/open-source

  • Udetzeile in Tempelhof: Von einer Berliner Straße, die nach einem NS-Kriegsverbrecher benannt ist
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/udetzeile-in-tempelhof-von-einer-berliner-strasse-die-nach-einem-ns

    Tja, Mohr oder nicht Mohr ist hier mal wieder die Frage. In Berlin werden Straßen aus schlechteren Gründen umbenannt, also warum nicht weg mit Udet.

    Vielleicht sollte man die Sache besser gleich richtig machen und das Fliegerviertel baldigst in Mörderviertel umbenennen, denn fast alle Straßen heißen dort nach Mördern wie Udet. Dann könnte in einer großen Aufräumaktion alles Kriegerische durch die Namen von Friedenspionieren ersetzt werden, allen Pistoriopossen zum Trotz.

    So könnten in eimhundert Jahren die Kinder im Heimatkundeunterricht erfahren, dass ihre Urgroßeltern ein Zeichen gegen alle kommenden Kriege gesetzt haben. Wäre doch mal was.

    5.12.2024 von Martin Verges - In Berlin-Tempelhof gibt es eine Gasse namens Udetzeile. Unser Autor will sich nicht damit abfinden. Denn Kampfpilot Ernst Udet zählte zu Hitlers Schergen.

    Dies ist ein Open-Source-Beitrag. Der Berliner Verlag gibt allen Interessierten die Möglichkeit, Texte mit inhaltlicher Relevanz und professionellen Qualitätsstandards anzubieten.

    Im Sommer 2022 bin ich in Berlin-Tempelhof durchs „Fliegerviertel“ geradelt. Dort bin ich auf den Straßennamen „Udetzeile“ gestoßen. Ich wäre beinahe vom Rad gefallen, denn ich wusste, wer Udet war. Und auf dem Zusatzschildchen stand, dass genau dieser Udet gemeint war: „Ernst Udet, deutscher Generalluftzeugmeister, 1896 bis 1941“.

    Zu Hause habe ich noch mal nachgelesen. Im Ersten Weltkrieg war Udet ein Kampfpilot – wie Herrmann Göring. 1933 ist Udet der NSDAP beigetreten. Danach hat er unter Förderung seines Fliegerkumpels Göring im Reichsluftfahrtministerium Karriere gemacht. Am 1. Februar 1939, also deutlich vor Kriegsbeginn, wurde Udet von Adolf Hitler zum Generalluftzeugmeister ernannt. Udets Aufgabe als Generalluftzeugmeister war die Organisation der Waffen: Produktion und Beschaffung der Bombenflugzeuge, Bomben, Jagdflugzeuge, Munition, Treibstoff, dazu das Einrichten von Flugplätzen, die Ausbildung der Piloten und natürlich die Ausarbeitung der strategischen und taktischen Angriffspläne, also das Zusammenwirken all dieser Luftkriegswaffen.

    Der Generalluftzeugmeister Udet hat also keine Flugzeugbildchen in ein Sammelalbum geklebt, sondern er hat maßgeblich an der Vorbereitung und Durchführung der deutschen Angriffskriege mitgewirkt, durch die Millionen Menschen ermordet worden sind: in Polen, Dänemark, Norwegen, Belgien, Holland, Luxemburg, Frankreich, Großbritannien, Serbien, Griechenland und natürlich in der Sowjetunion. Kurzum: Ernst Udet war ein faschistischer Kriegsverbrecher – ein Schreibtischtäter, ein „Eichmann des Bombenterrors“. Und wenn man es genau betrachtet, wurden durch die Luftangriffe der von Udet organisierten Luftwaffe die Türen für die Besetzung des Landes durch die faschistische Wehrmacht aufgebrochen, der dann die Ausplünderung und Ermordung der Bevölkerung folgten.

    Giffey antwortet, sie wäre nicht zuständig

    Dass dieser faschistische Kriegsverbrecher mit einer Straße geehrt wird – und das auch noch in Berlin, der „Stadt der Täter“ – das ist nicht hinnehmbar. Also bin ich aktiv geworden. Zuerst habe ich Franziska Giffey, damals noch Berlins Regierende Bürgermeisterin, einen Brief geschrieben. Die Stadt Berlin sollte keinen faschistischen Kriegsverbrecher mit einem Straßennamen ehren. Doch Frau Giffey hat mir geantwortet, sie wäre nicht zuständig.

    Dann habe ich Herrn Jörn Oltmann, dem Bezirksbürgermeister von Tempelhof-Schöneberg, einen Brief geschrieben. Herr Oltmann (Die Grünen) hat mir geantwortet, Udet wäre ein Sport- und Kunstflieger gewesen. Die Vorbereitung und Durchführung der Angriffskriege, also die Kriegsverbrechen Udets, hat Herr Oltmann komplett ausgeblendet, mit keinem Wort erwähnt. In dieser Logik wäre Joseph Goebbels ein Romanautor und Hitler ein Kunstmaler gewesen.

    Dann bekam Berlin mit Kai Wegner (CDU) einen neuen Regierenden Bürgermeister. Doch auch Herr Wegner hat mir nur mitgeteilt, dass er nicht zuständig wäre. Ein einziges Telefonat hätte genügt, die Umbenennung der Udetzeile anzustoßen. Doch Herr Wegner wollte nicht.

    Parallel dazu habe ich mich an die Fraktionen der BVV Tempelhof-Schöneberg gewandt. Die haben entweder gar nicht geantwortet oder nur ausweichend. Einzig Frau Elisabeth Wissel (Linke) hat sich für eine Umbenennung der Udetzeile ausgesprochen und diese dann auch im Kulturausschuss der BVV beantragt. Doch die 15 Abgeordneten dieses Kulturausschusses (CDU, SPD, Grünen, AfD) haben am 5. Oktober 2023 den Antrag auf Umbenennung abgelehnt. Begründung: Udet wäre kein Förderer des Nationalsozialismus gewesen. Dass Udet der Förderer von Angriffskrieg und Massenmord war, und also ein Kriegsverbrecher, wurde komplett ignoriert.

    Daraufhin habe ich diesen 15 Abgeordneten Einzelbriefe geschrieben, in denen ich erneut die Taten Udets geschildert und darauf hingewiesen habe, dass nach Paragraf 130 StGB die Billigung, Leugnung und Verharmlosung faschistischer Kriegsverbrechen eine Straftat darstellt. Doch auch das führte zu keiner Änderung in der Haltung dieser 15 Abgeordneten. Nur der Vollständigkeit halber seien hier die Namen genannt: Tobias Dollase, Bertram von Boxberg, Stefan Böltes, Klaus Hackenschmied, Uwe Kasper, Ronja Losert, Dennis Mateškovic, Johannes Rudschies, Heinrich Schupelius, Philipp Seehofer, Corinna Volkmann, Kubilay Yalcin, Andreas Bräutigam, Notker Schweikhardt und Marianne Rosenthal.

    Groteske Verkürzung des Sachverhalts

    Am 8. Mai 2024 habe ich schließlich – wie angekündigt – Strafanzeige erstattet: wegen Verstoßes gegen Paragraf 130 StGB, der die Billigung, Leugnung oder Verharmlosung von Kriegsverbrechen (wie Völkermord und Angriffskrieg) unter Strafe stellt. Und hier lag ja nicht nur eine Verharmlosung, sondern sogar eine Verherrlichung eines faschistischen Kriegsverbrechers vor. Meine Strafanzeige richtete sich gegen: a) Herrn Wegner und Frau Giffey, die beide nicht willens waren, eine Beendigung der Verhöhnung der Tausenden Opfer Udets auch nur anzustoßen, b) Herrn Oltmann, für den Udet nur ein Sport- und Kunstflieger war und c) die 15 Abgeordneten des Kulturausschusses der BVV Tempelhof, die Kriegsverbrechen offenbar nur dann anerkennen, wenn der Täter schon vor 1933 ein aktiver Nazi war.

    Auf diese Strafanzeige hat mir im Sommer 2024 eine Staatsanwältin Starke geantwortet (Geschäftszeichen: 237 Js 2289/24): Das „Unterlassen der Umbenennung einer Straße“ wäre „nicht geeignet, den Straftatbestand des Paragraf 130 StGB zu erfüllen“.

    Ich finde das eine groteske Verkürzung des Sachverhalts. Denn die Straftat besteht ja nicht im Unterlassen der Umbenennung irgendeiner Straße, sondern in der fortgesetzten öffentlichen Verherrlichung eines faschistischen Kriegsverbrechers. Und für solche Fälle ist der Paragraf 130 StGB durchaus geeignet.

    Frau Staatsanwältin Starke hat dann mehrere Ausschlussgründe angeführt: Der Paragraf 130 StGB wäre nicht anzuwenden, wenn die Handlung a) der staatsbürgerlichen Aufklärung, b) der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, c) der Kunst oder der Wissenschaft, d) der Forschung oder der Lehre, e) der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder f) ähnlichen Zwecken dient. Welchen dieser Ausschlussgründe sie für zutreffend gehalten hat, hat Frau Staatsanwältin Starke allerdings nicht mitgeteilt.

    Benennen wir unsere Straßen jetzt nach Massenmördern?

    Aufklärerische oder wissenschaftliche Absichten können es nicht sein, denn mit dem Straßennamen „Udetzeile“ sollen der Bevölkerung ja nicht die Kriegsverbrechen Udets vor Augen geführt werden. Der Name „Udetzeile“ ist auch kein Kunstprojekt oder Geschichtsbericht. Benennen wir unsere Straßen jetzt nach Massenmördern, um die Bevölkerung über diese Verbrecher zu informieren oder aufzuklären? Eine Straße nach einer Person zu benennen, ist eine Form der Ehrung – ein Bekenntnis des Staates oder der Stadt zu der Lebensleistung dieser historischen Person. Und die Lebensleistung von Udet bestand in der Vorbereitung und Durchführung von Angriffskriegen und also in der Ermordung Hunderttausender Menschen.

    Am 30. Oktober 2024 habe ich die Staatsanwältin Starke in einem Brief darauf hingewiesen, dass sie nicht die Anwältin von 18 faschismusverharmlosenden Politikern ist, sondern die Anwältin des Staates Bundesrepublik Deutschland, der als demokratisches und also antifaschistisches Gemeinwesen verfasst ist. Und dass ihr offenbar die öffentliche Wahrnehmung von 18 Politikern mehr gilt als das Leben von Tausenden Menschen in Polen, Holland, Großbritannien und der Sowjetunion (usw.), die zwischen 1939 und 1941 Opfer der von Udet organisierten Luftwaffe geworden sind.

    Mein Fazit: Ich habe 18 Politikern (und einer Staatsanwältin) immer wieder die Gelegenheit gegeben, einen krassen Missstand zu beenden. Im Grunde habe ich diese Politiker geprüft. Wie würden sie sich verhalten? Wie würden sie auf eine öffentliche Faschismusverherrlichung reagieren? Ich denke, das Ergebnis der Prüfung ist eindeutig: Diese 18 Politiker (plus Staatsanwältin) haben die Prüfung nicht bestanden. Sie sind allesamt durchgefallen.

    Ich denke, man kann hier gut erkennen, wie weit die Faschismus-Verharmlosung und Rechtfertigungslyrik in die sogenannte bürgerliche Mitte vorgedrungen ist. Ich bin sicher, diese 18 Politiker (zuzüglich Staatsanwältin) wären erbost, wenn man sie als Faschisten bezeichnen würde – doch ihre Taten sind eindeutig darauf gerichtet, an der Ehrung für den Kriegsverbrecher Udet festzuhalten und damit die öffentliche Verhöhnung der Opfer Udets fortzusetzen.

    Mittlerweile bleibt mir nur noch der Sarkasmus, dass die Udetzeile doch ganz hervorragend zu diesem Berlin passt. Berlin ist die „Stadt der Täter“ – und das offenbar auch heute noch. Vielleicht wird hier bald eine Straße nach Hitler benannt. Und dann steht auf dem Schildchen darüber: „Adolf Hitler, deutscher Kunstmaler, 1889 bis 1945, bekannt für seine zeitgeschichtlich bedeutsamen Miniatur-Ansichten vom Wien der Jahrhundertwende“. Ende Sarkasmus.
    Etwas mehr als 70 Familien wären betroffen

    Hinzuzufügen wäre noch, dass die Udetzeile keine Magistrale ist, sondern nur eine kurze Sackgasse mit neun Hausnummern zu je acht Mietparteien. Etwas mehr als 70 Familien wären von einer Umbenennung betroffen – und ein Zahnarzt. Da war bei der Umbenennung der Wilhelm-Pieck-Straße oder der Dimitroffstraße eine ganz andere Dimension.

    Die Umbenennung der Udetzeile wäre mit geradezu lächerlich geringem Aufwand verbunden. Und sie wäre dringend geboten. Denn die Bombardierungen von Warschau, Rotterdam, London, Coventry, Liverpool, Belgrad, Minsk, Kiew, Leningrad und Moskau (um nur einige Städte zu nennen) waren Kriegsverbrechen, die Tausende Menschen das Leben gekostet haben.

    Ich habe keinerlei persönlichen Vorteil von einer Umbenennung der Udetzeile. Ich möchte nur, dass in Berlin keine Kriegsverbrecher geehrt werden und keine Opfer verhöhnt werden. Aus meiner Sicht ist der Straßenname „Udetzeile“ ein Schlag ins Gesicht von Tausenden, Hunderttausenden oder sogar Millionen Menschen, für deren Tod der Faschist Ernst Udet mitverantwortlich ist.

    Martin Verges, geboren in Eisenach, studierte Opern-Regie an der Berliner Musikhochschule. Er arbeitet als freier Regisseur und Autor.

    #Berlin #Tempelhif #Udetzeile #Straßenumbenennung #Krieg

  • Zum 130. Todestag : Die „deutsche“ Seite des Robert Louis Stevenson
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/zum-130-todestag-die-deutsche-seite-des-robert-louis-stevenson-li.2

    Il y a les grands écrivains qui viennent de familles modestes ou pauvres comme Mark Twain et Maxime Gorki, mais la majorité de leurs confrères sort de milieux aisés et dispose d’un patrimoine familial suffsant pour leur permettre une vie indépendante sans soucis économiques. Pourtsnt il a peu de nantis qui nous ont laissé une oeuvre qui impressionne encore plusieurs générations après leur disparition.

    Le caractère de Robert Louis Stevenson fut marqué par son humanisme et sa germanophilie. Son goût de l’aventure et sa maladie incurable le firent préférer finalement les îles exotiques de Samoa au contrées européennes.

    3.12.2024 von Ariane Handrock - Mit Klassikern wie der „Schatzinsel“ und „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ wanderte R. L. Stevenson in fast jedes Bücherregal. Der britische Autor kannte sich auch in Deutschland gut aus.

    Der Schriftsteller Robert Louis Stevenson war ein Held meiner Kindheit, denn posthum befreite er mich aus den engen Grenzen der DDR. Mit seinen Romanen, Novellen und Erzählungen führte er mich zu Orten, an die ich damals ohne ihn nie gelangt wäre, wie sein Geburtsland Schottland oder seine Reiseländer in Polynesien.

    Mit ihm unternahm ich abenteuerliche Zeitreisen in vergangene Jahrhunderte. So grub ich beim Lesen von „Die Schatzinsel“ mit dem Gastwirtssohn Jim Hawkins auf einem fernen Eiland unter Palmen nach Piratengold. Mit dem Waisenjungen David Balfour und seinem Freund, dem Jakobiten Alan Breck Stuart, versteckte ich mich in „Entführt“ vor englischen Soldaten im schottischen Heidekraut. Auch sprang ich in „Das Flaschenteufelchen“ unvermittelt in das Leben des hawaiischen Steuermannes Keawe, als er in San Francisco eine Flasche aus milchweißem Glas kaufte. Gemeinsam starrten wir, hoffend und fürchtend, auf den unheimlichen schwarzen Schatten, der darin herumhüpfte.

    In seinen Büchern grübelte mein Held oft über den seelischen Konflikt von Menschen nach, lichte und düstere Neigungen in sich zu vereinen. Mit Feder und Papier stand er armen Waisen, schottischen Freiheitskämpfern und weiteren Bedrängten bei und rückte mordlüsterne Seeräuber, habgierige Verwandte und andere Tunichtgute ins schlechteste Licht.

    Erst Jahre später, die DDR gab es nicht mehr, entdeckte ich plötzlich unter schwierigen Umständen Stevensons „deutsche“ Seite, denn seine Schriften, die sich auf Deutschland bezogen, waren überwiegend auf Englisch erschienen. Die wenigen Übersetzungen ins Deutsche finden sich nur selten in Bibliotheken.

    Das finde ich für deutsche Fans von Stevenson schade, denn die Beziehung des Autors zu Deutschland war sehr facettenreich. Laut einiger Biographen hatte er bereits als Kind 1862 und 1863 seine Eltern und andere Verwandte zu Kur- und Ferienreisen nach Deutschland begleitet. Er besuchte dabei erstmals Augsburg, Bad Homburg vor der Höhe, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Heidelberg, Koblenz, Köln, München, Nürnberg und Wiesbaden.


    Kurhaus in Bad Homburg, Ende des 19. JahhrundertsH. Tschanz-Hofmann/imago

    „Mir kommt es so vor, als hätte ich mein ganzes Leben in Frankfurt verbracht“

    Offenbar empfand er seine Erlebnisse dort als angenehm, denn im Sommer 1872 besuchte er Deutschland erneut. Briefe an seine Familie, Freunde und Bekannte verdeutlichen, dass er auch dieses Mal seine Reise überwiegend als vergnüglich und interessant empfand. In Köln besichtigte er den Dom, schwamm im Rhein und besuchte das Sommertheater im Tivoli Garten, wo er das Schauspiel „Mutter und Sohn“ der Erfolgsautorin Charlotte Birch-Pfeiffer sah. Nebenher entspannte er sich bei Wein oder Bier in Gaststätten in Deutz und Eckenheim.

    Zu seiner deutschen Lieblingsstadt wurde Frankfurt am Main. Er gestand seiner Mutter: „Mir kommt es so vor, als hätte ich mein ganzes Leben in Frankfurt verbracht und als würde ich die Stadt nie verlassen.“

    Doch dann reiste er, wohl neugierig, nach Sachsen weiter. Dresden empfand er zwar als „Zufluchtsort vor dem schrecklichen Leipzig“, schätzte aber auch die Vorteile beider Städte: Dresden „war ein Ort, an dem man etwas zu essen bekam, sich amüsieren konnte und wo ich von einer gewissen lästigen Gesellschaft verschont blieb. In all dem hatte es die Vorteile von Leipzig“, schrieb er an seine Bekannte Elizabeth Crosby. Danach traf er sich mit seinen Eltern in Baden Baden, bevor es über Wiesbaden und Bad Homburg vor der Höhe in die schottische Heimat ging. Eine Kurzreise mit seinen Eltern 1875 nach Wiesbaden war sein letzter Aufenthalt in Deutschland, das er im Geiste offensichtlich auch weiterhin besuchte.

    Das kleinstaatliche Deutschland und vermutlich auch seine Natur, die er bei Spaziergängen unter anderem am Main erlebt hatte, wurden zu seinen literarischen Inspirationsquellen. Als Ergebnis veröffentlichte Stevenson 1885 seinen zweiten Roman „Prinz Otto. Eine Romanze“.


    Frankfurt am Main hatte es Stevenson besonders angetan. Artokoloro/imago

    Seine Hauptfigur Prinz Otto regiert das fiktive deutsche Fürstentum Grünewald, ein „winziges Mitglied des Deutschen Reiches“. Als Lebemann mittleren Alters galoppiert er vor den Regierungsgeschäften davon, in die vermeintlich ländliche Idylle des (ebenfalls fiktiven) Nachbarstaates Gerolstein. Dort genießt er die Naturschönheiten und logiert inkognito bei einer aufmüpfigen Bauernfamilie. Von ihr hört er: Seine Frau wäre die Geliebte seines ostpreußischen Premierministers, der eine Revolution gegen ihn anzettelte und plante, einen Eroberungskrieg zu führen. Er selbst, der Prinz, wäre ein Lügner, Dieb, und geborener Dummkopf. Als Otto nachdenklich in sein Fürstentum zurückkehrt, wird er zunehmend in die Intrigen seines Hofstaates hineingerissen. Schließlich finden Prinz und Prinzessin, entmachtet und völlig verarmt, als Liebespaar wieder zueinander, während der Krieg ausfällt und im Rathaus die Republik ausgerufen wird.

    Dieses neue Werk bezeichnete Stevenson in seinem Vorwort als „Meisterstück“ – vielleicht, weil es von seinen sonstigen Abenteuergeschichten inhaltlich sehr weit abwich? Das Ende seines Romans war zumindest nicht das Ende seiner Affäre mit Deutschland.

    Der lungenkranke, oft bettlägerige Schriftsteller siedelte 1890 mit seiner Familie wegen des für ihn bekömmlicheren Klimas auf die polynesische Insel Samoa um. Die Gegend hatte er im Jahr zuvor während einer Seereise erkundet und dort ein Grundstück nahe der Hauptstadt Apia gekauft. Als „ein schmuckes und aufwendiges Gebäude, das sehr an einen Pavillon in einem deutschen Biergarten erinnert“, beschrieb seine Frau Fanny das neugebaute Familiendomizil namens „Vailima“ in ihrem Tagebuch. Später errichtete die Familie ein zweites, komfortableres Haus mit dem gleichen Namen.

    Auf Samoa fand Stevenson deutsche Freunde, wie den aus Neubrandenburg gebürtigen Arzt Bernhard Funk. Freundschaftlich verbunden war er zeitweilig auch mit dem deutschen General-Konsul Oscar Wilhelm Stübel und Max Foss, Kapitän des deutschen Kreuzers „Sperber“.


    Robert Louis Stevenson in SamoaBridgeman Images/imago

    Engagement für die indigene Bevölkerung

    Er sympathisierte aber nicht mit allen Deutschen, welche ihm auf der Insel begegneten. Tagebücher und Briefe des Ehepaares Stevenson zwischen 1890-1894 sowie die essayistische Schrift „Eine Fußnote zur Geschichte. Acht Jahre Unruhen auf Samoa“ von Stevenson offenbaren, dass der Autor in die Bürgerkriege der indigenen Bevölkerung und die Machtkämpfe britischer, US-amerikanischer sowie deutscher Kolonisatoren verwickelt war. Viele ihrer Hauptpersonen, wie die samoanischen Könige Laupepa und Mataafa, die verschiedenen nationalen Konsuln und andere Politiker, kannte er persönlich. Er hatte oft Mitgefühl mit Eingeborenen, die er trotz aller nationaler Unterschiede als gleichwertig gegenüber den im Koprahandel engagierten Europäern und Amerikanern empfand.

    Er versuchte, zwischen den streitenden Parteien Frieden zu stiften und die „Eiszeit binnen zweier Jahre zu beenden“, unter anderem mit seinem aufklärenden Geschichtsbuch, das er als „Skizze“ bezeichnete. „Schnelligkeit war unerlässlich, sonst könnte sie zu spät kommen, um einem beunruhigten Land von Nutzen zu sein“, heißt es in seinem Vorwort. Dafür trieb er sich selbst an: „Ich muss diese Samoa-Dokumentation beenden – es ist meine verdammte Pflicht“.

    Ihr Autor charakterisierte darin seine Protagonisten, auch die deutschen, sehr differenziert mit ihren Vorzügen und Schwächen. Seine Buchveröffentlichung wurde, wie er notierte, gefeiert: „In der deutschen Firma (Anm. der Autorin: die Deutsche Handels- und Plantagengesellschaft in Apia) haben sie mein Samoa-Buch aufgenommen wie Engel“. Mit seinem Stiefsohn wurde er deshalb dorthin zu einem Bankett mit 15 Gängen und „acht Sorten berauschender Getränke“ eingeladen.

    Politisch brachte Stevensons Publikation aber nicht den erwünschten Erfolg. Der ausgebildete Jurist engagierte sich deshalb weiterhin als persönlicher Vermittler zwischen den politischen Streithähnen, kämpfte mit Feder und Papier in Zeitungsartikeln und Briefen für Gerechtigkeit und Frieden, war dafür von Deportation auf eine andere Insel und Ermordung bedroht und unterstützte rund 20 gefangene indigene Häuptlinge mit Lebensmitteln. In dieser Zeit formulierte der chronisch Kranke seinen Wunsch für sein Lebensende: „Wäre mir nur ein plötzlicher Tod beschieden, welch ein Glück! Ich möchte in den Stiefeln sterben. Im Land der Bettdecken habe ich mich lange genug aufgehalten“.


    Beerdigung von R.L. Stevenson in Samoa.piemags/imago

    Seine Hoffnung erfüllte sich: Am 3. Dezember 1894, als seine Familie gerade das Abendessen zubereitete, brach der 44-Jährige auf seiner Veranda plötzlich zusammen und starb an einer Hirnblutung. Hätte er weitergelebt, wäre er sechs Jahre später Einwohner der neu gegründeten Kolonie Deutsch-Samoa und Untertan des Deutschen Reiches geworden. Ob ihm das gefallen hätte?

    Ariane Handrock studierte unter anderem Journalistik und Literatur in Hamburg und lebt als freie Autorin in Berlin.

  • Balkan-Konflikt : Warum Trumps Triumph für die Sicherheitslage so gefährlich ist
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/balkan-konflikt-warum-trumps-triumph-fuer-die-sicherheitslage-so-ge

    Voici ume déscription quasi parfaite des réflexions derrière la position officielle de l’Allemagne par rapport à la guerre en Ukraine. Peu importe qu’on la partage ou non, je ne l’ai pas encore trouvé exprimée d’une manière si claire.

    Vue de ma perspective de simple citoyen cette politique mène droit vers la catastrophe. Que ce monsieur envoie ses enfants au front, moi je ferai tout pour en protéger les miens. Son combat n’est pas le notre.

    11.11.2014 von Alexander Rhotert - Alexander Rhotert forscht als Diplom-Politikwissenschaftler zum ehemaligen Jugoslawien und zur US-Außenpolitik seit 1991. Er war 20 Jahre unter anderem für die UN, die Nato, die OSZE, das OHR und die EU in diplomatischer Mission tätig, zumeist zur Friedensumsetzung auf dem Westbalkan. Als Oberstleutnant arbeitete er bis vor Kurzem als Interkultureller Einsatzberater (IEB) der Bundeswehr für Auslandseinsätze.

    Richard Grenell hat gute Chancen, zum US-Außenminister gekürt zu werden. Was den serbischen Machthabern zum Leidwesen des Kosovos in die Karten spielt.

    Eine der ersten Glückwünsche an die Adresse des nun wiedergewählten US-Präsidenten Donald J. Trump kam aus Bosnien und Herzegowina, nämlich von Milorad Dodik, dem ultranationalistischen serbischen Präsidenten des serbisch-dominierten Landesteils, der Republika Srpska, kurz RS: „Eine der wichtigsten Wahlgewinne in der jüngsten Geschichte der USA aber der Welt ebenfalls! Glückwünsche, Donald Trump, 47. Präsident der USA!“, so Dodik auf X (vormals Twitter).

    Viele der nicht serbischen Bosnier dürften vom Wahlsieg Trumps ähnlich geschockt gewesen sein, wie die Demokraten in den USA, denn der bosnische Serbenführer Dodik droht seit Jahren mit der Abspaltung der RS und deren Anschluss an das Nachbarland Serbien. Trump, der bekanntermaßen Nationalisten und Autokraten wie Dodik und den serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić nahesteht, hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er mit den serbischen Absichten sympathisiert.
    General Wesley Clark ist empört

    Noch während des Wahlkampfes hatte Trumps ehemaliger Gesandter für den „Dialog zwischen Serbien und Kosovo“, der ehemalige US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, auf einer republikanischen Wahlkampfveranstaltung in Chicago vor Hunderten serbisch-stämmigen Amerikanern gesagt: „Es ist erstaunlich, wie viele Serben mir sagen: Ich unterstütze Donald Trump!“

    Grenell, der Trumps wichtigster außenpolitischer Berater ist, hat gute Chancen als nächster US-Außenminister ins State Department einzuziehen. Er hatte im Frühjahr, gemeinsam mit Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, einen Immobilien-Deal in Belgrad über etwa 500 Millionen US-Dollar angeschoben. Im vom Nato-Bomben 1999 zerstörten Generalstabsgebäude der jugoslawischen Armee sollen neben Luxuswohnungen auch eine Gedenkstätte für die Opfer des damaligen Luftkriegs entstehen, dessen operative Führung der amerikanische Vier-Sterne-General Wesley Clark als Oberkommandierender der Nato in Europa (SACEUR) innehatte. Wörtlich wurde in der Erklärung festgelegt, dass diese „Gedenkstätte allen Opfern der Nato-Aggression gewidmet“ sein soll.

    Human Rights Watch gibt die Zahl getöteter jugoslawischer Zivilisten (zumeist Serben und Albaner) des 79-tägigen Bombardements mit um die 500 an, die serbische Regierung spricht von mindestens 1200 bis zu 2500 Getöteten. Verschwiegen wird von serbischer Regierungsseite, dass die serbischen Sicherheitskräfte und paramilitärischen Einheiten über 10.000 Kosovo-Albaner töteten und um die 850.000 vertrieben. Aber auch über 2000 Serben wurden im Landkrieg um Kosovo von 1998 bis 1999 getötet.

    unter allen Umständen einen zweiten Völkermord wie im bosnischen Srebrenica 1995 verhindern und agierte deshalb sogar ohne Mandat der Vereinten Nationen (UN). Clark nannte die Teilnahme von Amerikanern an der Errichtung der Gedenkstätte Verrat: „Es ist ein Verrat an den Vereinigten Staaten, ihrer Politik und den tapferen Diplomaten und Piloten, die taten, was sie konnten, um die serbischen ethnischen Säuberungen zu stoppen. Dies ist ein Teil einer großangelegten russischen Geheimdienstoperation, um die Nato zu diskreditieren und zu schwächen.“
    Vučić zeichnet Grenell mit höchstem Verdienstorden aus

    Von Präsident Vučić wurde Grenell, der den Deal zwischen Kushner und der serbischen Regierung einfädelte, übrigens mit dem höchsten serbischen Verdienstorden ausgezeichnet. Vučić lobte ihn als einen der wenigen Amerikaner, die „eine ausgewogene Herangehensweise“ zu Kosovo hätten.

    In Anbetracht dieser proserbischen Einstellung des Trump-Lagers ist es verständlich, dass viele muslimische Bosnier, Bosniaken und Kosovo-Albaner Vorbehalte gegen Trump hegen. Während des Bosnienkrieges waren gut 70 Prozent der rund 100.000 Opfer Bosniaken, die dem serbischen Völkermord zum Opfer fielen. An diesen ersten Genozid in Europa seit 1945 wird nun jährlich weltweit am 11. Juli durch die UN erinnert. Aber selbst bezüglich dieser Thematik ist Grenell vollständig auf serbischer Seite, die die deutsch-ruandische UN-Resolution unter allen Umständen verhindern wollte: „Nicht alle Kriegsverbrechen sollten als Genozid etikettiert werden“, so Grenell. Dies würde das, was die deutsche Regierung 1941 tat, verharmlosen.

    Die beiden höchsten UN-Gerichte, also sowohl das Kriegsverbrechertribunal als auch der Internationale Gerichtshof, hatten in mehreren rechtskräftigen Urteilen den serbischen Genozid in Srebrenica festgestellt und bestätigt. Aufgrund dieser Fakten, speziell der Erfahrung des Völkermords an den Bosniaken sind Dodiks Zukunftspläne, der den Genozid immer wieder leugnet, regelrecht monströs. In einem Interview stellte er neulich klar, wie er sich die territoriale Neuordnung Bosniens vorstellt, nämlich, dass sich gut 50 Prozent des Gebietes abspalten würden, sprich die Republika Srpska, inklusive des autark regierten Distriktes von Brcko, der die RS in zwei Teile spaltet. Dodik hat bereits vor Jahren verfassungswidrige Landkarten drucken lassen, auf denen nur die Umrisse der RS, also die „Landesgrenzen“ inklusive Brckos dargestellt sind, als gäbe es Bosnien schon nicht mehr. Ohne die Kontrolle Brckos wäre die RS nicht überlebensfähig, da das administrative Zentrum Banja Luka vom Rest abgeschnitten wäre.

