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    2.3.2001 Text: konrad lischka aus De:Bug 45 - Mit der digitalen Revolution wurde ein Zusammenwachsen von Politik und Internet herbei geträumt. 1994 wurde die Vision mit der Digitalen Stadt Amsterdam (DDS) konkret. Das Projekt wurde damals als wegweisend gefeiert - heute steht es vor dem aus.

    Die Straßen leer, die Geschäfte geschlossen
    Das Projekt Digitale Stadt Amsterdam

    Ein Forum wie seinerzeit in der Polis sollte im Netz entstehen. Damals, im Januar 1994 wurde in Amsterdam “De Digitale Stad” (DDS) gegründet. Von der Stadtregierung gefördert, von Graswurzel-Aktivisten organisiert, sollte das Projekt in den zehn Wochen vor der Stadtratswahl Politiker und Bürger in virtuellen Diskussionsräumen zusammenbringen und durch öffentliche Terminals einen demokratischen Zugang zu neuen Kommunikationsmitteln schaffen. Die Digitale Stadt hatte nach den ersten Wochen 10 000 aktive Bürger – das Projekt wurde fortgesetzt. Die Visionen wuchsen mit den Nutzerzahlen. “Die Welt kann von den Holländern lernen, geographische und virtuelle Gemeinschaften eng zu verknüpfen”, jubelte der Publizist Howard Rheingold. Marleen Stikker, die erste Bürgermeisterin der Digitalen Stadt glaubte gar: “Jeder ist gleich im Netz. Man trifft Menschen, die man sonst nie gesehen hätte.”
    Heute steht die Digitale Stadt vor dem Aus. Am 15. Februar werden die Bürger in einer Generalversammlung über die Zukunft des inzwischen privatwirtschaftlich organisierten, jedoch nach ökonomischen Kriterien erfolglosen Projekts entscheiden. Die Entwicklung der Digitalen Stadt ist eine pointierte Geschichte des Internets, der Ignoranz und des Ringens um Definitionsmacht von Politik, Wirtschaft und Nutzern.

    Am Anfang waren die Hacker
    Die niederländische Gruppe Hacktic Netwerk und das soziokulturelle Zentrum De Balie in Amsterdam gründeten Anfang 1994 die Digitale Stadt als ein textbasiertes Mailboxsystem. Die Menschen sollten diskutieren, untereinander und mit ihren zu wählenden Vertretern. Man konnte online Dokumente der Stadtverwaltung abrufen und Anfragen nach spezifischen Informationen abschicken. Das wesentliche Ziel der Initiative war aber ein Zugang zum Internet für die breite Bevölkerung. Modems für Computer waren 1994 noch so wenig verbreitet, dass man vor allem auf öffentliche Terminals in Bibliotheken und Kulturzentren setzte. Als sich das wenig später änderte, waren die hohen Kosten für private Internetzugänge eine neue Hürde. Internetzugang und Email-Adresse waren und sind bei der Digitalen Stadt kostenlos. Hacktic Netwerk gründete noch 1994 einen reinen Internetprovider mit dem programmatischen Namen XS4ALL. Die anfängliche staatliche Unterstützung von Stadt und Wirtschaftsministerium für die Digitale Stadt war bei den Initiatoren dabei durchaus willkommen. Der Journalist Geert Lovink und der Aktivist Patrice Riemens sprachen von einem “Nachfolger des öffentlichen Sendesystems” als Antwort auf die Frage, wem letztlich der neue mediale Raum gehört und wer nicht-kommerzielle Kultur garantiere.

    Dann kamen die User
    Die Digitale Stadt profitierte vom ersten Internet-Hype, den sie in Holland sicher auch stimulierte. Die Anzahl registrierter Nutzer wuchs auf 48 000 im Mai 1996, dann auf 80 000 im Mai 1998. Die schließlich wegfallende staatliche Unterstützung wurde nicht allzu schmerzlich vermisst, da die geldbringenden Aktivitäten, wie die Unterstützung kleiner Unternehmen beim Internetauftritt, das kostenlose Angebot quersubventionierten. Die Digitale Stadt war also ein Erfolg, den Nutzerzahlen zufolge. Aber Metapher der Stadt blieb letztlich auf die Wiedererrichtung bekannter Strukturen beschränkt. In der Digitalen Stadt können Besucher auf thematischen Boulevards spazieren und bei entsprechenden Läden oder Informationsangeboten vorbeischauen.

