Wider besseres Wissen (Tageszeitung junge Welt)

/388954.handelsbeziehungen-wider-bessere

  • Wider besseres Wissen (Tageszeitung junge Welt)
    https://www.jungewelt.de/artikel/388954.handelsbeziehungen-wider-besseres-wissen.html

    Voici une analyse détaillée du dématèlement de l’économie est-allemande à partie de 1990. On n’a que rarement l’occasion de lire des textes d’une qualité comparable. On apprend deux choses :
    1. L’industrie de l’Allemagen de l’Est était très moderne et mieux adaptée aux besoins des marchés de l’Europe de l’Est que les entreprises en #RFA.
    2. Les nouveaux dirigeants venus de l’Ouest furent incapables de comprendre se contexte, alors ils ne prenaient pas de décisions permettant une transformation des entreprises modernes et leur adaptation au monde de la concurrence capitaliste.

    23.10.2020 von Jörg Roesler - Vor rund 30 Jahren schlossen die BRD und die UdSSR den »deutsch-sowjetischen Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit«. Das ergänzende Wirtschaftsabkommen ging auf Kosten des Osthandels der DDR-Betriebe.

    Am 9. November 1990 wurde zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR der »Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit«, kurz Partnerschaftsvertrag, geschlossen. Bei diesem Abkommen handelte es sich – in der Sprache der Diplomatie – um einen Generalvertrag, dem eine Reihe von Einzelverträgen zugeordnet war. Diese regelten unter anderem die zeitliche Begrenzung der Stationierung sowjetischer Truppen im Osten Deutschlands, die Zusammenarbeit mit der sowjetischen Regierung im Bereich Rechtshilfe, Kriegsgräber- und Denkmalpflege sowie die Neugestaltung des Außenhandels zwischen beiden Vertragsstaaten. Am selben Tag wurde der »Vertrag über die Entwicklung einer umfassenden Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wirtschaft, Industrie, Wissenschaft und Technik« unterzeichnet – eines von mehreren Folgeabkommen, die notwendig wurden, nachdem Bundeskanzler Helmut Kohl und DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière die Verträge zur »Vereinigung« beider deutscher Staaten im Juli 1990 unterzeichnet und Anfang Oktober in Kraft gesetzt hatten.

    Die Vertragspartner gaben sich einige Mühe, die Bevölkerung über die Bedeutung der Verträge zu informieren und diese in der Öffentlichkeit populär zu machen: Der Bundeskanzler empfing den sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow feierlich in Bonn. Beide Staatsmänner versicherten, dass der »Generalvertrag« die »Epoche der Konfrontation« zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion beenden und eine neue Ära in den bilateralen Beziehungen beider Staaten einleiten würde. Die deutsch-sowjetische Zusammenarbeit sei zu intensivieren und weiter auszugestalten.
    Einspruch der Experten

    Die bundesdeutsche Politik und die Presse stimmten bezüglich der erzielten Abkommen Lobeshymnen an, auch auf die zur Wirtschaftskooperation getroffenen Vereinbarungen. Der DDR-Außenhandel mit der Sowjetunion – so wurden die »alten« und die »neuen« Bundesbürger informiert – sei bis Ende der 1980er Jahre zwar bedeutend und vom Umfang her so groß wie der mit der Bundesrepublik gewesen. Allerdings habe er unter systembedingten Beschränkungen gelitten. Diese hätten sich daraus ergeben, dass die SED-Wirtschaftsführung »keinen Überblick über die wirklichen kurz-, mittel- und langfristigen Kosten« und somit »keine rationale Basis für die Teilnahme am internationalen Handel« gehabt habe. Im Zweifelsfalle habe sie sich daher »vermutlich immer für die Eigenproduktion entschieden«.¹

    Mit anderen Worten, die Möglichkeiten, die der internationale Handel bot, seien im Warenaustausch der DDR mit der UdSSR nie ausgeschöpft worden. Diese Zeiten seien nunmehr als Ergebnis der Einführung der Marktwirtschaft bundesdeutschen Typs auf dem Gebiet der DDR und dank Perestroika auch in der Sowjetunion vorbei. Das deutsch-sowjetische Handelsabkommen ermögliche nunmehr auch den Betrieben Ostdeutschlands, von den Vorzügen des Freihandels mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) ungehindert Gebrauch zu machen. Auf bisher aus planwirtschaftlichen bzw. politischen Gründen verordnete Aus- und Einfuhren könnten die ostdeutschen Betriebe nunmehr zugunsten gewinnorientierten Austauschs verzichten. Ostexporte unter diesen neuen Bedingungen würden dann zur generellen Stabilisierung und zum Aufschwung auch der ostdeutschen Wirtschaft beitragen.