    Auf weiteren 25 Prozent des Landes, so Dodik, sollten die Bosniaken leben, die über 55 Prozent der Bevölkerung stellen. Das letzte Viertel wäre wohl, nach dieser Rechnung, für die knapp 15 Prozent Kroaten übrig. Das Viertel für die Bosniaken würde, wie zu Kriegszeiten, aus de facto zwei voneinander getrennten Enklaven bestehen, nämlich Bihac in Westbosnien und im Wesentlichen das Territorium um die zentralbosnischen Städte Sarajevo, Zenica und Tuzla.

    Engste Beziehungen zu Wladimir Putin

    Dieses Schreckensszenario würde automatisch zu einem neuen Krieg führen, worauf sich Dodik seit Jahren vorbereitet, indem er – vorbei an den kleinen, multiethnischen Streitkräften – Tausende Paramilitärs und „Sonderpolizeitruppen“ aufgestellt und mit Kriegswaffen ausgestattet hat.

    Genau solche paramilitärischen Einheiten hatten zu Kriegsbeginn 1992 das Land paralysiert und waren für einen Großteil der Kriegsverbrechen verantwortlich. Niemand sollte sich der Illusion hingeben, dass eine illegale Sezession friedlich ablaufen würde. Das UN-Kriegsverbrechertribunal nannte eben diese Politik von Dodiks Vorgänger Radovan Karadžić und seinen Sezessionisten während des Kriegs von 1992 bis 1995 eine „gemeinsame kriminelle Unternehmung“.

    Am Vormittag des 6. November hatte Dodik in seinem Präsidentenpalast in Banja Luka zu einer Party mit seinen engsten Vertrauten anlässlich von Trumps Sieg eingeladen. Kurz zuvor richtete er einige Worte an seine Anhänger, die sich vor seinem Amtssitz versammelt hatten. Mit einer roten Baseballkappe mit dem Trump’schen Motto „Make America Great Again“ sagte er: „Für die Republika Srpska und mich persönlich symbolisiert Trumps Sieg eine Rückkehr zu Werten, die wir sehr zu schätzen wissen – Familie, Freiheit der Wahl und das Recht die eigenen Traditionen zu bewahren.“ Während der Party lief Trumps Unterstützungskanal Fox News auf einem riesigen Flachbildschirm und ein serbischer Barde sang Harmonika spielend nationalistische Lieder.

    Dodik hatte letztes Jahr in einem Interview gesagt, er hoffe auf einen Wahlsieg Trumps und bereue es zutiefst, nach Trumps erster Wahl 2016 nicht die Unabhängigkeit der RS ausgerufen zu haben. So einen Kardinalfehler werde er nicht noch einmal begehen.

    Diese Entwicklungen sind aber nicht auf den Balkan beschränkt, denn Vučić und Dodik pflegen engste Beziehungen zu Russlands Präsident Wladimir Putin, ohne dies zu kaschieren. Es ist kein Geheimnis, dass Serbien und die RS quasi Stellvertreter Russlands im europäischen „Innenhof“ des Balkans sind. Vučićs Vize-Premier Aleksandar Vulin, der von den USA wegen seiner Russland-Nähe als ehemaliger Nachrichtendienstdirektor sanktioniert wird, sieht das russisch-serbische Verhältnis wie folgt: „Wie Sie wissen, ist Serbien nicht nur ein strategischer Partner Russlands, sondern auch ein Alliierter Russlands.“ Diese Worte richtete er persönlich Anfang August an den russischen Präsidenten Wladimir Putin im Kreml, und zwar am Tag nachdem der französische Präsident zwölf der hochmodernen Rafale Kampfflugzeuge an Serbien verkauft hatte. Vulin übermittelte auch die herzlichsten Grüße seines Bosses Vučić an Putin.

    Unruhen oder gar erneute bewaffnete Konflikte auf dem Balkan würden primär Putin nutzen, denn die beiden dortigen westlich geführten Friedensmissionen, die der Nato in Kosovo (Kfor) und der EU in Bosnien (EUFOR/Althea) müssten dann signifikant verstärkt werden. Die ohnehin knappen Truppen würden dann an der Nato-Ostflanke zur Bündnisverteidigung fehlen. Auch würden neue Migrationsströme in die EU einsetzen.

    Dodik schrieb übrigens nach seiner Party auf X: „Da die US-Botschaft in Sarajevo keine Feier für Donald Trumps organisiert hat, habe ich dies als Präsident der Republika Srpska auf mich genommen.“ Als am 6. November das Sonnenlicht in Banja Luka der Dunkelheit der Nacht wich, ließ Dodik seinen Präsidentenpalast mit der Flagge der USA und dem Konterfei Trumps anstrahlen. Dies war auch ein Seitenhieb gegen die bosnische Hauptstadt Sarajevo, die Dodik wegen der muslimischen Einwohnermehrheit gerne „Teheran“ nennt, denn bei Präsident Joe Bidens Wahlsieg 2020 hatte die Stadtverwaltung das historische Rathaus mit US-Flagge und Fotos von Biden erstrahlen lassen. Autokorsos feierten lautstark seinen Sieg, denn er hatte als mächtiger Senator während des Krieges für die bosnische Seite Stellung bezogen und Nato-Luftangriffe auf die serbischen Belagerer Sarajevos gefordert.

    In Bosniens Hauptstadt werden viele Einwohner angesichts Dodiks Frohsinn über Trumps Wahlsieg sicherlich unruhig schlafen. Und die EU hat nun brodelnde, potenzielle Krisenherde direkt in ihrem „Innenhof“ des Balkans, die jederzeit hochkochen könnten.

    #Allemagne #guerre

  • Sohn eines Kindersoldaten: Der lange Schatten von Hitlers Volkssturm
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/sohn-eines-kindersoldaten-der-lange-schatten-von-hitlers-volkssturm

    Mitglieder der Hitlerjugend marschieren in einer Reihe. Bevor der Vater des Autors zum Volkssturm berufen wurde, war auch er in der Hitlerjugend .

    Les criminels sont de retour. L’Allemagne recrute des soldats mineurs. Qu’on se rappelle des expériences et tramatismes de nos pères et grand pères.

    18.10.2024 von Carl Waßmuth - Mit nur 16 Jahren wurde der Vater unseres Autors im Zweiten Weltkrieg eingezogen. Die Folgen dieses Traumas sind in seiner Familie noch jahrzehntelang zu spüren.

    Am 18. Oktober jährt sich die Ausrufung des sogenannten Deutschen Volkssturms zum 80. Mal. Mein Vater, Jahrgang 1928, wurde im Alter von 16 Jahren eingezogen, wie Hunderttausende andere seiner Altersgenossen. Von der Hitlerjugend aus ging es für ihn direkt in den Krieg: Er wurde Kindersoldat. Als sein Sohn habe ich wiederum erfahren, was es bedeutet, wenn Menschen im Krieg psychisch schwer geschädigt werden.

    Unicef, Terre des Hommes und Amnesty International bezeichnen Kämpfer und deren Helfer unter 18 Jahren als Kindersoldaten. Kinder und Jugendliche sind leichter rekrutierbar als Erwachsene, zudem gelten sie als risikobereiter. Ihr Einsatz im Krieg stellt einen schwerwiegenden Missbrauch dar. Die Persönlichkeitsentwicklung von Kindersoldaten wird gravierend beeinträchtigt, posttraumatische Belastungsstörungen sind besonders häufig. Die Folgen eines Traumas sind generell umso größer, je jünger ein Mensch zum Zeitpunkt der Traumatisierung ist. Das Spektrum der psychischen und sozialen Folgen von Traumatisierungen geht weit über Flashbacks hinaus. Und sie werfen ihren Schatten über Generationen hinweg.

    Mein Vater hat nie mit uns Kindern über seelische Verletzungen gesprochen. Und immerhin hat er studiert, geheiratet, mit meiner Mutter drei Kinder aufgezogen und wurde 78 Jahre alt. Dennoch blieb er sein Leben lang ein menschenscheuer Einzelgänger. Selbst im Kaufhaus kam es vor, dass Angestellte Abstand nahmen, weil ihnen das fremdartige Verhalten meines Vaters bedrohlich vorkam. Mein Vater hatte einzelne Freunde, aber ein familiärer Freundeskreis kam nie zustande.

    Junge deutsche Soldaten werden im Zweiten Weltkrieg nach ihrer Gefangennahme von einem US-amerikanischen Soldaten bewacht .

    Auch ich vermied es schon als Kind, meine Freunde mit nach Hause zu bringen. Die Atmosphäre in meiner Familie war wegen meines sonderlichen Vaters unheimlich. Es ist mir nicht bekannt, dass mein Vater je professionelle Hilfe gesucht hätte. Ohne Auseinandersetzung mit seinen Traumata hätte er allerdings vermutlich besser keine Familie gründen sollen. Vor allem meine beiden älteren Geschwister haben sehr unter meinem Vater gelitten, mit Erreichen der Volljährigkeit zogen sie umgehend aus. Kurz darauf packte auch meine Mutter ihre Sachen. Ich war das Nesthäkchen und hatte zugleich die engste Beziehung zu meinem Vater, und so blieb ich. Doch letztlich hielt auch ich es nicht mehr aus: Noch vor meinen Abiturprüfungen suchte ich das Weite. Mit etwas Distanz verbesserte sich die Beziehung zu meinem Vater wieder, und ich begann, über seine Lebensgeschichte nachzudenken.

    Über den Krieg wurde in der Familie geschwiegen
    Schon sein Vater, mein Großvater, war als sehr junger Mann im Ersten Weltkrieg gewesen. Auf die Frage nach dem Krieg hatte er meinem Vater nur geantwortet: „Der Spieß hat uns erst gesagt, tragt die Schienen da hin. Und dann hat er gesagt: Jetzt tragt sie wieder zurück.“ Es wird aber wohl doch noch etwas mehr passiert sein. Später musste mein Großvater auch noch in den Zweiten Weltkrieg ziehen. Von seinen Erlebnissen gibt es keinerlei Berichte, und auch nicht davon, was meinem Vater im Volkssturm widerfahren ist.

    Vor dem Einsatz des Vaters am Ende des Zweiten Weltkriegs war schon der Großvater im Ersten Weltkrieg gewesen .

    Aber aus irgendeinem Grund hat mein Vater später sein Studium abgebrochen und wurde nach der Heirat mit meiner Mutter Hausmann. Er putzte unsere Wohnung, wusch die Wäsche, kaufte ein, kochte jeden Tag unser Essen und machte mit uns Hausaufgaben. Meine Mutter ging arbeiten und verdiente das Geld. Das hört sich nach einem fortschrittlichen Lebensmodell an, doch es war nicht freiwillig gewählt. Meine Mutter wäre gerne Hausfrau gewesen und hätte lieber mehr Zeit mit uns Kindern verbracht.

    In einem anderen Leben wäre mein Vater vielleicht Informatiker geworden, oder Biologe. Er befasste sich mit Quantenphysik und Biologie, bestimmte am Mikroskop Pilze anhand ihrer Sporen, beobachtete den Sternenhimmel durch ein Teleskop. Seine Bibliothek zu Analysis und Algebra wuchs ständig, handgeschriebene Berechnungen füllten Regale. Als Hewlett-Packard 1979 den programmierbaren Taschenrechner HP41C auf den Markt brachte, gehörte mein Vater zu den frühen Kunden.

    Uns Kindern wurde gesagt, dass er wegen einer früheren Tuberkulose nicht arbeiten könne. Im Rückblick war das wohl nur ein Teil der Wahrheit. Mein Vater hatte sich zwar drei Jahre lang stationär behandeln lassen müssen und verlor ein Drittel seines Lungenvolumens. Dank des Durchbruchs in der Tuberkulosetherapie ab den 1960er-Jahren konnte er aber vollständig von der Infektion genesen.

    Gegen seine psychischen Probleme halfen Antibiotika allerdings nicht. Ein Versuch von Selbsttherapie war da vielleicht seine Beschäftigung mit Biologie. In der Hitlerjugend war die Rassenlehre der Nazis ein Grundpfeiler seines Weltbilds geworden. Nach der Kapitulation zeigten die Alliierten den Deutschen Fotos und Filme aus den befreiten Konzentrationslagern, und sein Pfeiler stürzte ein. Verhaltensforschung und Molekularbiologie veränderten ab den 60er-Jahren die Evolutionsbiologie. Vielleicht half das meinem Vater zumindest auf intellektueller Ebene zu einem besseren Umgang mit dem erfahrenen Missbrauch.

    Aufnahme eines sowjetischen Fotofragen von überlebenden jüdischen Kindern in Auschwitz .

    Eine schöne Erinnerung an meinen Vater ist, wie er mir aus „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ vorgelesen hat. Auch der Schriftsteller Michael Ende, Jahrgang 1929, hatte erlebt, wie man ihn mit einer pervertierten Evolutionslehre indoktrinieren wollte. Ende, der zeitlebens Charles Darwin verehrte, beschreibt unter anderem eine Drachenwelt. Dort ist der Zutritt „nicht reinrassigen Drachen bei Todesstrafe verboten“. Die Drachen leben das Recht des Stärksten gnadenlos aus und trampeln sich gegenseitig nieder. In der Drachenschule sollen gefangene Kinder unter Folter lernen, dass zwei plus zwei gleich fünf ist. Michael Ende erhielt seine Einberufung zum Volkssturm wenige Wochen vor der Kapitulation. Er zerriss das Schreiben und schloss sich dem Widerstand in Bayern an.

    Mein Vater glaubte hingegen bis zum Kriegsende an den Führer, was er durchlitt, war für ihn ein Leiden für die gute Sache. Dass sein Selbstwertgefühl lebenslang gestört bleiben würde, wusste er da noch nicht. Oft sind es Momente völliger Ohnmacht, die solche Schäden verursachen. Wenn von den Nazis die Rede war, nannte mein Vater sie stets „diese Bande von Verbrechern“.

    Ohne Uniform, Waffe und Soldbuch an der Front
    Mitglieder des Volkssturms wurden nicht als Soldaten geführt. Es gab auch keine Uniformen für sie. Ich weiß nicht, ob man meinem Vater eine Waffe gegeben hat. Vermutlich nicht, denn nahezu die gesamte Produktion ging an die bereits ausgebildeten Kampfverbände an den Fronten. Auf der Umschlaginnenseite der Soldbücher der Wehrmacht waren ab 1942 die „Zehn Gebote für die Kriegführung des deutschen Soldaten“ eingeklebt. Völkerrechts­widriges Verhalten war demnach strafbar: Der deutsche Soldat solle „ritterlich kämpfen“. Führererlasse setzten diese Regeln außer Kraft, sie standen dem Ziel eines Vernichtungskriegs an der Ostfront im Weg. Mein Vater hatte ohnehin kein Soldbuch bekommen, ihm fehlte somit sogar der nach dem Kriegsvölkerrecht erforderliche Kombattantenausweis. Von irgendeiner Ritterlichkeit im Kampf hat er nie berichtet. Ein halbes Jahr lang irrlichterte er mit seiner Volkssturm-Einheit durch Deutschland und Tschechien, um dann zum Kriegsende in Österreich zu stranden.

    Als Mitglied des Volkssturms hatte mein Vater einen besseren Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln als Zivilisten. Als mein verwundeter Großvater im Lazarett im Sterben lag, wurde die verstreute Familie benachrichtigt. Mein Vater trug eine Armbinde mit der Aufschrift „Deutscher Volkssturm“ und erhielt damit als Einziger der Familie einen Platz in einem Zug, der ihn noch rechtzeitig zu seinem sterbenden Vater brachte. Als der Sanitäter meinem Großvater die Augen schloss, sagte er zu meinem Vater: „Diesen Augenblick wirst du nie vergessen.“ Es blieb nicht das einzige Kriegserlebnis, dass sich meinem Vater tief einprägte. Unvergessliche Momente sollte man in der Liebe erleben, mit lachenden Kindern, in der Natur, im Theater, mit Musik. Nicht im Krieg.

    In Berlin tobten die Kämpfe noch bis 1945 .

    Seit zweieinhalb Jahren erleben wir in Deutschland eine massive Militarisierung. Die Rüstungsausgaben werden immens erhöht, bald sollen atomwaffenfähige Mittelstreckenraketen stationiert werden. Krieg als solcher wird dabei immer stärker als etwas Normales dargestellt. Bildungsministerin Stark-Watzinger plädiert an Schulen für Zivilschutzübungen und ruft Schulen dazu auf, ein „unverkrampftes Verhältnis zur Bundeswehr“ zu entwickeln. Bayern hat die Kooperation zwischen Bundeswehr und Schulen sogar bereits gesetzlich verpflichtend gemacht. In die Schutzzone junger Menschen wird immer tiefer eingedrungen.

    Das militärische System von Befehl und Gehorsam scheint mir jedoch denkbar ungeeignet für die Entwicklungsförderung von Heranwachsenden. Das gilt erst recht, wenn es ernst wird mit dem Krieg: Sowohl in Russland als auch in der Ukraine werden 18-Jährige für den Militärdienst erfasst. Obwohl formal volljährig, konnten vermutlich viele davon die Entwicklung ihrer Persönlichkeit noch nicht abschließen. Jetzt droht ihnen der Fronteinsatz. In Deutschland dürfen sogar 17-Jährige für den Dienst in der Bundeswehr angeworben werden. Slogans dazu sind: „Mach, was wirklich zählt. Verantwortung übernehmen. Weiterkommen.“

    Zwei Weltkriege haben gezeigt, dass im Krieg erlernte Verhaltensweisen oft noch über Jahrzehnte die Gesellschaft prägen. Die Probleme in der Aufarbeitung der Gräuel des Ersten Weltkriegs waren kaum adressiert, da begann schon der Zweite Weltkrieg. Nach 1945 konzentrierten sich die Aufarbeitungsversuche zunächst auf die Schreckensherrschaft der Nazis und den Holocaust. Für die Schwierigkeiten von Tätern und Opfer von Kriegshandlungen gab es weniger Aufmerksamkeit.

    Nun durften wir seit 1945 eine lange Phase ohne Krieg erleben – einen viel längeren Zeitraum als etwa zwischen 1918 und 1939. Ich denke, knapp 80 Jahre sind genug, um wichtige Lehren zu ziehen. Eine davon ist, dass wir junge Menschen wirksam vor Krieg und Militarismus schützen müssen. Eine weitere ist, dass die bewusste Erinnerung an die Schrecken des Krieges uns als Gesellschaft vor tödlichem Heroismus bewahrt.

    Carl Waßmuth ist Bauingenieur und Autor. Er hat das Bündnis Bahn für Alle mitbegründet und ist Vorstand und Sprecher von Gemeingut in BürgerInnenhand .

  • Usedom, ein Ort zum Fürchten : Was Berliner Schüler dort erlebten
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/usedom-ein-ort-zum-fuerchten-was-berliner-schueler-dort-erlebten-li

    La xénophobie est omniprésemte en Allemagne. Les voyages de classe sont de plus en plus difficiles et dnagereuses pour les élèves aux apparences « étrangères ».

    21.11.2024 von Ada M. Hipp - Auf einer Klassenfahrt erfahren Schüler aus Berlin vor allen Dingen eins: Fremdenhass. Ihre Lehrerin will das so nicht hinnehmen und berichtet.

    Der Herbst steht in unserer Schule immer im Zeichen von Klassenfahrten und besonders unsere Zehntklässler freuen sich auf ihre Abschlussreisen. Schon zu Beginn der 9. Klasse rätseln und beratschlagen die Kinder, wo es denn gemeinsam hingehen könne. Reiseprospekte werden gewälzt, ältere Geschwister befragt oder online nach Zielen geforscht.

    Meistens träumen sie von einer gemeinsamen Reise ins Ausland. Doch die Kosten dafür übersteigen oft das elterliche Budget. Zwar bekommt ein Großteil die Reise als Bürgergeldempfänger vom Staat voll finanziert, doch gibt es auch eine Reihe an Schülern, deren Eltern die Reise aus eigener Tasche finanzieren müssen. So kommt in der Regel nur Deutschland, ihre Heimat, als Reiseland infrage.
    Die Ostsee kannten viele nur aus dem Erdkundeunterricht

    Dieses Jahr wählten sich die Schülerinnen und Schüler, auch auf Empfehlung ihrer Klassenleitungen hin, die Ostsee als Reiseziel aus. Mal raus aus der Stadt, mal was anderes erleben, vielleicht auch auf eine Insel fahren. Die Insel Usedom wurde als Ziel auserkoren, Natur pur, Strandspaziergänge – das war die Idee. Die Ostsee kannten viele nur vom Hörensagen beziehungsweise aus dem Erdkundeunterricht. Letztendlich stiegen also zwei unserer Abschlussklassen Mitte September hoch motiviert in den Zug nach Heringsdorf auf Usedom.

    Für viele der mitreisenden Schülerinnen und Schüler war es ihre erste Zugreise überhaupt. Reisen in die Heimat ihrer Eltern und Großeltern werden entweder mit dem Auto getätigt oder finden per Flugzeug statt. Ihre Familien kommen aus der Türkei, dem Libanon, aus Rumänien oder dem Kosovo. Ja, der Migrationsanteil an unserer Schule, die sich in Berlin-Neukölln an der Grenze zum Bezirk Treptow-Köpenick befindet, liegt bei nahezu 100 Prozent.

    Bereits im Vorfeld der Reise, so berichteten einige Schülerinnen und Schüler im Nachgang, hätten sie ein wenig Angst vor eventuell aufkommendem Rassismus am Ankunftsziel gehabt, man habe schon so vieles in dieser Richtung gehört. Sie waren unsicher, ob sie überhaupt an der Reise teilnehmen sollten. Und tatsächlich: Anstelle eines Willkommens erfuhren sie Ablehnung.

    Gegen das Schweigen

    Abendliche Gespräche in der Jugendherberge gingen nun nicht vorrangig um die Pläne für den nächsten Tag, sondern eher darum, wo man am nächsten Tag entlanggehen könne, ohne dass man beleidigt, bespuckt oder beschimpft werden würde. Einen solchen Ort allerdings konnten sie nicht finden, auf der ganzen Insel nicht. Nirgendwo gab es einen Platz, an dem sie wirklich entspannt sein konnten, außer spätabends im Dunkeln am Strand.

    Was sie auf ihrer Reise erlebten, wollten sie ursprünglich für sich behalten und verschweigen, Lehrkräfte wie Schülerschaft. Sie wollten vergessen – die Lehrkräfte, weil sie sich ohnmächtig fühlten und sich nicht den Anfeindungen gegenüber ihren Schützlingen gewachsen sahen; die Schülerinnen und Schüler, weil sie sich nicht länger als Opfer sehen wollten. Denn als solche empfanden sie sich.

    Niemand von den Jugendlichen will sich als Opfer fühlen und doch gelang ihnen genau das nach dem Erlebten auf Usedom (vorerst) nicht. Sie wollten vergessen, sie wollten das Geschehene ungeschehen machen, indem sie nichts davon erzählten und es verschwiegen.

    Die Angst vor nächtlichen Übergriffen

    Doch sind die Geschehnisse eine solche Ungeheuerlichkeit, dass sie davon überzeugt werden konnten, sich erneut zu erinnern und das Erlebte zu rekapitulieren. Nur so würden sie es schaffen, sich aus der gefühlten Rolle als Opfer herauszubegeben. Das hat sie überzeugt. Und letztlich entschieden sie sich zu reden, ihren Mund aufzumachen, gegen all jene, die sich anmaßten, ihnen ihr Recht auf eine schöne Klassenfahrt abzusprechen.

    Hier sind in protokollarischer Form ihre Erfahrungen.

    Erstens: „Uns wurde gesagt, wir könnten nicht mal richtig Deutsch reden.“

    Zweitens: „Wir sollten dahin zurückgehen, wo wir hergekommen seien.“

    Drittens: „Wir haben diesen Satz nicht verstanden, denn wir kommen ja aus Berlin und sind größtenteils hier geboren. Wie er gemeint war, können wir uns allerdings denken.“

    Viertens: Wir hätten hier auf Usedom nichts verloren. Die AfD wird uns abschieben, wenn sie erst mal an der Macht ist.

    Fünftens: Diejenigen, die uns mit „Ausländer raus“- Rufen beschimpften, machten entweder selbst als Touristen dort Urlaub oder sind auf Usedom zu Hause. Da gab es keinen Unterschied. Der Hass traf uns von beiden Seiten.

    Sechstens: „Man konnte auch nicht sagen, welches Alter die Leute hatten, von jung bis alt, alles war dabei.“

    Siebtens: „‚Guckt mal, wie braun der ist. Hey, ihr Schwarzköpfe‘, hieß es immer wieder“.

    Achtens: „Unsere Eltern wurden beleidigt und wir wurden als Bastarde, einige unserer Mädchen als Kopftuchschlampen bezeichnet.“

    Neuntens: „Sogar unsere türkischstämmige Lehrerin wurde auf der Straße geschubst und angepöbelt, da gab es keinen Respekt.“

    Zehntens: „Besonders schlimm fanden wir die durchdringenden Blicke der Leute auf der Straße, aber auch am Strand und auf der Promenade. Wir wurden angerempelt, bespuckt und immer wieder beleidigt.“

    Schließlich: „Nicht alle waren so, aber die meisten schauten einfach weg, wahrscheinlich aus Angst vor Eskalation.“

    Kolleginnen und Kollegen berichteten überdies, dass sie sich nicht trauten, ihre Zehntklässler allein den Strand oder die Promenade entlanglaufen zu lassen, aus Angst, dass sie diese nicht schützen könnten, falls es zu Übergriffen käme.

    Mehr als 60 Prozent der Schülerinnen und Schüler würden nicht noch einmal nach Usedom fahren, auch in andere Gegenden Deutschlands nicht. Zu häufig sind Verwandte, Bekannte und Freunde da und dort schon rassistisch beleidigt worden.

    Auch in Lübeck kommt es zu Anfeindungen

    Eine Kollegin geht seit dreißig Jahren mit ihren Schülerinnen und Schülern regelmäßig auf Klassenfahrt innerhalb Deutschlands. Egal, wohin. Immer waren es schöne, gelungene Reisen mit positiven, auch zwischenmenschlichen Erlebnissen. Doch zunehmend stellt sie einen Wandel in der Akzeptanz unserer Klassen fest, Klassen, in denen ein Großteil der Kinder und Jugendlichen aus Familien mit einem Migrationshintergrund kommen.

    Durch das Erstarken rechter Gruppierungen im Land, durch das „Relativieren“ rechter Äußerungen in der Öffentlichkeit, fühlen sich offenbar immer mehr Menschen ermutigt, ihre Abneigungen gegenüber Minderheiten, ihre Verachtung von Menschen anderer Konfessionen oder anderer Hautfarbe laut und öffentlich zu äußern. Auch in Lübeck wurde über unsere Schülerinnen und Schüler, die dort auf Klassenfahrt waren, getuschelt; sie wüssten sich nicht zu benehmen, wären laut und verhielten sich asozial.

    Was macht es mit Jugendlichen, die dergleichen immer wieder zu hören bekommen? Wie sollen so aus ihnen demokratisch gesinnte, mündige Bürgerinnen und Bürger werden, wenn sie spüren, dass sie (hier) nicht gewollt sind? Hier, in ihrer Heimat, wenn sie auf einer Klassenreise oder bei einer Exkursion statt eines Willkommensgrußes ein „Hau ab“ hören?

    No-go-Areas für Klassenfahrten und Exkursionen?

    Auch in Berlin, der Heimatstadt der meisten unserer Schülerinnen und Schüler, erleben Kolleginnen und Kollegen auf Exkursionen oder Wandertagen immer wieder, dass ihre Klassen mit scheelen und verächtlichen Blicken betrachtet werden, ob auf der Straße, in Bus oder Bahn.

    Wir Lehrkräfte müssen uns regelmäßig Bemerkungen anhören, die darauf abzielen, nicht nur unseren Berufsstand zu bemängeln, sondern auch, dass wir mit „solchen“ unterwegs sind. „Die“ hätten hier nichts zu suchen, mit „denen“ müsse man hier nicht den Bus verstopfen, „die“ bekämen hier viel zu viele Leistungen vom Staat.

    Da fragt man sich: Sollte es für unsere Klassenfahrten oder Exkursionen tatsächlich No-go-Areas geben? Sollten wir Lehrkräfte wirklich im Vorfeld überlegen, wo in Deutschland wir mit unseren Schulklassen (noch) hinfahren können und wohin nicht? Nein, denn wir leben in einem Rechtsstaat, mit einem Recht auf Bildung und einem Grundgesetz, in dem dieses verankert ist – für alle.

    Letztlich bleibt Folgendes festzuhalten: Fast überall, wo man hinkommt, kann einem das, wovon in diesem Text berichtet wird, widerfahren. Usedom und Heringsdorf sind wunderschöne Orte, es lohnt sich, dorthin zu fahren. Dieser Text ist also ausdrücklich kein „Usedom-Bashing“, sondern will die Gesellschaft für Dinge sensibilisieren, die schieflaufen. Zudem soll er als ein Appell an die Gemeinschaft für ein Miteinander statt ein Gegeneinander verstanden werden.

    Ada M. Hipp, Jahrgang 1968, lebt mit ihrer Familie in Berlin. Seit 1992 ist sie im Berliner Schuldienst tätig.

    Transparenzhinweis: Die Autorin verwendet ein Pseudonym, der wahre Name ist der Redaktion bekannt.

    Usedom
    https://fr.m.wikipedia.org/wiki/Usedom

    Musée des techniques de Peenemünde
    https://fr.m.wikipedia.org/wiki/Mus%C3%A9e_des_techniques_de_Peenem%C3%BCnde

    #Allemagme #éducation #école #racisme #xénophobie

    • Pour beaucoup d’étudiants voyageant avec nous, c’était leur tout premier voyage en train. Le voyage vers le pays d’origine de leurs parents et grands-parents se fait soit en voiture, soit en avion. Leurs familles viennent de Turquie, du Liban, de Roumanie ou du Kosovo. Oui, la proportion de migrants dans notre école, située à Berlin-Neukölln, à la frontière avec le quartier de Treptow-Köpenick, atteint presque cent pour cent.

      [...]

      Les conversations du soir à l’auberge de jeunesse ne portaient pas principalement sur les projets du lendemain, mais plutôt sur l’endroit où l’on pourrait aller le lendemain sans se faire insulter, cracher dessus ou injurier. Cependant, ils ne parvenaient pas à trouver un tel endroit sur toute l’île. Il n’y avait aucun endroit où ils pouvaient vraiment se détendre, sauf tard le soir sur la plage, dans l’obscurité.

      [...]

      Mais les événements sont d’une telle monstruosité qu’ils ont pu être convaincus de se souvenir à nouveau et de récapituler ce qu’ils avaient vécu. Ce n’est qu’ainsi qu’ils parviendraient à sortir du rôle de victime qu’ils ressentent. C’est ce qui les a convaincus. Et finalement, ils ont décidé de prendre la parole, d’ouvrir la bouche, contre tous ceux qui prétendaient leur refuser le droit à un beau voyage scolaire.

      [...]

      En raison de la montée des groupes de droite dans le pays et de la « relativisation » des déclarations publiques de droite, de plus en plus de gens se sentent apparemment encouragés à exprimer haut et fort leur aversion pour les minorités et leur mépris pour les personnes d’autres confessions religieuses. ou différentes couleurs de peau.

  • Ein Israeli in Berlin: Israels Krieg im Libanon hat mir das Rückgrat gebrochen
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/israeli-in-berlin-israels-krieg-im-libanon-hat-mir-das-rueckgrat-ge

    13.11.2024 von Mati Shemoelof - Mit ihrem blutigen Sturm ziehen Israels Machthaber ihr Land in einen endlosen Abgrund, meint unser Autor. Was er empfindet: Abscheu und Scham.

    Dies ist ein Open-Source-Beitrag. Der Berliner Verlag gibt allen Interessierten die Möglichkeit, Texte mit inhaltlicher Relevanz und professionellen Qualitätsstandards anzubieten.

