Trump war kein Ausrutscher, es geht so weiter

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  • Trump war kein Ausrutscher, es geht so weiter
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    16.9.2021von Michael Maier - Völlig überraschend haben die USA, Großbritannien und Australien einen Militärpakt geschlossen. Das Ziel der neuen Allianz soll eine geschlossen Front gegen China sein – für den Fall, dass es zu einer militärischen Auseinandersetzung des Westens mit China kommen könnte. US-Präsident Joe Biden, der britische Premierminister Boris Johnson und Australiens Premier Scott Morrison sprachen von einem „historischen Schritt“. Es gehe darum, China in die Schranken zu weisen und in der Region einzuhegen. Selten wurde dieses Ziel so unverhohlen bekannt gegeben wie bei der Bekanntgabe von „AUKUS“, wie die Allianz heißen soll.

    Die Implikationen sind vielfältig. Zunächst wir Australiens zaghafter Versuch, eine „souveräne Rüstungsindustrie“ aufzubauen, im Keim erstickt. Australien hatte in den vergangenen Jahren versucht, einen Mittelweg zwischen China als dem wichtigsten Handelspartner des Landes, und der westlichen Werte- und Militärgemeinschaft zu finden. Zu diesem Zweckt hatte die Regierung in Canberra versucht, mit den Franzosen ins Geschäft zu kommen. Ein milliardenschwerer Deal über den gemeinsamen Bau von acht konventionell betriebenen U-Booten sollte die Basis sein.

    Doch schon im Juni waren dunkle Wolken am Horizont aufgezogen: Australien werde sich nach Alternativen umsehen, wenn Frankreich die gesetzten Liefer-Deadlines nicht halten könne. Ob es wirklich Schwierigkeiten mit den französischen Firmen gab und dies nur ein begleitendes Trommelfeuer war, um alle Beteiligten auf ein Platzen des Deals vorzubereiten, lässt sich heute nicht mehr sagen.

    Frankreich fiel jedenfalls wie die gesamte EU am Donnerstag aus allen Wolken, als die Australier plötzlich wissen ließen, dass sie den Vertrag mit Paris auflösen und stattdessen atomgetriebene U-Boote aus angelsächsischer Fertigung einsetzen werden. Unzweifelhaft stärkt die plötzliche nukleare Teilhabe die geostrategische Position Australiens. Faktisch aber bringt sie Australien in die völligen Abhängigkeit von London und Washington, wie Sam Roggeveen vom Lowy Institut in der BBC analysierte. Im Falle einer Zusammenarbeit auf konventioneller Ebene hätte Australien seine U-Boot-Flotte langfristig unabhängig betreiben können. Einen Know-how-Transfer bei der Nuklear-Technologie wird es nicht geben, die Australier hängen ab sofort vollständig am Tropf der USA und Großbritanniens.

    Der Schock in Paris war enorm: Außenminister Jean-Yves Le Drian sprach von einem „Dolchstoß“. Es wäre zu kurz gegriffen, würde man den eindeutigen Affront nur als industriepolitisches Machtspiel sehen. Das war es zweifelsohne auch, immerhin geht es um Arbeitsplätze und Stärkung der Technologie-Branche. Es ist verständlich, dass sich die französische Regierung hintergangen fühlt.

    Doch viel mehr noch muss die Tatsache gesehen werden, dass die angelsächsischen Verbündeten eine so weitreichende Entscheidung vollzogen, ohne die EU oder die europäischen Partner auch nur zu informieren: Die Financial Times zitiert EU-Insider, die bestätigten, dass man von der Entscheidung vollständig überrascht worden sei. Es war ein „Déjà-vu“: Auch vom plötzlichen Abzug der Amerikaner aus Afghanistan hatten die Europäer keinen blassen Schimmer. Spätestens jetzt sollte jeder Außenpolitiker in Paris, Berlin oder Brüssel wissen: Donald Trump war kein Betriebsunfall der US-Geschichte, sondern ein Vorspiel zu einer langfristigen Verschiebung de Kräfte: „America first“ gilt weiterhin uneingeschränkt – und wer, wie die Australier, versucht, dem Sog zu entgehen, der wird ganz schnell wieder eingefangen.

    Für die Europäer bedeutet dies, dass sie sich umgehend orientieren müssen: Ein Schmusekurs mit China wird nicht ohne gravierende Folgen – sprich Strafmaßnahmen der Amerikaner – bleiben. Die Eskalation vom Handels- und Finanzkrieg, der ja auch nach Trump nicht beendet worden war, zu einem sehr kalten Krieg bis hin zur Möglichkeit einer „heißen“ Phase ist vorgezeichnet.

    Die EU wäre jetzt gut beraten, sich ohne anti-amerikanische Ressentiments schleunigst nach weiteren Verbündeten umzusehen. Russland würde sich anbieten – allerdings hat das EU-Parlament ausgerechnet am Donnerstag eine Deklaration verabschiedet, die sich gegen die am Wochenende neu zu wählende Duma und das „korrupte Regime“ im Kreml richtet. Das ist nicht besonders intelligent in einer historisch kritischen Phase der Weltpolitik. Es geht um Optionen und Interessen und am Ende um die Frage, ob man alles getan hat, um nicht vollends fremdbestimmt agieren zu müssen.

    #Australie #France #USA #armement #Chine #Union_Européenne