]. You came back empty-handed,” he told Euronews.

      James was one of around 81,000 African migrants returned to their home nation with the aid of the UN’s International Organization for Migration (IOM) and paid for by the European Union, as part of the €357 million Joint Initiative. As well as a seat on a flight out of Libya and a number of other transit nations, migrants are also promised cash, support and counselling to allow them to reintegrate in their home countries once they return.

      But a Euronews investigation across seven African nations has revealed massive failings in the programme, considered to be the EU’s flagship response to stopping migrants trying to get to Europe.

      Dozens of migrants that have been through the programme told Euronews that once they returned, no support was forthcoming. Even those who did receive financial support - like James - said it was insufficient.

      Many are considering making a new break for Europe as soon as the chance arises.

      “I feel I don’t belong here,” James said. “If the opportunity comes, I’m taking it. I’m leaving the country.”

      Of the 81,000 migrants returned since 2017, almost 33,000 were flown back from Libya, many of whom have suffered detention, abuse and violence at the hands of people smugglers, militias and criminal gangs. Conditions are so bad in the north African country that the programme is called Voluntary Humanitarian Return (VHR), rather than the Assisted Voluntary Return (AVR) programme elsewhere in Africa.

      Mohi, 24, who spent three years in Libya, accepted the offer of a flight back home in 2019. But, once there, his reintegration package never materialised. “Nothing has been provided to us, they keep telling us tomorrow,” he told Euronews from north Darfur, Sudan.

      Mohi is not alone. IOM’s own statistics on returnees to Sudan reveal that only 766 out of over 2,600 have received economic support. It blames high rates of inflation and a shortage of both goods and cash in the market.

      But Kwaku Arhin-Sam, who evaluates development projects as director of the Friedensau Institute for Evaluation, estimates that half of the IOM reintegration programmes fail.

      “Most people are lost after a few days”, he said.
      Two-thirds of migrants don’t complete the reintegration programmes

      The IOM itself lowers this estimate even further: the UN agency told Euronews that so far only one-third of the migrants who have started reintegration assistance have completed the process. A spokesperson said that as the joint initiative is a voluntary process, “migrants can decide to pull out at any time, or not to join at all”.

      He said that reintegrating migrants once they return home goes far beyond the organisation’s mandate, and “requires strong leadership from national authorities”, as well as “active contributions at all levels of society”.

      Between May 2017 and February 2019, IOM had helped over 12,000 people return to Nigeria. Of them, 9,000 were “reachable” when they returned home, 5,000 received business training and 4,300 received “reintegration aid”. If access to counselling or health services is included, IOM Nigeria says, a total of 7,000 out of 12,000 returnees - or 58% - received reintegration support.

      But the number of people classified as having completed the reintegration assistance programme was just 1,289, and research by Jill Alpes, a migration expert and research associate at the Nijmegen Centre for Border Research, found that surveys to check the effectiveness of these packages were conducted with only 136 returnees.

      Meanwhile, a Harvard study on Nigerian returnees from Libya estimates that 61.3% of the respondents were not working after their return, and an additional 16.8% only worked for a short period of time, not long enough to generate a stable source of income. Upon return, the vast majority of returnees, 98.3%, were not in any form of regular education.

      The European Commissioner for home affairs, Ylva Johansson, admitted to Euronews that “this is one area where we need improvements.” Johansson said it was too early to say what those improvements might be but maintained the EU have a good relationship with the IOM.

      Sandrine, Rachel and Berline, from Cameroon, agreed to board an IOM flight from Misrata, Libya, to Yaounde, Cameroon’s capital in September 2018.

      In Libya, they say they suffered violence and sexual abuse and had already risked their lives in the attempt at crossing the Mediterranean. On that occasion, they were intercepted by the Libyan coastguard and sent back to Libya.

      Once back home, Berline and Rachel say they received no money or support from IOM. Sandrine was given around 900,000 cfa francs (€1,373.20) to pay for her children’s education and start a small business - but it didn’t last long.

