Im Wald. Eine Kulturgeschichte - Ausstellung im Landesmuseum Zürich - 18.03. - 17.07.2022

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  • Im Wald. Eine Kulturgeschichte

    Der Wald – seit Jahrhunderten von Menschen genutzt – wird mit der wachsenden Industrialisierung ab dem 19. Jahrhundert zunehmend zerstört. Bald treten Persönlichkeiten wie Paul Sarasin und später Bruno Manser hervor und machen sich für den Erhalt des Waldes stark. Die Ausstellung zeigt unser Verhältnis zum Wald auch durch Darstellungen in Literatur und Kunst: einst von den Romantikern als Rückzugsort von der Zivilisation überhöht, wird der Wald von Künstlerinnen und Künstlern heute im Zeichen des Klimawandels thematisiert.

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    https://www.landesmuseum.ch/wald
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    • Ist der Wald noch zu retten?

      Die Beziehung der Menschen zum Wald hat sich in den letzten Jahrhunderten gewandelt. Dass dies sowohl Kultur als auch Kunst beeinflusst, zeigt die Ausstellung «Im Wald – Eine Kulturgeschichte» im Landesmuseum Zürich.

      Seit Urzeiten wird der Wald von den Menschen genutzt. Durch die Pandemie hat er in unserer Gesellschaft neue Wertschätzung erhalten. Die Reisebeschränkungen führten dazu, dass der Wald als Ort der Erholung vermehrt aufgesucht wurde. Das soeben veröffentlichte Waldmonitoring, eine periodisch durchgeführte Bevölkerungsumfrage bestätigt, dass der Wald bei der Bevölkerung beliebt und wichtig ist und man sich um ihn sorgt.

      Die Ausstellung präsentiert in fünf Kapiteln unterschiedliche Aspekte des Waldes, von der Abholzung und Nutzung, über die künstlerische Darstellung, den Naturschutz bis zur Bedeutung des Waldes heute. Im Innenhof des Landesmuseums kann man sich auf die Holzbank der Arena für einen Baum setzen mit Blick auf den abgestorbenen Birnbaum im Zentrum und darüber sinnieren. Der in Basel arbeitende Künstler Klaus Littmann hat diese Kunstintervention als Mahnmal für die Zerstörung der Natur durch den Menschen sowie als visueller Appell zum Handeln gestaltet.

      Der erste Teil der Ausstellung gibt einen historischen Rückblick auf die Waldnutzung von den archäologischen Epochen bis zum 19. Jahrhundert. Schon die Römer holzten grosse Teile des Mittelmeerraumes für den Schiffbau ab, aber auch um ihre Bäder zu beheizen. Der Siedlungsbau im Mittelalter ging ebenso auf Kosten des Waldes. Und bis heute ist der Gebrauch von Holz als Brennstoff, Baustoff und Werkstoff zur Herstellung zahlreicher Gebrauchsgegenstände, auch von Papier, nie aus dem Alltag verschwunden.

      Ein weiterer Teil der Ausstellung ist der künstlerischen Darstellung des Waldes gewidmet. Ende des 18. und im frühen 19. Jahrhundert entdecken Künstler den Wald als Bildmotiv, entwurzelte Tannen zeigen ihn als romantisch-idealisierte Wildnis. Je mehr der Wald infolge der Industrialisierung zerstört wird, desto überhöhter erscheint er in der Kunst und Literatur. Viele Maler arbeiten nun im Freien, wie etwa in Frankreich die Schule von Barbizon im Wald von Fontainebleau oder der Luzerner Robert Zünd, der den Wald in beinahe fotorealistischer Manier wiedergibt. In der Literatur erhält der Wald zudem auch einen drohenden Aspekt, etwa in den Märchen der Gebrüder Grimm.

      Im 20. Jahrhundert distanzieren sich Künstlerinnen und Künstler vom Gegenständlichen und experimentieren mit dem Material, bis der Aktionskünstler Joseph Beuys den Weg für eine neue Form der politischen Kunst ebnet. 1972 ruft er mit 50 Kunststudierenden zur Rettung des Waldes auf, 1982 lässt er im Rahmen der documenta 7 in Kassel 7000 Eichen pflanzen. Der Wald symbolisiert nun den Kampf für Natur- und Umweltschutz.

