• Englisch ist das neue Französisch : Wie Berlin von anderen Sprachen geprägt wird
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/kolumne-harmsens-welt-englisch-ist-das-neue-franzoesisch-wie-berlin
    Je viens de passer une journée à Berlin avec des jeunes chercheurs venu du monde entier. On communiquait en anglais. C’est la lingua franca de notre époque. L’impérialisme anglo-américain a définitivement chassé les rudiments féodaux qui survivaient encore à l’époque de l’impérialisme britannique nettement moins toralitaire que son successeur oûtre-atlantique. Dans la rue on n’entend plus que l’anglais bâtardisé par l’usage des non-native-speakers. Parfois c’est drôle mais en général c’est ennuyeux car il n’y a plus qu’une seule lange étrangère capable de transformer l’allemand.

    Le côté plurilingue du jargon berlinois se perd. Parmi les habitants de la capitale allemande d’aujourd’hui les « vieux berlinois » ne constituent plus qu’une petite minorité qu’on trouve là où la petite bougeoisie possédait ses petites maisons particulières et dans les quartiers habités par ceux dont déjà les grands parents étaient trop pauvres pour fuir la ville pendant les bombardements il y a 80 ans. On manifeste son appartenance à cette caste de berlinois aux racines historiques en utilisant les expressions berlinoises contenant des mots repris du français, du russe et polonais, du yiddish et du « Rotwelsch », cet argot de la pègre locale du dix neuvième siècle avec ses traditions qui remontent au Moyen Âge tardif .

    On exprime ainsi la nostalgie d’une époque révolue, on retourne à la case de départ révolutionnaire de 1919.

    A lire
    Jettchen Gebert
    https://www.projekt-gutenberg.org/autoren/namen/hermanng.html
    Ein Mann will nach oben
    https://www.projekt-gutenberg.org/autoren/namen/fallada.html
    Berliner Dialekt
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Berliner_Dialekt

    9.2.2023 von Torsten Harmsen - Früher machte man „allet aus de Lameng“ oder „pö a pö“. Heute gehts ums „Einchecken“, „Recyceln“ oder „Downloaden“. Das Prinzip ist das gleiche geblieben.

    Was für Berlin heute das Englische ist, war früher das Französische. Ich habe ja neulich geschrieben, dass sich Ende des 19. Jahrhunderts deutschtümelnde Sprachreformer bei Post und Bahn bemüht haben, alle französischen Begriffe aus dem Alltag zu tilgen, also etwa „Couvert“, „Perron“, „Billet“ und „Coupé“.

    Doch noch 1937 – so schrieb mir ein Leser – hätten seine Berliner Großtanten ganz bewusst und vornehm die verpönte „welsche Sprache“ genutzt und so geredet: „Neulich ging ich auf dem Trottoir der Chaussee zur Station, dort auf den Perron, suchte meinen Waggon, setzte mich ins Coupé, und da kam der Conducteur und fragte nach dem Billet.“ Der Berliner sagte übrigens „Trittoar“ oder sogar „Trittewar“.

    Bis heute wird das Berlinische vom Französischen geprägt, das im 17. und 18. Jahrhundert hier einzog. Wir machen Dinge „imma pö a pö“ oder „aus de Lameng“, gehen mal „ums Karree“, essen „Buletten“, machen „Fisimatenten“, sitzen „in de Bredullje“, sagen „tschö“ (von „adieu“). Doch manches ist auch wieder verschwunden.
    Die „janze Bagasche“ gab „ihre Kledasche in de Jadrobe“ ab

    Einst gehörte es „zum Bongtong“ (guten Ton), „in de Belletasche“ zu wohnen. Wenn „Madamken“ die Nase voll hatte, hatte sie „de Neese pleng“. Die „janze Bagasche“ gab „ihre Kledasche in de Jadrobe“ ab. Der Spruch „chacun à son goût“ (jeder hat seinen Geschmack) wurde verkorkst zu „Jeder nach seinem Schaköng“. Und es entstanden unzählige französisch klingende Eigenschöpfungen: „schauderös“, „schikanös“, „sachtemang“, „spendabel“, „Schmierage“, „Kneipier“.

    Der Einfluss kam von hugenottischen Einwanderern, französischen Besatzern, Adligen, dem Militär und anderen. Französisch war in Mode wie heute das Englische. Die preußischen Könige „kujonierten“, „verunjenierten“, „verprobiantierten“. Und wenn ein König etwas verkünden musste, dann klang das so: Hiermit werde einer Dame „concediret, ihre hierein Specifizierte Limonade und andere liqueurs, zur refraichirung der daselbst promenierenden Personen öffentlich feil zu haben“. Wow, was für ein Satzgebilde für eine simple königliche Schankgenehmigung.