      “I was selling chicken by the roadside in Yaounde, but the project didn’t go well and I left it,” she said.

      Sandrine, from Cameroon, recalled giving birth in a Tripoli detention centre to the sound of gunfire.

      All three said that they had no idea where they would sleep when they returned to Cameroon, and they had no money to even call their families to inform them of their journey.

      “We left the country, and when we came back we found the same situation, sometimes even worse. That’s why people decide to leave again,” Berline says.

      In November 2019, fewer than half of the 3,514 Cameroonian migrants who received some form of counselling from IOM were reported as “effectively integrated”.

      Seydou, a Malian returnee, received money from IOM to pay his rent for three months and the medical bills for his sick wife. He was also provided with business training and given a motorbike taxi.

      But in Mali he takes home around €15 per day, compared to the more than €1,300 he was able to send home when he was working illegally in Algeria, which financed the construction of a house for his brother in the village.

      He is currently trying to arrange a visa that would enable him to join another of his brothers in France.

      Seydou is one of the few lucky Malians, though. .Alpes’ forthcoming research, published by Brot für die Welt (the relief agency of the Protestant Churches in Germany) and Medico International, found that only 10% of migrants returned to Mali up to January 2019 had received any kind of support from IOM.

      IOM, meanwhile, claims that 14,879 Malians have begun the reintegration process - but the figure does not reveal how many people completed it.
      The stigma of return

      In some cases the money migrants receive is used to fund another attempt to reach Europe.

      In one case, a dozen people who had reached Europe and been sent home were discovered among the survivors of a 2019 shipwreck of a boat headed to the Canary Islands. “They had returned and they had decided to take the route again,” said Laura Lungarotti, IOM chief mission in Mauritania.

      Safa Msehli, a spokeswoman for the IOM, told Euronews that it could not prevent individuals from attempting to reach Europe again once they had been returned.

      “It is however in the hands of people to decide whether or not they migrate and in its different programme IOM doesn’t plan to prevent people from re-migrating”, she said.

      What is the IOM?

      From 2016, the IOM rebranded itself as the UN Migration Agency, and its budget has ballooned from US$242.2 million (€213 million) in 1998 to exceed US$2 billion (€1.7 billion) for the first time in the autumn of 2019 - an eightfold increase. Though not part of the UN, the IOM is now a “related organisation”, with a relationship similar to that of a private contractor.

      The EU and its member states collectively are the largest contributors to IOM’s budget, accounting for nearly half of its operational funding.

      IOM has been keen to highlight cases of when its voluntary return programme has been successful on its website, including that of Khadeejah Shaeban, a Sudanese returnee from Libya who was able to set up a tailoring shop.

      https://www.euronews.com/2020/06/19/paying-for-migrants-to-go-back-home-how-the-eu-s-voluntary-return-scheme-i

    • Abschottung statt Entwicklung

      Brot für die Welt und medico international kritisieren das EU-Programm zur Rückführung von Flüchtlingen in ihre Heimatländer und fordern eine Neuausrichtung in der Europäischen Flüchtlings- und Migrationspolitik.

      Fünf Jahre nachdem die EU den EU-Nothilfe-Treuhandfonds (EUTF) in Afrika ins Leben rief, ziehen Brot für die Welt und medico international in einer aktuellen Studie eine kritische Zwischenbilanz. Im Zentrum der Untersuchung steht die 2016 mit Mitteln des EUTF ins Leben gerufene Gemeinsame Initiative der EU und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) für den Schutz und die Wiedereingliederung von Migranten. Ziel des Programms war es insbesondere in Libyen gestrandeten Flüchtlingen eine Rückkehr in ihre Heimatländer zu ermöglichen.
      Insgesamt erfolgreich

      Das zuständige Auswärtige Amt bewertet die EU-IOM Initiative gegenüber dem SWR insgesamt als erfolgreich. Brot für die Welt und medico international kommen in ihrer aktuellen Studie aber zu einem anderen Ergebnis. Demnach ginge es bei der „freiwilligen Rückkehr“ vor allem darum, dass weniger Flüchtlinge und Migranten aus Afrika nach Europa kommen: „Migrationswege zu schließen und Menschen in ihre Herkunftsländer zurückzuschicken, lindert jedoch keine Not und hat daher nichts mit Entwicklungszusammenarbeit zu tun. Häufig werden hierdurch sogar neue und größere Probleme für die betroffenen Menschen und Gesellschaften geschaffen, wie die Studie von Jill Alpes zeigt“, erklärt medico international gegenüber dem SWR.