      Zeitgenössische Kunstschaffende reagieren auf den Klimawandel und die wirtschaftliche Ausbeutung der Natur. So ist etwa vom Schweizer Fotografen Guido Baselgia aus seinem jüngsten Werkzyklus Als ob die Welt zu vermessen wäre der grösste Baum des Regenwaldes, der Ceibo, zu sehen, ebenso Werke von Franz Gertsch oder von Thomas Struth. Und Denise Bertschi verweist mit Helvécia, Brazil, 2017-2022 auf den Zusammenhang von Abholzung, Waldnutzung und Sklavenarbeit.

      Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert steigt der Bedarf an Holz so exzessiv, dass die riesigen kahlen Flächen in den Berggebieten vermehrt zu Murgängen und Lawinen führen. Die Übernutzung und Zerstörung der Waldgebiete bringt gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Idee eines Schweizerischen Nationalparks hervor, gefördert vom Bündner Forstingenieur Johann Wilhelm Coaz und dem Basler Naturforscher Paul Sarasin. 1914 wird der erste Nationalpark im Gebiet des Ofenpasses eröffnet.

      Im 20. Jahrhundert rückt der Regenwald ins Bewusstsein. 1945 reisen Armin Caspar und die Künstlerin Anita Guidi in das Amazonas-Gebiet, um auf die Wälder und ihre Bewohnerinnen und Bewohner aufmerksam zu machen. 50 Jahre später bezahlt Bruno Manser seinen Kampf gegen die Abholzung in Malaysia mit seinem Leben.

      Das letzte Kapitel ist der heutigen Bedeutung des Waldes gewidmet. Dank der Aufforstung sind rund 30 Prozent der weltweiten Landoberfläche mit Wald bedeckt. Doch durch Abholzung, Brände und Klimawandel werden laufend grosse Waldflächen vernichtet. Und so bleibt am Ende der Ausstellung die Frage: Ist der Wald noch zu retten?

      https://seniorweb.ch/2022/03/22/ist-der-wald-noch-zu-retten

    • Beschüt­zer des Regenwalds

      #Bruno_Manser war einer der ersten Umwelt-Aktivisten und kämpfte mit spektakulären Protesten gegen die Abholzung des Regenwalds. Das brachte ihm Bewunderung, aber auch Probleme mit den Behörden ein.

      Als Bruno Manser mit seinen Anhängerinnen und Anhängern im März 1993 auf dem Bundesplatz sieben Pullover für die Bundesrätin und die Bundesräte strickt, wird er von vielen Gesinnungsgenossen und linken Politiker/innen belächelt: Solche Aktionen sind zwar nicht ganz neu, aber noch sind Extinction Rebellion oder Fridays for future in weiter Ferne. Erst «Greenpeace» wagt zu dieser Zeit schon symbolträchtige und medial wirkungsvolle Aktionen. Natur- und Umweltschutz sind noch nicht zuoberst auf den Traktandenlisten der Bundesrats-Parteien.

      Und da sitzt er vor dem Bundeshaus, strickt Pullover und tritt in einen Hungerstreik, um einen Importstopp von Tropenholz aus Malaysia zu erreichen. Warum hat es ihm gerade der Regenwald in Sarawak / Borneo angetan? Wäre es nicht auch mit einem Wald in der Nähe gegangen? Oder einer kleineren Insel?

      Bruno Manser wächst in einfachen Verhältnissen in Basel auf. Nach der Maturität verbringt er mehrere Jahre auf der Alp und führt ein entbehrungsreiches und bescheidenes Leben wider dem Konsumzwang und den Verlockungen der Wohlstandsgesellschaft. Er sucht ein eremitisches Dasein, stellt alle Werkzeuge selbst her und härtet sich ab. Als sein Hund stirbt, beschliesst er, endlich nach Ostasien zu reisen.