    Sprängen wir allerdings heute wieder zurück ins Jahr 1727, dann würde der König das Pesthaus vor den Toren der Stadt wohl nicht „Charité“ (Barmherzigkeit) nennen, sondern „Berlin Friedrich Wilhelm Center for Plague and Other Diseases“ – natürlich konsequent ohne Bindestriche. Auch dies ist eine Mode.

    Fremde Wörter werden zu etwas ganz Vertrautem

    Wie damals gibt es auch heute diese eine Hauptsprache – neben anderen –, aus der man lauter Bruchstücke in den eigenen Sprachgebrauch einführt. Ob es richtig ist oder nicht. Vieles wird auch einfach eingedeutscht. Irgendwann wurde niemand mehr stutzig, wenn man als Ur-Berliner zum Beispiel sagte: „Jenier dir mal nich.“ – „Du sollst dir nich echauffieren.“ – „Möblier endlich mal deine Bude!“ – „Du kannst eenen aber ooch deprimieren.“ – „Damit musste dir arrangieren!“ In solchen Sätzen sah man nicht mehr die einstigen Fremdworte. Sie hatten sich in vertraute Verben verwandelt.

    Es war in den 1970er-Jahren, als ich im Radio zum ersten Mal die Worte „antörnen“ und „ausflippen“ hörte. Das klang ganz neu und fremd. Heute nutzt man ganz selbstverständlich aus dem Englischen übernommene Worte wie „einchecken“, „durchstylen“, „aufpeppen“, „recyceln“, „brainstormen“ und „downloaden“. Der Verwurstungsprozess ist überhaupt nichts Neues. Nur die Sprachen wechseln. Wer weiß, welche es in hundert Jahren sein wird. Vielleicht Chinesisch.

    #Berlin #allemand #français #anglais #langue #métissage #histoire

  • Sur les traces de Rosa Luxemburg

    Textes et images : Falk Weiß
    Traduction et voix : Nepthys Zwer

    #1 Une approche
    https://www.youtube.com/watch?v=Qrq93W7eeUs

    #2 Tiergarten/ Rue de Cuxhaven
    https://www.youtube.com/watch?v=hK8M8TmJjK4

    #3 - Kreuzberg / rue de Lützow
    https://www.youtube.com/watch?v=fODc7o_hZFw

    #4 Neukölln / rue Hermann
    https://www.youtube.com/watch?v=O5FszWzoplo

    #5 Friedenau / rue Wieland / rue Cranach
    https://www.youtube.com/watch?v=tUHenFIOZ6Y

    #6 Quartier Südende / chemin de Biberach
    https://www.youtube.com/watch?v=oqO6w-tZ0KQ

    #7 Centre / rue Barnim – prison des femmes
    https://www.youtube.com/watch?v=2iN_BQaLbV8

    #8 Neukölln / rue Weise
    https://www.youtube.com/watch?v=bBdJNdyPVHw

    #9 Wilmersdorf / rue de Mannheim
    https://www.youtube.com/watch?v=akbqWBtkCdI

    #10 Charlottenburg / hôtel Eden
    https://www.youtube.com/watch?v=7skCXBjBx0E

    #Berlin #Mitte #Friedrichshain #Friedenau #Tiergarten #Wilmersdorf
    #histoire #communisme #révolution #1919

    @nepthys

    • Schön, lieber Klaus !

      Un ami de France m’écrit ce que lui inspire cette quête :
      "Je connais trop peu son œuvre par ailleurs, elle a pour moi le même statut un peu iconique de martyr de la lutte sociale que Jean Jaurès en France, morts pour avoir tenté de faire passer cette lutte avant les passions nationalistes et identitaires. Tout comme Jean Jaurès est surtout connu ici pour avoir été assassiné à la veille de la guerre en tentant de l’empêcher, Rosa Luxemburg et Karl Liebknecht le sont comme leaders d’une Révolution Spartakiste écrasée dans le sang par les Freikorps, les pendants et quelque part les précurseurs des anciens combattants fascistes qui porteront Mussolini au pouvoir en Italie quelques années plus tard et inspireront les milices nazies ensuite, et se présentaient comme les garants d’un ordre social et d’un idéal nationaliste contre des rouges niveleurs et internationalistes. Ce combat se poursuit aujourd’hui sous d’autres formes, en apparence moins violentes, et avec d’autres acteurs, mais le retour de l’extrême-droite pour le contrôle de masses populaires laissées en déshérence est patent des deux côtés de l’Atlantique."