    Diese Auffassungen über die Chancen der ehemaligen DDR-Unternehmen, deren Handel mit den Staaten Osteuropas entsprechend den neuen vertraglichen Regelungen nun nicht mehr durch den Staat bevormundet werde, teilten jedoch nicht alle Wirtschafts- und Handelsexperten der Bundesrepublik. Einspruch kam von Mitarbeitern des in Westberlin angesiedelten Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und Wissenschaftlern der deutschen Niederlassung des renommierten McKinsey-Instituts aus den USA.

    Was empfahlen DDR- und Ostexperten des DIW wie Doris Cornelsen und Heiner Flassbeck den nun bundesdeutschen Unternehmen?² Die Vorschläge des DIW waren nicht von ideologischen Grundsätzen bestimmt, sondern orientierten sich an überprüfbaren Tatsachen. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen war die Branchenstruktur des DDR-Osthandels. Im Unterschied zur im Westen weit verbreiteten Auffassung, dass Staaten mit Planwirtschaft vor allem binnenwirtschaftlich orientiert waren, habe der Außenhandel in der DDR eine große Rolle gespielt. So wurde etwa im Jahr 1987 ein Sechstel der Gesamtproduktion der DDR exportiert. Mehr als ein Drittel der im Lande produzierten elektronischen Erzeugnisse, der Grundchemikalien, der Textilien, Konfektions- und Lederwaren fanden im Ausland ihren Absatz. Bei Maschinen und Ausrüstungen, Metallwaren, Glas- und Feinkeramik lag die Exportquote sogar bei über 25 Prozent. Wie bei einem hochentwickelten Industrieland zu erwarten, waren die Importe der DDR eher grundstofforientiert. Bezogen auf die inländische Produktion waren die Importe besonders hoch bei Erdöl und Erdölprodukten (68 Prozent) sowie bei Eisen und Stahl (44 Prozent). Derartige Importe konnten in großem Maßstab aus den osteuropäischen Ländern, vor allem der Sowjetunion und Polen, der Tschechoslowakei sowie Ungarn, bezogen werden. Diese Ausrichtung des DDR-Außenhandels rechnete sich. Im Durchschnitt, so hatten die Ostexperten des DIW in ihren Analysen festgestellt, deckten die Ostexporte in die Länder des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) die betrieblichen Produktionskosten plus die Gewinne, also die »Abführungen an den Staat«.

    Rentabilität war somit laut den DIW-Experten im Osthandel gegeben. Dementsprechend war er, auch in Zeiten, als der Kalte Krieg und damit der Wirtschaftskrieg zwischen Ost und West nachließ, weiter ausgebaut worden. Ende der 1980er Jahre hatte für die Industriezweige des Stahl-, Maschinen- und Fahrzeugbaus und der Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik in der DDR der Absatz in den sozialistischen Ländern eine drei- bis viermal so große Bedeutung wie der Absatz in den westlichen Industriestaaten. Die Experten des DIW, die ein Verfahren entwickelt hatten, wie man die Rentabilität des Handels der DDR mit den sozialistischen und den nichtsozialistischen Ländern vergleichbar machen konnte, hatten auf dieser Grundlage für das Ende der 1980er Jahre ermittelt, dass »im Handel mit dem sozialistischen Ausland insbesondere in den Industriezweigen der Elektrotechnik, Feinmechanik, Optik vergleichsweise hohe Stückerlöse erzielt« wurden. Sie waren – ausgehend von ihren eigenen Berechnungen – zuversichtlich, dass dies grundsätzlich auch nach der Währungsumstellung von DDR-Mark auf BRD-Mark so bleiben würde.
    Selbst McKinsey warnt