      Die Penan in Sarawak faszinieren Manser, er begeistert sich für ihre nomadische Lebensweise – auf der Suche nach dem Urtümlichem, dem einfachen Leben in Respekt vor der Natur und dem Menschen. Er will helfen, ihnen das Schicksal der amerikanischen Ureinwohner zu ersparen. 1984 reist er erstmals nach Sarawak und wird jäh mit der harten Realität konfrontiert: Die malayische Holzindustrie zerstört die Wälder und entreisst den Penan die Lebensgrundlage. Bruno Manser widmet fortan sein Leben dem Kampf gegen die Abholzung und für die Penan. Diesen Kampf führt er mit damals neuen Methoden: Er wird Berufs-Aktivist. Zwar schenken ihm die Schweizer Medien einige Beachtung, aber so ganz warm werden weder Medien noch die politischen Parteien mit ihm. «Etwas übertrieben», so finden manche Zeitgenossen.

      Als er sich 1996 für die Aktion «Fünf vor zwölf» an der Seilbahn Kleines Matterhorn in die Tiefe fahren lässt, um so auf den Schutz des Klimas aufmerksam zu machen, wird er zwar von RTL gefilmt, die Schweizer Presse hingegen beachtet ihn kaum: einzig dem Walliser Boten ist die Aktion einige Zeilen wert. Es ist ein medialer Flopp. Auch dass Warner Brothers Bruno Mansers Leben verfilmen will, nimmt hierzulande kaum jemand zu Kenntnis. Bruno Manser lehnt die Verfilmung seines Lebens schliesslich zwar ab, behält den bereits bezahlten Vorschuss aber trotzdem – für seinen Kampf. Der erste grössere Spielfilm über Bruno Manser kommt erst 2019 in die Kinos – viele Jahre nach seinem Tod.

      Warum aber wurde Bruno Manser seiner Zeit nicht zur Lichtfigur ähnlich wie Greta Thunberg im Kampf gegen Umweltzerstörung und die Abholzung der Wälder? Seine Aktionsformen waren nicht nur radikal und mutig, sondern boten auch Stoff für die Medien: Er kletterte ebenso am Brüsseler Münster wie am Bundeshaus in Bern hoch und entfaltete Transparente mit eindringlichen Mahnungen. Als Klaus Schwab ihn 2000 nicht ans WEF einlud, glitt er mit einem Gleitschirm vom Jakobshorn auf Davos hinunter und enthüllte ein Transparent «Safe the Rainforest». Die Polizei verhaftete ihn sogleich. Manser scheute keinen Auftritt, war redegewandt und gab sich kämpferisch. Warum also blieb nicht mehr Ruhm für ihn übrig? Warum wurde er noch immer belächelt? Kam er zu früh?

      Als er seinen Kampf beginnt, ist die erste Welle der Umweltbewegung abgeklungen, der Kampf gegen neue Atomkraftwerke gewonnen, die Gewässer wieder sauberer und das Waldsterben zwar 1983 akut, später aber ad acta gelegt. Die Klimaerwärmung war zwar längst erkannt und wissenschaftlich belegt, doch noch ist keine Rede von der drohenden Zerstörung unseres Planeten. Noch streiken die Schülerinnen nicht und noch liegt kein Klimabericht der IPPC vor (dieser erscheint erstmals 1990). Zwar hat bereits 1972 der Club of Rome eindringlich vor Bevölkerungswachstum und Ressourcenknappheit gewarnt, aber noch sind die Grünen der ersten Stunde mit sich selbst beschäftigt. Und in diesen 1980/90er-Jahren taucht Bruno Manser auf und berichtet aus einem fernen Land, das man auf Anhieb kaum auf dem Globus finden konnte. Eine Ungeheuerlichkeit, die zunächst nichts mit der Schweiz zu tun hat. Vermeintlich. Die soeben frisch gewählte Bundesrätin Ruth Dreifuss jedoch zeigt bemerkenswerte Weitsicht: Sie setzt sich neben ihm auf dem Bundesplatz und strickt einige Maschen mit ihm mit. Welche Bundesrätin oder Bundesrat hätte es ihr gleichgetan?

      https://blog.nationalmuseum.ch/2022/04/bruno-manser-regenwald