    • Quelques textes de R.L. disponibles sur la toile (source: Wikipedia):

      R.L. bei project gutenberg
      https://www.gutenberg.org/ebooks/author/32368
      English : The Accumulation of Capital, les autres textes étan en allemand
      https://www.projekt-gutenberg.org/autoren/namen/luxembur.html

      Schriften von R.R. bei archive.org
      https://archive.org/search.php?query=creator%3A%22Luxemburg%2C+Rosa%2C+1871-1919%22&and%5B%5D=l

      Gesammelte Werke, 1923, 515 Seiten
      https://archive.org/details/gesammeltewerke00luxeuoft

      Die Akkumulation des Kapitals, Ein Beitrag
      zur ökonomischen Erklärung des Imperialismus, Berlin 1913.
      http://mlwerke.de/lu/lu05/lu05_005.htm

      Die Krise der Sozialdemokratie, 1916
      https://archive.org/details/DieKriseDerSozialdemokratie

      Die russische Revolution : eine kritische Würdigung, Berlin 1922
      https://archive.org/details/bub_gb_zBfUAAAAMAAJ/page/n1/mode/2up

      Marxists’ Internet Archive, Rosa Luxemburg
      https://www.marxists.org/deutsch/archiv/luxemburg/index.htm

      Nov/Dez 1893 - Der englische Bergarbeiterstreik 1893

      Feb 1894 - Wie entstand die Maifeier?

      Jan 1895 - Der erste Kongreß der deutschen Bergarbeiter

      Okt 1897 - Der Sozialismus in Polen

      30. Sep 1898 - Possibilismus und Opportunismus

      3./8. Okt 1898 - Reden auf dem Stuttgarter Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

      1899 - Sozialreform oder Revolution?

      20./26. Feb 1899 - Miliz und Militarismus

      6. Jul 1899 - Eine taktische Frage

      22. Jul 1899 - Hohle Nüsse

      Sep 1899 - Kautskys Buch wider Bernstein

      22. Sep 1899 - Unser leitendes Parteiorgan

      9./14. Okt 1899 - Reden auf dem Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zu Hannover

      1900 - Zur Verteidigung der Nationalität

      29. Mär 1900 - Um die Beute

      12./19. Sep 1900 - Die „deutsche Wissenschaft“ hinter den Arbeitern

      1901 - Die sozialistische Krise in Frankreich

      1901 - Der Parteitag und der Hamburger Gewerkschaftsstreit

      Apr 1902 - Das belgische Experiment

      13. Jul 1902 - Vor Ludwigshafen

      Aug 1902 - Zur Frage des Terrorismus in Rußland

      19. Sep 1902 - Der Achtstundentag auf dem Parteitag -

      14. März 1903 - Karl Marx

      Herbst 1903 - Im Rate der Gelehrten

      Herbst 1903 - Geknickte Hoffnungen

      1904 - Organisationsfragen der russischen Sozialdemokratie

      Feb 1904 - Krieg

      5./6. Dez 1904 - Sozialdemokratie und Parlamentarismus

      1905 - Kirche und Sozialismus

      8. Jan 1905 - Aus dem literarischen Nachlaß von Karl Marx

      1. Feb 1905 - Nach dem ersten Akt

      8. Feb 1905 - Das Problem der „hundert Völker“

      8. Feb 1905 - Die Revolution in Russland

      8. Feb 1905 - Terror

      29. April 1905 - Im Feuerscheine der Revolution

      30. Mai 1905 - Die Debatten in Köln

      17./23. Sep 1905 - Reden auf dem Jenaer Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands im Jahre 1905

      16. Nov 1905. - Die Russische Revolution 1905

      19. Nov 1905. - Eine maßlose Provokation

      29. Nov 1905. - Die Lösung der Frage

      15. Sep 1906 - Massenstreik, Partei und Gewerkschaften

      23./29. Sep 1906 - Reden auf dem Mannheimer Parteitag
      der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands im Jahre 1906

