Die glänzende Glaspyramide hat Risse bekommen Von Marc Zitzmann, Paris
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Das zweite Mandat für den Louvre-Direktor Jean-Luc Martinez ist am 13. April ausgelaufen. Wird es nochmals verlängert werden? Die Bilanz der letzten Jahre spricht dagegen.
Was für ein Nervenkitzel. Seit Monaten sollte Jean-Luc Martinez als président-directeur des Louvre im Amt verlängert oder abgelöst werden. Doch obwohl sein zweites Mandat seit dem 13. April ausgelaufen ist, steht der Entscheid noch immer offen. Das liegt zum einen daran, dass die Leiterinnen und Leiter der großen staatlichen Kulturinstitutionen in Frankreich durch den Präsidenten höchstselbst ernannt werden – und dieser meist Dringlicheres auf der Tagesordnung stehen hat. Es hat zum andern aber auch damit zu tun, dass im vorliegenden Fall Emmanuel Macron anscheinend Zweifel gekommen sind und er den Rat seiner Kulturministerin, welche Martinez unterstützt, nicht blind zu befolgen gewillt scheint.
Der Verzug hat immerhin den Vorteil, dass eine Handvoll Medienorgane aufgewacht sind und die überfällige kritische Bilanz wenigstens skizziert haben. Die Tatsache, dass seit Jahren fast einzig Didier Rykner in seiner spezialisierten Online-Zeitung La Tribune de l’Art Missstände im größten Museum der Welt geißelt, wirft ein grelles Schlaglicht auf den durch die chronische Pressekrise bewirkten Niedergang der Kunstberichterstattung in Frankreich. Jetzt haben zumindest Le Canard enchaîné, Mediapart und Le Monde ebenfalls kritische Berichte vorgelegt, die freilich großteils auf Rykners Recherchen aufbauen.
Chaos im Louvre
Die Kritikpunkte lassen sich in drei Punkten zusammenfassen. Erstens wird Martinez vorgeworfen, ein schlechter Organisator zu sein. Anfang 2017 ließ er so Seite an Seite eine Jan Vermeer und eine Valentin de Boulogne gewidmete Ausstellung ausrichten – mit gemeinsamem Ticket und Eingang. Die Folge war – völlig voraussehbar, und durch die Unzulänglichkeit des Reservierungssystems noch verstärkt – ein namenloses Chaos, stürzten sich doch alle auf den Niederländer, während nur wenige den ebenfalls sehenswerten Franzosen sehen wollten.
2019 zeitigte die temporäre Umsiedlung der Mona Lisa in den Saal, wo Rubens’ Medici-Zyklus hängt, noch gravierendere Störungen. Fluten von Selfiesüchtigen, mehr schlecht als recht kanalisiert, überschwemmten alle Zugangswege zum Gral der Kunstbanausen und machten über Monate hinweg namentlich die Abteilung für flämische Malerei fast unzugänglich. Auch die Ausrichtung von Werkschauen der Maler Le Brun und später Le Nain im Louvre-Ableger in Lens war keine Glanz-Idee. Diese französischen Künstler des siebzehnten Jahrhunderts ziehen ein Publikum von Kennern an, welche sich in Paris ungleich zahlreicher gefunden hätten als in einem 30.000-Seelen-Städtchen nahe der belgischen Grenze. „Le Mystère Le Nain“ zog 2017 so sechseinhalbmal weniger Besucher an als die letzte Retrospektive in Paris vor vier Jahrzehnten. Schließlich mehrt sich seit Martinez’ Amtsantritt 2013 die Zahl der Louvre-Säle, die punktuell oder über längere Zeit hinweg geschlossen sind. Wegen Bauarbeiten, schwindelt das Museum seinen Besuchern vor – in Wahrheit, weil es an Saalwächtern fehlt.
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