    Als der Krieg in Libanon erneut ausbrach, ging ich in Berlin-Schöneberg spazieren und begegnete einer israelischen Aktivistin und Wissenschaftlerin, die nach Berlin ausgewandert war. Ich fragte sie, wie sie zurechtkomme. „Ich fühle mich schrecklich“, entgegnete sie. „Ich kann meinen libanesischen Freunden nicht gegenübertreten.“

    Es war Herbst in Berlin, und wir standen draußen in der Kälte. Ich gab zu: „Ich meide die Nachrichten. Wenn ich die neuen Berichte sehe, habe ich danach Mühe zu schreiben oder zu arbeiten.“ Sie blickte auf die bunten Blätter, die auf dem Bürgersteig gelandet waren, dann wieder zu mir. „Wir haben Glück, dass wir Israel verlassen und jetzt hier leben. Ich fühle mich nicht mehr mit ihnen (Anm. d. Autors: mit dem israelischen Volk) verbunden.“
    Wie können wir Scham, Trauer, Wut und Verrat überwinden?

    Aber sind wir wirklich nicht mehr mit unserem Heimatland verbunden? Ist es so einfach? Und wo stehen wir jetzt? Ich bin verloren, mehr denn je. Meine Frau erinnerte mich daran, dass ich in der Vergangenheit wütend wurde und die israelische Regierung verfluchte, etwa beim letzten Gaza-Krieg. Aber als die Armee in den Libanon einmarschierte, sagte ich nur: „Wir können nichts tun.“

    Ich habe das nicht einmal bemerkt. Wie ein Mantra wiederholte ich: „Es liegt nicht in meiner Hand. Was sollen wir auch tun mit diesen Gefühlen der Hilflosigkeit, der Entfremdung und der Abkoppelung? Wie können wir Scham, Trauer, Wut und Verrat überwinden? Was geschieht mit uns, wenn wir aus der Ferne den blutigen Sturm beobachten, der das Land, in dem wir geboren wurden, in einen endlosen Abgrund zieht?“

    Mit meinem Mantra kamen die Rückenprobleme. Ich konnte mich kaum bewegen. Genau an dem Tag, an dem ich besagte Freundin traf, am 23. September, wurden bei israelischen Angriffen im Libanon mindestens 558 Menschen getötet, darunter 50 Kinder und 94 Frauen. Mehr als 1800 Personen wurden nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums verletzt. Wie im Gazastreifen hatte Israel auch im Libanon unschuldigen Menschen das Leben genommen. Die Regierung begründete den Angriff mit der Absicht, die 60.000 israelischen Einwohner Nordisraels, die nach der Bedrohung durch die Hisbollah geflohen waren, zurückzubringen. Aber hat Israel zuvor auch alle diplomatischen Möglichkeiten ausgeschöpft?

    Bündnisse zwischen Juden und Palästinensern: Diese Geschichten hören wir viel zu selten

    Netanjahu habe nicht einmal die USA zu dem Bombardement konsultiert, kritisierte der Schriftsteller und Journalist Adam Shatz. Der Angriff mache „den amerikanischen und französischen Vorstoß für einen Waffenstillstand zwischen Israel und der Hisbollah, dem Netanjahu privat zugestimmt hatte, zum Gespött.“

    Ist das Leben der israelischen Bevölkerung nun mehr wert als das Leben der Menschen in Gaza oder im Libanon? Gibt es in den Augen Israels wirklich eine Hierarchie, die es rechtfertigt, Hunderte von unschuldigen Menschen zu töten, um einen Hamas- oder Hisbollah-Kommandeur auszuschalten, nur weil er sich unter ihnen versteckt hat?

    Eine Barriere zwischen uns und ihnen ist entstanden

    Ich denke wieder an die Freundin, die ich in Berlin getroffen habe, an mein Rückenproblem, an mein Mantra. Manchmal empfinde ich Abscheu und ein tiefes Gefühl der Scham über den Wandel in großen Teilen der israelischen Gesellschaft. Ich habe das Gefühl, dass eine Barriere zwischen uns und ihnen entstanden ist, eine Mauer, die uns dauerhaft zu trennen scheint. So stelle ich mir es zumindest vor.

    Seit dem Angriff des Iran auf Israel Anfang Oktober habe ich begonnen, die Beziehung zwischen dem zeitgenössischen jüdischen Leben außerhalb Israels und der Version des Judentums, die Israel der Welt präsentiert, zu überdenken. Als ob gerade der richtige Zeitpunkt wäre, um über jüdische Identitätskonzepte nachzudenken.

    Schon fühle ich die nächste Zerrung in meinem Rücken. Ich will die Solidarität mit dem israelischen Volk nicht untergraben, während es sich durch Angriffe des Iran oder seiner Stellvertreter-Milizen wie der Hamas oder der Hisbollah unmittelbar bedroht fühlt. Aber in Berlin treffen wir täglich auf die arabische Diaspora – wie können wir ihnen in die Augen schauen, wenn unser Land, in unserem Namen, für den Tod unzähliger unschuldiger Menschen verantwortlich ist? Ich will diese Rückenschmerzen loswerden. Ich brauche einen Ort, an dem das Leben dieser Menschen zählt.

    “i am the mother
    no longer willing to sacrifice sons
    to wars of men and
    gods of war i
    mother refuse to lose
    more daughters to sons gone crazy
    watching kids get bombed and blown
    into bits of brain and bone”

    —Suheir Hammad

    Ich sehe ihre Blindheit

    Ich war 14 Jahre alt, als die riesigen grauen Panzer an mir vorbeirollten. Die stählernen Monster fuhren auf ihren langen Trägern entlang der Küstenstraße, die an meiner Heimatstadt Haifa vorbeiführte, in Richtung Libanon. Es war der Beginn eines neuen Krieges.

    Ich wusste nicht, was Krieg bedeutet. Diese Reihe von Panzern war für mich surreal. Plötzlich war der Blick aufs Mittelmeer, das ich liebte und schätzte, von diesen riesigen, bedrohlichen Maschinen verdeckt.

    Kurz darauf verließ uns mein Vater, um sich als Reservist der Armee anzuschließen. Meine Mutter war besorgt. Ich war besorgt. Nach dem gescheiterten Attentat der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) auf den israelischen Botschafter in London im Juni 1982 hatte der israelische Verteidigungsminister Ariel Sharon eine Rechtfertigung parat, um einen Krieg gegen Arafats PLO zu beginnen und in den Libanon einzumarschieren, wo die Organisation ihren Sitz hatte.

    Niemand wusste, was nun geschehen würde. Weil wir Kinder nicht mehr draußen spielen durften, mussten wir stattdessen den Bunker unter unserem Keller putzen. Ich erinnere mich daran, wie wir einmal nach draußen schlichen und meine Mutter uns anschrie: „Geht zurück in den Bunker! Seid ihr verrückt?“

    Die Einheimischen sahen in mir einen Eroberer

    In diesen acht Jahren des Krieges gegen den Libanon wurde meine Angst vor den stählernen Monstern durch eine Art Gehirnwäsche des militaristischen Systems ersetzt. Ich ging zum Rekrutierungsbüro und sie fragten mich, in welcher Truppe ich dienen wolle. Ich antwortete: „Nur in einer Panzertruppe“.

    Nachdem ich acht Monate lang gelernt hatte, den Merkava-Panzer zu bedienen, wurde ich Ende der Neunzigerjahre auf eine Mission geschickt, um das besetzte Gebiet im Süden des Libanon zu bewachen. Wir waren auf der Ostseite stationiert, in der Nähe der libanesischen Stadt Mardsch Uyun. Dort realisierte ich, dass die Einheimischen in mir einen Eroberer sahen.

    Jedes Mal, wenn wir mit unseren Panzern nach Hisbollah-Guerillakämpfern suchten, fanden wir Sprengsätze, die uns aufhalten sollten. Einmal sahen wir mit unserem Nachtsichtgerät Schemen, die wir für Hisbollah-Kämpfer hielten, und wir eröffneten das Feuer. Am Morgen stellten wir fest, dass wir auf Wildschweine geschossen hatten, die wie Menschen in einer geraden Linie gelaufen waren.

    Inzwischen ist es nicht mehr unwahrscheinlich, dass Israel den Süden des Libanon erneut besetzen wird.

    “The war will end,
    and leaders will shake hands.
    That old woman will keep waiting for her martyred son.
    And those children will keep waiting for their hero father.
    I don’t know who sold our homeland,
    but I saw who paid the price.”

    —Mahmoud Darwish

    Ich schäme mich schon lange dafür, in welchem Ausmaß Israels rechtsextreme, messianische Regierung Kriegsverbrechen gutheißt. Selbst ein Zyniker wie ich kann nicht glauben, dass Israel bis heute kein Abkommen zur Rückführung der Geiseln unterzeichnet hat. Eine solche Vereinbarung könnte zu einer Deeskalation in der gesamten Region führen und möglicherweise weitere Kriege im Libanon und im Iran verhindern.

    Ich weiß, dass viele fortschrittliche israelische Juden diese Schuldgefühle und Angst empfinden. Auch ich versuche, mich sowohl dem unermesslichen Leid im palästinensischen und libanesischen Lager zu stellen als auch den Schmerzen der Israelis und den anderen Opfern des Krieges – aber mein Rücken ist gebrochen.

    Ich muss mich von dieser psychischen Krankheit befreien. Als Jude in der Diaspora sind weder die Palästinenser noch das libanesische Volk meine Feinde.

    „Das Weinen des Soldaten und das Weinen des Besiegten
    lassen sich niemals vergleichen
    und dennoch weinen sie beide heute Nacht
    und nur die Erde weiß zu unterscheiden
    welche Dichter mit ihren Tränen
    und welche mit ihren Fäusten schreiben
    das Gedicht, das heut Nacht auf beiden Seiten des Leviathans
    entstand
    durchquert den Himmel:
    ihm war das Wort „Grenze“
    noch nie ein Begriff.“

    —Mati Shemoelof. Übersetzung: Gundula Schiffer

    Wir alle – auch Palästinenser, Libanesen, Israelis – haben unsere Heimat verlassen, wurden vertrieben oder ins Exil geschickt und leben jetzt in westlichen Städten. Uns allen wurde das Rückgrat gebrochen. Die Trauer um die vielen Toten, die jeden Tag beerdigt werden, ist enorm. Die Zerstörung ist noch nicht zu Ende. Wie sollen wir unseren Kindern erklären, warum so viele Familien wie vom Erdboden verschwunden sind?

    Und gerade, weil wir so viel Schmerz empfinden, müssen wir eine gemeinsame Diagnose finden, eine gemeinsame Behandlung, statt getrennt danach zu suchen.

    Es gibt keine perfekte Lösung.

    Ich weiß, dass einige israelische Juden in der Diaspora zögern, an pro-palästinensischen Demonstrationen teilzunehmen, und ihre Angst ist verständlich. Aber es gibt unter den Israelis im Ausland das wachsende Bedürfnis, im politischen Aktivismus gegen den Krieg neue Kraft zu finden.

    In Zeiten der Hetze, des rechtsextremen, rassistischen Nationalismus und des Verlusts der moralischen Orientierung muss auch ich ein symbolisches Heilmittel für meinen Rücken finden.

    Genau das habe ich erlebt, als ich mich den wöchentlichen Demonstrationen von Israelis in Berlin anschloss, die vor dem Außenministerium gegen den Krieg protestierten. Ich hatte das Gefühl, dass unsere Rufe wichtig waren, auch wenn nur 70 Personen gekommen waren. Es mag zwar nicht den Lauf der Geschichte ändern, aber es ist dennoch wichtig, dass wir unsere Stimmen erheben. Wir senden damit eine Botschaft an unsere Kinder. Wenigstens das steht in unserer Macht.

    Mati Shemoelof, geboren 1972 in Haifa, ist ein arabisch-jüdischer Autor, der seit zehn Jahren in Berlin lebt. Zu seinen Veröffentlichungen zählen mehrere Gedichtbände, eine Kurzgeschichtensammlung, ein Essayband und ein Roman. In Berlin hat er zwei literarische Gruppen mitbegründet: Poetic Hafla – eine multilinguale künstlerische Party – sowie Anu: Juden und Araber schreiben in Berlin .

  • True-Crime-Story aus Berlin-Neukölln im Jahr 1916: Ein Menschenleben für 1,50 Mark
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/true-crime-story-aus-berlin-neukoelln-im-jahr-1916-ein-menschenlebe


    Diese Ansichtskarte aus dem Jahr 1914 zeigt das Neuköllner Polizeipräsidium. Bettina Müller

    Der Stadteil Neukölln gehört erst seit 1920 zu Berlins. Heute giltver als besonders typische für die neue Berliner Mischung aus Kulturen umd Nationalitäten.

    31.10.2024 von Bettina Müller - Im Herbst 1916 töten zwei Teenager auf heimtückische Art eine 53 Jahre alte Blumenarbeiterin. Doch nicht die Polizei, sondern ein Geschäftsmann fasst die Täter.

    Neukölln, am Abend des 25. September Jahr 1916. Im königlichen Polizeipräsidium in der Kaiser Friedrich-Straße 193/94 Ecke Wildenbruch-Str. 1–5 – heute heißt die Straße Sonnenallee – hat der 48 Jahre alte Leiter der Neuköllner Kriminalpolizei, Polizei-Inspektor Hermann Berlin, Dienst. Das Präsidium ist dem Berliner Polizeipräsidium unterstellt, die Neuköllner Fernsprechanlage ist zudem an die Zentrale der Berliner Polizeifernsprechanlage angebunden. An diesem Abend wird die Mordkommission zu einer Adresse am Maybachufer gerufen. Eine völlig verzweifelte Frau namens Maria Rudolphi hat ihre Schwester Anna blutüberströmt in ihrer gemeinsamen Wohnung gefunden.

    Berlin, der den Tatort als Erster zu Gesicht bekommt, sieht sich mit einem Schlachtfeld konfrontiert. Da liegt die 53-jährige, aus Brandenburg an der Havel gebürtige Anna Rudolphi, tot auf ihrem völlig blutverschmierten Bett. Getötet, so wird die Obduktion ergeben, durch einen Messerstich in den Nacken, der die Halsschlagader getroffen hat.

    Kriminalinspektor Berlin ist so ein Gemetzel eigentlich nicht gewohnt, ist die Reichshauptstadt Berlin doch eher das Zentrum der Kriminalität und Neukölln eher berüchtigt für seine Schmuggler. Und die töten selten, sondern wollen beispielsweise die vom Deutschen Reich zentralisierte Einfuhr von Fleischwaren, die nur von dazu vom Reich bestimmten Organen durchgeführt werden darf, umgehen.

    Diesmal hat Kriminalinspektor Berlin leichtes Spiel, weil sich die Täter sehr unvorsichtig benommen haben. Beide Frauen lebten zurückgezogen, waren handwerklich sehr begabt, so viel wusste man in der Nachbarschaft über sie. Schon der Vater hatte als Pantoffelmacher gearbeitet, der Großvater in Ziesar sogar eine Färberei besessen. Und während Anna künstliche Blumen hergestellt hatte, war Maria in Neukölln als Stepperin beschäftigt. Beide waren 1904 nach dem Tod ihres Vaters von Magdeburg nach Neukölln umgesiedelt.

    Die verräterische schwarze Markttasche

    Dann sagt eine Zeugin aus, dass sie zwei junge Männer gesehen habe, die – bepackt mit Taschen, darunter auch eine schwarze Markttasche – über den Hof gegangen seien. So besteht schon bald der dringende Verdacht, dass die beiden tatsächlich auch die Mörder von Anna Rudolphi gewesen sind, deren schwarze Markttasche seit ihrer Ermordung verschwunden ist. Die Tasche, die Anna Rudolphi gehört hatte, diese fleißige Blumenarbeiterin, deren Heimarbeit schlecht bezahlt wurde, weil auch weibliche Gefängnisinsassen schon mal mit der gleichen Arbeit beschäftigt wurden und somit die Preise drückten.

    Viele Frauen sind zu dieser Zeit als Heim- oder Fabrikarbeiterinnen in der Neuköllner Bekleidungsindustrie tätig, während sie um ihre Männer an der Front bangen. Sie stellen unter anderem auch kunstvoll künstliche Blumen her, mit denen die Damenwelt sich gerne schmückt. Es ist ein Knochenjob, 12- bis 13-Stunden-Tage sind keine Seltenheit, zudem das Kräuseln oder Falten des Materials – vor allem buntes Papier, aber auch Chenille oder Musselin –, welches gesundheitsschädliche Farben enthalten kann.

    Bereits 1891 war in Friedrichshagen die „Freie Vereinigung der in der Blumen- und Putzfedern-Branche beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen“ gegründet worden, weil dieser prekäre Beruf schnell in den Fokus der Frauenbewegung geraten war, die beispielsweise für die als proletarisch geltenden Blumenarbeiterinnen einen Achtstundentag forderte.

    Maria Rudolphi ist sprachlos, als man ihr die mutmaßlichen Täter beschreibt. Sie kennt die Täter, sogar sehr gut. Es sind Bekannte, mit denen sie mit Anna sogar einmal kurz zusammen gewohnt haben. Es sind tatsächlich die beiden jungen Männer, die in der Nähe des Tatorts bereits aufgefallen waren. Derweil durchkämmen Kriminalpatrouillen ganz Groß-Berlin auf der Suche nach diesen beiden Tatverdächtigen, von denen sie nun die Namen und eine genaue Personenbeschreibung haben. Von den mörderischen Gebrüder Klaus, die fast noch wie Kinder wirkten, der 15-jährige Otto Klaus mit dem gedrückten Wesen, und der 17-jährige Richard Klaus, der auf Pressevertreter im Gerichtssaal einen „etwas schwachsinnigen“ Eindruck machen würde.

    Nur zwei Tage nach der Mordtat geht die Besitzerin einer Gartenlaube nahe des alten Rixdorfer Ortskerns in ihren Garten. Die Laube ist Teil einer ganzen Kolonie namens „Wild-Amerika“. Laubenkolonien wie diese haben dort bereits Tradition, entlang der Kaiser-Friedrich-Allee gibt es mehrere mit ähnlich fantasievollen Namen wie zum Beispiel „Bauer’s Ruh’“, „Storchnest“ oder „Durstighaufen“. Als die Frau ihre Datsche betreten will, bemerkt sie sofort, dass die Tür von innen verriegelt ist, während das Vorhängeschloss auf der Erde liegt. Die Vorhänge, die die Frau in der Regel immer offen hat, sind blickdicht zugezogen.

    Die Frau reagiert geistesgegenwärtig, weil sie weiß, dass sich in der Gegend zwei Raubmörder herumtreiben. Sie schließt die Tür mit dem Vorhängeschloss ab und eilt davon, um Hilfe zu holen. Die findet sich schnell in Gestalt von Ernst Mohr, dem Inhaber des gleichnamigen Neuköllner Asphalt- und Dachdeckergeschäfts.

    „Ihr seid die beiden Mörder vom Maybachufer!“

    In der Zwischenzeit haben die beiden jungen Männer die von innen verriegelte Tür wieder geöffnet. Blitzschnell wagt sich Mohr hinein und sieht sich zwei jungen Leuten gegenüber. „Ihr seid die beiden Mörder vom Maybachufer!“, schreit er sie laut an und packt dann sofort den Älteren am Schlafittchen. Der reißt sich los, es entsteht ein Tumult, als Mohr nun den Jüngeren packen will, der sich aber vehement dagegen wehrt und sich schließlich schreiend auf die Erde wirft, als ob ihn das vor der drohenden Verhaftung retten könnte.

    Erst als Mohr ihn mit Fäusten traktiert, während der Ältere mittlerweile scheinbar apathisch daneben steht und schon gar nicht mehr an Flucht denken kann, gibt der Junge schließlich auf. Mohr wiederholt noch einmal, noch anklagender: „Ihr seid die Mörder! Gebt es endlich zu!“ – bis der Ältere schließlich – belegt durch das Gerichtsprotokoll – den erlösenden Satz spricht: „Entschuldigen Sie nur, wir sind es gewesen.“

    Mohr karrt die Mörder vom Maybachufer unverzüglich zur nächsten Polizeiwache in der Elbestraße, von wo aus sie zum Neuköllner Polizeipräsidium gebracht werden. Dort sitzen sie schon bald vor ihrer Nemesis in Gestalt des Kriminalinspektors Berlin. Er erkennt sofort ihre Unsicherheit, spürt, dass der Jüngere sich dem Älteren unterordnet, weil er wesentlich intelligenter ist. So muss er nach wenigen Fragen, die er bewusst laut und streng vorträgt, nicht lange auf ein vollständiges Geständnis warten.

    Am 8. November 1916 müssen sich die Gebrüder Klaus vor dem II. Landgericht Berlin verantworten. Sie sind bereits vorbestraft, Richard zweimal wegen Diebstahls, Otto wegen Diebstahls und Unterschlagung. Daher hatte man sie in die Erziehungsanstalt nach Lichtenberg gebracht und sie dann zu der Familie Grünefeld in Paretz gegeben, wo Richard bei einem Bäckermeister und Otto bei einem Materialwarenhändler arbeitete. Bis sie beschlossen, nach Berlin zu fliehen – mit wenig Geld in der Tasche. Dort schlugen sie sich mehr schlecht als recht durch, aber auch nur, weil die beiden Schwestern Rudolphi ihnen mit dem Wenigen, was sie selber hatten, halfen.

    Erschütternde Details aus der Familiengeschichte

    Weil die beiden Angeklagten ein umfassendes Geständnis abgelegt haben, verzichtet der Gerichtshof auf einen Teil der Zeugenbefragungen und lehnt auch ein Gutachten des Sachverständigen Dr. Magnus Hirschfeld ab. Rechtsanwalt Dr. Davidsohn kann dem Vater erschütternde Details aus der Familiengeschichte entlocken, nämlich dass der Großvater der Brüder Klaus Suizid begangen hat und die Mutter schwachsinnig gewesen sei. Die geistige Schwachheit habe Richard offenbar geerbt, er habe nur eine Hilfsschule besucht.

    Tatsächlich erweisen sich die beiden vor Gericht als einerseits sehr naiv, andererseits aber auch als unfassbar gefühlskalt, was den Umgang mit anderen Menschen angeht, die ihnen wohl gesonnen waren. Die Gerichtsprotokolle belegen zudem, dass die Brüder Klaus keinerlei Reue zeigten und offenbar davon ausgegangen waren, nur eine Strafe von maximal zweieinhalb Jahre zu erhalten. Sie schildern auch den Tathergang. Wie sich Anna Rudolphi kurz umdrehte, um sich zum Ausgehen fertig zu machen. Die Brüder sich nur wortlos ansahen und wussten, was zu tun war. Wie Otto, angestachelt von seinem Bruder, schließlich mit dem Messer in den Hals der Frau stach. Die Frau, die ihnen wohl gesonnen war, die ihnen sogar aus Mitleid ein wenig Geld und Nahrungsmittel geschenkt hatte. Der sie dann einen lächerlich geringen Geldbetrag geraubt hatten. 1,50 Mark für ein Menschenleben.

    Nach Kriegsende überschlagen sich in Berlin die Ereignisse

    Am Ende werden beide zu je 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Sie verschwinden hinter Gittern und aus der Tagespresse, sodass man zunächst keinen Hinweis auf ihr weiteres Schicksal findet. Viel Zeit geht ins Land, vor allem im Jahr 1918 überschlagen sich nach Kriegsende in Berlin die Ereignisse. Und auch Anfang 1919 herrscht mit dem Spartakusaufstand in Berlin alles andere als Ruhe, was sich bis weit in den September fortsetzt, während der Gefängnisaufseher Franz Gutzeit dem Plötzenseer Standesamt am 13. September 1919 den Tod des Bäckerlehrlings Richard Klaus meldet, der an diesem Tag im Gefängnis verstorben ist. „Lungentuberkulose“ hat der Standesbeamte noch mit Bleistift im Sterberegister vermerkt. Doch da ist auch noch Otto Klaus, der zum Zeitpunkt des Todes seines Bruders immer noch in Plötzensee inhaftiert ist. Zu einem unbekannten Zeitpunkt wird er vorzeitig entlassen.

    Und dann schafft er das, was anderen ehemaligen Straftäter versagt bleibt, die Rückkehr in ein bürgerliches Leben. Am 31. Dezember 1931 heiratete der Schuhmacher Otto Paul Klaus in Berlin die Arbeiterin Gertrud Hasselbach. Über sein weiteres Leben ist nichts bekannt. Doch die große Schuld blieb. Am 12. Januar 1959 ist Otto Klaus in Braunschweig gestorben.

    Bettina Müller lebt als freie Autorin in Köln und schreibt für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften vor allem über diese Themen: Historischer True Crime; Kunst, Kultur und Literatur der Weimarer Republik; Reise; Genealogie .

    #Geschichte #Kaiserreich #Neukölln #Sonnenallee #Kaiser-Friedrich-Straße #Maybachufer #Polizei #Verbrechen #Straßenumbenennung

  • Richterin zum Fall CJ Hopkins : Mit Nazi-Vergleichen gegen die Coronapolitik – ist das erlaubt ?
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/richterin-zum-fall-cj-hopkins-mit-nazi-vergleichen-gegen-die-corona

    Plusieurs couts de justice allemandes ont jugé en faveur d’accusés que l’état a poursuivi pour avoir critiqué les mesures contre le covid. Par ces procédures on a appris l’absence de preuves scientifiques pour la nécessité de plusieurs mesures et le caractère politique de la prise de décision dans l’ensemble des cas.

    Une histoire particulièrement absurde est le cas de l’utilisation d’un symbole nazi dans un tweet qui critiquait la qualité liberticide de l’imposition de mesures hygiéniques. L’article du Berliner Zeitung propose une analyse juridique de ce cas.

    21.9.2024 von Clivia von Dewitz - Unsere Autorin hat zum NS-Kennzeichenverbot promoviert und meint: Der erstinstanzliche Freispruch von Hopkins war richtig. Warum geht die Staatsanwaltschaft trotzdem in Revision?

    Am 30. September soll vor dem Kammergericht Berlin in der Sache CJ Hopkins die Revisionsverhandlung stattfinden. Dem gebürtigen Amerikaner, verheiratet mit einer Jüdin, seit fast 20 Jahren in Berlin lebend, wird von der Staatsanwaltschaft Berlin vorgeworfen, durch zwei Tweets auf X gegen das seit 1968 in Deutschland geltende NS-Kennzeichenverbot verstoßen zu haben. Stein des Anstoßes waren Abbildungen, die eine weiße medizinische Mund-Nasen-Bedeckung zeigen, auf denen jeweils mittig ein ebenfalls weißes Hakenkreuz durchschimmert. Dazu veröffentlichte er unterschiedliche Begleittexte, was für den Prozessverlauf relevant sein wird. Doch dazu später mehr.

    Das Zeigen von NS-Kennzeichen löst in Deutschland bis heute bei einem Großteil der Bevölkerung Unbehagen aus. Zu Recht – stehen diese Kennzeichen doch für ein Unrechtsregime unvorstellbaren Ausmaßes, das insbesondere für den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg und damit für Millionen Tote verantwortlich ist.
    Das Kennzeichenverbot

    Bereits unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg machte man sich daher verständlicherweise Gedanken, wie mit NS-Kennzeichen umzugehen sei. Die ersten Strafvorschriften, die nationalsozialistisches Gedankengut, somit auch NS-Kennzeichen, zum Inhalt hatten, waren Besatzungsrecht der Militärregierung Deutschland für die amerikanische Zone (wie das Gesetz Nr. 154). Das Gesetz sah hohe Strafen für den Gebrauch von NS-Symbolen auf Fahnen, Bannern und Ähnlichem vor.

    Nach 1949 enthielt zunächst allein das Versammlungsgesetz von 1953 das Verbot des Verwendens nationalsozialistischer Kennzeichen. Erst 1960 mit dem 6. Strafrechtsänderungsgesetz fand das Verbot des Zeigens von Kennzeichen ehemaliger nationalsozialistischer Organisation als § 96a StGB Eingang in das Strafgesetzbuch. 1968 wurde das Kennzeichenverbot dann als § 86a StGB im Rahmen der Parteienverbotsbestimmungen in der im Wesentlichen bis heute geltenden Fassung eingeführt und somit die Normierung des NS-Kennzeichenverbots in den allgemeineren Kontext des Parteienverbotsrechts gestellt.

    Strafbar macht sich nach dem Kennzeichenverbot (§ 86 Abs. 1 Nr. 4, 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB) nur, wer NS-Kennzeichen verbreitet oder öffentlich verwendet, „die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen“. Somit fällt nicht schon jede Verwendung eines NS-Kennzeichens unter das Verbot. Im Gegenteil, das Gesetz bekräftigt, dass als Propagandamittel nur solche Schriften gelten, deren Inhalt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind (§ 86 Abs. 3 StGB).

    Urteil über Lauterbach-Bildmontage: Sind Kunst- und Meinungsfreiheit in Gefahr?

    Und nach dem Strafgesetz (§ 86 Abs. 4 StGB) scheidet eine Strafbarkeit auch dann aus, wenn das Propagandamittel bzw. Kennzeichen der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient (sog. Sozialadäquanzklausel).

    Erst in den 70er-Jahren wurden NS-Kennzeichen auch in kritischer oder ironisierender Form verwendet. Die Rechtsprechung hat die Strafbarkeit in diesen Fällen entweder schon auf der Tatbestandsebene oder durch Anwendung der Sozialadäquanzklausel scheitern lassen. Denn eine kritische und distanzierte Verwendung von NS-Kennzeichen ist insbesondere mit Blick auf Artikel 5 des Grundgesetzes nicht strafbar. Das dort festgeschriebene Grundrecht der Meinungs- bzw. Kunstfreiheit ist konstituierend für eine Demokratie.

    Das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten: Freispruch

    Vor dem Hintergrund der geschilderten Gesetzeslage sprach das Amtsgericht Tiergarten daher völlig zu Recht CJ Hopkins am 23. Januar 2024 frei. In seinem Urteil kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte sich mit seinen zwei Posts auf X nach dem Kennzeichenverbot (§§ 86 Abs. 1 Nr. 4, 86a Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 StGB) nicht strafbar gemacht hat. Denn, so das Urteil, beide von der Staatsanwaltschaft Berlin beanstandeten Posts ließen „bei Berücksichtigung des mit der Verwendung der Maske verbundenen Texts ohne Weiteres erkennen, dass die Verbindung zum Nationalsozialismus in einem nachdrücklich ablehnenden Sinn hergestellt wird“.

    Auch liege den Posts jegliche Eignung fern, einer Wiederbelebung nationalsozialistischen Gedankengutes oder gar ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen zu dienen. Denn Personen mit neonazistischer Zielsetzung würden die Kennzeichen nationalsozialistischer Organisationen niemals in einer deren Ablehnung zum Ausdruck bringenden bildlichen Zusammenstellung verwenden. Daher sei eine Wirkung der Posts in einer dem Symbolgehalt nationalsozialistischer Kennzeichen entsprechenden Richtung von vornherein ausgeschlossen. Kurzum: Das Gericht befand, hier hatte ein amerikanischer Staatsbürger NS-Symbolik verwendet, ohne damit in irgendeiner Weise das NS-Regime verherrlichen zu wollen.


    Screenshot eines der beiden Posts von CJ Hopkins auf X privat

    Nun drängt sich die Frage auf, wie die Staatsanwaltschaft Berlin dazu kommt, gegen diesen Freispruch weiter vorzugehen und CJ Hopkins am 30. September 2024 erneut vors Gericht zu zitieren. Nach dem Wortlaut des Kennzeichenverbots und der besonderen, nach dem Bundesverfassungsgericht schlechthin konstituierenden Bedeutung der Meinungs- und Kunstfreiheit für eine Demokratie kann kein anderes Ergebnis als eine Straflosigkeit derartiger Posts herauskommen.

    Das Bundesverfassungsgericht hat gerade erst wieder in seinem Beschluss vom 11. April 2024 auf eine Verfassungsbeschwerde von Julian Reichelt hin auf die besondere Bedeutung der Meinungsfreiheit hingewiesen und klargestellt, dass der Staat auch scharfe und polemische Kritik aushalten müsse. Nichts anderes muss gelten, wenn NS-Kennzeichen verwendet werden, um staatliche Anordnungen zu kritisieren. Dies unabhängig davon, ob die Kritik berechtigt ist oder nicht.