      24. Okt 1906 - Die zwei Methoden der Gewerkschaftspolitik

      1909–10 - Einführung in die Nationalökonomie

      14. März 1910 - Wie weiter? -

      1910 - Ermattung oder Kampf? -

      Juni 1910 - Die Theorie und die Praxis

      1. Okt 1910 - Der politische Massenstreik und die Gewerkschaften (Rede)

      6./8. Mai 1911 - Friedensutopien

      Aug 1911 - Marokko

      19. Aug 1911 - Kleinbürgerliche oder proletarische Weltpolitik?

      12. Mai 1912 - Frauenwahlrecht und Klassenkampf

      1913 - Die Akkumulation des Kapitals

      14. März 1913 - Karl Marx

      27. Mai 1913 - Die weltpolitische Lage

      Anfang Juni 1913 - Lassalles Erbschaft

      Sep 1913 - Das Offiziösentum der Theorie

      Okt 1913 - Nach dem Jenaer Parteitag

      6. Jan 1914 - Die Bilanz von Zabern

      27. Jan 1914 - Die alte Programmforderung

      3. Feb 1914 - Noch eine Lehre von Zabern

      20. Feb 1914 - Verteidigungsrede vor der Frankfurter Strafkammer

      7. März 1914 - Diskussionsbeitrag am 7. März 1914 in der Protestversammlung gegen die Verurteilung Rosa Luxemburgs in Freiburg im Breisgau

      2. Apr 1914 - Die andere Seite der Medaille

      5. Mai 1914 - „Nicht zuständig“

      29. Sep 1914 - Zweierlei Maß

      27. Nov 1914 - Keine Überraschung

      Dez 1914 - Für die internationale Solidarität!

      4. Dez 1914 - Parteidisziplin

      15. Apr 1915 - Der Wiederaufbau der Internationale

      Mitte 1915 - Perspektiven und Projekte

      Ende 1915 - Entwurf zu den „Junius“-Thesen1916 - Die Krise der Sozialdemokratie („Junius“-Broschüre)

      Frühjahr 1916 - Die Politik der sozialdemokratischen Minderheit

      März 1916 - Resolution über die Aufgaben sozialdemokratischer Abgeordneter für die Beendigung des Krieges

      Apr 1916 - Die Lehre des 24. März

      Mai 1916 - Hundepolitik

      Jun 1916 - Was ist mit Liebknecht?

      7. Jul 1916 - Postkarte an Sonja Liebknecht

      20. Sep 1916 - Liebknecht

      Okt 1916 - Wofür kämpfte Liebknecht, und weshalb wurde er zu Zuchthaus verurteilt?

      Dez 1916 - Friede und Schiedsverträge

      6. Jan 1917 - Offene Briefe an Gesinnungsfreunde

      Apr 1917 - Die Revolution in Rußland

      Apr 1917 - Wilsons Sozialismus

      25. Mai 1917 - Rückblick auf die Gothaer Konferenz

      Aug 1917 - Brennende ZeitfragenDez 1917 - Brief aus dem Gefängnis

      1918 - Zur russischen Revolution

      20. Nov 1918 - Die Nationalversammlung

      29. Nov 1918 - Parteitag der Unabhängigen SP

      14. Dez 1918 - Was will der Spartakusbund?

      15. Dez 1918 - Außerordentliche Verbandsgeneralversammlung der USPD von Groß-Berlin

      17. Dez 1918 - Nationalversammlung oder Räteregierung?

      31. Dez 1918 - Unser Programm und die politische Situation

      7. Jan 1919 - Was machen die Führer?

      8. Jan 1919 - Versäumte Pflichten

      11. Jan 1919 - Das Versagen der Führer

      13. Jan 1919 - Kartenhäuser

      14. Jan 1919 - Die Ordnung herrscht in Berlin

    • Rosa Luxemburg: Kirche und Sozialismus (1905)
      https://www.marxists.org/deutsch/archiv/luxemburg/1905/xx/kirche.htm

      Wie die Kapitalisten den Körper des Volkes in das Gefängnis der Not und Unfreiheit sperrten, so sperrte der Klerus den Kapitalisten zu Hilfe und um der eigenen Herrschaft willen den Geist des Volkes ein, weil er fürchtete, ein aufgeklärtes, vernünftiges Volk, das Welt und Natur mit durch die Wissenschaft geöffneten Augen betrachtet, würde die Herrschaft der Priester abwerten und sie nicht mehr als höchste Macht und Quelle aller Gnade auf Erden ansehen. Indem er also die ursprünglichen Lehren des Christentums, die gerade das irdische Glück der Geringsten erstrebten, abändert und verfälscht, redet der heutige Klerus dem Volk ein, es leide Not und Erniedrigung nicht auf Grund der schändlichen gesellschaftlichen Verhältnisse, sondern auf Befehl des Himmels, durch Fügung der Vorsehung. Und dadurch eben tötet die Kirche im arbeitenden Menschen den Geist, tötet in ihm die Hoffnung und den Willen nach besserer Zukunft, tötet in ihm den Glauben an sich selbst und seine Kraft, die Achtung vor der eigenen menschlichen Würde. Die heutigen Priester halten sich mit ihren falschen und den Geist vergiftenden Lehren dank der Dumpfheit und Erniedrigung des Volkes und wollen diese Dumpfheit und Erniedrigung für ewige Zeiten bewahren.