    Wie aber sahen Experten von anderen Forschungsinstituten die Chancen für die Betriebe der DDR unter den veränderten Bedingungen für den Handel mit den osteuropäischen Staaten im Herbst 1990? Was empfahl zum Beispiel die in Düsseldorf angesiedelte US-Beratungsfirma McKinsey der Bundesregierung und dem bundesdeutschen Management? Die Experten von McKinsey rieten wie die Experten vom DIW von einer totalen Neugestaltung des Osthandels der DDR-Betriebe ab. Sie plädierten in einer Studie³ ebenso für die Beibehaltung und den Ausbau des Handels der ostdeutschen Betriebe mit der Sowjetunion und den anderen Ländern des RGW, und zwar aus folgenden Gründen: »Die Ostmärkte, dabei insbesondere der Markt der UdSSR, sind unter mehreren Aspekten für die Entwicklung der neuen Länder von zentraler Bedeutung: Das bisherige DDR-Angebot ist in vielen Bereichen auf diese Nachfrage spezialisiert und kann sie ohne größere Investitionen mit bestehenden Produktionsanlagen bedienen. Die zumindest teilweise Aufrechterhaltung dieser Geschäfte stellt für viele Unternehmen eine Grundvoraussetzung dafür dar, dass sie den Übergang (in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) schaffen können.«

    Die deutsche Niederlassung von McKinsey plädierte darüber hinaus für die Unterstützung von Exporten in den RGW-Raum durch die Bundesregierung, um so »mittel- bis langfristig Handelsbeziehungen auf paritätischer Basis zu stärken.« Zur Stabilisierung des für die weitere Entwicklung der ostdeutschen Wirtschaftsunternehmen so wichtigen Osthandels, argumentierte McKinsey weiter, »ließen sich möglicherweise deutsch-russische Mischgesellschaften konzipieren, die eine wichtige Katalysatorrolle zwischen den Ländern einnehmen und die langfristige Wirtschaftsentwicklung stärken«. Die neuen Bundesländer würden so zum »Marktplatz und ›Training Center‹ des Ostens«.

    Doch eine solche Unterstützung für die DDR-Betriebe sahen die wirtschaftlichen Aspekte des deutsch-sowjetischen Partnerschaftsvertrages prinzipiell nicht vor. Die Bonner Politiker, auch diejenigen, die nunmehr für den Osthandel zuständig waren, und die die Verantwortung für die Gestaltung der Rahmenbedingungen des Handels der ostdeutschen Betriebe mit der Sowjetunion übernommen hatten, waren offensichtlich völlig überzeugt davon, dass der Markt »es schon richten würde«, wenn nur die den Warenaustausch angeblich bevormundenden und beschränkenden Planvorgaben der DDR-Regierung wegfallen würden.

    Diese ideologisch verblendeten Vorstellungen waren typisch für die Berater der Bundesregierung. Sie unterschätzten im Unterschied zu den angeführten Experten von McKinsey und vom DIW die neuen Probleme für den Handel der Ex-DDR-Betriebe. McKinsey hat diese in ihrer Studie so beschrieben: »Der Export in den RGW-Raum vollzieht sich nicht mehr innerhalb eines Weichwährungsgebietes mit der Umrechnungswährung Transferrubel. Die Exporte werden in voll kompatibler Hartwährung fakturiert. Sie stoßen damit auf die gleichen Probleme von internationalem Wettbewerb und Devisenverfügbarkeit wie der gesamte West-Ost-Handel.« Der schlagartige Wegfall der bisherigen Abschirmung müsse, so McKinsey, für den ostdeutschen Wirtschaftsraum zu einem Einbruch führen.

    Wovor McKinsey gewarnt hatte, trat tatsächlich ein. Die Berater der Bundesregierung, die die Ratschläge des DIW und des McKinsey-Instituts ignorierten, versagten mit ihren Prognosen hinsichtlich der wirtschaftlichen Aussichten der ostdeutschen Betriebe kläglich. Die Aufhebung des »Weichwährungsgebietes RGW« erschwerte darüber hinaus nicht nur den Export der ostdeutschen Unternehmen nach Osteuropa, sondern brachte auch für die Sowjetunion und die anderen RGW-Länder Devisenprobleme, die sie veranlassten, ihrerseits die Importe von bisher geschätzten DDR-Erzeugnissen, vor allem des Maschinenbaus und der Elektrotechnik, trotz deren hoher Qualität zurückzufahren.