    Die Argumentation der Staatsanwaltschaft

    Nicht überzeugend ist die in der Verhandlung vor dem Amtsgericht Berlin vorgetragene Argumentation der Staatsanwaltschaft, wonach „nicht erst beim Lesen des Bildtextes oder bei der Reflexion“ eine Distanz zur NS-Zeit deutlich werden dürfte. Die in den beiden Posts durch die Verwendung des Hakenkreuzes zum Ausdruck kommende Kritik am Staat verherrlicht ganz offensichtlich nicht das NS-Regime. Im Gegenteil, der Angeklagte will, unter Zuhilfenahme von NS-Symbolik, vor einem totalitären Regierungsstil warnen. Das mag extrem erscheinen, betrachtet man jedoch das Regierungshandeln während der Corona-Zeit, ist scharfe Kritik zumindest nachvollziehbar.

    Die Protokolle des Robert-Koch-Instituts (RKI) legen nahe, dass die Regierung wesentliche Teile der grundrechtseinschränkenden Maßnahmen von 2020 bis 2022 nicht auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse, sondern aus politischem Kalkül heraus angeordnet hat, sodass sich eine neue Bewertung des Regierungshandelns von 2020 bis 2022 aufdrängt.

    Das gilt auch und gerade für das Tragen von Masken. So heißt es etwa im RKI-Protokoll vom 4. November 2020: „Fremdschutzmaßnahme von FFP2-Masken ist sehr unwahrscheinlich. Hinzu kommt: ohne begleitende Anwendung kein sicherer Schutz beim Laien!“ Und später, im Protokoll vom 16. November 2020, heißt es: „Kann noch interveniert werden? Es ist ungünstig und gefährlich, wenn Masken von Laien benutzt werden. Deutsche Gesellschaft für Mikrobiologie und Hygiene hält FFP2-Masken, wenn sie nicht gut sitzen, für ein ungünstigeres Mittel als MNS (Mund-Nasen-Schutz, Anmerkung der Redaktion), da sie Scheinsicherheit vermitteln. (…) Einflussnahme eher nicht mehr möglich, die Beratungen finden zeitgleich statt, RKI wurde im Vorfeld nicht gefragt.“ Und gleich im nächsten Satz heißt es: „Falls so entschieden wird, sollte auf die Herausforderungen hingewiesen werden und eine Ausgabe mit Rezept nach vorheriger Beratung durch den Hausarzt empfohlen werden. Der Hausarzt kann prüfen, ob ein kardiales oder pulmonales Risiko besteht, und kann im Gebrauch unterweisen.“

    Politische Justiz?

    Wie sollen vor dem Hintergrund dieser Aussagen von Wissenschaftlern Ende 2020 die heute noch laufenden Verfahren gegen Ärzte, die Maskenatteste ausgestellt haben, gerechtfertigt werden? Der Verdacht von politischer Justiz oder gar Gesinnungsstrafrecht drängt sich geradezu auf.

    Eine lobenswerte neue Entwicklung in der Rechtsprechung hat jüngst das Verwaltungsgericht Osnabrück eingeleitet. Das Gericht hat die RKI-Protokolle in das Verfahren um ein Beschäftigungsverbot infolge der einrichtungsbezogenen Impfpflicht eingeführt. Der RKI-Präsident wurde als Zeuge vernommen. Am Ende der Verhandlung stellte das Gericht fest, dass erhebliche Zweifel an der wissenschaftlichen Unabhängigkeit des RKI bestünden, da dieses weisungsgebunden an das Ministerium sei. Den Fall legte es wegen massiver Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit an einem Paragrafen im damals geltenden Infektionsschutzgesetz dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor (sog. Richtervorlage). Bleibt abzuwarten, ob das Bundesverfassungsgericht die Chance nutzt und seine Entscheidungen in Zukunft dem tatsächlichen wissenschaftlichen Kenntnisstand anpassen wird.


    Auch Lars Schaade, RKI-Präsident, war als Zeuge beim Verwaltungsgericht Osnabrück vorgeladen. Christoph Gateau/dpa

    Schließlich wurde jüngst durch den pensionierten Richter Manfred Kölsch herausgearbeitet, dass der Schaden für die Steuerzahler durch die Bestellung von 5,7 Milliarden Masken bis zum 5. Mai 2020 (durch den damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn) sowie durch Lagerkosten und durch die wahrscheinlichen wirtschaftlichen Folgen der Entscheidungen des Oberlandesgerichts Köln zum Schadenersatz an Maskenlieferanten bei insgesamt circa zehn Milliarden Euro liegen dürfte. Der Bundesrechnungshof spricht von einer „massiven Überbeschaffung“ und stellt weiter fest, die Masken seien „ohne Nutzen für die Pandemiebekämpfung und damit ohne gesundheitspolitischen Wert“ gewesen. Zugleich heißt es im RKI-Protokoll vom 27. Januar 2020 des RKI noch: „Es wird keine Bevorratung von Masken etc. empfohlen.“

    Die Politik hat also gegen jede wirtschaftliche Vernunft Masken bestellt, entgegen wissenschaftlichen Erkenntnissen und der fachlichen Einschätzung des RKI das Tragen von Masken angeordnet. Bei Kindern hielten viele Experten das Tragen von Masken sogar von Anfang an für gesundheitsschädlich.

    Vor diesem Hintergrund dürfte die Verwendung eines Hakenkreuzes in Verbindung mit einer Maske als Kritik an Anordnungen der Regierung(en) in einem neuen Lichte erscheinen. Ist es nicht mehr möglich, auch auf extreme Weise Regierungshandeln zu kritisieren, bewahrheitet sich, wovor CJ Hopkins mit seinen Posts warnen möchte, nämlich dem Aufstieg neuer totalitärer Regierungsstrukturen und damit dem Verlust demokratischer Werte. Wenn Der Spiegel und der Stern, die weder während noch nach der Corona-Zeit mit besonders regierungskritischen Beiträgen oder einem ernsthaften Aufklärungsbemühen aufgefallen sind, unbehelligt Hakenkreuze auf ihren Titelseiten verwenden können, muss gleiches für Kritiker der Regierung gelten.

    Dr. Clivia von Dewitz ist Richterin und hat zu NS-Gedankengut und Strafrecht (§§ 86,86a und § 130 StGB) promoviert.

    #Allemagne. #justice #covid-19 #iatrocratie #nazis #liberté_d_expression

  • Grauenhafte Nachkriegszeit in Berlin: Wenn Frauen auf Hamstertour gingen
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/grauenhafte-nachkriegszeit-in-berlin-wenn-frauen-auf-hamstertour-gi

    20.10.2024 von Ernst Reuß - Die Mangelversorgung in Berlin zwang viele, im Umland nach Nahrung zu suchen. Gewalttäter nutzten die Notlage der Frauen aus: Sie ermordeten, plünderten und vergewaltigten Dutzende von ihnen.

    Dies ist ein Open-Source-Beitrag. Der Berliner Verlag gibt allen Interessierten die Möglichkeit, Texte mit inhaltlicher Relevanz und professionellen Qualitätsstandards anzubieten.

    Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges trieb der Hunger vor allem Frauen auf der Suche nach Nahrung aufs Land, wo sie verzweifelt versuchten, ihre Habseligkeiten bei Bauern gegen Lebensmittel einzutauschen. Hauptsächlich waren sie es, die sich um die Ernährung ihrer Familie kümmern mussten, denn viele Männer waren im Krieg umgekommen oder noch nicht aus der Gefangenschaft zurückgekehrt. Doch die allein umherziehenden Frauen waren leichte Beute für Gangster aller Art. Raubüberfälle, Vergewaltigungen und Morde waren an der Tagesordnung. So wurde auch der Schmachtenhagener Forst nördlich von Berlin im sowjetischen Sektor zu einem Hotspot für Verbrechen.

    Die Polizei war überfordert, besonders nach ihrer Spaltung Ende Juli 1948. Es gab nun die West-Berliner „Stummpolizei“ und die Ost-Berliner „Markgrafpolizei“. In Berlin gab es vier Sektoren, und schon die Fahrt über die Sektorengrenze ermöglichte es Tätern, zu entkommen, denn folgen durfte ihnen nur die im Sektor jeweils zuständige Polizei. Ermittlungen durch unzuständige Polizisten konnten mitunter zur Verhaftung durch die Kollegen aus dem jeweils anderen Sektor führen. Besonders wenn Täter oder Opfer aus verschiedenen Sektoren kamen, war es daher mehr als kompliziert, Kriminalfälle aufzuklären. Die Zusammenarbeit von „Stumm- und Markgrafpolizei“ waren von der Obrigkeit nicht gern gesehen.

    Seit Sommer 1946 musste die Polizei in der Region zwischen Nauen, Oranienburg und Eberswalde 24 Vergewaltigungen und 23 Raubüberfälle registrieren. Die zahlreichen Vergewaltigungen lösten mit der „Aktion Roland“ eine der größten Fahndungsaktionen der Nachkriegszeit aus. Weibliche Polizistinnen machten als Lockvögel in den Wäldern die Runde. Kollegen, die ihnen unauffällig auf Dienstfahrrädern folgten, blieben ihnen auf den Fersen. Die Fahndungsaktion blieb allerdings ohne Erfolg, obwohl man inzwischen über die Identität des Täters Bescheid wusste. Mehrere seiner Vergewaltigungsopfer hatten ihn in der Verbrecherkartei erkannt.

    Als Täter machte die Polizei den 1912 geborenen Willi Kimmritz aus. Er war das 14. Kind einer Arbeiterfamilie und hatte zuletzt als Knecht bei einem Bauern gearbeitet. Seine letzte Meldeadresse in der Oranienburger Straße in Berlin brachte die Polizei allerdings nicht weiter, denn das Haus war nur noch eine ausgebombte Ruine. Schon 1936 war er wegen einer Vergewaltigung in der Nähe von Eberswalde verurteilt worden. Im April 1945 saß er aufgrund eines Einbruchs bei seinem Arbeitgeber im Gefängnis, wurde jedoch beim Herannahen der Roten Armee freigelassen. Er lebte danach in Berlin, zumeist bei „leichten Mädchen“, mit denen er seine Beute auf dem Schwarzmarkt vertickte. Männer, die Geld und Nahrungsmittel heranschafften, waren damals heiß begehrt. Seinen Lebensunterhalt bestritt Kimmritz vor allem durch Einbrüche und Raub. Er bevorzugte Tatorte in der Umgebung von Berlin.
    Berlinblockade: Ost- und Westpolizei treffen sich im Niemandsland

    Zwischen 1946 und 1948 bot er in der Bahn nach Oranienburg Frauen seine Hilfe bei der Suche nach Lebensmittel an. Damit hatte er meist Erfolg: Der Hunger war offenbar größer als die Angst der Frauen, denn die Verbrechen hatten sich inzwischen schon überall herumgesprochen. Kimmritz lockte die Frauen unter dem Vorwand, eine Abkürzung einzuschlagen, in den Wald, raubte sie aus und vergewaltigte dort auch einige seiner Opfer. Brachte Kimmritz während seines Anbahnungsgespräches oder anhand der geraubten Papiere in Erfahrung, wo die Frauen wohnten, fuhr er nach seiner Tat auch noch dorthin, räumte die Wohnung aus und verscherbelte alles, was er finden konnte, auf dem Schwarzmarkt. Sein Steckbrief, der nicht öffentlich ausgehängt werden durfte, um den Täter nicht zu warnen und die Bevölkerung nicht zu verunsichern, kursierte unter den Polizisten und in den Behörden.

    Zwar arbeiteten Berlins Ost- und Westpolizei in diesem besonderen Fall ausnahmsweise zusammen, aber einfach war das angesichts der Nachkriegsumstände und der Berlinblockade nicht. Die Polizisten mussten sich nach der Polizeispaltung im Niemandsland an den Sektorengrenzen treffen, um ihr Wissen und ihre Akten auszutauschen. Logischerweise behinderte und verzögerte auch das die Polizeiarbeit. Allein im Mai 1948 verzeichnete die Polizei im Schmachtenhagener Forst fünf Vergewaltigungen, noch ehe im Juni 1948 dort die erste Tote entdeckt wurde. Das Auffinden von Leichen war in den Nachkriegsjahren fast schon Polizeialltag. Viele Identitäten konnten nie geklärt werden. Die Akte, die den Mord im Juni betraf, wurde daher zunächst mit dem Vermerk „unbekannte Tote“ zur Seite gelegt. Doch das sollte sich bald ändern, denn die Tote war die seit ein paar Tagen vermisste Frieda Imlau aus der Berliner Borsigstraße in der Nähe des Nordbahnhofs.

    Ihr 12-jähriger Sohn hatte sie am 16. Juni 1948, fünf Tage nach ihrem Verschwinden, als vermisst gemeldet. Sie war nach den Aussagen des Kindes zusammen mit einem „Onkel Willi“ zum Hamstern gefahren. Dieser „Onkel Willi“ war es auch, der dem 12-Jährigen scheinbar ganz uneigennützig eine Fahrkarte nach Oranienburg besorgte und ihn zum Zug brachte, um der Mutter zu helfen, die erhamsterten Lebensmittel zu tragen. Als der Junge nach erfolgloser Suche ohne Mutter und Nahrungsmittel wieder zu Hause ankam, war die heimische Wohnung durchwühlt und ausgeraubt.

    Wohnungsplünderungen waren damals nichts Ungewöhnliches und wurden von der Polizei kaum zur Kenntnis genommen. Ernsthaft Sorgen machte sich der Junge daher erst nach ein paar Tagen, denn so lange war die Mutter beim Hamstern noch nie weggeblieben. Wie sich später herausstellen sollte, handelte es sich beim netten „Onkel Willi“ um den gesuchten Kimmritz. Er tötete nun anscheinend im Monatstakt: Im Juli 1948 wurde Elfriede Flory aus der Wilmersdorfer Uhlandstraße nur 35 Kilometer von Oranienburg entfernt im Wald tot aufgefunden, am 11. August wurde in einem Waldstück bei Friesack die Leiche der Buchhalterin Elsie Wilhelm aus Berlin-Steglitz entdeckt. Wie auch die anderen Frauen waren sie auf Hamsterfahrt gewesen.

    Britische Militärpolizei beim Aufstellen eines Schildes zur Kennzeichnung der Teilung des britischen und des russischen Sektors.

    Britische Militärpolizei beim Aufstellen eines Schildes zur Kennzeichnung der Teilung des britischen und des russischen Sektors.Photo 12/imago

    Die Polizei setzte alles daran, Kimmritz aufzuhalten, aber die Suche endete erst durch eine aufmerksame Zeugin, und zwar genau einen Monat später. Es war Else Bethke, eine Freundin der ermordeten Frieda Imlau. Sie selbst hatte ihren Bekannten, der sich bei ihr als „Max“ zu erkennen gab, ihrer Freundin Frieda vorgestellt. Willi Kimmritz alias „Max“ verabredete sich mit Frieda Imlau zu der Hamstertour, von der diese nie zurückkehren sollte. Angeblich kannte „Max“ eine Menge Bauern in Brandenburg.

    Am 11. September 1948 wurde Kimmritz von Bethke im Berliner Café Reichert am Gesundbrunnen wiedererkannt. Sie war dem Serienmörder, der sich aus dem Staub machen wollte, von dort aus gefolgt und hatte um Hilfe gerufen. Er wurde im Französischen Sektor verhaftet. Bei der nachfolgenden Vernehmung legte er ein erstes Geständnis ab und wurde in den sowjetischen Sektor ausgeliefert, wo er schließlich 23 Vergewaltigungen, vier Morde und zahlreiche Eigentumsdelikte gestand. Die Morde beging er offenbar, um seine Straftaten zu verdecken.

    Da ihn nur 13 Frauen als ihren Vergewaltiger wiedererkannten und Kimmritz eines seiner Mordgeständnisse widerrief, kamen schließlich nur drei Morde und 13 Vergewaltigungen beim Landgericht Potsdam zur Anklage. Aber auch diese Vorwürfe reichten für das Todesurteil vom 18. Februar 1949.

    Zwar wurden nach der Berufung durch Kimmritz‘ Anwalt die Vergewaltigungsverfahren insgesamt eingestellt, denn die Missbrauchstaten gingen auch nach der Verhaftung weiter – ein weiterer Serienvergewaltiger war gefasst worden. Kimmritz war also nicht der Einzige und auch nicht der Letzte, der in Berlin und im Umland der Stadt sein Unwesen trieb. Drei nachgewiesene Morde konnten aber ein erneutes Todesurteil am 25. November 1949 nicht abwenden. Die eingelegte Revision wurde am 31. Januar 1950 abgelehnt, die Gnadengesuche danach ebenfalls. Am 26. Juli 1950, eine Woche nach Ablehnung seines letzten Gnadengesuchs, wurde Willi Kimmritz in der Haftanstalt Frankfurt/Oder hingerichtet.

    Ernst Reuß ist Autor. 2022 erschien sein Buch „Endzeit und Neubeginn, Berliner Nachkriegsgeschichten“ im Metropol Verlag.

  • Kein Ort für Flaneure: Wenn die Lichter im Berliner Tiergarten ausgehen
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/kein-ort-fuer-flaneure-wenn-die-lichter-im-berliner-tiergarten-ausg

    Über das Gaslaternen-Freilichtmuseum
    https://www.openstreetmap.org/way/252953373

    11.10.2024 von Sabine Küster-Reeck - Einst bestückt mit kunstvollen Gaslaternen aus ganz Europa, ist die Geschichte der historischen Leuchten im größten Park Berlins ein Beispiel für die Verwahrlosung des öffentlichen Raumes in der Stadt.

    Dies ist ein Open-Source-Beitrag. Der Berliner Verlag gibt allen Interessierten die Möglichkeit, Texte mit inhaltlicher Relevanz und professionellen Qualitätsstandards anzubieten.

    Wer einmal an einem schönen Herbstabend im Berliner Tiergarten spazieren ging, der konnte sich nur schwer dem Charme der vielen historischen Gasleuchten entziehen, die dem Flaneur den Weg erleuchteten. Ihr heimeliges Licht erhellte die Wege von der Straße des 17. Juni bis zur Schleusenbrücke. Sie verbreiteten zu jeder Jahreszeit eine schöne und romantische Stimmung. Liebespaare, Spaziergänger, Touristen aus aller Welt bewunderten ihre Anmut und das handwerkliche Können vergangener Zeiten. Mit ein wenig Fantasie sah man Droschken den Weg entlangfahren, hörte das Klappern von Pferdehufen auf den Wegen. Erinnerungen wurden wach an die Geschichten eines Arthur Conan Doyle, der seinen genialen Detektiv Sherlock Holmes mit seinem Gefährten Dr. Watson im viktorianischen England auf Verbrecherjagd schickte. Man sah ihn vor sich, wie er Londons nebelige Straßen mit seinem Spazierstock überquerte – unter genau solchen Laternen, wie sie seit langem als kostenlos zugängliches Freilichtmuseum von Besuchern aus aller Welt im Berliner Tiergarten bestaunt werden können.

    Die historischen Gasleuchten stammen aus 25 deutschen und elf anderen europäischen Städten, wie Dublin, London, Zürich oder Amsterdam. Ihre Herkunft aus ganz Europa zeigte ihrem Betrachter, wie groß die Handwerkskunst einst war, die sie erschuf. Sie tragen so klangvolle Namen wie „Goose Neck“, „Grand Lyra“, „Wilmersdorfer Witwe“, „Pilzleuchte“ oder „Großer Galgen“. Die älteste der Leuchten stammt aus dem Jahre 1826. Ihre Geschichte begann mit der Einführung der Gas-Straßenbeleuchtung. Die britische Imperial-Continental-Gas-Association (I.C.G.A) hatte den Auftrag erhalten, entsprechende Lampen herzustellen. Im Stil der englischen Neugotik fertigte sie ihre Camberwell-Laternen an. Das waren umgerüstete Öllaternen auf gusseisernen Masten. Eine jener Camberwell-Laternen steht bis heute im Berliner Tiergarten. Am Abend des 20. September des Jahres 1826 dann, erhellten diese Laternen erstmalig auch den Boulevard Unter den Linden mit einem Licht, das um ein Vielfaches heller leuchtete, als alle bis dahin genutzten Lichtquellen. Berlin war schon damals eine schnell wachsende Hauptstadt und so wurden über die Jahre viele Gaslaternen eingesetzt – noch im Jahr 2009 waren nicht weniger als 44.000 Exemplare im Einsatz, mehr als die Hälfte aller Gaslaternen weltweit.

    Das Gaslaternen-Freilichtmuseum im Tiergarten wurde 1978 errichtet und bildete jahrzehntelang eine sehenswerte, nostalgische Ausstellung der schönsten Gaslaternen Europas. Mitten im Großstadtgetümmel bildeten die Gaslaternen einen romantischen Winkel und erfreuten Touristen aus aller Welt, die die Laternen gerne als Andenken fotografierten. Gehegt und gepflegt wurden sie von Mitarbeitern des Berliner Museums für Verkehr und Technik. 1995 dann wurde das gesamte Gaslaternenmuseum unter Denkmalschutz gestellt. Nach 28 Jahren Ausstellungsdauer aber waren die Museumsstücke bereits stark reparaturbedürftig, allein 140 Glasscheiben waren durch Vandalismus zerstört worden.


    I_m Laufe der Jahre zerstörten Vandalen die historischen Lampen. Paul Zinken/dpa_

    Wir sind im Jahre 2024 angekommen. Lange haben die Gaslaternen im Freilichtmuseum ausgehalten, Stürmen getrotzt, und Schnee und Regen widerstanden. Noch immer durchqueren zahlreiche Menschen aus aller Welt den Tiergarten, um sie zu besuchen. Viele der Besucher bleiben bei den Laternen, oder aktuell besser gesagt ihren Überresten stehen und schütteln fassungslos und traurig den Kopf über ihren verwahrlosten Zustand. Denn nun bieten sie einen erbarmungswürdigen Anblick: Ihre Gläser sind zerschlagen oder überhaupt nicht mehr vorhanden. Die Masten zum Teil umgeknickt, oder umgestoßen. Diejenigen von ihnen, die noch halbwegs intakt dastehen, wirken ungepflegt und rostig. Schon 2016 wurde beschlossen, das Museum in der bisherigen Form nicht weiterzubetreiben. Im August 2023 war nur noch etwa ein Drittel der Laternen in Betrieb. Einige Leuchten wurden dem Deutschen Technikmuseum Berlin zur Lagerung überlassen, andere einem Verein. Weitere gelten als irreparabel beschädigt oder gestohlen. Auf Übersichtstafeln, sofern diese noch nicht beschmiert oder zerstört worden sind, kann sich der Besucher noch immer Informationen zu Baujahr und Herkunft der Laternen verschaffen.

    Wenn wir ihn’ das Licht ausdrehen, kann kein Bürger nichts mehr sehen .
    Erich Mühsam

    Wie kommt es zu diesem Vandalismus? Wer hat solche Freude daran, historische Lampen mutwillig zu zerstören, die vielen Menschen über Jahrhunderte lang ihre Wege erhellten? Die Gasleuchten sind zerstört und es stellt sich nicht nur die Frage, wer die Verantwortung dafür trägt. Selbst wenn man sie wieder instand setzen könnte, es wären doch nicht mehr die Originallampen von einst und gewiss würde es nicht lange dauern, bis sie wieder zerstört würden. Die Hauptstadt Berlin ächzt nicht nur unter ihrer Schuldenlast, sie wird insgesamt immer dysfunktionaler. Die historischen Leuchten des Tiergartens sind nur ein Synonym für die Verwahrlosung des öffentlichen Raumes. Es ist ein Zustand, unter dem viele Bürger Berlins leiden. Sind aber solche kostbaren Raritäten, solche Zeugnisse vergangener Handwerkskunst es nicht wert, nach Sponsoren zu suchen, die sich ihrer Instandhaltung annehmen könnten? Denn sonst gehen ihre schönen Lichter wohl für immer aus. Auf einer der Parkbänke ist ein Zitat des Schriftstellers Erich Mühsam aus dem Gedicht „Der Revoluzzer“ angebracht: „Ich bin der Lampenputzer dieses guten Leuchtelichts. Bitte, bitte, tut ihm nichts! Wenn wir ihn’ das Licht ausdrehen, kann kein Bürger nichts mehr sehen.“ Dem ist wohl nichts hinzuzufügen.

    Sabine Küster-Reeck ist freie Journalistin und lebt in Berlin und Brandenburg.

  • Zensur beim MDR? Beitrag über verunreinigte Corona-Impfstoffe bleibt ohne Begründung gelöscht
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/zensur-beim-mdr-beitrag-ueber-verunreinigte-corona-impfstoffe-bleib

    6.09.2024 von Dieter Korbely, Beate Strehlitz - Der Programmausschuss des MDR hat festgestellt, dass der depublizierte Beitrag der journalistischen Sorgfaltspflicht genügt. Warum wird er nicht wieder online gestellt?

    Vergangenes Jahr entstand eine Kontroverse über mutmaßlich verunreinigte Corona-Impfstoffe und mögliche Gesundheitsrisiken. Der MDR sendete dazu einen eigenen Beitrag, der kurz darauf gelöscht wurde; wir berichteten. Im folgenden Text werden ausführlich die Hintergründe des Falls geschildert, die Autoren haben selbst eine Programmbeschwerde gegen die Depublikation eingereicht und Rundfunkratssitzungen besucht.

    Am 12. Dezember 2023 sendete die MDR-Umschau einen Bericht über mutmaßliche DNA-Verunreinigungen in Corona-Impfstoffen: Teils viel zu hohe Konzentrationen von Fremd-DNA seien von verschiedenen Wissenschaftlern in mehreren Chargen des Corona-Impfstoffs von BioNtech/Pfizer gefunden worden. Verschiedene Fachleute äußern ihre Bedenken: Es bestünde die Gefahr, dass Fremd-DNA in die Zellen des Menschen eindringen könnte. Das Arzneimittel sei bedenklich, müsse vom Markt genommen werden. Der amerikanische Professor und Mikrobiologe Phillip Buckhaults schreibt dem MDR per Mail: „Im Moment weiß niemand mit Sicherheit, ob die Fremd-DNA Schäden verursacht hat oder verursachen wird, aber es besteht ganz klar ein begründetes theoretisches Risiko genetischer Schäden an langlebigen Stammzellen.“

    Demgegenüber wird Professor Emanuel Wyler vom Max-Delbrück-Center für Molekulare Medizin, einem von der Bundesregierung finanzierten Institut, mit den Worten zitiert: „DNA in Impfstoffen ist kein neues Thema und wird beispielsweise bei einem Grippe-Impfstoff auch getestet. Das hat bisher niemanden interessiert, beziehungsweise man vertraut richtigerweise darauf, dass das Paul-Ehrlich-Institut als zuständige Behörde die Prüfarbeit korrekt erledigt. Meines Erachtens zeigt das, dass es hier nicht um DNA in Impfstoffen geht. Sondern entweder, Impfungen, unsere beste Waffe gegen Infektionskrankheiten, grundsätzlich in Zweifel zu ziehen, oder Stimmung zu machen mit dem Thema Corona.“

    Das Paul-Ehrlich-Institut schreibt jedoch, dass Parameter wie der Rest-DNA-Gehalt im Impfstoff nur vom Hersteller experimentell geprüft würden. Das Institut verlässt sich demnach auf die Prüfprotokolle der Hersteller. BioNtech antwortet auf eine Anfrage des MDR: „Der Pfizer-BioNtech COVID-19 Impfstoff ist nicht mit DNA verunreinigt.“ Die Journalisten vom MDR wollten daraufhin selbst Überprüfungen verschiedener Chargen in Auftrag geben und fragten bei mehr als 20 universitären und privaten Laboren an. Ergebnis: Absagen oder keine Reaktion. Auch die Frage, „ob die mutmaßliche DNA-Belastung Schaden anrichten kann, … konnten wir als Redaktion … nicht abschließend beantworten“, heißt es gegen Ende des Beitrags.

    Was der Auftakt für eine intensive Debatte und weitere Recherchen hätte sein können, endete jäh. Der Beitrag wurde am 17. Dezember vorübergehend und am 20. Dezember dauerhaft gelöscht. In einer inzwischen ebenfalls gelöschten Stellungnahme teilte der MDR als Begründung mit, dass die journalistischen Sorgfaltspflichten verletzt worden seien.

    Die schnelle Löschung des Beitrages war vielen Bürgern unverständlich. Wie wir von einem Rundfunkratsmitglied und weiteren Personen erfuhren, seien beim MDR insgesamt 68 Programmbeschwerden eingegangen. Davon sollen sich vier gegen den Beitrag selbst richten. Die anderen 64 Beschwerdeführer hätten hingegen die Löschung des Beitrags nicht nachvollziehen können. Auch wir haben am 1. Februar 2024 eine Programmbeschwerde gegen die Depublikation eingereicht.

    Nach der Depublikation des Umschau-Beitrages haben wir jede Rundfunkratssitzung als Gäste besucht, weil wir erfahren wollten, wie der Rundfunkrat mit den Beschwerden umgeht. Wir berichteten in mehreren Artikeln über die Sitzungen im Januar, März und Juni.
    Warum wurde der Beitrag gelöscht?

    Wie wir von Insidern inzwischen erfuhren, sei schon lange vor der Veröffentlichung heftig um den später gelöschten MDR-Beitrag gerungen worden. Der Beitrag sei bereits für den 24. Oktober 2023 geplant gewesen. Der Redaktionsleiter habe im Abnahmeprozess an diesem Tag entschieden, dass alles nochmals überprüft werden müsse. Ein sehr ungewöhnlicher Vorgang. Aber bei einem so kritischen Thema sollte ganz besonders gründlich recherchiert werden. Der Beitrag sei vorerst nicht gesendet worden. Es gab an dieser Stelle aber nach unseren Kenntnissen keine Einflussnahme von außen, wie manche Kommentatoren auf Social-Media-Kanälen vermutet hatten.

    Unter Hinzuziehung eines weiteren Autors sei der Inhalt nochmal gründlich geprüft und schließlich überarbeitet worden. Textpassagen seien entschärft und Stellungnahmen von anderen Wissenschaftlern zum Thema Impfstoffverunreinigungen eingefügt worden. Die Grundaussage sei aber bestehen geblieben. Der überarbeitete Beitrag soll am 12. Dezember wiederum einen gründlichen Abnahmeprozess durchlaufen haben, an dem sogar die Chefredakteurin Julia Krittian beteiligt gewesen sein soll. Wir baten den MDR um eine Stellungnahme zu dieser Vorgeschichte des Beitrags, erhielten aber bis zur gesetzten Frist keine Antwort. Schließlich wurde der Beitrag gesendet.

    Am Tag danach brach ein Shitstorm los. Im Leipziger Stadtmagazin Kreuzer schrieb der Kulturjournalist Tobias Prüwer einen Text mit der Überschrift „Journalistisch mangelhaft“. Einen Tag später kommt Kritik aus dem eigenen Haus. In der Medienkolumne „Altpapier“ des MDR diffamiert René Mertens den Beitrag. Für die Sächsische Zeitung titelt Oliver Reinhard, stellvertretender Ressortleiter Feuilleton, tags darauf: „Corona-Impfung: MDR-Bericht arbeitet mit fragwürdigen Infos“. Was auffällt: Alle Beiträge versuchen, einzelne, im Beitrag zitierte Fachleute zu diskreditieren. Um eine sachliche Auseinandersetzung mit den inhaltlichen offenen Fragen und Ungereimtheiten bemüht sich niemand.

    Laut einem Insider soll beim MDR-Rundfunkrat am 14. Dezember eine Programmbeschwerde von Gunnar Hamann, Autor beim Volksverpetzer, eingegangen sein. Die Beschwerde decke sich inhaltlich und in ihrem Ausdruck weitgehend mit den drei genannten Artikeln. Im Volksverpetzer veröffentlichte Gunnar Hamann kurz darauf einen Artikel, in dem er den MDR als Sprachrohr von „Querdenken“ bezeichnete. Darüber hinaus soll er in der Programmbeschwerde die Datensammlung „Auflistung kritisierter Beiträge im MDR mit Bezug zu Corona“, verlinkt haben, in der auch die Autoren mit Kürzeln aufgeführt sind. Offenbar stehen einige Mitarbeiter des MDR unter Beobachtung von Gunnar Hamann. Der MDR nimmt auf Nachfrage keine Stellung zu Anzahl und Inhalt der Programmbeschwerden.

