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  • Betriebsräte-Stärkungsgesetz: Auf Druck der CDU/CSU verschoben
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    Im Vertrag der gegenwärtigen CDU/CSU/SPD-Koalition steht: „Wir wollen die Gründung und Wahl von Betriebsräten erweitern.“ Auf Druck der Unternehmerlobbyisten in CDU und CSU wurde das Gesetz auf das Ende der Regierungsperiode verschoben, erstmal.

    SPD-Arbeitsminister Heil, die Aufräumer-Lusche, legte dann auch hier wieder einen lahmen Entwurf vor. Darin war die Vorschrift enthalten: Wenn Beschäftigte im Betrieb ankündigen, einen Betriebsrat bilden zu wollen, sind sie schon während der Vorbereitung der Wahl vor Kündigung geschützt. Das ist eigentlich eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit, oder? Und die Betriebsräte sollten bei der Digitalisierung der Arbeitsplätze mitentscheiden dürfen – gut gemeint, könnte man zugestehen.

    Aber auch das war der unbarmherzigen, christlich lackierten UnternehmerInnen-Lobby zu viel Rechtsstaat. Sie ließen den Gesetzentwurf von der Tagesordnung verschwinden: „Die regierungsinternen Abstimmungen dauern an“ – heißt das in der Verschleierungs-Sprache.

    Nur 1 (ein) Prozent aller Betriebe haben einen Betriebsrat
    Dabei ist das Problem ungleich größer, als der Arbeitsminister und der DGB und die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung (HBS) und auch besonders kritische Initiativen bejammern. Sie beklagen, dass es nur noch in 9 Prozent der Betriebe einen Betriebsrat gebe. Diese Nostalgiker!

    In Wirklichkeit ist es so: In § 1 Betriebsverfassungs-Gesetz (BetrVG) heißt es: „In Betrieben mit in der Regel mindestens 5 ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen 3 wählbar sind, werden Betriebsräte gewählt.“

    Laut Statista Research Department vom 14.2.2020 bestanden in Deutschland im Jahre 2018 insgesamt 7, 816 Millionen Betriebe. Davon ziehen wir die 5,646 Millionen Kleinstbetriebe mit weniger als 10 Beschäftigten ab – sie kommen meist nach BetrVG nicht für einen Betriebsrat infrage, selbst wenn sie fünf und mehr Beschäftigte haben: Weil einige Beschäftigte nur saisonal oder geringfügig beschäftigt sind. Es bleiben also übrig 186.339 Großbetriebe, 792.326 Mittelbetriebe und 1,191 Millionen Kleinbetriebe, die 10 oder mehr Beschäftigte haben. Es kommen also etwa 2,170 Millionen Betriebe infrage, in denen „Betriebsräte gewählt werden“ (können).

    Nach Angaben des DGB wurden bei der letzten turnusmäßigen Betriebsrats-Wahl 2018 nach BetrVG insgesamt 180.000 Beschäftigte als Mitglieder von Betriebsratsgremien gewählt, und zwar in 26.000 Betrieben. [8] Im Verhältnis zu den 2,1 Millionen Betrieben ab 10 Beschäftigten sind dies etwas über 1 Prozent.

    Und das eine Prozent kann korrumpiert und zermürbt werden
    Zudem ist ein nach BetrVG gewählter Betriebsrat längst keine Gewähr mehr für unabhängige und freie Vertretung der Beschäftigten. V.a. in Auto- und Pharmakonzernen und etwa im privatrechtlich verfassten Staatskonzern Deutsche Bahn AG werden BR-Vorsitzende durch hohe Managergehälter korrumpiert.

    Und die hochbezahlte Union-Busting-Branche verhindert reihenweise die Wahl von Betriebsräten und betreibt monate- und jahrelange zermürbende Kündigungsverfahren gegen schon gewählte Betriebsräte. Regierung und Justiz schauen zu, obwohl die Be- und Verhinderung von Betriebsräten nach § 119 BetrVG schon bisher eine Straftat ist, mit der Möglichkeit für Bußgelder und Gefängnisstrafe. Aber diese Straftat steht einsam an der Spitze der nicht verfolgten Straftaten. Das Vollzugsdefizit ist fast so hoch wie beim staatlich nicht verfolgten sexuellen Missbrauch in der (kapital-relevanten) katholischen Kirche. Verbesserung käme also nicht durch ein neues „Stärkungs-Gesetz“, sondern durch eine besser ausgestattete, politisch unterstützte, rechtsstaatlich funktionierende Justiz.