Uǧur Şahin und Özlem Türeci – wer sind unsere „Heilsbringer“ ?

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    Cet article explique pourquoi la fortune des inventeurs du vaccin Biontec est bâti sur la misère de millions d’hommes et de femmes qui ne peuvent pas payer le prix élevé des vaccins protégés par des brevets. Au fond ces miiliardaires ne sont ni Turcs ni Allemands mais simplements des capitalistes et exploiteurs.

    4. Mai 2021 ,von Sedat Kaya - Es gibt nur wenige Dinge, nach denen sich die Menschen seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie so sehr gesehnt haben, wie einen erfolgreichen Impfstoff gegen den Virus. Am 9. November 2020 war es dann soweit: das Mainzer Unternehmen Biontech meldete den weltweit ersten großen Durchbruch in der Forschung für den Impfstoff. Die „Köpfe“ dieser bahnbrechenden Entdeckung: das Forscher- und Ehepaar Uǧur Şahin und Özlem Türeci. Sie werden von der Financial Times als „Personen des Jahres“ und vom Spiegel als „Heilsbringer“ auf der Titelseite ihrer Zeitschrift hochgelobt. Insbesondere Şahin, Sohn einer türkeistämmigen Gastarbeiterfamilie, wird heuchlerisch von den gleichen Medien als Musterbeispiel der Integration gelobt, die in ihrer Vergangenheit schon oft genug gegen Migranten gehetzt haben. Was ist dran an dem Bild der beiden Forscher, die auf der einen Seite wahrscheinlich Millionen von Leben retten und damit auf der anderen Seite Milliarden von Dollars verdienen?

    Zum Hintergrund: ein Patent ist ein sogenanntes „gewerbliches Schutzrecht“ für eine Erfindung. Das bedeutet, dass jemand, der eine Erfindung macht, z.B. den Impfstoff „BNT162b“, diese bei einem Patentamt „offenlegt“. Durch diese Offenlegung stellt der Erfinder, z.B. das Unternehmen Biontech, seine Erfindung dar und verpflichtet sich, die entsprechenden Informationen frei zugänglich zu machen. Im Gegenzug erhält der Erfinder ein Patent, ein zeitlich-befristetes Monopol (alleiniges Vorrecht), das ihn dazu berechtigt, anderen die Nutzung der Erfindung für 20 Jahre zu untersagen bzw. eine Gebühr dafür zu verlangen. So weit so gut.

    „Patente töten!“

    Was zunächst als ein wichtiger Schutz für Erfinder aussieht, nützt faktisch insbesondere großen Unternehmen, die mit riesigen Forschungsabteilungen ein Patent nach dem anderen anmelden und damit ihre Monopolstellung auf dem Markt sichern. Insbesondere die Pharma-Industrie entwickelt vor allem Medikamente, die hohe Gewinne in lukrativen Märkten versprechen und macht durch Patente an medizinischen Produkten Milliardengewinne, in dem sie sich die Produktion und den Verkauf von lebensnotwendigen Medikamenten sichert, vor allem in der Krebstherapie. Bei Biontech sind das, neben dem Konzern selbst, die beiden Kooperationspartner Pfizer aus den USA und Fosun aus China, die sich bei der Entwicklung des Impfstoffes aus ihrem investierten Kapital einen großen Teil vom Kuchen abschneiden möchten.

    Deshalb haben die Gesundheits- und Menschenrechtsorganisationen medico international und Bundeskoordination Internationalismus (BUKO) gemeinsam mit vielen Unterzeichnern eine Erklärung mit dem Titel „Patente töten!“ veröffentlicht, die von zahlreichen Personen, die in der Öffentlichkeit stehen und Organisationen unterschrieben worden ist und mit der sie auf genau dieses Problem hinweisen: „Das Patentsystem hat die Wissensproduktion im medizinischen Bereich auf Gewinnmaximierung und Kapitalerträge ausgerichtet und nicht auf die Erforschung und Entwicklung lebensrettender Medikamente und deren gerechte Verteilung.“

    Und gerade in der Zeit der Corona-Pandemie ist das Patentsystem besonders tödlich. Das bedeutet konkret, dass sich z.B. die Produktion des Biontech-Impfstoffes „BNT162b“ auf den Konzern selbst beschränkt und nur gegen kostenpflichtige Lizenzen durch andere produziert werden darf. Damit können nicht ausreichende und kostengünstige Impfstoffe für alle produziert werden, insbesondere nicht für ärmere Länder. Zahlreiche Länder werden deshalb wahrscheinlich noch lange warten müssen, bevor sie ihre Bevölkerung impfen können – obwohl der Impfstoff bereits da ist und durch eine Freigabe des Patents in notwendiger Menge produziert werden könnte. In der Erklärung heißt es deshalb weiter: „Um Covid-19 tatsächlich erfolgreich entgegentreten zu können, müssen die Regierungen der Welt die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Forschung transparent erfolgt und medizinisches Wissen und seine Endprodukte als Gemeingut der Menschheit betrachtet werden. Dies ist die unabdingbare Voraussetzung dafür, Medikamente zur Behandlung von Covid-19 und einen Impfstoff mit der gebotenen Sorgfalt zu entwickeln, flächendeckend zu produzieren und gerecht verteilen zu können.“