    Die MDR-Führungsriege reagierte schnell. Am 15. Dezember (Freitagnachmittag) soll Chefredakteurin Krittian laut einem Insider die Offenlegung der Recherche zum kommenden Montag angeordnet haben. Auf Basis dieses Rechercheberichtes sollte das Qualitätsmanagement einen Prüfbericht erstellen. Auch hierzu äußerte sich der MDR auf Nachfrage nicht.

    Der MDR schweigt

    Schon am 17. Dezember 2023 wurde der Beitrag gelöscht, vorübergehend, hieß es intern zunächst. Laut einem anwesenden Insider hätten am 20. Dezember der damalige Programmdirektor Brinkbäumer und Chefredakteurin Krittian in einer internen Konferenz den Prüfbericht dann als Begründung dafür genannt, den Beitrag nicht wieder in die Mediathek zu stellen. Der MDR beschweigt unsere Fragen zu diesem Vorgang.

    Gleich mehrere Aspekte sind hier erklärungsbedürftig. So seien laut einem anwesenden Insider während der Konferenz etwa die Messwerte problematisiert worden. Hauptaussage des Beitrages war es ja, dass in Impfstoffchargen von Pfizer/BioNtech Fremd-DNA-Konzentrationen oberhalb des Grenzwertes gemessen worden sein sollen. Der Redaktion sei laut dem Insider unter anderem vorgeworfen worden, keine eigenen Messwerte geliefert zu haben. Der Beitrag sei zu früh gesendet worden. Dabei schwelte zu diesem Zeitpunkt bereits die internationale wissenschaftliche Debatte zu den verunreinigten Impfstoffen. Die Redaktion hatte das im Beitrag auch beschrieben. Hinzu kommt: Der Zeitdruck für das Qualitätsmanagement zur Durchsicht der am 18. Dezember gelieferten Rechercheunterlagen war hoch. Es ist fraglich, dass das umfangreiche Material bereits tiefgründig geprüft worden war.

    Das wusste auch die Redaktion. Wie wir von einem Insider wissen, ging sie daher guten Mutes in ein weiteres Gespräch zur Auswertung des beanstandeten Beitrages mit Chefredaktion, Fernsehdirektor und dem juristischen Direktor. Am 15. Januar 2024 fand die Sitzung statt. Es sollte noch einmal um das Prüfprotokoll des Qualitätsmanagements gehen. Dieses hatte die Redaktion aus unbekannten Gründen zwar offiziell immer noch nicht erhalten, aber sie hatte es sich selbst aus anderer Quelle besorgt. Die Vorwürfe im Prüfprotokoll seien, laut dem Insider, leicht durch Fakten zu entkräften gewesen sein, die teilweise bereits im Beitrag selbst genannt worden waren.

    Doch eine sachliche, inhaltliche Debatte war wohl nicht möglich. Chefredakteurin Krittian soll sich auf die Seite von Emanuel Wyler gestellt haben, der bereits im gelöschten Beitrag zitiert und später in einem weiteren MDR-Beitrag ausführlich zu Wort gekommen war. Beide Male beschwichtigte er bezüglich der möglichen Gefahren der mutmaßlichen Verunreinigungen. Diese einseitige Bezugnahme auf Wyler unter Ausblendung der internationalen Debatte und der vielen offenen Fragen irritiert. Zumal es doch zur „journalistischen Sorgfaltspflicht“ gehört, dass alle Seiten gehört werden. Auch dieses Vorgehen wollte der MDR nicht kommentieren.

    Der Journalist Norbert Häring befand bereits im Dezember 2023, dass der MDR in Sachen „Sorgfaltspflicht“ bei diesem Thema mit zweierlei Maß messen würde: Beiträge, die gesundheitliche Gefahren von Impfungen verharmlosten, seien für den MDR nie ein Anlass für Löschungen gewesen – auch dann nicht, wenn sich diese Gefahren später als real und schwerwiegend herausgestellt hätten. Wenn jedoch über mögliche Risiken berichtet werde, fänden Löschungen statt.

    Auffällig ist in diesem Zusammenhang auch, dass erst im Juni 2024 der Programmausschuss Leipzig während der Rundfunkratssitzung einen Bericht ablieferte, in dem er forderte, dass im MDR Qualitätsstandards für Wissenschaftsjournalismus und Depublikationsstandards festzulegen seien. Bei der Prüfung des Umschau-Beitrages hatte man offensichtlich festgestellt, dass es keine festen Regeln dafür gibt. Der Rundfunkrat schloss sich der Forderung an, Regeln für die journalistische Sorgfaltspflicht und zur Depublikation zu erstellen.

    In der internen Januarkonferenz hingegen konnte die Redaktion noch nichts gegen die einseitige und willkürliche Bezugnahme der Chefredaktion auf einzelne Wissenschaftler wie Emanuel Wyler ausrichten. Der Beitrag blieb gelöscht.

    Wieviel staatlicher Einfluss ist im Spiel?

    Kurz darauf, am 29. Februar, legte Correctiv mit einem „Faktencheck“ von Kimberly Nicolaus nach – Titel: „Angebliche Belege zu ‚DNA-Verunreinigungen‘ in mRNA-Impfstoffen gegen Covid-19 wissenschaftlich nicht haltbar“. Der Artikel fällt allerdings mit seltsamen Behauptungen auf und wurde mittlerweile mehrfach überarbeitet und korrigiert. Nicolaus schrieb beispielsweise, das Paul-Ehrlich-Institut hätte im Februar 2024 unabhängig Comirnaty-Proben getestet und keine Grenzwertüberschreitungen gefunden. Diese Behauptung machte die MDR-Redakteure stutzig, und sie hakten bei Correctiv nach. Sie wurden an das Paul-Ehrlich-Institut verwiesen. Das Paul-Ehrlich-Institut hatte der MDR-Redaktion ja bereits mitgeteilt, dass Parameter wie der Rest-DNA-Gehalt im Impfstoff nur vom Hersteller experimentell geprüft würden.

    Nach nochmaliger Nachfrage der MDR-Redakteure antwortete Correctiv dann mit einem „Update“. Inzwischen lägen weitere Details des Paul-Ehrlich-Instituts vor. Die Fragen der MDR-Redaktion zur angeblichen Prüfung der Chargen konnte Correctiv nicht näher beantworten. Die Redaktion bat unter anderem um Details zu Messprotokollen, Chargennummern, Haltbarkeitsdaten. Zu all diesen Punkten schrieb Correctiv: „Dazu machte das PEI uns gegenüber keine Angaben, weil die konkreten Messergebnisse schutzwürdig sind aufgrund von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.“

    Das ist beunruhigend, denn der Verdacht, dass potenziell gefährliche Impfstoffe im Umlauf sind, ist damit nicht ausgeräumt. So forderte etwa der amerikanische Professor, Molekularbiologe und Krebsgenetiker Phillip Buckhaults im September 2023 bei einer Anhörung im Senat von South Carolina dringend weitere Forschung. Auch er habe die Impfstoffe von BioNtech-Pfizer analysiert und Verunreinigungen entdeckt. Es sei nicht ausgeschlossen, dass diese zu Krebs, Autoimmunerkrankungen, Herzstillstand oder Schäden am Erbgut führen könnten. Im Beitrag von Correctiv wird der Forscher nicht erwähnt.

    Hatte die Berichterstattung von Correctiv Einfluss auf den weiteren Umgang mit dem gelöschten MDR-Beitrag? Interessant ist zumindest, dass der Correctiv-Verleger David Schraven und der frühere MDR-Programmdirektor Klaus Brinkbäumer auch über „Rums“, ein digitaljournalistisches Projekt in Münster, verbunden sind. Schraven und Brinkbäumer unterstützten das Projekt von Beginn an, auch finanziell. Brinkbäumer gehört außerdem zum Kuratorium der mit Correctiv eng verbandelten Reporterfabrik, deren Geschäftsführer wiederum Schraven ist. Man kennt sich also. Kann es sein, dass hier jemandem ein Gefallen getan wurde?

    Nur am Rande sei hier auf ein Treffen im Bundesinnenministerium am 2. Juni 2020 verwiesen. Bei diesem Treffen war auch David Schraven anwesend. Man sprach über die Bekämpfung von „Desinformation“ im Kontext der Corona-Pandemie. Es stellt sich die Frage: Wie viel staatlicher Einfluss ist bei den Faktencheckern und den Beschwerdeorgien also im Spiel?

    Nicht zu unterschätzen ist neben der massiven öffentlichen Stimmungsmache der interne Umgang mit der Redaktion. Uns wurde mehrfach mündlich berichtet, dass seit Ende 2023 die für den Beitrag zuständige Redaktion schikaniert werde. Mit der Einleitung einer arbeitsrechtlichen Anhörung gegen den Redaktionsleiter und Anhörungen zur „Klärung eines Sachverhaltes“ von Autoren und Redakteuren sei massiver Druck aufgebaut und letztendlich mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen gedroht worden. Wir haben den Eindruck, dass der MDR versucht hat, Redaktionsleiter und die Redaktion einzuschüchtern. Vielleicht ging es auch darum, ein Exempel zu statuieren, um alle Mitarbeiter unmissverständlich zu warnen, mit kritischen Beiträgen nicht zu weit zu gehen? Unsere Fragen zu diesen Vorgängen lässt der MDR unbeantwortet.

    Aus unserer Mitarbeit am „Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland“, zu dessen Erstunterzeichnern wir gehören, wissen wir um die Situation kritischer Mitarbeiter in den Sendeanstalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Einige von ihnen haben wir bei einem Treffen zur Konzeption des Manifestes im November 2022 kennengelernt. Auf der Webseite meinungsvielfalt.jetzt haben viele beschrieben, wie es ihnen geht. Die Statements sind aus gutem Grund teilweise anonym abgegeben worden.
    Kontaktschuldvorwürfe und Diffamierungen

    Intern und extern sehen sich Autoren und Redakteure, die sich kritisch mit der Corona-Impfung befassen, Diffamierungen ausgesetzt. Die externe Kritik zielte fast immer darauf, den interviewten Experten Kontaktschuld anzuhängen, sie als „rechts“ oder der „Impfgegnerszene“ zugehörig einzuordnen. Diese Vorwürfe kommen regelmäßig aus der gleichen Richtung. Correctiv, Volksverpetzer, Kreuzer, aber auch ZEIT, t-online, TAZ und Tagesspiegel gehören dazu.

    Es liegt nahe, dass in diesem öffentlichen Klima Ärzte und Wissenschaftler davor zurückschrecken, Kritik zu äußern. Oder aber sie öffnen sich nur noch den sogenannten alternativen Medien und werden anschließend im öffentlich-rechtlichen Rundfunk als „umstritten“ bezeichnet und kommen dort nicht mehr zu Wort.

    Der Streit um den gelöschten MDR-Beitrag verweist also auf bedenkliche gesellschaftspolitische Entwicklungen. Die vielen Programmbeschwerden zur Löschung des Beitrags sind ernst zu nehmen und zeugen von einem Interesse der Gebührenzahler an einer pluralen und demokratischen Debattenkultur. Wie ging es mit den Beschwerden weiter?

    Der Programmausschuss Leipzig des MDR-Rundfunkrates behandelte in zwei Sitzungen die Programmbeschwerden. Die Sitzungen des Programmausschusses finden unabhängig von den Rundfunkratssitzungen statt. In den Rundfunkratssitzungen berichtet die Vorsitzende des Programmausschusses über die zwischenzeitlichen, nicht-öffentlich stattgefundenen Programmausschusssitzungen. Interessierte und engagierte Bürger wie wir können nur zu den öffentlichen Rundfunkratssitzungen gehen. In den Sitzungen von Januar, März und Juni wurden jeweils Anmerkungen zum Umschau-Beitrag gemacht. Kurz zusammengefasst: Im Januar wurde mitgeteilt, dass es viele Programmbeschwerden gebe, im März, dass die Beschwerden dem Programmausschuss übergeben worden seien und dieser sie prüfe und im Juni schließlich, dass ein Ergebnis feststehe.

    Auf der Rundfunkratssitzung am 10. Juni 2024 teilte der Programmausschuss seine finale Entscheidung mit: Programmausschuss und Redaktionsrat des MDR seien nach gründlicher Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass im Umschau-Beitrag keine Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht vorliege. Die Mitteilung wurde von den Mitgliedern des Rundfunkrates und dem MDR-Intendanten Ralf Ludwig teilnahmslos hingenommen. Welch ein Gegensatz zu der hellen Aufregung unter den Rundfunkratsmitgliedern in der Januar-Sitzung, als erstmals über die Löschung gesprochen worden war. Hatten sich damals doch einige Bürger mit ihren Beschwerden direkt an einzelne Rundfunkratsmitglieder gewandt, die sich dadurch sehr belästigt gefühlt hatten. Dagegen jetzt – betretenes Schweigen.

    Die Peinlichkeit ist nachvollziehbar, hatten doch Chefredaktion und juristische Direktion bereits Antwortschreiben zu allen Programmbeschwerden verschickt, in denen sie sich – wie im gesamten Verfahren – nicht auf die Seite der Redaktion gestellt hatten. Die Antworten enthielten nicht die sonst üblichen Argumente, warum ein kritisierter Bericht den Programmgrundsätzen des MDR entspreche. Im Gegenteil, die Arbeit der Autoren und der Redaktion wurde infrage gestellt.

    Unsere eigene Programmbeschwerde gegen die Löschung wurde am 1. März 2024 vom juristischen Direktor Jens-Ole Schröder mit Verweis auf eine Verletzung von Paragraf 8 des MDR-Staatsvertrages zurückgewiesen. Der Beitrag würde nicht alle journalistischen Qualitätskriterien erfüllen, und somit sei die Löschung des Beitrags zulässig. Unser Widerspruch gegen diesen Bescheid und eine Nachfrage nach der Juni-Sitzung des Rundfunkrates wurden zunächst für lange Zeit nur mit Eingangsbestätigungen beantwortet.

    Warum bleibt der Beitrag gelöscht?

    Nachdem auf dieser Juni-Sitzung nun festgestellt wurde, dass der gelöschte Beitrag nicht zu beanstanden sei, hätte man als Bürger und Beitragszahler Folgendes erwarten können: Der MDR sieht ein, dass es ein Fehler war, den Beitrag zu löschen. Der Beitrag wird schnellstmöglich wieder publiziert. Der Sender entschuldigt sich öffentlich bei den Autoren, der Redaktion und den Gebührenzahlern. Doch nichts davon geschieht. Im Gegenteil: Der Beitrag bleibt gelöscht.

    Am 23. August erhielten wir eine endgültige Antwort des Rundfunkratsvorsitzenden Michael Ziche auf unsere Programmbeschwerde. In dem Schreiben heißt es wörtlich: „Der Ausschuss sieht keinen Verstoß gegen die Angebotsgrundsätze. Der Programmausschuss stellt im Ergebnis einer intensiven Diskussion zwar journalistische Mängel fest, sieht darin aber noch keinen Verstoß gegen den Angebotsgrundsatz § 8 Abs. 3 MDR St V …“. Worin genau die Mängel bestehen sollen, wird nicht erklärt.

    Im selben Schreiben teilt man uns außerdem mit, der Rundfunkrat könne nicht in die operative Führung der Rundfunkanstalt eingreifen, indem er eine Anordnung zur Wiederveröffentlichung eines Beitrages treffe. Ein solcher „Eingriff“ würde „die Funktion der Aufsicht überdehnen“. Man verweist auf die „Entscheidungsfreiheit der Redaktion“. Damit führt der Rundfunkrat aus unserer Sicht seine Aufgabe als Aufsichtsgremium ad absurdum.

    Wir haben bereits am 11. Juli 2024 beim Intendanten nachgefragt, ob und wann der Beitrag wieder veröffentlicht wird. Die für den Beitrag verantwortliche Redaktion teilte uns mit, sie wünsche sich eine Wiederveröffentlichung, diese werde aber von der Chefredaktion blockiert. Wir haben im September Chefredaktion und Intendanz angefragt, wann der Beitrag wieder abrufbar sei, beziehungsweise aus welchen Gründen er möglicherweise depubliziert bleiben würde. Hierauf erhielten wir zwar eine Lesebestätigung, aber zunächst keine Antwort.

    Nach der von uns gesetzten Frist meldete sich der MDR dann überraschenderweise doch noch. Am 12. September 2024 beantwortete ein Sprecher unsere vielen Fragen lapidar wie folgt: „Wie Sie aufgrund Ihrer Programmbeschwerde wissen, hat sich der Rundfunkrat des MDR mit dem angesprochenen Vorgang abschließend befasst. Die entsprechende Einlassung finden Sie auch gerne noch einmal hier. Im MDR ist der Vorgang abgeschlossen.“

    Im Ergebnis bleibt die Löschung bestehen. Der ganze Vorgang wirft hinsichtlich Artikel 5 unseres Grundgesetzes einige unangenehme Fragen auf. In besagtem Artikel heißt es: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“

    Dieter Korbely ist Diplomingenieur in Rente und hat lange Jahre bei einem großen Automobilhersteller gearbeitet. Beate Strehlitz ist promovierte Diplomingenieurin in Rente und hat 33 Jahre als Wissenschaftlerin in einem Forschungszentrum gearbeitet. Beide setzen sich seit 2019 für die Reform der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ein .

    (CC BY-NC-ND 4.0).

  • Corona-Impfstoffe – Pathologin warnt : „Diese mRNA-Technik ist nicht ausreichend getestet“
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/corona-impfstoffe-pathologin-warnt-diese-mrna-technik-ist-nicht-aus

    Avec le temps on apprend comment plusieurs mécanismes de censure, de népotisme et d’autres dysfonctionnements de l’économie et de la société capitaliste convergent vers un système complexe et contradictoire qui permet à quelques personnes de gagner des fortunes en tuant un nombre considérable d’autres par la vaccination avec des substances qui modifient le comportement cellulaire d’une manière imprévisible.

    Cet article est un appel à la vigilance de toutes et tous parce que le complexe médico-pharmaceutique empêche la réalisation d’études scientifiques systématiques assez larges pour obtenir une vue précise du problème.

    2.10.2024 von Ute Krüger - Unsere Autorin arbeitete als Oberärztin in der Klinischen Pathologie mehrerer schwedischer Kliniken. Seit den Corona-Impfungen beobachtete sie einen neuartigen „Turbo-Krebs“.

    Dies ist ein Open-Source-Beitrag. Der Berliner Verlag gibt allen Interessierten die Möglichkeit, Texte mit inhaltlicher Relevanz und professionellen Qualitätsstandards anzubieten.

    Seit meiner Kindheit hatte ich den Wunsch, Ärztin zu werden, um Menschen helfen zu können. In der Oberschule in Seelow/Brandenburg wurde mein Interesse für das Mikroskop in einem Biologiekurs geweckt. Der Aufbau der Pflanzen bei starker Vergrößerung faszinierte mich sehr. Nach meinem vorpraktischen Jahr 1989 auf der Herz-Akutstation in der Berliner Charité studierte ich an der Humboldt-Universität zu Berlin Medizin. In meiner Doktorarbeit analysierte ich fast 7500 Obduktionsfälle. Hier verglich ich die von den klinisch tätigen Ärzten gestellten Diagnosen, wie zum Beispiel Todesursachen, mit den Ergebnissen der Obduktion zum Zwecke der Qualitätskontrolle. In den folgenden Jahren arbeitete ich als Assistenzärztin in der Klinischen Pathologie des Oskar-Ziethen-Krankenhauses Lichtenberg und bestand im Jahr 2004 die Facharztprüfung für Pathologie. Das Mikroskop wurde mein täglicher Begleiter.

    Aufgrund der Aussicht, dass Arbeit und Familie als Ärztin in Deutschland nicht unter einen Hut zu bringen waren, ging ich mit meinem damaligen Partner im Jahr 2005 nach Växjö in Südschweden. Hier arbeitete ich zehn Jahre lang als Oberärztin in der Klinischen Pathologie des Zentralkrankenhauses und war in den letzten vier Jahren auch Ärztliche Leiterin. In den darauffolgenden acht Jahren war ich als Oberärztin in der Klinischen Pathologie des Landeskrankenhauses Kalmar, Schweden, und gleichzeitig als Oberärztin am Institut für Klinische Wissenschaften der Universität in Lund, Schweden, tätig.

    An der Universität habe ich zum Thema Brustkrebs geforscht, um ein besseres Verständnis der Tumorbiologie und der Risikofaktoren für Brustkrebs zu erlangen. Das Ziel war, herauszufinden, wie diese Erkrankung verhindert werden kann. Zeitgleich mit dem Beginn meiner Tätigkeit in Kalmar und Lund wirkte ich in einem Zeitraum von fünf Jahren als Vorstandsmitglied der Schwedischen Gesellschaft für Pathologie mit, um die Qualität in der Pathologie in Schweden zu verbessern. So blicke ich insgesamt auf eine 25-jährige Tätigkeit in der Pathologie zurück. Bis zum Jahr 2022 diagnostizierte ich in meiner klinischen Tätigkeit als Brustkrebsspezialistin Tausende von Krebserkrankungen und anderen Krankheiten.
    Im Herbst 2021 mehrten sich seltsame Krebsfälle

    Im Herbst des Jahres 2021 bemerkte ich eine Veränderung beim Auftreten des Brustkrebses in meiner Routinearbeit im Krankenhaus. Ich sah häufiger als gewohnt Tumore jüngerer Patientinnen, oft zwischen 30 und 50 Jahre alt, und ich sah mehr aggressiv wachsende Tumore und somit größere Tumore. Es fanden sich gehäuft nicht nur ein, sondern mehrere Tumore gleichzeitig in einer Brust. Auch schien häufiger Brustkrebs in beiden Brüsten gleichzeitig aufzutreten. Dazu fiel mir auf, dass es bei früher vom Brustkrebs geheilten Patientinnen scheinbar mehr Rückfälle gab. Hier handelte es sich dann um sehr aggressives Tumorwachstum mit sehr rascher Tumorstreuung im ganzen Körper, welches wiederholt wenige Monate nach der Corona-Impfung auftrat.

    Da ich einen Zusammenhang dieser „neuartigen“ Tumore mit der Impfung gegen Covid-19 (im Folgenden der Einfachheit halber Corona-Impfung genannt) sah, meldete ich zahlreiche Fälle der schwedischen Arzneimittelbehörde. Zudem versuchte ich, in der zweiten Pathologiekonferenz in Berlin deutschsprachige Kollegen zu finden, um meine Hypothese des, so wie ich ihn nannte, „Turbokrebses“ nach Corona-Impfung zu widerlegen oder zu bestätigen. Ich wollte eine groß angelegte Studie ins Leben rufen. Mein Bestreben war, alle Corona-Impfungen zu stoppen, bevor diese Frage nicht geklärt war. Leider fand sich nur ein interessierter österreichischer Pathologenkollege, der meinem Aufruf gefolgt ist. Zu zweit und vor allem neben der tagesfüllenden klinischen Tätigkeit war eine solche Arbeit nicht zu bewältigen.

    Im Laufe der Monate erreichten mich zahlreiche E-Mails von Kollegen, Angehörigen und Betroffenen zum Thema Turbokrebs. Es schien also nicht nur mir ein möglicher Zusammenhang zwischen den Corona-Impfungen und aggressiven Krebsfällen aufgefallen zu sein.

    In einer Studie aus Großbritannien vom Oktober 2023 wurde die Krebssterblichkeit von 15- bis 44-Jährigen untersucht. Es handelt sich hierbei also um sehr junge Menschen, bei denen Krebs als Todesursache bisher eher selten war. Es zeigte sich für Brustkrebs bei Frauen, dass es im Jahr 2022 einen Anstieg der Krebstodesfälle um 28 Prozent gab. Noch alarmierendere Zahlen lagen für Bauchspeicheldrüsenkrebs vor: Hier fand sich ein Anstieg der Todesfälle um 80 Prozent für Frauen und 60 Prozent für Männer. Zudem wurde eine 120-pozentige Zunahme der Todesfälle für Männer, verursacht durch den schwarzen Hautkrebs (Melanom), gefunden.
    Ungeklärte Übersterblichkeit

    Das ist auch deswegen so brisant, weil wir es ja in der Tat seit 2021 mit einer ungeklärten Übersterblichkeit zu tun haben.

    Schaut man sich die Sterbeziffern der vergangenen vier Jahre in Deutschland an, ist vor allem für die letzten Jahre eine deutliche Übersterblichkeit zu verzeichnen. In dem Vorabdruck einer Veröffentlichung dieses Jahres ist ersichtlich, dass die Übersterblichkeit in der ersten Phase der Pandemie ohne Impfungen mit den Corona-Infektionen und Todesfällen korreliert. Im zweiten und dritten Pandemiejahr findet sich jedoch ein beträchtlicher Anstieg der Übersterblichkeit, der nicht durch die Corona-Infektionen erklärt werden kann, sondern im Zusammenhang mit den Corona-Impfungen zu sehen ist.

    Je mehr Impfungen verabreicht wurden, desto höher war der Studie zufolge die Übersterblichkeit. Zudem variierte die Übersterblichkeit während der beiden letzten Pandemiejahre erheblich zwischen den Bundesländern. So wurde für das dritte Pandemiejahr die Übersterblichkeit für Berlin, Brandenburg und Sachsen mit 5 bis 6 Prozent angegeben, im Gegensatz dazu fand sich eine etwa doppelt so hohe Übersterblichkeit in Bremen und dem Saarland mit 11 Prozent. Die Übersterblichkeit korreliert mit der Anzahl der corona-geimpften Personen in den Bundesländern. In der Studie heißt es wörtlich: „Je mehr Impfungen in einem Bundesland verabreicht wurden, desto größer war der Anstieg der Übersterblichkeit.“ (Übersetzung der Autorin)

    Corona und Übersterblichkeit: Warum die Impfstoffe als Ursache nicht auszuschließen sind
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/corona-und-uebersterblichkeit-warum-die-impfstoffe-als-ursache-nich

    In dieser wissenschaftlichen Arbeit wurde auch die Anzahl der Totgeburten untersucht. Auch hier zeigt sich: Die Anzahl der Totgeburten korreliert im dritten Pandemiejahr mit der Anzahl der Corona-Impfungen in der Bevölkerung.

    In dem im August 2024 erschienenen Vorabdruck einer anderen Veröffentlichung wird die Übersterblichkeit in Österreich untersucht. Hier fließt unter anderem auch das Alter der Verstorbenen mit ein. Es zeigt sich, dass die Übersterblichkeit von 15–29-Jährigen für das Jahr 2023 unglaubliche 34 Prozent beträgt.

    Bereits im August 2021 warnte der renommierte Pathologe und Direktor des Pathologischen Instituts der Universitätsklinik Heidelberg, Prof. Dr. med. Peter Schirmacher, vor einer hohen Dunkelziffer an Impftoten. Ende November 2022 veröffentlichte er eine Studie, im Gespräch mit der Welt erläuterte er kurz darauf die Ergebnisse seiner Forschung. Untersucht worden seien Menschen, die in den ersten 14 Tagen nach der Impfung aus scheinbarer Gesundheit heraus unerwartet verstorben seien. Bei 30 Prozent habe es einen Zusammenhang zwischen Impfung und Versterben gegeben. Schirmacher betonte, dass weitere Untersuchungen notwendig seien und mutmaßte, dass „im einen oder anderen Fall vielleicht auch die Sorge vor unliebsamen Ergebnissen“ weiterer Forschung im Weg stehen könnte.

    Obduktionen liefern wichtige Erkenntnisse

    Ohne Obduktion ist es nicht möglich, Todesfälle aufgrund von Impfnebenwirkungen an das Paul-Ehrlich-Institut, Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, zu melden. In diesem Zusammenhang ist noch zu nennen, dass viele Geimpfte plötzlich zu Hause verstorben sind. Bei der äußeren Leichenschau wurde dann als Todesart „natürlich“ angekreuzt, eine Obduktion unterblieb. Somit wurden Todesfälle, die eventuell in Zusammenhang mit den Corona-Impfungen standen, von der Statistik nicht erfasst.

    Im Jahr 2021 lernte ich Prof. Dr. med. Arne Burkhardt kennen, einen sehr kompetenten Pathologenkollegen. Er hatte zusammen mit Rechtsanwalt Elmar Becker beschlossen, Todesfälle nach Corona-Impfungen zu untersuchen. Burkhardt wollte herausfinden, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Impfung und Tod besteht. Es hatten sich viele Menschen aus dem europäischen Raum an ihn gewandt, nachdem Angehörige nach der Impfung verstorben waren. In den Obduktionsberichten der Pathologen oder Rechtsmediziner konnte jedoch kein Zusammenhang mit der Corona-Impfung festgestellt werden. Die Angehörigen zweifelten aber an diesem Ergebnis und sorgten dafür, dass die Pathologie- oder rechtsmedizinischen Institute Gewebeproben ihrer Verstorbenen an Prof. Burkhardt schickten.

    Kritik an WHO-Studie: Hat die Corona-Impfung wirklich Millionen Leben gerettet?
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/kritik-an-who-studie-hat-die-corona-impfung-wirklich-millionen-lebe

    Diese weltweit wohl einzigartige Arbeit begann in der ersten Hälfte des Jahres 2021 in seinem Pathologielabor in Reutlingen. Im Sommer 2021 kam der erfahrene Pathologe Prof. Dr. med. Walter Lang mit ins Team.

    In fast drei Viertel der bis Juni 2023 untersuchten 89 Todesfälle deuten die Befunde laut Burkhardt auf einen Zusammenhang des Todes mit der Corona-Impfung hin. Es wurde festgestellt, dass die Gewebeschäden in Abhängigkeit von der Anzahl der Corona-Impfungen stehen. So waren schwere Gewebeschäden bei den Verstorbenen nach mehrfacher Corona-Impfung deutlich häufiger als nach nur einmaliger Impfung. In mehr als der Hälfte der Fälle war die Todesursache auf eine Entzündung des Herzmuskels zurückzuführen. Die jüngste Verstorbene war eine 16-jährige Schülerin. Es war bekannt, dass alle neuartigen Corona-Impfstoffe eine Herzmuskelentzündung auslösen können. Das findet sich auch in der Analyse der Berichte über unerwünschte Nebenwirkungen des Impfstoffes der Firma Pfizer. Allerdings scheint, in Anbetracht der Ergebnisse der Professoren Burkhardt und Lang, die in der Analyse von Pfizer angegebene Häufigkeit noch deutlich untertrieben zu sein.

    In fast 90 Prozent der von Burkhardt und Lang untersuchten Todesfälle fand sich eine Entzündung der Blutgefäße, der großen wie der kleinen. Überdurchschnittlich häufig fand sich eine Entzündung der Aorta, des größten blutführenden Gefäßes unseres Körpers. Sie können sich sicher denken, dass eine Entzündung in der Gefäßwand zur Brüchigkeit des Gefäßes führt und dieses durch den herrschenden Druck dann reißen kann, welches zum raschen Verbluten der Person führt.
    Autoimmunerkrankungen als Folge der Impfung?

    Weiterhin beschrieben die beiden Pathologen entzündliche Veränderungen in den Organen, sogenannte Autoimmunerkrankungen. Also Erkrankungen, bei denen das Immunsystem des Körpers körpereigenes Gewebe angreift. An dieser Stelle möchte ich gerne kurz erläutern, wie die mRNA-Impfstoffe nach gegenwärtigem Erkenntnisstand wirken. Es wird durch diese Impfung die Zellprogrammierung gesunder Körperzellen verändert. Für unsere Körper gab es eine Produktion des sogenannten Spikeproteins vor diesen Corona-Impfungen nicht. Seit diesen mRNA-basierten Corona-Impfungen produzieren aber unsere gesunden Körperzellen diese Teile des Coronavirus und präsentieren es auf der Zelloberfläche. Für Zellen der körpereigenen Immunabwehr sind diese Zellen fremd und sie werden bekämpft.

    So werden also gesunde (Spikeprotein präsentierende Zellen) angegriffen und es entsteht eine Entzündung, die als Autoimmunreaktion bezeichnet wird. In einer im Juli dieses Jahres im anerkannten Wissenschaftsjournal Nature veröffentlichten Studie aus Korea zeigt sich, dass nach einer Booster-Impfung, also einer zweiten Corona-Impfung, ein erhöhtes Risiko für bestimmte Autoimmunerkrankungen zu finden ist. Hier werden kreisrunder Haarausfall, die Schuppenflechte und Gelenkrheumatismus genannt. Wichtig ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass diese Impfkomplikationen an grundsätzlich allen Organen auftreten können.