    Angesichts der nackten Tatsachen entschied sich die Bundesregierung dann doch für »Stützungsmaßnahmen für den Export in die Sowjetunion« im Rahmen des »Gemeinschaftswerks Aufschwung Ost«. Zu diesen Maßnahmen gehörte die Verschiebung der völligen Deregulierung des Warenaustauschs Ostdeutschlands mit den Staaten des RGW auf den Beginn des neuen Jahres (1991). Von ihrem Umfang her kamen die Stützmaßnahmen der Bundesregierung jedoch längst nicht an das von den DIW- und McKinsey-Experten vorgeschlagene Regelwerk heran. Dementsprechend blieben positive Ergebnisse der bescheidenen Fördermaßnahmen weitgehend aus.

    Der Osthandel war somit nicht in der Lage, während der schwierigen Phase der Umstellung der ostdeutschen Industrieunternehmen infolge der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion ein Stabilitätsanker zu bleiben. Der Ostabsatz der ehemaligen DDR-Industriebetriebe ging nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zwischen Juli und Dezember 1990 von 48,9 auf 20,2 Millionen DM zurück. Die Bestellungen, die im Juli noch die Produktionskapazitäten der Industrie für die folgenden fünf Monate abgedeckt hatten, verringerten sich bis zum Dezember derart, dass nur noch zwei Monate im voraus abgedeckt waren.

    Das unter dem Dach des deutsch-sowjetischen Abkommens am 11. November 1990 vereinbarte Wirtschaftsabkommen verdient somit die Bezeichnung Partnerschaftsabkommen kaum, jedenfalls nicht was die Interessen Ostdeutschlands und seiner Industriebetriebe, die ihre Produktionsstruktur auf den Handel mit der Sowjetunion, Polen und anderen RGW-Mitgliedsländern ausgerichtet hatten, betraf.
    Alternative schrittweiser Übergang

    Rückblickend betrachtet kann man für die westdeutschen Verhandlungspartner deren Unkenntnis der Funktionsweise der RGW-Wirtschaft und eine daraus resultierende Befangenheit nicht als Entschuldigung gelten lassen. Vorschläge prominenter Wirtschaftsinstitute für die Gestaltung des Ost-West-Handels unter den seit 1990 veränderten Bedingungen lagen vor. Auch hätte ein Blick auf die Assoziationsverträge, die zeitlich parallel zum deutsch-deutschen Abkommen zwischen der EWG einerseits und Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei andererseits ausgehandelt und beschlossen wurden, ihnen zu denken geben müssen: Diese Abkommen hatten auf ökonomischem Gebiet das gleiche Ziel wie der deutsch-russische »Partnerschaftsvertrag« bezüglich des ostdeutschen Außenhandels: die Beseitigung des »Weichhandels« und den Übergang zum Freihandel zwischen den drei Staaten und den EWG-Ländern.

    Als Vorbild für die Vertragsgestaltung mit Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei betrachtete die EWG den »Partnerschaftsvertrag« jedoch nicht. Denn bei den Assoziierungsverträgen ging es nicht, wie im Falle des »Partnerschaftsvertrages« um die Errichtung einer Freihandelszone ad hoc wie auch im Falle der deutschen Währungsunion, sondern um eine stufenweise Einführung des freien Warenverkehrs. In den Bestimmungen zur Liberalisierung des Handels zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und ihren drei osteuropäischen Partnerländern wurden bei der Gestaltung des Ablaufs der Marktöffnung nicht nur die Interessen der EWG, sondern auch die Polens, Ungarns und der Tschechoslowakei berücksichtigt. Die drei Länder, die 1990 etwas mehr als ein Drittel ihres Außenhandels mit der westeuropäischen Wirtschaftsgemeinschaft abwickelten, hatten darauf bestanden, dass nach Vertragsabschluss eine Überschwemmung ihrer nationalen Märkte durch Waren aus den EWG-Ländern verhindert wurde. Für die meisten Handelsgüter gab es dementsprechend zunächst noch keine ungebremste Einfuhr in die osteuropäischen Vertragsländer. Bei einer Reihe von Produkten, wie bei Textilien und Stahl, sahen die Verträge darüber hinaus zunächst noch Mengenbeschränkungen für die Wareneinfuhr aus den EWG-Ländern vor, die die heimischen Industrien in den drei osteuropäischen Partnerländern eine gewisse Zeit schützten. Diese Importquoten wurden erst sukzessive aufgehoben. Dieser ausgehandelte »Liberalisierungsfahrplan« räumte den drei Partnerländern insgesamt vier bis fünf Jahre Zeit ein, ehe sie ihre Märkte den Anbietern aus EWG-Ländern vollständig öffnen mussten. Um die Festlegungen zum Tempo der Aufhebung dieses Handelschutzes, um die zeitlichen Abstände zwischen den einzelnen Liberalisierungsschritten, war zäh gerungen worden.