    Durch Patente werden Erfindungen, die eigentlich dem Wohle aller zugutekommen könnten, zu Waren gemacht und den Regeln des Marktes unterworfen. Häufig wird dies mit Argumenten legitimiert, wie z.B. „Innovation muss belohnt werden“ oder „wer das Risiko eingeht, soll auch daran verdienen dürfen“. Doch ist Geld die einzige Motivation, die ein ehrlicher Forscher haben kann? Und ist so ein Verständnis unseren hochgelobten Forschern würdig, die als „Personen des Jahres“ und „Heilsbringer“ einen Preis nach dem anderen erhalten?

    „Kann man die Sonne patentieren?“

    Dr. Jonas Salk, Entdecker des Impfstoffs gegen Kinderlähmung, antwortete in einem Interview im Jahre 1955 auf die Frage, wem das Patent auf den Impfstoff gehöre: „Naja, ich würde sagen, den Menschen. Es gibt kein Patent. Könnte man die Sonne patentieren?“. Im Jahr zuvor gab es in den USA über 50.000 Tausend Fälle von und 3.145 Tote durch Kinderlähmung. Salk, Sohn einer armen Familie mit russisch-jüdischen Migrationshintergrund, konnte nur durch ein Stipendium die Universität besuchen und Medizin studieren. Den Impfstoff, den er Jahre später entwickelte, testete er auch an sich selbst. Er verzichtete auf die Anmeldung eines Patents und damit ein Vermögen von schätzungsweise 7 Milliarden Dollar. Damit ermöglichte er gleichzeitig eine nahezu vollständige Ausrottung der Krankheit.

    Ein anderes Beispiel für diese Art von Forschung ist der Schweizer Dr. Didier Pittet. Er hatte 1994 beobachtet, dass die Handhygiene bei medizinischem Personal zu kurz kam, weil es zu viel Zeit in Anspruch nahm, wenn Pfleger sich wie empfohlen zwischen der Behandlung von jedem Patienten ein bis zwei Minuten die Hände waschen müssen. Durch das von ihm entwickelte Handdesinfektionsgel, das viele von uns heute wie selbstverständlich bei sich tragen, gingen die Infektionen um 50 Prozent zurück. Nach Schätzung der WHO werden durch Pittets Erfindung jedes Jahr das Leben von bis zu acht Millionen Menschen gerettet. Auch er hat verzichtet ein Patent anzumelden: „Die Handhygiene ist zu simpel und zu wichtig, um sich das patentieren zu lassen“ sagte er gegenüber der französischen Zeitung „Le Temps“.

    Was ist nun mit unseren „Vorbildern“?

    Der Biontech-Impfstoff ist ein wichtiger Durchbruch im Kampf gegen die Corona-Pandemie, keine Frage. Doch sind Şahin und Türeci die „Heilsbringer“, für die sie gehalten werden? Eigentlich dürften bei solchen Debatten nicht Einzelpersonen im Vordergrund stehen, weil ein ganzes System des Profits dahintersteckt. Doch werden beide so sehr in den Vordergrund geschoben, dass man sich auf sie als Personen beziehen muss. Und da bleibt zu sagen: solange Şahin und Türeci nicht auf ihren Profit aus ihrer Forschung verzichten, sind sie erstmal nichts Weiteres als Unternehmer. Die oben angeführten Beispiele zeigen, dass die Forschung zum Wohle der Menschheit nicht voraussetzt, damit Geld zu verdienen. Vielmehr sind Patente und der damit verbundene Profit eine große Hürde dabei, dem eigentlichen Ziel der Forschung gerecht zu werden: Leben zu retten.

    Und auch als Vorbilder der Integration taugen sie nicht: die türkeistämmige Jugend, die sich die Milliardäre Şahin und Türeci angeblich zum Vorbild nehmen soll, hat nichts gemeinsam mit der türkeistämmigen Jugend, die täglich rassistische und soziale Ausgrenzung in Betrieb, Stadtteil, Schule und Universität erfährt, die von Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit bedroht ist. Denn nirgendswo spielt es in den Medien eine große Rolle, dass Şahin und Türeci inzwischen auch mehrere hundert Patente halten, zu den 100 reichsten Menschen in Deutschland gehören und das Nettovermögen von Şahin (Vorstandsvorsitzender und CEO von Biontech) auf 5,2 Milliarden US-Dollar (Forbes) geschätzt wird. Man sieht also: außer unserer ähnlich klingenden Nachnamen verbindet uns daher nichts. In Erinnerung werden uns deshalb diejenigen Wissenschaftler und Forscher bleiben, die nicht den Profit, sondern nur eine Sache im Sinn hatten und haben: das Wohl der Menschheit.

    #capitalisme #maladie #covid-19 #brevets #exploitation