    Nach dem unerwarteten und plötzlichen Tod unseres lieben Kollegen Burkhardt habe ich es als meine Pflicht angesehen, die von ihm gefundenen Befunde der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Innerhalb eines Jahres stellte ich diese Befunde zusammen und veröffentlichte sie in dem Buch „Geimpft – gestorben – Histopathologischer Atlas der Corona-Impfschäden“, das im August 2024 erschienen ist. Es werden 57 Patientenfälle vorgestellt, deren Tod in der großen Mehrheit der Fälle in einem nachweisbaren Zusammenhang mit der Injektion der mRNA-Impfung gegen Covid-19 steht. Das Buch richtet sich vorrangig an Pathologen, aber auch an Mediziner anderer Fachrichtungen sowie gesundheitsinteressierte Nichtmediziner.

    Es werden einerseits die Bilder von Gewebeschnitten präsentiert, um die in der Routinepathologie und Rechtsmedizin tätigen Kollegen hinsichtlich dieser völlig neuen Befunde zu sensibilisieren und auf die für die mRNA-Injektionen typischen Veränderungen hinzuweisen. Andererseits sind die entsprechenden Fallbeschreibungen enthalten, welche die tragischen Umstände und vielgestaltigen Leiden der Menschen nach diesen Impfungen dokumentieren.
    Gehäuftes Auftreten neurologischer Erkrankungen

    Auch neurologische Erkrankungen finden sich gehäuft nach den Corona-Impfungen. Hier ein Beispiel aus meiner Tätigkeit als Pathologin: Ich hatte einen verstorbenen Patienten obduziert, der nach zweimaliger Corona-Impfung verstorben war. Er hatte aufgrund einer bösartigen Vorerkrankung eine Chemotherapie und eine Therapie zur Dämpfung der Immunantwort erhalten hatte. Zur gleichen Zeit bekam er zwei Dosen des Impfstoffes gegen Covid-19.

    Ich behaupte, dass jeder Nicht-Mediziner versteht, dass man nicht einerseits das Immunsystem dämpfen kann und andererseits einen Impfstoff gibt, der die Aktivität des Immunsystems in allerhöchstem Grade voraussetzt. Der Mann entwickelte relativ kurze Zeit nach den Impfungen Lähmungen am ganzen Körper und verstarb drei Monate später. Diesen Fall wollte ich zusammen mit zwei sehr erfahrenen Professoren aus der Universitätsklinik Lund, Schweden, und der Berliner Charité veröffentlichen. Über ein halbes Jahr lang hatte ich deshalb Kontakt mit dem British Medical Journal, einer anerkannten Fachzeitschrift. Ich wurde wiederholt gebeten, Textänderungen und neue Färbungen im Labor vorzunehmen, um dann nach zahlreichen Mailkontakten die kurze Mitteilung zu erhalten, dass ein ähnlicher Fall soeben veröffentlicht worden und das Journal nicht länger an meinem Artikel interessiert sei.

    Corona-Impfstoffe: „Zum Fremdschutz haben sich vorwiegend immunologische Dilettanten geäußert“
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/corona-impfstoffe-zum-fremdschutz-haben-sich-vorwiegend-immunologis

    Daraufhin habe ich mich an ein anderes Journal gewandt, dort wurde der Text im Dezember 2022 veröffentlicht. Leider ist dieser Artikel aber nicht auf Pubmed, der Plattform mit wissenschaftlichen Veröffentlichungen – ich möchte es das „Wikipedia der Wissenschaftler und Ärzte“ nennen – zu finden. So stellt sich mir die Frage, wie viele veröffentlichte wissenschaftliche Studien und Fallbeschreibungen ebenfalls nicht auf dieser Plattform zu finden sind.

    Impfstoffe wurden bislang normalerweise vor der Zulassung sieben bis acht Jahre lang entwickelt und erprobt. Der Corona-Impfstoff hingegen ist nach nicht mal einem Jahr, völlig unzureichend getestet, auf den Markt gekommen.

    Es sind nicht nur unzählige Menschen nach diesen Corona-Impfungen erkrankt, sondern es sind auch zahlreiche Menschen nach diesen Impfungen verstorben. In einer Studie vom Juni 2024 konnten für Pfizer-Impfstoffe in 11 Prozent und für Moderna-Impfstoffe in 21 Prozent schwere Nebenwirkungen nach diesen mRNA-Impfungen nachgewiesen werden. Im Vergleich hierzu wurden für die bisherigen Influenza-Impfungen schwere Nebenwirkungen mit nur null bis vier Prozent angegeben. Demgegenüber wird die Wahrscheinlichkeit, an einer Corona-Infektion zu versterben, mittlerweile mit nur 0,1 Prozent angegeben. In meinen Augen war und ist die Corona-Impfung leider immer noch ein Experiment an uns Menschen.

    Weitere alarmierende Zahlen betreffen die Geburtenrate. Eine Untersuchung der Lebendgeburten in Europa aus dem Jahr 2022 zeigt, dass in allen untersuchten Ländern ein Rückgang der Geburtenzahlen mit bis über 10 Prozent zu verzeichnen ist. In diesem Zusammenhang konnte in den Gewebeschnitten aus dem Institut von Burkhardts Labor gezeigt werden, dass das Spikeprotein in den Eierstöcken aufzufinden war. Diese Tatsache lässt schlussfolgern, dass auch hier eine Entzündung auftreten kann, die wiederum zu Narbenbildung und möglicher Unfruchtbarkeit führen kann. In den Gewebeschnitten von Hoden junger Verstorbener fand sich eine erheblich reduzierte Anzahl von Spermien, ein Fall ist auch bildlich im oben beschriebenen Buch festgehalten. Diese Veränderungen in den Geschlechtsorganen sind erschreckend und könnten den Geburtenrückgang erklären.

    Zensur beim MDR? Beitrag über verunreinigte Corona-Impfstoffe bleibt ohne Begründung gelöscht
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/zensur-beim-mdr-beitrag-ueber-verunreinigte-corona-impfstoffe-bleib

    Politik statt Wissenschaft

    Mittlerweile weiß man, nach Bekanntwerden der zunächst geheimen Krisenstabs-Dokumente des Robert-Koch-Institutes (RKI) in Deutschland, dass es keine wissenschaftliche Grundlage für zahlreiche von der Politik vorgegebene Maßnahmen im Zusammenhang mit Corona gab und gibt.

    Wissenschaftler und Ärzte, die sich ausgiebig mit den Folgen dieser Corona-Impfungen auseinandergesetzt haben, werden als Schwurbler, Verschwörungstheoretiker oder gar Rechtsextreme tituliert. Mein Versuch, vor dem sogenannten Turbokrebs nach Corona-Impfungen zu warnen, wurde in den schwedischen Medien als Sabotage bezeichnet – Sabotage gegen die Impfkampagne, die vorsah, alle Menschen der Region gegen Corona zu impfen.

    Aufgrund des Umstandes, dass die Politik über die Wissenschaft bestimmte, habe ich meine Anstellungen als Oberärztin sowohl im Krankenhaus in Kalmar als auch am Universitätsklinikum in Lund gekündigt. Ich war zutiefst schockiert und konnte es mit meinem Gewissen nicht mehr vereinbaren, Teil eines solch unwissenschaftlichen Gesundheitssystems zu sein. Einer meiner Grundsätze besteht darin, dem Menschen keinen Schaden zuzufügen, wie ich es auch im Eid des Hippokrates (der Formulierung der ärztlichen Ethik) geschworen haben.

    Ich möchte an Sie appellieren, werden Sie aktiv. Informieren Sie sich. Stellen Sie alles infrage, auch das, was Ihnen auf einem Silbertablett immer wieder in den Medien serviert wird. Kontrollieren Sie auch die von mir angeführten Literaturangaben.

    Welche Schäden diese mRNA-basierten Impfstoffe gegen Corona angerichtet haben, ist nun bekannt. Diese mRNA-Technik ist noch nicht ausreichend erprobt und getestet. Bitte informieren Sie sich, auf welcher Basis die Impfstoffe hergestellt sind, mit denen Sie sich in Zukunft impfen lassen wollen.

    Und denken Sie daran, Angst schwächt unser Immunsystem. Seien Sie so viel wie möglich in der Natur und stärken Sie es auf diese Weise. Unser Körper ist fantastisch, unterstützen Sie ihn und vertrauen Sie ihm und sich!

    Dr. med. Ute Krüger ist Fachärztin für Pathologie mit 25-jähriger Berufserfahrung. Seit nahezu 20 Jahren lebt sie in Schweden. Heute ist sie in eigener ganzheitlicher Praxis tätig.

    CC BY-NC-ND 4.0

    #Suède #Allemagne #covid-19 #coronavirus #vaccination #médecine #iatrocratie

  • Wie ein Berliner Kommissar das Nachtleben der Goldenen Zwanziger bekämpfte
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/wie-ein-berliner-kommissar-das-nachtleben-der-goldenen-zwanziger-be

    So kann’s gehen.

    Ich stelle mir das Leben der Frau zum.Mann vor:

    Kommissar Erst Engelbrecht hat das NKWD Lager nicht überlebt. Essen und Unterbringung waren einfach zu schlecht. Das kennen wir alles. Was aber hat Frau Engelbrecht aus Frohnau dann gemacht? Was ihre Kinder? Was ist mit der Villa heute?

    Der Nazi-Geist lebt weiter. In den Familien, wo kein Gesetz den Umgang regelt und die Deutsche Mutter regiert, wenn Papa nicht da ist.

    11.10.2021 von Bettina Müller - Im Jahr 1921 stieg die Kriminalität in Berlin stark. Man berief den Kriminalkommissar Ernst Engelbrecht: Er sollte den „Nachtsumpf“ mit Razzien zerstören.

    Berlin-Berlin vor 100 Jahren. Seit dem Sommer 1921 ist die Kriminalität in erschreckendem Maße gestiegen. „Engelbrecht sein Auto!“ gellt es dann oft durch die Nacht. In diesem Moment hat zum Beispiel der „Spanner“ eines anrüchigen Lokals auf dem Kurfürstendamm den Wagen von Kriminalkommissar Ernst Engelbrecht erkannt und sofort lautstark Alarm geschlagen.

    Als „Spanner“ hat er eigentlich die Funktion, vorbeigehende Herren zum Besuch von Nackttanzlokalen zu animieren, im Zweifelsfall aber auch vor einer Razzia der Berliner Kriminalpolizei zu warnen. Wie Pilze sind sie aus dem Boden geschossen, die Nacht- und Nackttanzlokale, und zwar mit allem, was dazu gehört. So ein Nachtlokal ist straff organisiert, geradezu zwingend nötig für den reibungslosen Betrieb ist das Personal: Kellner, Spanner, Anreißer, Schlepper, Nackttänzerin. Kriminalkommissare sind da eher unerwünscht.

    Und gerade diese halbseidenen Etablissements mit den spärlich bekleideten Damen machen dem rührigen Kommissar große Sorge, fürchtet er doch, wie er später in seinen Erinnerungen festhalten wird, vor allem einen „moralischen Schaden“ bei den Gästen der diversen dubiosen Spelunken. Dass die sich jedoch – oft nach Nötigung durch den „Spanner“ – freiwillig in die Höhle des Löwen begeben, sieht der unerschrockene Kriminalist nicht. Die Bevölkerung ist indes in weiten Teilen durch die Zustände im dunklen Berlin verunsichert, sieht die Razzien aber zu ihrem eigenen Schutz als ein notwendiges Übel an.

    Und während bis vor kurzem die Razzien eher konkret dazu gedient hatten, entlaufene Schwerverbrecher hinter Schloss und Riegel zu bringen, ist nun eine neue Waffe auf dem fragilen Parkett der Verbrechensbekämpfung erschienen, und zwar in Form des resoluten Kommissars Engelbrecht.
    Eigentlich wollte Engelbrecht zum Militär

    Oberregierungsrat Hoppe als Vertreter des Preußischen Innenministeriums hatte ihn am 1. Juli zum Leiter der Streifmannschaft der Berliner Kriminalpolizei ernannt. Und endlich, so glaubte Engelbrecht, hatte man sein wahres Potenzial erkannt. Vorbei die Zeit, da er als Leiter der Charlottenburger Sittenpolizei, als „staatlicher Tugendwächter“ ein eher unglückliches Dasein fristen musste. Dort hatte sich der am 31. Mai 1884 in Düsseldorf geborene Sohn eines höheren Postbeamten nie sonderlich wohl gefühlt.

    Eigentlich hatte Engelbrecht Berufsoffizier werden wollen. Als er dann aber zunächst durch eine Krankheit ausgebremst wurde, die seine „Verwendungsfähigkeit“ stark einschränkte, bot sich eine Alternative. Im August 1911 trat Engelbrecht seine Ausbildung zum Kriminalkommissar im Polizeipräsidium von Frankfurt am Main an. Über die Umwege Norderney, Aurich und Frankreich zur Zeit des Ersten Weltkriegs gelangte Engelbrecht schließlich zunächst nach Charlottenburg und dann nach Berlin.

    Dort wollte er als Substitution für die verlorene militärische Karriere einen neuen Feind bekämpfen, und so, wie er auch schrieb, eine „Gesundung Deutschlands“ vorantreiben. Sein Credo formulierte er unmissverständlich: „Den Nachtsumpf Berlins zuschütten!“ Alle sollten ihn fürchten: die Schlepper, Nepper, Spanner, Mädchenhändler, Zuhälter, Nutten, Diebe, Schleichhändler, Betreiber von illegalen Spielclubs etc. In den düsteren Kaschemmen von Berlin. In den schäbigen „Zementkellern“, wo Koks („Zement“) verkauft wird. In den armseligen Nackttanzlokalen. In den verbotenen Spielhöhlen, die eher Höllen gleichen.

    Die Stadt wird, wenn es dunkel ist, für Engelbrecht zum Feind. Und alle Bewohner des dubiosen Berlin werden für das rechtschaffene Volk zur kollektiven Bedrohung. So kann er sich als Leiter der Streifmannschaft selber zum Helden stilisieren, zum Retter aller rechtschaffenen Bürger, die es vor dem verdorbenen Teil der Berliner Bevölkerung zu schützen gilt. Denn das ist für ihn durchgehend „minderwertiges Gesindel“, das es auszurotten gilt, so wie es später die Nationalsozialisten tatsächlich mit den Berufsverbrechern tun sollten, die oft im Konzentrationslager endeten.
    Eine Mannschaft aus 130 Beamten

    Für Engelbrecht gibt es nur Schwarz oder Weiß, dazwischen existiert für ihn nichts. Mitleid kennt er wenig, die Biografien der Verbrecher interessieren ihn in der Regel nicht, Empathie sucht man in seinen Büchern eher vergeblich. Seine Welt wird von „schmutzigen und widerlichen Weibern“, ausländischen „Aasgeiern“, „minderwertigen“ Charakteren, der „Polenplage“ und anderen Randgruppen bevölkert, denen er grundsätzlich keine Läuterung zugesteht. Daher ist es verwunderlich, dass er in der Mitte der 1920er-Jahre zusammen mit Leo Heller mehrere Bücher zum Thema Kriminalität verfassen wird, bei denen Heller einen ganz anderen Ansatz vertritt. Der sieht hinter dem Verbrecher auch immer den Menschen.

    Doch Engelbrecht darf sich in seiner Funktion als leitender Kriminalbeamter in den Subkulturen Berlins keine Sentimentalitäten leisten, das würde seine Autorität untergraben. Als Leiter der Streifmannschaft ist „der Blitz“, wie Engelbrecht von der Verbrecherwelt bald genannt wird, völlig in seinem Element. Er plant jede Razzia so minutiös, wie es nur irgendwie geht. Er hat eine große Verantwortung. Der Kriminalist weiß, dass das Wort „Razzia“ auf das arabische Wort „Ghazidshah“ zurückgeht, was so viel wie „Raubzug“ bedeutet, und zwar im militärischen Sinne.

    Zu Engelbrechts Glanzzeit ist die Streifmannschaft, die insgesamt aus 130 Kriminalexekutivbeamten besteht, in mehrere Einzelstreifen eingeteilt, die von erfahrenen Kriminalbeamten angeführt werden und deren Aufgaben bereits aus den Namen erkennbar sind: Große Razzienstreife, Pfandleiherstreife, Taschendiebstreife, Päderastenstreife und einzelne Fahndungskommandos. Ziel der Razzien, bei denen unerwartet ganze Straßenzüge abgesperrt und durchsucht werden – und das zumeist um Mitternacht –, ist es vor allem, die Berliner Verbrecherwelt auf Dauer zu beunruhigen. Sie aus der Gegend, in der sie sich heimisch fühlt, vertreiben, ihre Subkulturen zerstören, gesuchter Verbrecher habhaft werden.
    Kampf gegen Nachtlokale und Glücksspiel

    Heute kann man anhand von Engelbrechts Erinnerungen auch eine nostalgische Topographie der Berliner Verbrecherwelt rekonstruieren, deren bekannteste Kaschemmen sich zum Beispiel in der Linienstraße, der Auguststraße und in der Joachimstraße befanden, in der Gegend des Schlesischen Bahnhofs, des Alexanderplatzes und im Wedding. Engelbrecht, der seinen Kampf gegen die Nachtlokale und die Stätten des Glücksspiels stoisch und zügig durchführt, scheint zunächst auf Wohlwollen bei seinen Vorgesetzten zu stoßen. Im Oktober 1921 setzt man ihn auch noch auf die Mordbereitschaftsliste der Kriminalpolizei, auf der in der Regel 16 Namen von Kriminalkommissaren verzeichnet sind, die Mordfälle und schwere Kapitalverbrechen aufklären sollen.

    Seine Berufserfahrung, sein Insiderwissen, seine kriminalistischen Erfolge führen dazu, dass er unter die Schriftsteller geht und auch Vorträge im Rundfunk hält. Unter anderem schreibt er mit Leo Heller zusammen „Die Kinder der Nacht“ und die „Berliner Razzien“, er verfasst auch Beiträge für kriminalistische Fachzeitschriften. Doch nicht allen Kollegen gefällt der stänig wachsende Output des Schriftstellers Engelbrecht, und vor allem stören sich viele zunehmend an seiner politischen Einstellung. Zeitungen wie die Rote Fahne und der Vorwärts kritisieren die offen nationale Einstellung des stadtbekannten Kommissars, man beschimpft ihn als reaktionär.

    Als man ihn im Polizeipräsidium auffordert, auch für demokratische und linksgerichtete Zeitungen zu schreiben, lehnt Engelbrecht dies strikt ab. Zu Konflikten kommt es vor allem mit Bernhard Weiß, der ab 1925 der Chef der Berliner Kriminalpolizei ist und der 1927 zum Polizei-Vizepräsidenten ernannt wird. Weiß ist überzeugtes Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) und politisch somit ein völliger Gegenpol. Am 2. Juli 1927 bittet Engelbrecht um Entlassung aus dem Polizeidienst, unter Weiß könne und wolle er nicht mehr arbeiten. Zudem sei sein Gesundheitszustand nicht imstande, den vielfältigen Angriffen gegen seine Person standzuhalten.

    Eintritt in die NSDAP

    Die Entlassung wird nach einer ärztlichen Untersuchung abgelehnt, Engelbrecht, heißt es, sei kerngesund. Daraufhin schreibt Engelbrecht ein begründetes Abschiedsgesuch, woraufhin ihn Polizeipräsent Zörgiebel schließlich doch noch aus dem Staatsdienst entlässt. Die Ansprüche auf ein Ruhegehalt hat Engelbrecht allerdings unwiderruflich verloren. Engelbrecht geht zunächst zwei Jahre lang auf Reisen und hält in den darauf folgenden Jahren mehr als 350 Vorträge über seine Erlebnisse in der Verbrecherwelt des In- und Auslands.

    Im Oktober 1928 gründet er den „Überwachungsdienst für Handel & Industrie“, am 1. Mai 1933 tritt er in die NSDAP ein. Zwei Jahre später bietet er in einem Brief an Reichsminister Hermann Göring seine Dienste „im Kampfe um die Schaffung eines neuen nationalen Deutschlands“ an. „Alle wahrhaft nationalen deutschen Männer“ seien dafür unentbehrlich. Doch der Anbiederungsversuch ist nicht von Erfolg gekrönt, eine Antwort Görings an den „treu deutschen“ Kriminalisten nicht überliefert. Die Rückkehr in den Staatsdienst bleibt Engelbrecht versagt.

    Am 7. Juni 1945 wird er – Augenzeugin ist seine Ehefrau Hanna – in Berlin-Frohnau verhaftet und am 15. Juni 1945 durch die operative Gruppe Nr. 20 des NKWD (Ministerium für Innere Angelegenheiten der UdSSR) dem Speziallager Nr. 3 in Berlin Hohenschönhausen übergeben, das am 22. April von sowjetischen Streitkräften als Haftarbeitslager aufgebaut worden ist. Als Haftgrund heißt es lapidar: „Mitarbeiter bei der Polizei“. Am 14. Oktober 1945 ist Ernst Engelbrecht dort gestorben, die genaue Todesursache wird in den Akten des Deutschen Roten Kreuz nicht genannt.

    #Berlin #Geschichte #Nazis #Kripo #NKWD

  • Entwicklungshilfe in Afrika : Wem nützt der Aktivismus der Helferindustrie ?
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/entwicklungshilfe-in-afrika-wem-nuetzt-der-aktivismus-der-helferind

    12.09.2024 von Volker Seitz - Unser Autor konnte mehrere Jahre als deutscher Botschafter in Afrika die ernüchternden Ergebnisse der Entwicklungshilfe beobachten. Mit seiner Kritik ist er nicht allein.

    Haushaltsmittel sind knapp und es gibt einen wachsenden Finanzierungsbedarf, nicht nur für die marode Infrastruktur und Schulen in Deutschland. Dennoch wollen Entwicklungspolitiker weiter in Milliardenhöhe „Gutes“ in der Ferne tun.

    Den Aktivismus der guten Gesinnung muss ich jedoch mit einem Fragezeichen versehen. Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte werden nicht zur Kenntnis genommen. Unsere Gaben lösen tiefgreifende gesellschaftliche Grundprobleme nicht. Sie schaffen jedoch eine Wohlfahrtsmentalität. „Hilfe zur Selbsthilfe“ wird zur hohlen Phrase. Dem verheerenden Denken wird weiter Vorschub geleistet, mehr Geld für Afrika bedeute mehr Entwicklung. In allen Ländern, in denen ich tätig war, hatte die GTZ (heute GIZ) Mühe, überhaupt genügend sinnvolle Projekte zu finden, um die Mittel loszuwerden. Der stetige Mittelzuwachs ist zu einem Zwangskorsett geworden, weil die Mittel ausgegeben werden müssen, sonst verfallen sie.

    Leider wird die Frage, ob Hilfe auch schaden kann, selten gestellt. Welche Hilfsorganisation hat sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, in einem überschaubaren Zeitraum nicht mehr zu existieren? Sie wollen sich nie wieder entbehrlich machen. Das Afrika-Bild wird von den sich selbst erhaltenden Hilfswerken und Helfern, die die Hilfe als Lebensjob betreiben, geprägt.

    Elend als Ressource

    In über 50 Jahren sind rund zwei Billionen US-Dollar Entwicklungshilfe auf den afrikanischen Kontinent geflossen. Trotzdem werden die Minimalziele nicht einmal annähernd erreicht. Die internationale Hilfsindustrie ist personell und finanziell gigantisch. Viele meiner Kollegen und ich haben aus eigener Anschauung den Eindruck: In manchen Staaten gibt es mehr Hilfsorganisationen als Firmen.

    Es gibt immer noch ein unübersehbares Wohltätigkeitsnetz von staatlichen und privaten Hilfsagenturen, alle wollen „helfen“. Unzählige „Projekte“ oder „Programme“ wurden als Fremdkörper in den Ländern durchgeführt. Wie ich immer wieder in 17 Jahren in Afrika beobachten konnte, haben diese Projekte kurz nach Beendigung keine Spuren mehr hinterlassen, weil sie die Menschen abhängig gemacht haben, sie an den Zustand der stetigen Hilfe gewöhnt und so die Bildung der Eigeninitiative behinderten. Während ihrer Laufzeit waren sie erfolgreich, da es an Geld für Betriebsmittel, Fahrzeuge und hohe Gehälter nie gemangelt hat.

    Deutschland braucht eine eigene Afrikastrategie: Entwicklungshilfe ohne Tabus

    Nirgendwo ist es gelungen, afrikanische Antriebskräfte zu wecken und zu stärken. Zum mangelnden Entwicklungsstreben haben wir kräftig beigetragen, weil wir den Afrikanern nicht zutrauen, z.B. Straßen oder Brunnen ohne ausländischen Beistand zu bauen. Was hindert denn afrikanische Staaten, ihre geringen Lohnkosten zu nutzen und Straßen arbeitsintensiv zu bauen. Meine Antwort: Warum sollen sie Probleme lösen, wenn sie „outsourcen“ können.

    In einem zentralafrikanischen Land bekam zu meiner Zeit ein lokaler Berater der GTZ monatlich 7000 Euro. (Ein Minister erhielt monatlich offiziell 1200 Euro.) Der Berater baute sich zwei Häuser, die er teuer an ausländische Entwicklungshelfer vermieten konnte. Dass – mit Ausnahme dieses Entwicklungshilfefunktionärs – die Armut in diesem Land nicht abnimmt, dafür mache ich vor allem zwei Gruppen verantwortlich: korrupte afrikanische Herrscher und ihre Günstlinge sowie eine westliche Entwicklungshilfe, die diese Oberschicht unfreiwillig finanziell mästet und gleichzeitig eine riesige Helferindustrie aufgebaut hat, die fürstlich lebt. An einer Qualitätskontrolle und Überwachung der Wirksamkeit der ausgegebenen Steuergelder hat keine der beiden Gruppen ein Interesse.

    Profiteure der Entwicklungshilfe

    Die sogenannte Entwicklungshilfe subventioniert immer noch schlechte Politik. Solange immer wieder Ausreden gefunden werden, warum korrupte Regime unterstützt werden sollen, werden auch die Fluchtursachen nicht verringert. Die Profiteure der Entwicklungshilfe behaupten: Hilfe funktioniert. Aber warum geht es heute den meisten afrikanischen Ländern schlechter als zum Ende der Kolonialzeit? Es werden kaum Arbeitsplätze vor Ort geschaffen und das breite Elend wird nicht beseitigt, weil Zielgruppen nicht in die Maßnahmen einbezogen werden. Afrikanische Kritiker werden nicht zu Diskussionen mit den Gebern eingeladen.

    Kein Kontinent erhält mehr Geld als Afrika, doch Not und Elend hat das viele Geld nicht aus der Welt schaffen können. Deshalb plädiere ich nach 40 Jahren Erfahrung mit Entwicklungshilfe aus Respekt vor der Leistungsfähigkeit der afrikanischen Gesellschaften, die bisherige Hilfe durch wirtschaftliche Zusammenarbeit auf der Grundlage beiderseitiger Interessen zu ersetzen. Kritikern wie mir wird eine Diffamierung der Entwicklungshilfe vorgeworfen. Dabei gibt es auch afrikanische Stimmen, die scharfe Kritik üben.

    Die Kamerunerin Axelle Kabou kritisierte bereits Anfang der 1990er-Jahre die Entwicklungshilfeindustrie und afrikanischen Eliten in ihrem Bestseller „Weder arm noch ohnmächtig“. Die Ökonomin aus Kamerun war lange selbst im Business der Barmherzigkeit tätig. 2008 war ich Botschafter in Kamerun und wurde vom damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler beauftragt, Frau Kabou zu finden. Horst Köhler ist bislang der einzige Bundespräsident, der sich engagiert mit Afrika beschäftigte. Es war deshalb nicht verwunderlich, dass er mit der prominenten Entwicklungshilfekritikerin sprechen wollte. Ich brauchte allerdings ein paar Wochen, um sie über einige Umwege in einem Ort, den ich auch heute nicht offenlegen will, ausfindig zu machen. Sie war wegen heftiger Drohungen aus Afrika in Frankreich untergetaucht und wollte letztlich – aus Sicherheitsgründen – nicht mit dem Bundespräsidenten sprechen.

    Ihre Aussagen in dem Buch: „Die Afrikaner sind die einzigen Menschen auf der Welt, die noch meinen, dass sich andere als sie selbst um ihre Entwicklung kümmern müssen. Sie sollten endlich erwachsen werden“ und „… dass sich der Afrikaner für die Gegenwart gar nicht zuständig fühlt“. Das Buch löste in Kreisen afrikanischer Politiker erhebliche Wut aus, denn bis dahin (und leider auch noch heute) können die Politiker unser schlechtes Gewissen gewinnbringend bewirtschaften. Die Täter, so Frau Kabou, seien immer die anderen, die Opfer immer die Afrikaner, ein Ritual des Beschönigens und Beschuldigens verbinde schwarze Eliten und weiße Helfer.

    Kleinbewässerung am Mount Kenya: Das Projekt der KfW gemeinsam mit der GIZ, unterstützt die Bauern bei der Investition und dem Bau eines Bewässerungssystems.

    Kleinbewässerung am Mount Kenya: Das Projekt der KfW gemeinsam mit der GIZ, unterstützt die Bauern bei der Investition und dem Bau eines Bewässerungssystems.Imago
    Paternalismus und fehlende Transparenz

    Afrikanische Staatschefs empfinden den Hang des Westens zum Paternalismus und Samaritertum nicht als Schande. Nochmals Axelle Kabou: „Gelähmt durch Fremdfinanzierung und Nahrungszufuhr von außen, reagiert die politische Klasse bisweilen wie ein Süchtiger unter Entzug und verlangt reflexartig die fehlende Spritze der ausländischen Hilfe.“ Der Westen wiederum müsste sich fragen: Woher nehmen wir das Recht, durch Entwicklungshilfe in das Leben von Menschen einzugreifen und es zu verändern, die auf andere Weise als wir ihre Existenz gestalten, mit anderen Wertvorstellungen und anderen Lebensumständen?

    Entwicklungspolitik ist immer noch intransparent und unzugänglich. Es gibt nur eine Wirkungsvermutung. Der Erfolg von Hilfe wird immer noch quantitativ gemessen, in erster Linie die Quantität der ausgegebenen Euro. Es ist unfassbar, was GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) und Mitarbeiter der KfW-Bank über ihre Projekte berichten; es gibt nahezu keine nachhaltigen Verbesserungen für die Menschen vor Ort trotz enormer Geldbeträge, die investiert werden – in was oder wen auch immer. Das Schlimmste aber: Innerhalb der GIZ beziehungsweise KfW ist jegliche konstruktive Kritik an den Projekten tabu. Wer Kritik oder Nachfrage wagt, wird entlassen und erhält nie wieder eine Beschäftigung bei der GIZ oder KfW. Deshalb halten die meisten still. Mehrfach berichteten mir kritische Entwicklungshelfer von diesen Zuständen.

    Eine schlüssige Erklärung, warum sich nichts ändert, liefert auch Frank Bremer in seinem Buch „50 Jahre Entwicklungshilfe – 50 Jahre Strohfeuer“, erschienen 2021. Er war jahrzehntelang selbst als GTZ-Experte in verschiedenen afrikanischen Ländern, zu meiner Zeit auch in Benin, tätig. Er erläutert, warum niemand aus dem goldenen Käfig ausbrechen will:

    „Jede in ein Projekt entsandte Fachkraft verfügt über ein sehr gutes und weitgehend steuerfreies Gehalt mit Auslands- und Klimazulagen, bezuschusstes Wohnen und Schulbeihilfen sowie attraktive Urlaubsregelungen. Hinzu kommen großzügig ausgestattete Arbeitsplätze, Dienstfahrzeuge mit Treibstoff ohne Beschränkungen für Reisen im Inland sowie zahlreiche Auslandsreisen für Fortbildungen und Konferenzen, zumeist in der Business-Class. Für die Projektarbeit stehen ihnen alle gewünschten Mittel zur Verfügung, auch wenn sie für die Durchführung nicht wirklich notwendig sind. Solche Bedingungen sind in ihrem Gastland sonst nicht zu finden und in ihrem Herkunftsland auch nur selten.“

    Volker Seitz war in verschiedenen Funktionen für das Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er ist Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“ (bisher elf Auflagen).