    Der im Ergebnis dieser Verhandlungen die Interessen beider Seiten berücksichtigende »Liberalisierungsfahrplan«, so schätzten ihn jedenfalls die das Vertragswerk untersuchenden Experten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ein, »räumt den drei Partnerländern vier bis fünf Jahre Zeit ein, ehe sie ihre Märkte den Anbietern aus den EWG-Ländern völlig öffnen müssen«. Diese vertraglich geregelten Beschränkungen für den ungeschützten Warenverkehr, betonte man im DIW, seien unbedingt notwendig, »angesichts des schwierigen Weges, den die drei Länder vor sich haben, um ihre Volkswirtschaften marktwirtschaftlichen Regeln anzupassen«. Entsprechende Sonderbestimmungen hätten wegen der sehr ähnlichen Interessenlage der DDR und ihrer östlichen Nachbarländer auch in den deutsch-sowjetischen »Partnerschaftsvertrag« für den Osthandel der ostdeutschen Betriebe eingebaut werden müssen und auch können. In der Retrospektive waren die vier bis fünf Jahre, die den osteuropäischen Vertragspartnern von der EWG gewährt wurden, genau die Zeit, die der DDR-Wirtschaft für ihre Umstellung auf den westeuropäischen Markt fehlte.
    Gezielte Wirtschaftsschädigung

    Auch das EWG-Mitglied Bundesrepublik Deutschland stimmte im übrigen den drei Assoziierungsverträgen zu. Warum bezog man seitens der Bundesregierung bei der Abfassung des Wirtschaftsvertrages vom 9. November 1990 diese von ihr hinsichtlich der anderen RGW-Länder offensichtlich geteilte Einsicht über die Notwendigkeit behutsamen Vorgehens nicht auch auf die DDR?

    Die Herstellung der Anschlusses an die BRD, über die Kohl und de Maizière seit März 1990 verhandelt hatten, hätte Sonderregelungen im Bereich der zeitweisen Beibehaltung von Zöllen für Industriewaren ostdeutscher Produzenten beim Handel mit osteuropäischen Staaten durchaus vertragen. Das große Ausmaß der wirtschaftlichen Schäden für die ostdeutsche Industrie hätte damit vermieden werden können. Das beweist ein Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung in Ungarn, Polen und der Tschechoslowakei. In keinem der drei Länder brach die Wirtschaftsleistung nach 1990 so stark ein wie in der ehemaligen DDR. Der Treuhandanstalt wäre weniger Anlass gegeben worden, den Umgestaltungsprozess, dem sich die DDR-Betriebe unterziehen mussten, so brutal durchzuführen.

    Beim Aushandeln des am 9. November 1990 unterzeichneten Generalvertrages zwischen der Bundesrepublik und der UdSSR hätte man, damit er die dafür ausgewählte Bezeichnung Partnerschaftsvertrag verdiente, die Interessen der DDR-Wirtschaft, deren historische Prägung durch den RGW-Handel berücksichtigen und den ostdeutschen Betrieben Zeit geben müssen, sich schrittweise auf die neue außenwirtschaftliche Situation einzustellen. Mit anderen Worten, der ostdeutschen Wirtschaft hätte Gelegenheit gegeben werden müssen, wie bei den Verhandlungen Polens, Ungarns und der Tschechoslowakei mit der EWG ihre eigenständigen Interessen quasi als dritten Partner in den Vertrag einzubringen, um ihn damit auch für die Ostdeutschen zu einem Partnerschaftsvertrag zu machen.

    Anmerkungen

    1 Christian Heimann: Systembedingte Ursachen des Niedergangs der DDR-Wirtschaft. Peter Lang-Verlag, Frankfurt a.M. 1997, S. 76

    2 Vgl. unter anderem den Wochenbericht 6/90 des DIW vom 8.2.1990 zur »Reform der Wirtschaftsordnung in der DDR und die Aufgaben der Bundesrepublik«

    3 McKinsey & Co.: Überlegungen zur kurzfristigen Stabilisierung und langfristigen Steigerung der Wirtschaftskraft in den neuen Bundesländern. Düsseldorf 1991

    #crise #DDR #économie #politique #Allemagne