Kerkeling, Zeh, Fitzek und mehr gegen « Zwangslizenzierung » für Onleihe

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  • Kerkeling, Zeh, Fitzek und mehr gegen „Zwangslizenzierung“ für Onleihe
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    Un groupe d’auteurs de bestsellers allemands s’oppose au droit des bibliothèques publiques de prêter leurs livres. C’est honteux.

    18.10.2021, von Andreas Wilkens - Der Deutsche Bibliotheksverband meint, der Appell von Autorinnen, Autoren und Verlagen beruhe auf Falsch- und Fehlinformationen.

    Autorinnen und Autoren, Verlage und der Buchhandel haben sich anlässlich der Frankfurter Buchmesse und vor Bildung einer neuen Bundesregierung zusammengefunden, um gegen eine mögliche „erzwungene Online-Ausleihe zu Niedrigpreis-Bedingungen“ zu protestieren. Darunter sind diverse Bestsellerautoren und -autorinnen wie Sebastian Fitzek, Juli Zeh, Hape Kerkeling und Daniel Kehlmann. Sie antworten damit auf Bestrebungen des Deutschen Bibliotheksverbands, E-Books wie gedruckte Bücher zu behandeln und haben dies auch in großflächigen Anzeigen in Tageszeitungen kundgetan.

    Die Liste der erstunterzeichnenden Autorinnen und Autoren der Kampagne „fair lesen“ liest sich wie das Who’s Who der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur: Zu den vier oben genannten gesellten sich unter anderem Charlotte Link, Maxim Biller, Navid Kermani, Peter Stamm, Benedict Wells, Thea Dorn, Sibylle Berg, Frank Schätzing, Andreas Eschbach, Florian Illies, Svenja Flaßpöhler, Bernhard Schlink und Eva Menasse. Sie meinen, „wenn aufgrund politischer Entscheidungen neue Werke ab dem Tag ihres Erscheinens in allen Bibliotheken in der nahezu kostenlosen Online-Ausleihe verfügbar gemacht werden müssen, gefährdet das einen seit Jahrzehnten funktionierenden Markt“; und ebenso die Existenzgrundlage von Autorinnen und Autoren, Übersetzerinnen und Übersetzern, Verlagen und Buchhandlungen.

    Im Januar dieses Jahres hatten 600 Leiter und Leiterinnen von Bibliotheken in Deutschland in einem offenen Brief an die Bundestagsabgeordneten eine rechtliche Nachbesserung beim Verleih von E-Books gefordert. Derzeit verweigerten die Verlage den Bibliotheken 70 Prozent der neu erscheinenden E-Books für die Ausleihe. „Lizenzen für die Ausleihe werden häufig erst nach monatelanger Wartezeit, oftmals auch gar nicht eingeräumt“, heißt es. Das fehlende Verleihrecht für E-Books im Urheberrecht höhle die Kultur- und Bildungsinfrastruktur der Öffentlichen Bibliotheken aus. Der freie Zugang zu Wissen und Information unabhängig von Bezahlschranken sei aber ein Grundrecht, meinen die Bibliotheken. Sie sehen sich vom Bundesrat unterstützt, der im April dieses Jahres eine Änderung des Urheberrechts angeregt hat.

    „Quelle von Wissen“

    Die Autorinnen und Autoren sehen sich selbst als Quellen von Wissen, Literatur und Debatte. Sie entgegnen dem Aufruf vom Januar, sie schätzten das Konzept der Bibliotheken, Menschen unabhängig von ihrer finanziellen Lage die Möglichkeit zum Lesen von Büchern zu geben. Gleichzeitig müssten sie sich auf gerechte Vergütung verlassen können und frei in ihren Entscheidungen bleiben. „Dafür sorgt der Buchmarkt, der zugleich Grundvoraussetzung für literarische Vielfalt ist.“

    „Heute finden bereits 46 Prozent aller E-Book-Nutzungen in Deutschland über die Bibliotheksausleihe statt“, heißt es in einem Whitepaper zur Kampagne „fair lesen“ (PDF). Damit würden aber lediglich 6 Prozent des gesamten E-Book-Umsatzes erzielt. Die Autorinnen und Autoren befürchten, dass schon bald mehr Bücher online verliehen als gekauft werden, während die Lizenzerlöse der Onleihe sehr niedrig sei.

    In Diskussionen über eine Zwangslizenzierung gehe es oft um die Titel der „Spiegel-Bestsellerlisten“, die mitunter nicht am Tag des Erscheinens in der Onleihe abrufbar seien. Diese seien die Basis für Mischkalkulationen in den Verlagshäusern und ermöglichten Investitionen in Nischenwerke und Debüts, heißt es in dem Whitepaper. Die Lizenzierung von Titeln einige Monate nach Erstveröffentlichung für die Onleihe sichere die Refinanzierung sowie stabile Verkaufserlöse auch der gedruckten Exemplare über den Buchhandel. Die Autorin Sibylle Berg betonte auf Twitter, es gehe vor allem um junge und unbekannte Autorinnen und Autoren, die kaum von ihrer Arbeit leben könnten.

    „Falsch- und Fehlinformationen“

    Der Deutsche Bibliotheksverband (DBV) schreibt in einer Erwiderung auf die Kampagne (PDF), der Appell beruhe auf Falsch- und Fehlinformationen: „Für jedes E-Book, das eine Bibliothek verleihen möchte, muss sie eine Lizenz erwerben. Zum Schutz des Buchmarktes gilt wie bei gedruckten Büchern: eine Kopie, ein Ausleiher.“ Die Lizenzen, die Bibliotheken erwerben, seien zeitlich befristet, „auch um die Abnutzung von Büchern zu simulieren“.

    Die E-Book-Ausleihe sei strikt begrenzt auf Menschen mit einem Bibliotheksausweis, den sie nur in der Bibliothek ihrer eigenen Kommune erwerben könnten. Dies seien in Deutschland 7,4 Millionen Menschen. Bei einer üblichen Ausleihfrist von zwei bis drei Wochen könne ein E-Book höchstens 18- bis 26-mal im Jahr ausgeliehen werden, schreiben die Bibliotheken weiter; sie zahlten zudem für die Lizenzen deutlich mehr als die private Kundschaft, da in den Lizenzen das Recht zum Verleih mitbezahlt werde.

    DBV-Bundesvorsitzender Andreas Degkwitz meint, die Kampagne „fair lesen“ vermittele den unzutreffenden Eindruck, dass die Öffentlichen Bibliotheken allein für Autorenvergütung und Marktentwicklung von E-Books verantwortlich seien. Die Versorgung mit Informationen und Literatur gehöre zum Auftrag der Bibliotheken. Wenn aktuelle E-Book-Veröffentlichungen zurückgehalten würden, werde die Infrastruktur zur Literaturversorgung der Bürgerinnen und Bürger ausgetrocknet. Aktuelle E-Books in Bibliotheken bereitzustellen sei dann komplett abhängig von Marktentwicklungsprognosen der Verlage.

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