    #Afrique #Cameroun

  • Ostdeutsche Erfahrungen: Wie die Treuhand meinen Onkel ruinierte und ich seine Schulden erbte
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/ostdeutsche-erfahrungen-wie-die-treuhand-meinen-onkel-ruinierte-und

    10.9.2024 von Christina Pautsch - Cancel Culture kannten wir Ossis schon, lange bevor es einen Begriff dafür gab, meint unsere Autorin. Gegen den Krawall an der Wahlurne hilft die Beseitigung ökonomischer Kränkungen.

    Dies ist ein Open-Source-Beitrag. Der Berliner Verlag gibt allen Interessierten die Möglichkeit, Texte mit inhaltlicher Relevanz und professionellen Qualitätsstandards anzubieten.

    Vor kurzem erfuhr ich, dass mein Onkel H. gestorben ist und ich seine Millionen erbe. Millionen an Schulden. Es ist ein historisches Erbe, das ich mit vielen anderen Ostdeutschen teile.

    Onkel H. war in unserer Heimatstadt bekannt wie ein bunter Hund. In den 1960ern hatte er als Musiker die Bühnen der Region unsicher gemacht, später betrieb er als einer von wenigen Privatgastronomen eine beliebte Gaststätte, an die sich viele Ältere bis heute erinnern. Der Laden brummte schon zu DDR-Zeiten, und so tat mein Onkel nach der Wende, was man damals von einem vorbildlichen Ossi erwartete: Er spuckte in die Hände und machte sich ans Werk, die Möglichkeiten der neuen Zeit zu nutzen.

    1990 mietete er bei der Treuhand eine Großküche auf einem in Abwicklung befindlichen Werksgelände an, nahm einen Kredit über 750.000 DM für eine moderne Kühlanlage auf und eröffnete einen Lebensmittelbetrieb, der gefrostete Fleischwaren für Imbisse produzierte. Das Geschäft lief gut.

    Es hätte eine ostdeutsche Erfolgsgeschichte werden können. Doch Onkel H. hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht – in diesem Fall die Treuhand. Diese verweigerte ihm zwei Jahre später die Erneuerung des Mietvertrags, da sie andere Pläne mit dem Gelände hatte. Eine neue Betriebsstätte fand sich nicht, denn alle Gewerbeimmobilien gingen über den Tisch der Treuhand. Und diese erteilte lieber westdeutschen Investoren den Zuschlag, als einem etablierten ostdeutschen Unternehmer eine Perspektive zu geben. Der Betrieb musste schließen, die neue Kühlanlage blieb in der Großküche zurück. Was weiterlief, war der Kredit, für den mein Onkel mit seinem Privatvermögen haftete.

    Onkel H. lief Sturm. Er suchte Hilfe bei Politik, Medien und hochkarätigen Anwälten. Einen Angriffspunkt, um rechtlich gegen die Treuhand vorzugehen, fand er nicht. Und so verlor er 1992 alles, was er sich bis dahin aufgebaut hatte: seine Gaststätte, seinen Betrieb, sein Haus, sein Vermögen, sein Ansehen und schließlich auch die Hoffnung. Er verschwand aus dem öffentlichen Leben, ließ sich in der Stadt kaum noch blicken aus Angst, die Leute würden reden. Er schlug sich durch mit Stütze und kleineren Jobs, zog sich ins Private zurück und wurde immer unsichtbarer. Die Schulden blieben.

    Generationen werden in Mitleidenschaft gezogen

    Nun erbe ich sie. Ich kenne den genauen Betrag nicht, doch mit Zins und Zinseszins müssten sie sich heute auf zwei bis drei Millionen Euro belaufen. Natürlich werde ich das Erbe ausschlagen, genauso wie meine Geschwister, deren Kinder und Enkelkinder. Vier Generationen werden am Ende in Mitleidenschaft gezogen worden sein – von einem historischen Trauma, das sich ereignete, lange bevor manche Betroffenen überhaupt geboren waren.

    Viele ostdeutsche Familien haben einen solchen Onkel H. – ein Nachwende-Trauma, das sich in Geschichten, Gefühlen und Kontoständen bis in die Gegenwart zieht. Für die wenigsten war es mit so hohen Schulden verbunden. Bei fast allen ging es jedoch um die tief sitzende Kränkung, unverschuldet im Abseits gelandet zu sein. Durch Massenentlassungen oder die Entwertung von Berufs- und Bildungsbiografien. Durch die Verramschung einer ganzen Volkswirtschaft und die Degradierung kollektiver Lebensleistung. Durch die offene Verhöhnung ostdeutscher Herkunft, wie sie jahrzehntelang von (westdeutschen) Politikern und Medien praktiziert wurde. Cancel Culture kannten wir Ossis schon, lange bevor es einen Begriff dafür gab.

    „Du musst ein Schwein sein in dieser Welt“, sangen Die Prinzen 1995 und gaben damit das Lebensgefühl wieder, das damals in den neuen Ländern herrschte. Die Treuhand hatte das Land verscherbelt, 95 Prozent des DDR-Vermögens waren in westdeutsche oder ausländische Hände gewandert, mehr als drei Millionen Arbeitsplätze vernichtet. Der Abschwung Ost war in vollem Gange. Dann kam Schröder und trat mit seiner Agenda 2010 noch einmal nach. Diese Kränkung hat sich eingebrannt.

    Den Schmerz der strukturellen Entwertung spüren jüngere Ostdeutsche heute noch. Denn Kränkung verjährt nicht, ebenso wenig wie die Schulden meines Onkels. In der Psychotherapie kennt man das Phänomen der transgenerationellen Traumata: Unverarbeitete Gefühle werden so lange durch die Generationen gereicht, bis es einer der Erben irgendwann schafft, sie aufzulösen. Mit jeder Generation verblasst die Erinnerung an das eigentliche traumatische Ereignis etwas mehr. Was bleibt, sind die Gefühle: Wut, Misstrauen, Ohnmacht – und im Fall der Ostdeutschen leider auch ein ziemlich unbefriedigender Kontostand.

    Moralisch betrachtet, rechtfertigt dies natürlich nicht, rechtsextreme Parteien zu wählen, wie es in den neuen Bundesländern immer mehr in Mode kommt. Psychologisch betrachtet, ist dies jedoch eine plausible Bewältigungsstrategie. Radikalisierung ist immer ein Versuch, einen Gefühlsstau zu verstoffwechseln, der anders kein Ventil mehr findet. Dabei gehen den radikalen Lösungsversuchen meist viele gescheiterte moderate voraus. Auch die Ostdeutschen, die nun in Thüringen und Sachsen „plötzlich“ aus dem politischen Mainstream ausscheren, haben über 30 Jahre versucht, sich mit ihren spezifischen Sorgen, Nöten und Gedanken mitzuteilen. Doch sobald ein Ossi den Mund aufmacht, ist der nächste Besserwessi nicht weit, um ihn zurechtzuweisen: Könnt ihr nicht endlich mal aufhören zu jammern?

    Die Tendenz zur Abwehr ostdeutscher Perspektiven durch die westdeutsche Mehrheitsgesellschaft verwundert wenig. Strukturelle Benachteiligung anzuerkennen, bedeutet für die Nichtbetroffenen immer auch, den eigenen Anteil am Leid des anderen zu reflektieren, eigene Vorteilsnahme zu erkennen und Privilegien einzugestehen. Wer die Kränkung im Osten überwinden will, muss die Größe haben, Unrecht als solches anzuerkennen.

    Dies würde etwa bedeuten, sich endlich ernsthaft über das innerdeutsche Wohlstandsgefälle und dessen Ursachen zu unterhalten. Bis heute besitzt ein westdeutscher Haushalt im Median etwa dreimal so viel Vermögen wie ein ostdeutscher. Das vererbte Vermögen in den alten Bundesländern ist sogar neunmal höher als in den neuen. Diese Unterschiede haben etwas mit der deutschen Teilung zu tun, mehr aber noch mit der deutschen Wiedervereinigung und der Misswirtschaft der Treuhand.
    Im Osten geboren? Tja, Pech gehabt

    Immer wieder gehen die Zahlen zur asymmetrischen Vermögenslage von Ost und West durch die Medien. Immer wieder werden sie mit großer Bestürzung kommentiert, bleiben politisch aber folgenlos. Wenn das Gewurstel der Treuhand dann von der politischen Agenda gefegt wird mit dem Fazit, es seien zwar Fehler gemacht worden, doch man habe es eben nicht besser gewusst, dann klingt das in ostdeutschen Ohren wie blanker Hohn.

    Die letzten 34 Jahre haben gezeigt, dass sich die ökonomischen Unterschiede zwischen Ost und West nicht von selbst verwachsen. Natürlich können wir noch zehn, 20 Jahre warten, dass ein Wunder geschieht. Doch die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sich die politische Lage eher verschärfen wird, wenn man die wirtschaftliche Teilung Deutschlands weiter aussitzt. Jede Weigerung, aus den Fehlern der Vergangenheit politische Konsequenzen zu ziehen, um zumindest für jüngere Ostdeutsche ökonomische Chancengerechtigkeit herzustellen, perpetuiert die alte Kränkung auch für zukünftige Generationen: Im Osten geboren? Tja, Pech gehabt.

    Solange Ostdeutsche mit ihren spezifischen Sorgen an den politischen Katzentisch verwiesen werden, so lange müssen wir uns über Krawall an der Wahlurne nicht wundern. Wer diesen Krawall beenden will, muss an das Trauma ran, auch wenn es den Westen tief in seiner Komfortzone trifft. Denn die Kollateralschäden der Wiedervereinigung und ihre ökonomischen, politischen und psychologischen Folgen prägen bis heute das Lebensgefühl im Osten – und damit auch das politische Klima in ganz Deutschland. Dieses Erbe lässt sich leider nicht ausschlagen.

    Christina Pautsch, 1980 in Neubrandenburg geboren, studierte Kulturwissenschaften in Frankfurt (Oder) und Medienwissenschaft in Potsdam. Heute lebt sie in Berlin, berät Unternehmen in Zukunftsfragen und absolviert gerade ein Weiterbildungsstudium in Tiefenpsychologie am C.G.-Jung-Institut Zürich.

    #DDR #Treuhand

  • Ignatz Nacher: Wie die Nazis gegen den jüdischen Bierpionier aus Berlin intrigierten
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/berliner-bierpionier-ignatz-nacher-wie-die-nazis-gegen-den-juedisch

    9.8.2024 von Stephan Porwol0 - Ignatz Nacher gehörte zu den Wirtschaftsgrößen der Weimarer Republik. Er erfand unter anderem das Flaschenpfand. Warum gibt es in Berlin keinen würdigen Gedenkort?

    Ignatz Nacher gehörte als Berliner Unternehmer zu den Wirtschaftsgrößen der Weimarer Republik und schuf als Generaldirektor der Engelhardt-Brauerei das gleichnamige Bier, welches auch heute noch in der Hauptstadt getrunken wird. Der Deutsche Wirtschaftsführer zählt 1929 in einem langen biografischen Eintrag weitere hohe Funktionen Nachers in der deutschen Brauereiwirtschaft auf: vor allem in den profitablen Engelhardt-Holdings, deren Aufsichtsratsvorsitzender er war, der Berliner Malzbierbrauerei Groterjan, der Hofbräu AG zu Bamberg oder der ebenfalls in Berlin gelegenen Borussia-Brauerei. Eine umfangreiche Verbandstätigkeit kam hinzu.

    Überdies ist der Name Engelhardt auch heute noch im Berliner Stadtbild präsent, so in der ehemaligen Brauerei in der Charlottenburger Danckelmannstraße oder dem Stralauer Flaschenkellerturm, einem Bestandteil der Route der Industriekultur. An den Namen Ignatz Nacher erinnert indes nichts mehr in Berlin.
    .
    Wer war dieser Mann?

    Nacher wurde am 25. Januar 1868 in Österreich-Schlesien in äußerst bescheidenen Verhältnissen geboren und betrieb zunächst ein florierendes Zigarrengeschäft. 1901 gelang es ihm, als Teilhaber und Geschäftsführer in die damals noch recht unbedeutende Engelhardt-Brauerei aufgenommen zu werden, deren Aufstieg damit beginnen sollte.

    Damals lag die Brauerei noch in der Chausseestraße 33 in Berlin-Mitte. 1903 wird die ehemalige Josty-Brauerei in der Bergstraße 22, ebenfalls in Mitte, als erste Brauerei übernommen. Das denkmalgeschützte Gebäude steht heute noch. 1905 wird schließlich eine deutlich größere Braustätte in der heutigen Thulestraße 48-64 in Pankow erworben, modernisiert und ausgebaut.

    Der neue Chef machte sich in jenen Jahren bereits mit der Pasteurisierung (Haltbarmachung) von Bier, der Wiederverwendung von Glasflaschen und dem Marketing von alkoholfreiem Malzbier, das besonders gern von schwangeren Frauen getrunken wurde, einen Namen.

    Nacher wandelte die Brauerei sodann 1907 in eine Aktiengesellschaft um und übernahm selbst die Mehrheit des Kapitals. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges kaufte er vier Berliner Brauereien hinzu, woran sich nach dem Krieg eine weitere Übernahmetätigkeit anschloss.

    Mitte der 1920er residierte das nun zu einem Konzern angewachsene Unternehmen in einem repräsentativen Gebäude am Alexanderplatz, dem sogenannten Engelhardthaus und 1926 verfügte es, neben etlichen Dependancen u.a. in Rathenow, Halle an der Saale oder Breslau, über die drei Berliner Braustätten in Pankow als Hauptbrauort, Charlottenburg und Stralau. Engelhardt war nunmehr zum zweitgrößten deutschen Brauereikonzern aufgestiegen.

    Im selben Jahr geschah zudem etwas Ungewöhnliches. Zum 25-jährigen Berufsjubiläum erschien, gewidmet von Vorstand und Aufsichtsrat der Engelhardt-Brauerei Aktiengesellschaft, eine Festschrift mit aufwändig gestaltetem farbigen Einband – zu Ehren Ignatz Nachers. Nun waren Ehrungen in Zeitungen oder Zeitschriften und Festschriften für Unternehmen durchaus nichts Neues, ein eigens herausgegebenes Buch für einen Firmenlenker hingegen schon. Nicht einmal der Branchenprimus Schultheiss oder große Banken und Versicherungen leisteten sich diesen Luxus. Nacher – und mit ihm Engelhardt – war spätestens jetzt unter den deutschen Wirtschaftsgrößen angekommen. Er gehörte zu den bedeutendsten deutschen Industriellen, wobei seine Erfindung des Flaschenpfandes sicher auch ihren Teil zu beitrug.

    Was geschah nach 1933?

    Weniger bekannt ist hingegen immer noch sein Schicksal nach 1933. Der Deutsche Reichsanzeiger vermeldete am 8. August 1933 lediglich nüchtern, dass Ignatz Nacher aus dem Vorstand der Engelhardt-Brauerei Aktiengesellschaft ausgeschieden sei. Dahinter verbarg sich eine Intrige, die auch in der NS-Zeit ihresgleichen sucht. Wie kam es dazu?

    1929 sollten die Berliner U-Bahn und der Alexanderplatz erweitert werden und das Engelhardthaus am Alex stand dabei im Weg. Für 9 Millionen Reichsmark stimmte Nacher einem Verkauf des Gebäudes an die landeseigene Grundstückgesellschaft Berolina zu. Zudem willigte er nach langem Überlegen noch in eine Zuwendung über 120.000 Mark von seinem Privatkonto an die Berolina ein, handelte es sich doch um ein gemeinnütziges Unternehmen. Nacher war bekannt für großzügige Spenden an Witwen und Waisen der Engelhardt-Brauerei durch seinen Ignatz-Nacher-Fonds. Er unterstützte auch arme Studenten eines Ledigenheims in Charlottenburg.

    Diese Angelegenheit interessierte vier Jahre niemanden, erst 1933 mit der Machtübernahme des Nationalsozialisten tauchen Gerüchte auf. Hatte Nacher – womöglich, um einen hohen Preis für das Engelhardthaus zu bekommen – 120.000 Mark an Schmiergeld gezahlt?

    Ein Insider, der ehemalige Engelhardt-Finanzchef Richard Köster, mit dem Nacher sich überworfen hatte, brachte den Stein ins Rollen. Köster, der vier Jahre zuvor die Auszahlung von Nachers Konto vorzunehmen hatte, wandte sich im Frühjahr 1933 an den Berliner Staatskommissar und Goebbels-Vertrauten Julius Lippert. Der bestellte Nacher am 19. Mai zu sich. Eingeschüchtert willigte Nacher ein, die Leitung des Unternehmens in „arische Hände“ zu übergeben und 2,5 Millionen Reichsmark als „Entschädigung“ für den angeblich überhöhten Kaufpreis zu entrichten. Der sogenannte Judenboykott vom 1. April, samt dem Ausspruch „Deutsche! Wehrt Euch! Kauft nicht bei Juden!“, hatte Nacher wohl verunsichert. Im Aufsichtsrat nahmen zügig Vertreter der Dresdner Bank Platz und Richard Köster rückte wieder in den Engelhardt-Vorstand in Berlin auf. Nacher hatte ihn zuvor von Berlin in die Provinz versetzt.

    Da Nacher aber immer noch über bedeutende Aktienanteile verfügte, versuchte man ihn nun vollends zugrunde zu richten. Man verhaftete ihn kurzzeitig im November 1933 und dann nochmals im Sommer 1934. Nacher erlitt mehrere gesundheitliche Zusammenbrüche und sah sich nun gezwungen seine Aktien weit unter Wert an die Dresdner Bank zu veräußern. Im Endeffekt ging damit auch die Brauerei in den Besitz der Bank über.

    Damit noch nicht genug, sicherte sich Friedrich Flick auch noch Nachers bayrisches Landgut Sauersberg, das dieser, nun finanziell in Not geraten, im Jahre 1937 verkaufen musste. Nachlesen kann man diese skandalösen Vorgänge im gut recherchierten und breit rezipierten Buch „Braunes Erbe“ von David de Jong aus dem Jahr 2022. Nachher konnte damit zumindest vorläufig den Weg in die völlige Mittellosigkeit verhindern, sein Lebenswerk aber war zerstört.

    Kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges entkam Nacher, gesundheitlich schwer angeschlagen, in die Schweiz. Er starb verarmt am 15. September 1939 mit 70 Jahren. Man hatte ihm, bevor er seine Ausreisepapiere erhielt, noch mehrere 100.000 Reichsmark „Judenvermögensabgabe“ abgepresst.

    Bis heute gibt es keinen würdigen Gedenkort für Ignatz Nacher. Seine große Wohnung in der Kurfürstenstraße 129 in Berlin-Mitte scheidet als Erinnerungsort wohl aus. Sie wurde durch den Bombenkrieg zerstört und durch einen Nachkriegsbau ersetzt. In der Charlottenburger Danckelmannstraße oder in Stralau stehen indes noch Gebäude, die mit seinem Wirken in Verbindung stehen und dafür fraglos geeignet wären.

    Stephan Porwol ist Lehrer für Geschichte und Englisch und publiziert zur Sport- und Berliner Stadtgeschichte

    #Berlin #Charlottenburg #Danckelmannstraße
    #Geschichte #Brsaerei #Bier #Antisemitismus #Emigration

  • Tomahawk in Deutschland: Abschreckung oder kommt ein „Enthauptungsschlag“ gegen Russland?
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/us-raketen-in-deutschland-planen-die-usa-einen-enthauptungsschlag-g

    18.8.2024 von Heribert Karch - Ende der 1970er-Jahre polemisierten Strategen der amerikanischen Außenpolitik gegen die Doktrin gegenseitiger Abschreckung. Sie stritten für einen siegreichen Atomkrieg. Und heute?

    Abschreckung – dieses Wort fällt derzeit häufiger. Die Bundesregierung behauptet etwa, wir benötigten neue Raketen mit kürzester Vorwarnzeit in Deutschland, die bis nach Moskau reichen. In der Berliner Zeitung sagte Klaus Wittmann in einem Gastbeitrag kürzlich: „Die Furcht vor Eskalation ist Selbstabschreckung.“

    Es ist an der Zeit, sich mit der Logik und der Geschichte von „Abschreckung“ und „Selbstabschreckung“ eingehender zu beschäftigen.

    Im Dezember 1979 kündigte die Nato zweierlei an: einerseits die Stationierung von neuen mit Atomsprengköpfen bestückten Mittelstreckenraketen (Pershing II) und Marschflugkörpern in Westeuropa, andererseits die Einleitung von Verhandlungen über deren Abbau. Am 22. November 1983 erfolgte die Zustimmung des Deutschen Bundestages.

    Die vier Jahre dazwischen ließen eine breite Friedensbewegung entstehen. Und neue Augenöffner wie einen Beitrag in der amerikanischen Zeitschrift Foreign Politics im Sommer 1980, „Victory is Possible“ von Colin S. Gray und Keith Payne. Gray avancierte kurz darauf zum Berater des Außenministeriums der USA.

    Ausgangspunkt der Abhandlung war mitnichten eine drohende Gefahr vonseiten der damaligen UdSSR. Und das Versprechen, Europa zu beschützen, fungierte eher als Hilfsargument, um dem eigentlichen Ziel einen Anschein von Legitimation zu geben. Tatsächlich ging es im gesamten Text um nichts weniger als die Möglichkeit, siegreich einen Atomkrieg zu führen.

    Wie kein Text zuvor offenbarten die Autoren eine Denkweise, die erschreckend, aber gleichzeitig analytisch und strategisch war. Eine intelligente Offensivstrategie sollte die Verluste der USA auf die notwendige Zahl – genannt wurden 20 Millionen Tote (!) – reduzieren. Dass die Zahl eigener Opfer jemals ein Ausschlusskriterium gewesen wäre, ist nicht bekannt. Im Gegenteil, die damaligen Entscheider der Administration in den USA waren offenbar überzeugt.

    Sie kritisierten die damals noch dominante Doktrin der Abschreckung, also der gesicherten gegenseitigen Vernichtung (MAD – mutually assured destruction): Jeder Angreifer muss mit einem Zweitschlag rechnen. In ihrer Polemik argumentierten Gray und Payne wie folgt:

    Erstens sei Abschreckung durch Androhung des Atomkrieges faktisch die Drohung mit Selbstmord und daher unglaubwürdig. Eine Verdrehung, denn Selbstmord begeht in der Abschreckungslogik der Angreifer – der Mörder, um im Bild zu bleiben –, nicht der Ermordete: Wer zuerst schießt, stirbt als Zweiter.

    Zweitens sei Abschreckung in Wahrheit Selbstabschreckung, eine Lähmung der Freiheit zum offensiven Atomschlag. Auch das ist kein gutes Argument: Abschreckung kann nur funktionieren, wenn sie stets auch das Element maximaler Zurückhaltung, also der Selbstabschreckung beinhaltet. Zum Strategiedilemma wird sie nur im Streben nach strategischer Überlegenheit desjenigen, der angriffsfähig sein will, ohne den Gegenschlag befürchten zu müssen. Und genau darum ging es.

    Die Vorgeschichte dieses Denkens reicht bis in die erste Hälfte der 70er-Jahre zurück. Verteidigungsminister Schlesinger empfahl seinem Präsidenten Gerald Ford die Anwendung begrenzter atomarer Schläge mit chirurgischer Präzision, was später unter der Carter-Administration als Präsidentendirektive 59 verfeinert wurde.

    Erbarmungsloser Kampf mit der Sowjetunion bis zum Tode

    Gray und Payne wurden zu Propheten der strategischen Wende in der Militärpolitik der USA. Im August 1982 wurde ein neues Leitlinien-Dokument zur endgültigen Bestätigung durch Präsident Ronald Reagan dem Sicherheitsrat übermittelt. Die New York Times bezeichnete die Leitlinie als einen „Plan dafür, wie man aus ungemütlichen amerikanisch-sowjetischen Beziehungen einen erbarmungslosen Kampf bis zum Tode macht“.

    Bildhaft-offenherzig erläuterte Gray zwei Jahre später den wahren Hintergrund seiner Polemik von Selbstmorddrohung und Selbstabschreckung der Washington Post – es gehe um die Fähigkeit zum Enthauptungsschlag: Wenn man angenommene hundert Ziele träfe, könnte man jedes Mitglied des Politbüros erwischen, jedes Mitglied des Zentralkomitees und alle wichtigen Bürokraten töten und also dem sowjetischen Huhn den Kopf abschneiden. Wäre ihm die Metapher vom russischen Bären präsent gewesen, hätte er sich vielleicht etwas subtiler ausgedrückt.


    24.04.1983 - Florennes, Belgien: Demonstration gegen die Stationierung von mit Atomsprengköpfen bestückten Mittelstreckenraketen und Marschflugkörpern in Europa. Belga/Imago

    Die damaligen Planspiele zeigen eine verblüffende Kontinuität amerikanischer Außenpolitik unter drei recht unterschiedlichen Präsidenten – zwei Republikanern und einem Demokraten. Und diese soll sich unter dem nach eigenem Bekunden die Welt führenden Demokraten Joe Biden gewandelt haben beziehungsweise sich unter seiner möglichen Nachfolgerin oder aber dem Republikaner Donald Trump bald wandeln in eine reine Abschreckung zum Schutze Europas?

    Unter Trump wurde im Februar 2019 ein Juwel der Abrüstungspolitik, der dereinst von Reagan und Gorbatschow unterzeichnete INF-Vertrag über Mittelstreckenwaffen in Europa, einseitig gekündigt. Der Vorwurf, den Vertrag durch Stationierung einer neuen Variante der Iskander-Raketen verletzt zu haben, wurde von Russland zurückgewiesen, das seinerseits den USA die zum Start weitreichender Tomahawk-Raketen nutzbare Stationierung von Systemen in Rumänien und Polen vorwarf. Die deutsche Politik war in Aufruhr und wollte das Abkommen retten, aber es blieb bei händeringenden Appellen und einseitiger Schuldzuweisung gen Osten.

    Bereits kurz nach Vertragsende führten die USA einen ersten Test auf dem umstrittenen System durch. Russland kündigte den Start von Arbeiten an neuen, landgestützten Hyperschall-Mittelstreckenraketen an. Und so kam es.

    Worauf zielt die Stationierung amerikanischer Raketen ab 2026 in Deutschland?

    Die amerikanischen Raketen, die nun ab 2026 in Deutschland stationiert werden sollen, seien jedoch konventionell, wie es in einer gemeinsamen Erklärung der USA und Deutschlands heißt. Aber die russische Nukleardoktrin grenzt den Ersteinsatz von Kernwaffen auf vier Anwendungsfälle ein, darunter den einer existenziellen Bedrohung durch den Einsatz konventioneller Waffen eines Angreifers. Wann würde Russland einen konventionellen feindlichen Angriff als solche definieren? Wir wissen es nicht und wir entscheiden es auch nicht, sondern Putin. Die Doktrinen der Nato-Atommächte formulieren keinen Verzicht auf Ersteinsatz. Die Doktrin der USA von 2018 adressiert ein „hedging“, also eine Absicherung gegen geopolitische Risiken faktisch aller Art, und zwar weltweit.

    Handelte es sich 1979 noch um den mit einem Verhandlungsangebot verbundenen Beschluss eines Militärbündnisses, dessen Umsetzung im Konfliktfalle auch eine gemeinsame Entscheidung der Nato erfordert hätte, so haben wir es heute zu tun mit – ja, womit eigentlich?

    Das Joint Statement der deutschen und der amerikanischen Regierung ist offenbar genau das, was geschrieben steht: eine gemeinsame Erklärung über einseitiges Handeln. Zwar proklamiert der deutsche Bundeskanzler die Notwendigkeit, einen „eigenen Schutz“ in Form von möglichen Präzisionsschlägen zu haben, wie es auch Vereinbarungen mit den wichtigsten europäischen Verbündeten über die Entwicklung „eigener Fähigkeiten“ gebe. Deshalb passe die Entscheidung der USA „genau in die Sicherheitsstrategie der Bundesregierung“. Dort geht es um zu schließende Fähigkeitslücken. Aber sind dies hier eigene Optionen?

    Die im Joint Statement selbstlos daherkommende Verpflichtung der USA zur Nato als Beitrag zur integrierten europäischen Abschreckung enthält keinerlei multilaterale Bindungswirkung, es ist reine Rhetorik. Zu viel spricht dafür, dass die USA hier eine unilaterale Befehlsgewalt über die neuen Waffen ausüben. Das als Erläuterung gedachte Schreiben der Parlamentarischen Staatssekretäre Siemtje Möller und Tobias Lindner an den Außen- und Verteidigungsausschuss des Bundestages enthält ausgerechnet zu diesem heiklen Punkt jedenfalls nichts. Aber selbst im Falle eines deutschen Vetorechts wäre es recht optimistisch zu glauben, dass ein solches die USA aufhalten könnte, falls sie diese Waffen tatsächlich einsetzen wollen.

    Unisono betont die Bundesregierung, es ginge lediglich um Abschreckung, also den Schutz durch Drohung mit dem Zweitschlag. Diese wird auch von Friedensforschern für unvermeidbar gehalten und hatte stets durchaus hinreichend Befürworter in der Bevölkerung. Man kann darüber durchaus eine transparente Debatte führen. Es braucht keine Politik der vollendeten Tatsachen eines jenseits des Atlantiks gefassten Beschlusses.

    „Victory is impossible“

    Zwei Jahrzehnte lang schien es, als wäre mit dem Projekt von Reagan und Gorbatschow das Streben nach der Fähigkeit zum Enthauptungsschlag ad acta gelegt worden. Heute kommen Zweifel auf. Der ehemalige Beigeordnete Nato-Generalsekretär Generalleutnant a.D. Heinrich Brauß begründet die geplante Stationierung der Raketen damit, dass sich die Zahl der zu schützenden Ziele in Europa mit dem russischen Großangriff gegen die Ukraine im Februar 2022 vervielfacht habe.

    Wegen der begrenzten Zahl von Luftverteidigungssystemen im Nato-Gebiet sei die strategische Lösung; „Don’t try to defend against all arrows but try to hit the bow.“ Dieses Bild entspricht der Abschreckungslogik, sofern bei beiden Bögen Schützen stehen, nicht jedoch, wenn ein Schütze „remote“ die Befehlsgewalt weit entfernt von der Waffe ausüben kann. Russlands Zweitschlagfähigkeit und mit ihr die Symmetrie der Abschreckung wäre ausgehebelt.

    Erstschlagfähigkeit hatte schon Colin Gray in den 80er-Jahren stets zusammengedacht mit strategischer Überlegenheit auf jeder Eskalationsstufe. Vieles – gerade die Existenz neuer Hyperschallwaffen – spricht dafür, dass genau diese Eskalationsdominanz im Konflikt konkurrierender Großmächte nicht mehr realisierbar ist. Die eingangs zitierte These „Victory is possible“ ist ein gefährlicher Anachronismus und sollte durch „Victory is impossible“ ersetzt werden.

    Aber je kürzer die Vorwarnzeiten, desto stärker ihre Anstiftung zum vorwegnehmenden, präemptiven Schlag. Zunächst wohl gegen Berlin und Wiesbaden, dann – Mutlangen, Büchel, Ramstein? Gestorben würde zuallererst in Deutschland.

    Diese erst nach der Annullierung des INF-Vertrages mögliche Stationierung amerikanischer Waffen in Deutschland ist keine eigene deutsche Option, sondern ihr Gegenteil, die Preisgabe eigener Sicherheitspolitik. Die rhetorische Loyalitätserklärung der USA sollte nicht von natürlichen und stets vorhandenen Eigeninteressen ablenken. Und wenn der Verdacht eines neuen Aufgusses alter Enthauptungsfantasien nicht vollständig entkräftet werden kann, muss befürchtet werden, dass sie auch heute noch nicht aus der Welt sind.

    Heribert Karch war u.a. in der Erwachsenenbildung und als Leiter der tarifpolitischen Abteilung der IG Metall tätig. Mit der Rentenreform von 2001 wechselte in die betriebliche Altersversorgung. Heute arbeitet er als freier Autor, Berater und Fotograf .

    Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz (CC BY-NC-ND 4.0).