      Drei Monate lang suchte die Migrations-Expertin Jill Alpes im Niger, Nigeria und Mali nach Rückkehrern. Sie sprach auch mit den Vertretern der Hilfsorganisationen und den Verantwortlichen der IOM. Sie traf viele Zurückgekehrte, die bereits mehrfach einen Fluchtversuch unternommen hatten. „Von den Männern wollen die meisten eigentlich wieder raus,“ beschrieb Alpes gegenüber dem SWR die Situation vor Ort. Ihre Perspektive im Heimatland habe sich meist nicht verbessert, sondern verschlimmert, denn viele hätten Schulden aufgenommen, um die gefährliche Flucht anzutreten oder würden nach der Rückkehr stigmatisiert.

      „Während der Feldforschung war es so, dass auch die IOM Schwierigkeiten hatte, mit den Menschen, die sie bei der Rückkehr unterstützt hatte, wieder Kontakt aufzunehmen – kann sein, dass viele von ihnen wieder losgezogen sind.“ Für die meisten von Alpes befragten Betroffenen stelle sich die Notfallrückführung de facto als Abschiebung dar.

      Im Falle der „Rückkehr“ aus Algerien hatten einige Betroffene offenbar sogar bereits einen Flüchtlingsstatus oder hätten aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht aus Algerien ausgewiesen werden dürften.
      Ergebnisse der Studie

      Brot für die Welt kommentiert die Ergebnisse der Studie: „Die EU nimmt Menschenrechtsverletzungen in Kauf, insbesondere an den Außengrenzen Europas und den Transitländern wie Libyen, Niger und Algerien sind die Zustände eklatant.“

      Medico international kritisiert zudem, dass mit dem Nothilfe-Treuhandfonds für Afrika „Mittel der Entwicklungszusammenarbeit eingeflossen sind, um so genannte irreguläre Migration zu unterbinden“.

      SWR Recherchen zeigen: Über den EU-Haushalt fließen Entwicklungsmittelgelder in die umstrittene Mission. Von den insgesamt 5 Milliarden Euro des Treuhandfond kommt mit 4.4 Milliarden der größte Anteil aus der Europäischen Entwicklungshilfe (EDF). Aus den Protokollen der Board Meetings des EUTF geht hervor, dass Deutschland darauf drängt, die Gelder vor allem im Bereich „Migrationsmanagement“ einzusetzen. „Hierbei geht es eher darum, innenpolitisch Handlungsfähigkeit zu beweisen – auf Kosten der Betroffenen. Eine Entwicklungszusammenarbeit, der es um Menschenrechte und die Bekämpfung von Armut geht, darf sich dafür nicht vereinnahmen lassen,“ kritisiert medico international.

      Brot für die Welt fordert darum einen grundlegenden Kurswechsel und eine Neuausrichtung in der Europäischen Flüchtlings- und Migrationspolitik: „Im Vordergrund müssen die Rechte der Migrant*innen und deren Schutz vor Ausbeutung und Folter stehen. Um tatsächlich zum Schutz beizutragen, müssen die Europäischen Mitgliedstaaten die Finanzierung der libyschen Küstenwache einstellen und für eine proaktive Such – und Rettungsaktion, vorhersehbare Ausschiffungs- und faire Verteilungsmechanismen sowie besseren Zugang zu Asylverfahren sorgen.“

      Die Bundesregierung setzt sich dagegen für eine Fortführung der Gemeinsamen Initiative ein, heißt es aus dem Auswärtigen Amt. Die Finanzierung ist aktuell Gegenstand der noch laufenden Verhandlungen zum mehrjährigen EU-Finanzrahmen.