      Es gibt dafür unschlagbare Beweise. In den Ländern, wo der katholische Klerus allmächtig über das Denken des Volkes herrscht wie in Spanien und Italien, dort herrschen auch größte Dumpfheit und – größtes Verbrechen. Nehmen wir beispielsweise zwei Länder in Deutschland zum Vergleich: Bayern und Sachsen. Bayern ist hauptsächlich ein Bauernland, wo der katholische Klerus noch großen Einfluß auf das Volk hat. Sachsen ist dagegen ein hochindustrialisiertes Land, wo die Sozialdemokratie schon seit langen Jahren Einfluß auf die arbeitende Bevölkerung hat. In Sachsen sind zum Beispiel in fast allen Wahlkreisen Sozialdemokraten in den Reichstag gewählt worden, wodurch dieses Land bei der Bourgeoisie verhaßt und als „rot“, sozialdemokratisch, verschrien ist. Und was ergibt sich? Amtliche Berechnungen zeigen, daß, wenn man die Zahl der im Laufe eines Jahres im klerikalen Bayern und im „roten“ Sachsen begangenen Verbrechen vergleicht (im Jahre 1898), auf 100.000 Personen bei schwerem Diebstahl in Bayern 204, in Sachsen 185 Fälle kommen, bei Körperverletzungen in Bayern 296, in Sachsen 72, bei Meineid in Bayern 4, in Sachsen 1. Ebenso, wenn man die Zahl der Verbrechen im Posenschen betrachtet, so gab es im selben Jahr auf 100.000 Menschen 232 Körperverletzungen, in Berlin 172. Und in Rom, dem Sitz des Papstes, wurden im vorletzten Jahr des Bestehens des Kirchenstaates, d.h. der weltlichen Macht des Papstes im Jahre 1869, in einem Monat 279 Menschen wegen Mordes, 728 wegen Körperverletzung, 297 wegen Raubes und 21 wegen Brandstiftung verurteilt! Das waren die Früchte einer ausschließlichen Herrschaft der Geistlichkeit über das Denken der armen Bevölkerung.

      Das heißt natürlich nicht, daß die Geistlichkeit zum Verbrechen ermuntert, im Gegenteil, mit den Lippen reden die Priester viel gegen Diebstahl, Raub und Trunksucht. Aber bekanntlich stehlen, schlagen und trinken die Menschen nicht aus Eigensinn oder Neigung, sondern aus zwei Gründen: aus Not und Dumpfheit. Wer also das Volk in Not und Dumpfheit hält, wie es die Geistlichkeit tut, wer im Volk den Willen und die Energie zu einem Ausweg aus Not und Dumpfheit tötet, wer auf jede Weise diejenigen behindert, die das Volk bilden und aus der Not emporheben wollen, der ist ebenso verantwortlich für die Verbreitung von Verbrechen und Trunksucht, als ob er dazu ermuntern würde.

  • Werke von Joseph Roth
    https://www.projekt-gutenberg.org/autoren/namen/roth.html

    Epub-Generstor
    http://www.epub2go.eu

    Dieser Generator erzeugt aus den Projekt Gutenberg-Büchern Dateien im ePub-Format, die Sie mit den meisten eBook-Readern problemlos lesen können.

    Werke im Projekt Gutenberg-DE

    Romane:

    Beichte eines Mörders
    Das falsche Gewicht
    Das Spinnennetz
    Die hundert Tage
    Der stumme Prophet
    Die Flucht ohne Ende
    Die Geschichte von der 1002. Nacht
    Die Kapuzinergruft
    Die Rebellion
    Hiob
    Hotel Savoy
    Panoptikum
    Radetzkymarsch
    Rechts und Links
    Tarabas
    Zipper und sein Vater

    Erzählungen:

    Die Legende vom heiligen Trinker und andere Erzählungen
    Die Büste des Kaisers
    Triumph der Schönheit

    Journalistisches:

    Reise in Rußland
    Reportagen
    Reportagen aus Wien und Frankreich

    #Literatur #auf_Deutsch