    Preaching to the Converted
    Auch die politischen Strukturen stagnierten. Schon 1995 beklagte die damalige Bürgermeisterin Marleen Stikker: “Die Aktivität der Politiker ist nicht überwältigend. Es fehlt nicht an gutem Willen von uns, sie sind einfach etwas schüchtern, was das neue Medium angeht.” Hier irrte Stikker. Die allmonatliche Teilnahme an einer Diskussion wie dem Format “Question Time” in der Digitalen Stadt entspricht nicht der Idee eines Forums, sondern vielmehr den seit Jahrzehnten bekannten Abenden im Ortverein. Und ein alternativer Gestus in Politik und Kultur hingegen war insgesamt der Stil der Digitalen Stadt. In den elektronischen Foren diskutierten allein Gleichgesinnte über lokale Themen wie die Initiative “autofreies Amsterdam”, die Vergrößerung des Flughafens Schipol und ähnliches. Auch wenn Rop Gonggrijp, der Gründer von Hacktic darauf beharrt: “DDS war ein politischer Ort. Die Debatte um das Verhältnis von Internet zu Wirtschaft, Politik und Gesellschaft wurde hier und in den Foren von XS4ALL geführt.” Sicher. Die Frage ist nur, von wem?
    Reinder Rustema, der Sprecher der heutigen Bewegung zur Rettung der Digitalen Stadt räumt ein: “In DDS haben sich Leute gefunden und organisiert. Politik im Sinne eines Dialoges mit Politikern gab es aber nicht. Die Leute wollten nicht und die Politiker nahmen es nicht ernst und waren nicht präsent.”

    Auf dem Markt
    Dass der ursprüngliche Zustand einer Gesellschaft nicht die Demokratie, sondern der Markt ist, zeigt sich natürlich in politisch nicht definierten Räumen. Die Digitale Stadt existierte im politischen und wirtschaftlichen Raum als Stiftung. Der öffentliche Raum wurde mit auf dem Markt verdientem Geld geschützt. 1997 erwirtschaftete die Digitale Stadt einen Umsatz von einer halben Million Dollar und beschäftigte 25 Angestellte. Dass im März 2000 die Organisationsform in eine privatwirtschaftliche umgewandelt wurde, war letztlich eine Formalität. Direktor Joost Flint und sein Partner Chris Göbel waren schon zuvor Unternehmensführer gewesen. Sie verpflichteten sich im Vertrag zu einer Fortführung der bisherigen kosten- und gewinnlosen Angebote und verteilten die Geschäftsbereiche der Digitalen Stadt auf vier Tochterfirmen: DDS City für die eigentliche, verlustbringende Digitale Stadt, DDS Ventures für Bildungsangebote, DDS Services für die Technik und DDS Projects für das Gestalten von kommerziellen Seiten im Internet. DDS Ventures haben Flint und Göbel im Oktober an den niederländischen Verlag Malmberg verkauft, im November wurde das britische Unternehmen Energis Eigentümer von DDS Services.
    Mit den Gewinnen von DDS Projects ist die Digitale Stadt offenbar nicht zu finanzieren. Patrice Riemens: “Die Idee, die Digitale Stadt durch den dotcom-Wahn querzusubventionieren war nicht schlecht, aber sie hat nicht funktioniert.”
    Ende vergangenen Jahres wurde die Nachrichtenredaktion der Digitalen Stadt aufgelöst. Dann folgten Gerüchte und Anfang Januar sagte DDS-Eigentümer Joost Flint schließlich einem niederländischen Computermagazin: “Die Digitale Stadt zu schließen, ist eine realistische Option.”

    Neue Hoffnung
    Seit einem Beitrag von Reinder Rustemas in einem Internet- Newsforum am 19. Dezember gibt es neue Hoffnung für die Digitale Stadt. Rustemas fragte, warum nicht die Bewohner ihre Stadt übernehmen. Inzwischen hat die “viodds” – Vereniging in oprichting de Digitale Stad – 400 Mitglieder. 125 diskutieren regelmäßig, 30 haben konkrete Aufgaben übernommen. Am 15. Februar sollen bei einer Generalversammlung der Mitglieder in Amsterdam neue Organisationsstrukturen beschlossen und Verantwortliche gewählt werden. Wahrscheinlich in Form eines Vereins wird die “viodds” dann offizielle Verhandlungen mit den jetzigen Eigentümern der Digitalen Stadt aufnehmen können. Die haben über ihre Absichten nicht viel verlauten lassen, außer dass sie mit der Digitalen Stadt nicht tolerierbare Verluste machen. Patrice Riemens schlussfolgert aus der Entwicklung: “Es gibt heute genügend kostenlose Anbieter von Internet-Dienstleistungen, und doch muss man sie bezahlen: Mit seiner Privatsphäre etwa. Man wird mit Werbung überschüttet, die Nutzung des Internets wird protokolliert und persönliche Daten möglicherweise weiterverkauft. Wenige, aber bewusste und aktive Mitglieder täten der Digitalen Stadt gut.”

    De Digitale Stad
    https://nl.wikipedia.org/wiki/De_Digitale_Stad

    De Digitale Stad (DDS) was een Nederlands Freenet, dat op 15 januari 1994 van start ging in de gemeente Amsterdam.

    #internet #histoire #urbanisme