    #armement #nouvelle_guerre_froide #OTAN #guerre_nucléaire

  • Corona und Übersterblichkeit: Warum die Impfstoffe als Ursache nicht auszuschließen sind
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/corona-und-uebersterblichkeit-warum-die-impfstoffe-als-ursache-nich

    27.8.2024 von Günter Kampf - Daten aus England zeigen: Die Nicht-Covid-19-Sterblichkeit war bei Geimpften in der Pandemie teils deutlich höher als bei Ungeimpften. Warum wird das nicht weiter untersucht?

    Die Corona-Impfung war – und ist zum Teil noch immer – Gegenstand heftiger Kontroversen. Wissenschaftlich unbeantwortet ist nach wie vor die Frage, welchen Einfluss die Impfung auf die Sterblichkeit hatte, und zwar in zweierlei Hinsicht. Erstens: Hat die Impfung Covid-19-Todesfälle verhindert, hatte sie also einen gesundheitlichen Nutzen? Zweitens: Hat die Impfung Nicht-Covid-19-Todesfälle verursacht, hat sie also gesundheitlichen Schaden verursacht?

    In zahlreichen westlichen Ländern wird seit 2021 eine auffällige Übersterblichkeit beobachtet. Dies gilt auch für Deutschland. Über die möglichen Ursachen gibt es jedoch unter Wissenschaftlern keinen Konsens. Die Daten aus Deutschland zeigen eine zeitliche Korrelation mit der Gabe der Covid-19-Impfstoffe, doch eine Korrelation ist kein Beleg für die Kausalität, lediglich ein wichtiger Hinweis.

    Widersprüchliche Studien

    Medial wird immer wieder verbreitet, die Corona-Impfung habe „Millionen Leben gerettet“. Auch einige Wissenschaftler beschreiben eine signifikante Reduktion der Covid-19-Todesfälle in der Gruppe der Geimpften. In einer Modellierungsstudie aus dem Jahr 2022, die in der Fachzeitschrift The Lancet Infectious Diseases veröffentlicht wurde, heißt es etwa, es seien zwischen dem 8. Dezember 2020 und dem 8. Dezember 2021 Leben in der Größenordnung von 14,4 Millionen in 185 untersuchten Ländern gerettet worden. Diese Annahme stieg auf 19,8 Millionen verhinderte Covid-19 Todesfälle, wenn die Übersterblichkeit als Schätzung des wahren Ausmaßes der Pandemie herangezogen wurde.

    Auf der anderen Seite haben kanadische Wissenschaftler einen ausführlichen Bericht ohne das übliche Peer-Review-Verfahren veröffentlicht, in dem sie Daten zur allgemeinen Sterblichkeit aus 125 Ländern zwischen 2020 und 2023 auswerteten. Für diesen Zeitraum berechneten sie eine Übersterblichkeit von 30,9 Millionen Menschen. Nach einer Auswertung der Korrelation zwischen den Todesfällen und den verabreichten Impfstoffdosen für 78 Länder bis zum Dezember 2022 werteten die Autoren 16,9 Millionen Todesfälle als mit Covid-19-Impfstoffen assoziiert.

    Die grotesk anmutende Diskrepanz zwischen den Ergebnissen dieser beiden Untersuchungen lässt die Fragen unbeantwortet, wie viele Covid-19-Todesfälle tatsächlich durch die Impfung verhindert werden konnten beziehungsweise wie viele Todesfälle umgekehrt durch die Impfung verursacht wurden.

    In der Tat hat die Covid-19-Impfung nachweislich zu Todesfällen geführt. Erstmals wurde im Jahr 2021 aus Norwegen darüber berichtet, nachdem Senioren in Pflegeheimen nach der Impfung starben und die Todesursache bei 100 von ihnen durch eine Autopsie festgestellt wurde. Bei zehn war die Impfung wahrscheinlich die Todesursache, bei weiteren 26 Pflegeheimbewohnern war die Impfung möglicherweise die Todesursache, sodass sich die Autoren aufgrund ihrer Ergebnisse für eine individuelle Impfentscheidung bei älteren Menschen unter Berücksichtigung ihrer Grundkrankheiten aussprachen.

    Eine Arbeitsgruppe aus Italien berichtete ebenfalls 2021 über 38 Todesfälle nach Covid-19-Impfungen, die per Autopsie bestätigt wurden. In dieser Übersichtsarbeit wurden vorwiegend Thrombosen und Blutungen als Todesursachen festgestellt. Es ist also keineswegs abwegig, im Hinblick auf die allgemeine Übersterblichkeit die Covid-19-Impfungen als eine mögliche Ursache in Erwägung zu ziehen.

    Das Office for National Statistics in England veröffentlichte im vergangenen Jahr Tabellen mit der an das Alter angepassten Sterblichkeitsrate pro 100.000 Einwohner. Die Datensätze beginnen im April 2021 und enden im Mai 2023. Sie geben einen ausgesprochen interessanten und differenzierten Einblick in die Sterblichkeit dieser 26 Monate. Dabei wird sowohl die allgemeine Sterblichkeitsrate dargestellt, zusätzlich aufgeteilt in Covid-19-Todesfälle sowie Nicht-Covid-19-Todesfälle, sowie nochmals unterteilt nach der Anzahl der erhaltenen Impfdosen (0, 1, 2, 3 oder 4). Vergleichbare Datensätze sind mir aus anderen Ländern einschließlich Deutschland nicht bekannt.

    Wider Erwarten: Gabe von Covid-19-Impfstoffen beeinflusst Nicht-Covid-Sterblichkeit

    Was ergibt nun eine Analyse der einmaligen Daten aus Großbritannien? Zunächst lässt sich festhalten: Wenn durch die Gabe des Impfstoffs die Covid-19-Sterblichkeit sinken würde, wäre das der medizinisch gewünschte Effekt. Gleichzeitig sollte man erwarten, dass die Gabe eines Covid-19-Impfstoffs keinen Einfluss auf die Nicht-Covid-Sterblichkeit hat.

    Die Analyse der Daten zeigt folgendes Bild: Die Covid-19-Sterblichkeitsrate lag bei den Ungeimpften in allen Altersgruppen zwischen 46 und 649 pro 100.000. Die Sterblichkeitsraten der einfach Geimpften schwankten um die Werte der Ungeimpften, wohingegen die vollständig Geimpften in den ersten acht Monaten eine im Vergleich niedrigere Covid-19-Sterblichkeit aufwiesen (Abbildung 1). Zum Winter 2021/2022 hin gab es jedoch keine großen Unterschiede mehr zwischen diesen drei Gruppen, bis auf einen Peak im Januar 2022 bei den einfach Geimpften. Das Gesamtbild liegt hier somit größtenteils im erwarteten Bereich, ein gewisser Schutzeffekt scheint ablesbar zu sein, auch wenn die Kausalität zwischen der Impfung und der Covid-19-Sterblichkeitsrate hier ungeklärt bleibt.


    Abbildung 1: Altersstandardisierte Covid-19-Mortalitätsraten pro 100.000 in England nach Impfstatus; die Raten der Ungeimpften werden als Benchmark verwendet; Fälle wurden berücksichtigt, wenn eine Impfdosis mindestens 21 Tage zuvor verabreicht wurde; Daten vom Office of National Statistics, England. privat

    Die Nicht-Covid-19-Sterblichkeit (Abbildung 2) bei den Ungeimpften schwankte zwischen 902 und 1956 pro 100.000 und war somit deutlich höher als die Covid-19-Sterblichkeit. Im Juni 2021, also kurze Zeit nach Beginn der Impfkampagne, lag die Nicht-Covid-19-Sterblichkeit bei den einfach Geimpften bei etwa 6295 pro 100.000 und war um ein Vielfaches höher als bei den Ungeimpften mit 1486. Die Rate blieb bei den einfach Geimpften durchgängig höher bis zum Ende des Beobachtungszeitraums.

    Die vollständig Geimpften zeigten bis September 2021 eine niedrigere Nicht-Covid-19-Sterblichkeit als die Ungeimpften, doch kehrte sich das Bild später um. Im Dezember 2021 lag die Nicht-Covid-19-Sterblichkeit bei den vor mindestens sechs Monaten vollständig Geimpften bei etwa 4400 pro 100.000, bei den Ungeimpften war der Wert etwa 1497 pro 100.000. Auch hier blieb die Nicht-Covid-19-Sterberate bei den vollständig Geimpften höher bis zum Ende des Beobachtungszeitraums. Das Gesamtbild liegt hier weit außerhalb des erwarteten Bereichs (erwartbar war: keine Korrelation der Impfung mit der Nicht-Covid-19-Sterblichkeit), die Kausalität zwischen der Impfung und der Nicht-Covid-19-Sterblichkeitsrate bleibt auch hier ungeklärt.


    Abbildung 2: Altersstandardisierte Nicht-Covid-19-Mortalitätsraten pro 100.000 in England nach Impfstatus; die Raten der Ungeimpften werden als Benchmark verwendet; Fälle wurden berücksichtigt, wenn eine Impfdosis mindestens 21 Tage zuvor verabreicht wurde; „Dosis 2“: die Gabe der zweiten Dosis liegt höchstens sechs Monate zurück; „Dosis 2 (> 6 m)“: die Gabe der zweiten Dosis liegt mehr als sechs Monate zurück; Daten vom Office of National Statistics, England. privat

    Hinzu kommt: In England gab es eine stark erhöhte Nicht-Covid-Sterblichkeit bei den älteren Menschen in den ersten drei Monaten nach der Impfung, die sich zeitversetzt in den anderen Altersgruppen im Rahmen der Rollouts zeigt, bei denen die älteren Bürger zuerst und die jüngeren Menschen danach geimpft wurden.

    Medizinisch plausible Erklärungsansätze

    Dieser Hinweis auf die Impfung als mögliche Ursache der erhöhten Sterblichkeit muss ernst genommen werden. Zumal es inzwischen weitere medizinisch plausible Erklärungsansätze gibt. Bei Ratten wurde festgestellt, dass die mRNA-Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer spezifische Funktionsstörungen des Herzens hervorrufen. Der Moderna-Impfstoff verursachte sowohl arrhythmische als auch völlig unregelmäßige Kontraktionen, während der Biontech/Pfizer-Impfstoff die Kontraktion der Herzmuskelzellen auf zellulärer Ebene erhöhte. Beide Veränderungen können das Risiko akuter kardialer Ereignisse deutlich erhöhen und erklären daher möglicherweise die überhöhte Sterblichkeit nach der Impfung und den Anstieg der „plötzlichen unerwarteten Todesfälle“.

    Impfstoffassoziierte Myokarditis ist ebenfalls als potenziell tödlich beschrieben worden, wobei die meisten hospitalisierten Fälle von Myokarditis bei männlichen Jugendlichen auftraten. Und in der Fortführung der Zulassungsstudie für den Impfstoff von Biontech/Pfizer wurde eine 3,7-fache Erhöhung der Zahl der Todesfälle aufgrund von kardialen Ereignissen bei den geimpften Personen im Vergleich zu denen festgestellt, die nur das Placebo erhielten. Darüber hinaus wurde ein Todesfall nach der Impfung berichtet, bei dem sich noch Impfstoff in der rechten Herzkammer befand, die mehrere abheilende Verletzungen des Herzmuskels aufwies, die zwei bis drei Wochen vor dem Tod entstanden waren und sich mit dem Zeitpunkt der zweiten Impfstoffinjektion 19 Tage vor dem Tod überschnitten.

    Die Ergebnisse können auch durch eine impfstoffbedingte erhöhte Anfälligkeit für andere Krankheiten als Covid-19 erklärt werden, was bereits zu der Forderung geführt hat, die unspezifischen Auswirkungen von mRNA-Impfstoffen auf die Gesamtsterblichkeit eingehend zu untersuchen.

    Seltsames Desinteresse in Politik, Medien und Wissenschaft

    Die Bundesregierung hatte offensichtlich kein Interesse an einer ergebnisoffenen Aufklärung der Ursachen der Übersterblichkeit. Anlässlich einer Befragung im Deutschen Bundestag im Mai 2023 antwortete Karl Lauterbach auf die Frage zur möglichen Verursachung der Übersterblichkeit durch die Covid-19-Impfstoffe: „Falls Sie hier darauf hinweisen wollen, dass es möglicherweise so wäre, dass die Übersterblichkeit durch die verabreichten Impfungen entstanden ist: Dafür haben wir keinerlei Hinweise, das ist medizinisch nicht plausibel. Das ist eine gefährliche Räuberpistole. Ich würde Sie daher bitten, nicht in diese Richtung auch nur zu gestikulieren.“

    An die Adresse von Herrn Lauterbach und anderen Verantwortlichen sei gesagt: Die noch fehlenden Hinweise sind hiermit geliefert, die medizinische Plausibilität ebenfalls. Die Ausführungen im vorliegenden Text weisen darauf hin, dass die Übersterblichkeit teilweise durch die verabreichten Impfungen entstanden sein könnte. Dafür gibt es zahlreiche Hinweise, aus Deutschland und aus England, die inzwischen sogar medizinisch plausibel erscheinen. Es ist eine gefährliche Einmischung in die Freiheit der Forschung und Wissenschaft, wenn führende Politiker öffentlich darum bitten, nicht in diese Richtung zu denken.

    Die Aussage von Herrn Lauterbach war im Übrigen schon zu dem Zeitpunkt, als sie getätigt wurde, nicht nur unwissenschaftlich, sondern sogar antiwissenschaftlich, da mögliche Ursachen für ein beschriebenes Ergebnis wie die Übersterblichkeit niemals ausgeschlossen werden dürfen. Schon gar nicht von der Politik – und insbesondere, wenn das beschriebene Ergebnis sogar die Folge eben dieser Politik sein könnte.

    Ich habe unverändert den Eindruck, dass kein großes öffentliches Interesse daran besteht, den tatsächlichen Ursachen der Übersterblichkeit auf den Grund zu gehen. Einzelne Politiker müssten sich möglicherweise der Frage stellen, warum sie sich so massiv für die Massenimpfung samt eingebrachtem Gesetzentwurf zur allgemeinen Impfpflicht eingesetzt haben, ohne die möglichen Risiken für den Einzelnen angemessen zu berücksichtigen. Wenn Todesfälle nach einer Impfung nachgewiesen werden, ist diese Impfung alles andere als „nebenwirkungsfrei“, wie im Jahr 2021 von Karl Lauterbach behauptet wurde.

    In Gesprächen mit Kollegen aus der Wissenschaft stelle ich ebenfalls fest, dass das Thema gern gewechselt wird, wenn man auf die zahlreichen Ungereimtheiten des Pandemiemanagements hinweist. Als ob man damit nichts mehr zu tun haben will. Und in der Medienlandschaft herrscht hinsichtlich der möglichen Ursachen der Übersterblichkeit mehrheitlich auch das große Schweigen.

    Covid-19-Impfung als mögliche Ursache für Übersterblichkeit darf kein Tabu sein

    Ja, es könnte sein, dass einige Politiker schlechte Entscheidungen getroffen, dass Wissenschaftler vorschnell unausgereifte Empfehlungen ausgesprochen und dass die Medien mehrheitlich das gesamte Pandemiemanagement viel zu wenig hinterfragt haben. Die journalistischen Wadenbeißer fehlten. Doch die Pandemie ist jetzt vorbei. Warum passiert dennoch vergleichsweise wenig? Auf Basis aller heutigen Erkenntnisse darf eine kritische Auseinandersetzung mit der Covid-19-Impfung als möglicher Ursache für die Übersterblichkeit kein Tabu sein.

    Jedenfalls müssten diejenigen, die diese offiziellen Zahlen aus England nicht als Hinweis dafür anerkennen, dass die Impfung zur Übersterblichkeit beigetragen haben könnte, der Öffentlichkeit wissenschaftlich fundiert und glaubhaft darlegen, wie sie die deutlich höhere Nicht-Covid-19-Sterblichkeit bei den Geimpften erklären, insbesondere in Hinblick auf den offensichtlichen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Impfkampagne und der höheren Sterblichkeit.

    Es gibt historische Vorbilder für die heutige Situation: Im Jahr 1999 wurde der Rotashield-Impfstoff nicht mehr zum Schutz vor Rotavirus-Infektionen empfohlen, nachdem bei 15 Kindern eine Darmeinstülpung festgestellt worden war. Alle Kinder erholten sich. Der Hersteller stellte freiwillig den weiteren Vertrieb des Impfstoffs ein.

    Die Daten zur Nicht-Covid-19-Sterblichkeit aus England deuten darauf hin, dass die Covid-19-Impfstoffe zu der Übersterblichkeit seit 2021 beigetragen haben könnten. Die Impfstoffe werden jedoch in zahlreichen Ländern weiterhin eingesetzt. Deshalb ist es aus meiner Sicht geboten, den Nutzen und die Risiken der Covid-19-Impfstoffe neu zu bewerten.

    Günter Kampf ist Sachbuchautor, selbstständiger Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin in Hamburg sowie außerplanmäßiger Professor für Hygiene und Umweltmedizin an der Universität Greifswald. Er hat mehr als 250 wissenschaftliche Artikel, 44 Buchkapitel sowie zwölf Fachbücher veröffentlicht, unter anderem „Pandemiemanagement auf dem Prüfstand – Impfpflicht“.

    Das ist ein Beitrag, der im Rahmen unserer Open-Source-Initiative eingereicht wurde. Mit Open Source gibt der Berliner Verlag allen Interessierten die Möglichkeit, Texte mit inhaltlicher Relevanz und professionellen Qualitätsstandards anzubieten. Ausgewählte Beiträge werden veröffentlicht und honoriert.

    Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz (CC BY-NC-ND 4.0).

    #covid-19 #vaccination #iatrocratie

  • Das Gesicht als Dauerbaustelle : Erfahrungen einer Frau im Zeitalter der ästhetischen Medizin
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/das-gesicht-als-dauerbaustelle-erfahrungen-einer-frau-im-zeitalter-

    La chirurgie dite esthétique est la folie raisonnable des femmes bien sur tout rapport. C’est une auto-flagellation hériditaire. Témoignage peu autocritique.

    31.8.2024 von Karina John - Bereits meine Mutter versuchte ihr Äußeres zu optimieren, ich eiferte ihr nach. Meine Erfahrungen mit der Schönheitsindustrie sind allerdings ambivalent.

    Dies ist ein Open-Source-Beitrag. Der Berliner Verlag gibt allen Interessierten die Möglichkeit, Texte mit inhaltlicher Relevanz und professionellen Qualitätsstandards anzubieten.

    Schon als Mädchen, mit etwa zwölf Jahren, entwickelte ich Anfang der 1980er ein feines Gespür für Schönheit und Ästhetik – ein Umstand, den ich meiner Mutter verdanke. Ihre gewissenhafte Hautpflege war für mich stets ein Vorbild. Letztendlich haben sich ihre Mühen auch gelohnt, denn bis zu ihrem Tod im Alter von 80 Jahren bewahrte sie sich ihre junge Erscheinung und nahezu faltenfreie Haut. Dies erreichte sie in einer Zeit, in der die Schönheitsindustrie bei weitem noch nicht die Möglichkeiten bot, wie wir sie heute kennen.

    Ich erinnere mich noch genau an die Produkte, die sie verwendete: ein bekanntes Hautöl, eine passende Creme der gleichnamigen Marke und Kapseln zum Einnehmen zur Hautverjüngung, alles aus der Apotheke. In den 1970er- und 1980er-Jahren war dies das Maximum, das den Schönheitssüchtigen zur Verfügung stand. Operative Eingriffe waren unerschwinglich und oft mit einem gesellschaftlichen Stigma behaftet. Man sprach einfach nicht darüber – wer wollte schon zugeben, dass man sich aus kosmetischen Gründen unters Messer legte? Trotz ihrer attraktiven Erscheinung war meine Mutter zeit ihres Lebens unzufrieden mit ihrem Äußeren und kämpfte gegen die Zeichen des Alterns an.

    Mit der Zornesfalte ging es los

    Ich selbst eiferte ihr nach, hatte allerdings ganz andere Möglichkeiten als meine Mutter. Bereits Anfang 20 experimentierte ich mit verschiedenen Cremes und Seren, um mein Äußeres zu optimieren. Doch mit 35 Jahren war es meine Zornesfalte, die mich schließlich dazu brachte, den Gang zur Hautärztin zu wagen. Die Zeiten hatten sich geändert: Botox und andere minimalinvasive Behandlungen waren längst nicht mehr nur den Reichen und Prominenten vorbehalten. Die Verabreichung der Injektion dauerte nur wenige Minuten, und das Ergebnis überzeugte mich. Binnen weniger Tage verschwand die unliebsame Falte, die Muskulatur zwischen meinen Augen entspannte sich und die Haut sah wunderbar glatt aus.

    Doch die Wirkung hielt nicht ewig. Nach etwa sechs Monaten war es wieder so weit, und ich suchte erneut die Dermatologin meines Vertrauens auf. Damals ahnte ich nicht, dass ich damit eine Spirale in Gang setzen würde, die mein Gesicht gewissermaßen zur Dauerbaustelle machen sollte.

    Es blieb nicht bei der einen Zornesfalte, ich entdeckte immer neue Veränderungen im Gesicht, die ich möglichst rasch eliminieren wollte. Im Laufe der Jahre kamen weitere Behandlungen hinzu: Hyaluronsäure-Unterspritzungen, Botox für Stirn und Hals und schließlich, zu meinem 50. Geburtstag im Jahr 2021, ein Mini-Facelift.

    Mit der Zeit änderte sich jedoch meine Einstellung. Heute sehe ich diese Eingriffe kritischer – nicht zuletzt, weil ich Lehrgeld bezahlt habe. So wusste ich zu Anfang nicht, dass das Injizieren von Filler in das Fältchen über der Oberlippe diese insgesamt vergrößern kann. Erst nach weiteren Behandlungen fiel mir auf, dass mich langsam, aber sicher mit jeder neuen Unterspritzung ein sogenannter Entenschnabel entstellte. Optisch gesehen kann man sich das so vorstellen, dass sich die obere Lippe sehr prominent über die Unterlippe legte. So wollte ich auf jeden Fall nicht aussehen, und so beschloss ich, diese Art von Anwendung zu vermeiden. Da sich das Hyaluron kontinuierlich wieder abbaute, erlangte ich nach mehreren Monaten wieder einen natürlichen Look.

    Aus Erfahrung wird man bekanntlich klug, und ich habe gelernt, wie wichtig die sorgfältige Auswahl des Arztes oder Behandlers ist. Für viele Ärzte sind minimalinvasive Beauty-Behandlungen eine lukrative Zusatzeinnahmequelle, doch unglücklicherweise leidet darunter oftmals die Ästhetik. Denn hier und da etwas Hyaluron zu spritzen, reicht eben nicht aus. Allzu oft führt das Ergebnis zu maskenhaften Gesichtern.

    Erst kürzlich begegnete ich einer alten Bekannten, die ich schon länger nicht mehr gesehen hatte und die mir auf den ersten Blick seltsam verändert vorkam. Stolz erzählte sie von ihren Eingriffen, doch ihre aufgespritzten und pigmentierten Lippen passten überhaupt nicht zu ihrem Typ. Ich fragte mich, ob sie überhaupt eine Beratung erhalten hatte und ob niemand ihr gesagt hatte, dass das Ergebnis bizarr wirken könnte.

    Gleichzeitig war ich froh, dass ich nicht so aussah und ich aus meinen Fehlern rechtzeitig meine Lehren zog. Nicht jedes Fältchen muss mit Hyaluron aufgepolstert werden, denn das lässt das Gesicht im Laufe der Zeit nur voluminöser erscheinen.
    Gesundheitliche Gefahren

    Zugleich gibt es natürlich nicht nur ästhetische, sondern auch gesundheitliche Gefahren. Ein erfahrener Beauty-Doc nimmt sich Zeit, klärt über Risiken auf und weiß genau, was machbar ist und wie das Resultat aussehen wird. Denn auch bei scheinbar harmlosen Eingriffen, wie Hyaluron-Injektionen, kann einiges schiefgehen. So gelangt im schlimmsten Fall das injizierte Hyaluron-Gel versehentlich in ein Blutgefäß, was ernsthafte Komplikationen wie Durchblutungsstörungen, Nekrosen oder sogar Erblindung zur Folge haben kann.

    Während ich unaufhörlich älter werde und bald meinen 53 Geburtstag feiere, weiß ich, dass ich meiner Optik auch weiterhin ein wenig nachhelfen werde – schließlich ist mein Gesicht zu einer Dauerbaustelle geworden. Außerdem freue ich mich über die Komplimente für mein frisches Äußeres. Insbesondere wenn eine 25-jährige Frau mich für 40 hält, fühle ich mich geschmeichelt.

    Doch wer weiß: Vielleicht kommt irgendwann auch der Tag, an dem ich mir sage: „Es ist in Ordnung, jetzt lasse ich der Zeit einfach ihren Lauf und stehe dazu, dass ich eine reife Frau bin – und das darf man auch sehen.“

    Karina John ist nebenberufliche Autorin mit Fokus auf Ratgebertexte, Mode und Schönheit sowie auf zeitgeschichtliche Schwerpunkte .

    #iatrocratie

  • Alt geworden, isoliert, empathielos – woran scheitert die Friedensbewegung ?
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/altgeworden-isoliert-empathielos-woran-scheitert-die-friedensbewegu

    Pourquoi vie-t-on le déclin du mouvement pour la paix ? Cet article est le témoignage d’ancien membre du mouvement qui a marqué l’histoire de l’Allemagne de l’Ouest et constitue le point de départ du parti vert depuis mué en acteur politique belliciste.

    C’est très intéressant quoique incomplet. L’auteur néglige l’impact des mesures prises par le pouvoir depuis 2014 et avant afin d’étouffer l’opposition ouverte à sa politique agressive. Sa vue sur l’e développement intérieur du mouvement par contre est sans doute juste. Il est composé de vieux épuisés.

    1.9.2024 von Hans-Joachim Olczyk - Heute vor 85 Jahren begann der Zweite Weltkrieg. Unser Autor war auf vielen Anti-Kriegs-Demos. In einem persönlichen Rückblick analysiert er den heutigen Niedergang der Friedensbewegung.

    Heute jährt sich der Beginn des Zweiten Weltkriegs zum 85. Mal. Über Jahre hinweg war ich selbst aktiv in der Friedensbewegung in Bremen und Oldenburg. Ich war immer dabei, am 01. September oder bei den Ostermärschen.

    Am 01. September 1982, auf dem Höhepunkt der Friedensbewegung gegen die Stationierung neuer Mittelstreckenraketen vom Typ Pershing II waren die Plätze voll und die Reden laut. Es gab eine vielfältige Massenbewegung.

    Der völkerrechtswidrige Einmarsch von Putins Armee in die Ukraine hätte ein Fanal werden können für die Friedensbewegung in Deutschland. Doch in den vergangenen 30 Monaten hat es die deutsche Friedensbewegung nicht geschafft, größere Aktivitäten auf die Beine zu stellen. Der politische Niedergang scheint besiegelt.

    Aus meiner Sicht gibt es verschiedene Ursachen:

    Die Friedensbewegung ist eine alt gewordene, analoge Bewegung in einer zunehmend digitalisierten Welt. Die Bezeichnung „alt geworden“ ist dabei wörtlich zu nehmen: In den Friedenszusammenhängen wird allenthalben darüber lamentiert, dass die Jugend sich für das Thema Frieden nicht interessiere. In den Friedensgruppen und auf den Friedensveranstaltungen, die ich besuche, ist das Durchschnittsalter deutlich über 60 Jahre. Diese alt gewordene Bewegung ist weder analog noch digital gut vernetzt; es fehlt ein organisierendes Zentrum und eine zentrale gemeinsame Positionierung.

    Dazu kommt die fehlende Anbindung der Friedensbewegung in den Parteien. Hatte die Friedensbewegung der 80er-Jahre noch eine klare Verankerung im linksbürgerlichen politischen Spektrum – also im rotgrünen Lager – so wird heute oft das Argument bemüht, dass die Grünen und die SPD eben zu den Bellizisten gehörten, und daher die Politik nur schwer erreichbar sei.

    Entscheidend für die Isolation der Friedensbewegung ist aus meiner Sicht aber ihre ambivalente Grundhaltung gegenüber der russischen Aggression: Natürlich wird der Angriffskrieg abgelehnt. Aber gleichzeitig gibt es Verständnis für eine angeblich notwendige Widerständigkeit der Russischen Föderation gegen den Dominanzanspruch des westlichen Kapitalismus. Und der Völkerrechtsbruch wird oftmals wegrelativiert mit einem Verweis auf die schlimmeren Völkerrechtsbrüche von USA und Nato.

    In den 1980er-Jahren wurden die Menschen mobilisiert mit der Feststellung: Der Atomtod bedroht uns alle. Keine Atomraketen in Europa. Der Appell richtete sich ausschließlich an die Bundesregierung, die die Zustimmung zur Stationierung neuer Raketen zurückziehen sollte. Es war eine bewusste Entscheidung, keine Forderung an die UdSSR zu stellen. Das war damals richtig, denn es gab objektiv keine Bedrohungssituation. Dies konnten wir zweifelnden Bürgerinnen und Bürgern am Infostand mit Zahlen, Daten und Fakten erläutern und begreiflich machen. Wir mussten dazu viel lernen – nicht nur Zahlen, Daten und Fakten. Sondern auch erklären, warum neue Raketen keine Lösung sind.

    30.03.2024: Der traditionelle Berliner Ostermarsch.epd/imago

    Fehlende Empathie

    Seit dem Angriff von Putins Armee auf die Ukraine hätte die zentrale Forderung sein müssen: Putin go home. Dass darauf nicht lautstark gepocht wurde, ist der zentrale Fehler, den die Friedensbewegung nun gemacht hat. Sie fordert nichts vom Angreifer. Sie blendet bis heute die Situation in der Ukraine aus: Angriffe auf die zivile Infrastruktur, Angriffe auf Wohngebiete. Die Friedensbewegung ignoriert auch die innenpolitische Situation in der Russischen Föderation: Die Unterdrückung der Proteste gegen den Krieg in der Ukraine genauso wie die Gesetze, die verbieten, einen Krieg auch so zu nennen.

    Ich würde inzwischen sogar sagen: Der heutigen Friedensbewegung fehlt es schlicht an Empathie. So richtig es Anfang der 80er-Jahre war, keine Forderungen an die sowjetische Regierung zu stellen, so falsch war es nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine, sich nicht konsequent auf die Seite der Ukraine zu stellen. Gleich nach dem Einmarsch der russischen Armee gab es in der Friedensbewegung lange und ausführliche Erklärungen, warum es zu diesem Einmarsch kommen musste: Die Einkreisung der Russischen Föderation durch die Nato ist dabei das Hauptthema. Ein völkerrechtswidriger Angriff wurde und wird so letztendlich oft zwischen den Zeilen auch legitimiert.

    Ich habe mich an vielen internen Debatten beteiligt. Eine Diskussion ist mir besonders im Gedächtnis geblieben. Dort fielen Sätze wie: „Da werden sie dann im Fernsehen jetzt wieder Fotos zeigen mit toten Kindern“. Erst dachte ich, ich hätte mich verhört. Aber der Satz war so gefallen und er sollte ein Argument untermauern, das den ganzen Abend über schon im Raum war: Der Angriffskrieg der russischen Föderation, auf den ausdrücklichen Befehl von Putin, würde in den deutschen Medien als etwas Schreckliches dargestellt werden, um Stimmung zu machen gegen „die Russen“, die sich mit dem Angriffskrieg nur verteidigen würden gegen einen aggressiven Westen.

    Ich finde, hier zeigt sich deutlich die fehlende Empathie für die Opfer in der Ukraine. Ich bemerkte das auch anhand der ausbleibenden Reaktion auf den mutmaßlich russischen Angriff auf das Kiewer Kinderkrankenhaus im Juli 2024. Da war keine Stellungnahme in irgendeiner Form zu finden. Wer es nicht schafft, den Aggressor als solchen zu benennen, und ihn aufzufordern, nach Haus zu gehen, wird niemanden überzeugen können, auf die Straße zu gehen.

    Hans-Joachim Olczyk (Jahrgang 1961) ist seit seinem 15. Lebensjahr politisch aktiv. Er versteht seine Publikationstätigkeit als Beitrag zur demokratischen Diskussionskultur.

    #Allemagne #mouvement_pour_la_paix #pacifisme #politique