      Die Studie liegt bisher dem SWR exklusiv vor.

      https://www.swr.de/report/swr-recherche-unit/studie-zur-eu-fluechtlingspolitik/-/id=24766532/did=25311586/nid=24766532/1rbvj1t/index.html

    • Studie: Rückkehrprogramme für Migranten verstoßen oft gegen Menschenrechte

      Die Teilnahme sei oft unfreiwillig, teils werde erheblicher Druck ausgeübt, kritisieren „Brot für die Welt“ und „Medico International“. Die EU, die auf solche Programme setze, nehme das in Kauf.

      Bei Rückkehrprogrammen für Migranten nimmt die EU schwere Menschenrechtsverletzungen an den Außengrenzen und in Transitländern in Kauf. Zu diesem Fazit kommt eine Studie von „Brot für die Welt“ und „Medico International“. Immer wieder gebe es Berichte über eklatante Verstöße gegen die humanitären Bedingungen, erklärten die beiden Organisationen. Die neue Studie belege diese Vorwürfe: Die Teilnahme an solchen Programmen erfolge oftmals unfreiwillig, teils werde erheblicher psychischer und in Einzelfällen auch physischer Druck auf die Migrantinnen und Migranten ausgeübt.

      Die EU lagere seit Jahren Grenzkontrollen aus und setze innerhalb von Herkunfts- und Transitregionen auf die Förderung „freiwilliger“ Rückkehr, erklärten die Entwicklungsorganisationen. Bei der Umsetzung von Rückkehrprogrammen komme es jedoch teilweise zu erheblichen Verstößen gegen humanitäre und menschenrechtliche Prinzipien. So sei etwa die Beteiligung keineswegs immer freiwillig - anders als von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) behauptet, die von der EU für ein humanitäres Rückführprogramm aus Libyen beauftragt worden sei.

      Für die Studie befragte Autorin Jill Alpes den Angaben zufolge Rückkehrer aus Libyen sowie Migranten in Niger und Mali, weiter sprach sie mit Vertretern von IOM, Nichtregierungsorganisationen, nationalen staatlichen Institutionen, EU, UNHCR und europäischen Entwicklungsagenturen.

      Vielfach erscheine den Menschen angesichts drohender Folter und Gewalt in Libyen eine Rückkehr in ihr Herkunftsland letztlich als das kleinere Übel, nicht jedoch als geeignete Maßnahme, um tatsächlich in Sicherheit und Schutz zu leben. Im Niger hätten interviewte Migranten ihre Rückführung nach schweren Menschenrechtsverletzungen und einer lebensbedrohlichen Abschiebung in die Wüste durch algerische Behörden akzeptiert. „Häufig finden sich Migrantinnen und Migranten nach ihrer Rückführung mit neuen Gefahren konfrontiert beziehungsweise genau jenen Gefahren wieder ausgesetzt, die sie einst zur Flucht bewegten“, betonen die Entwicklungsorganisationen.

      Die zur Verfügung gestellten Reintegrationshilfen bewertet Studienautorin Alpes ebenfalls kritisch: Libyen allein habe seit 2015 mehr als 280 Millionen Euro für die Rückkehrprogramme bekommen, nur ein Teil der Rückkehrerinnen und Rückkehrer habe aber überhaupt Zugang zu den Programmen erhalten. Von den Empfängern hätten viele bemängelt, dass die Hilfen am Bedarf vorbeigingen und nicht das Ziel erfüllten, nachhaltige Lebensperspektiven zu entwickeln.

      „Wir fordern einen grundlegenden Kurswechsel und eine Neuausrichtung in der europäischen Flüchtlings- und Migrationspolitik“, erklärte Katherine Braun, Referentin für Migration und Entwicklung bei „Brot für die Welt“. Im Vordergrund müssten die Rechte der Migrantinnen und Migranten und der Schutz vor Ausbeutung und Folter stehen.

      https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-rueckkehr-studie-1.4961909