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  • Die Stimme des Ostens – Tamara Danz von Silly
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    Aujourd’hui on fête le soixante dixième anniversaire de Tamara Danz la chanteuse rock la plus importante de la RDA.

    14.12.2022 von Jens Blankennagel - Tamara Danz hätte die Tamara-Danz-Straße in Berlin vielleicht nicht sehr gemocht. Der Name der bekanntesten und besten Sängerin der DDR-Rockmusik passt nicht so ganz zu dieser unscheinbaren Nebenstraße im kalten kapitalistischen Herzen des neuen Berlin.

    Tamara Danz war berühmt für ihre wilde Frisur und vor allem für ihre kraftvolle Stimme, die so kalt sein konnte und doch auch so zu Herzen gehend. Berüchtigt war auch ihr unbeugsamer Wille, für ihre Band Silly alles zu erreichen. Legendär war ihr politisches Engagement, mit dem sie am Ende der DDR zu einer Stimme der Reformwilligen wurde. Und überraschend war ihr Krebstod im Juli 1996 – mit gerade einmal 43 Jahren. Am 14. Dezember dieses Jahres wäre Lenore Tamara Danz, geboren in einem kleinen Dorf in der Nähe des thüringischen Breitungen, 70 geworden.

    Ausgerechnet dieser Frau, die für eine menschlichere und gerechtere Welt sang und kämpfte, wurde diese Straße gewidmet. Gerade noch so im Osten Berlins, genau neben dem Mercedes-Platz mit dem Zalando-Hauptsitz und der Verti Music Hall. Der ist das Herz des sogenannten Entertainmentviertels an der East Side Gallery in Friedrichshain. Ein Ort, der so gar nicht für das raue, düstere, kühne, abgedrehte Ost-Berlin von Tamara Danz steht, sondern für kaltes Neonlicht, für flimmernde Werbebildschirme, die über vier Etagen reichen, und für gesichtslose Glas-Beton-Bauten, die an jeder Einkaufsmeile dieser Welt stehen könnten.

    Die Straße ist in Frauenhand

    Doch an diesem Abend im Jahr 2022 hätte es Tamara Danz hier sicher gefallen. An diesem Abend ist die Straße in Frauenhand: Da ist zum einen der Name ihrer Straße, und da ist Billie Eilish, die gleich nebenan in der Arena ein Konzert gibt. Die unangepasste 20 Jahre alte Sängerin ist zum Superstar des noch recht jungen Jahrzehnts aufgestiegen. Sie wird von 14.000 Fans gefeiert. Meist sind es Frauen.

    Und da ist Zoe Jamileh, 23, eine Berliner Straßenmusikerin, die auf der Tamara-Danz-Straße mit ihrer Gitarre unermüdlich Lieder singt. Ihre eigenen, aber vor allem Coverversionen von Klassikern. Zoe Jamileh sagt: „Ich kenne Tamara Danz zwar nicht, aber das passt doch gut.“ Dann singt sie mit kraftvoller Stimme „Stronger Than Me“ von Amy Winehouse.

    Auch bei Tamara – wie sie von ihren Fans nur genannt wurde – ging es anfangs nur um ihre Stimme, ihre Stimmgewalt. Sie sang in einigen Bands und im Oktoberklub, einer linientreuen Singegruppe, die mit ihren Liedern helfen wollte, die Jugendlichen der DDR zu sozialistischen Persönlichkeiten zu machen.

    1978 holte die Familie Silly Tamara Danz als Sängerin. Als Frontfrau dieser Band war sie nun nicht mehr eine von vielen Stimmen im Hintergrund des Oktoberklubs. Sie wurde die prägnanteste Frauenstimme der DDR und gern auch als Rockröhre bezeichnet. Kraftvoll, cool, aber auch empathisch. 

    Oftmals fangen Bands engagiert an, mit hochfliegenden Träumen. Und wenn ihnen dann ein Hit gelingt, richten sie sich im schönen Leben der Stars ein. Nicht so Silly. Die Gruppe begann als Unterhaltungsband am Schwarzen Meer, spielte in Bulgarien und Rumänien vor Urlaubern aus dem Ostblock zum Tanz auf. Der Legende nach hörte sie dort ein Mann von einer West-Plattenfirma, und die Band kehrte mit einen West-Vertrag in die DDR zurück. Nun war klar: Ihr Album musste auch im Osten veröffentlicht werden. Der Rest ist Musikgeschichte.

    Ein Album zu veröffentlichen, war im Osten ungleich schwerer als im Westen, auch aus politischen Gründen und wegen der Zensur. Die Bands mussten entweder besonders angepasst oder besonders gut und beliebt sein. Die Familie Silly gehörte zu den Musikern mit Anspruch. Selbst ihre Säuferhymne „Ich bin der letzte Kunde“ mit dem Mitgröl-Refrain ist viel schlauer, trauriger und realistischer als die vielen belanglosen Albernheiten der damaligen Neuen Deutschen Welle.

    Bald hieß die Band nicht mehr Familie Silly, sondern nur noch Silly – und von da an entwickelte sie sich zu einer der musikalisch und textlich anspruchsvollsten Bands des offiziellen DDR-Rock. Und da war immer diese Stimme. Zwar hatten die Jungs von Silly die Band gegründet, aber Tamara Danz war es, die den Unterschied machte: The Voice. Die Gruppe wurde vom Staat gefördert und hofiert, machte aber keinen angepassten Ost-Pop, sondern Musik, die aufhorchen ließ. Auch im Westen.

    Der West-Berliner Fotograf Jim Rakete – auch Bandmanager von Spliff, Nina Hagen, Nena und Die Ärzte – hat einmal begeistert erzählt, wie verblüfft er war, als er zum ersten Mal das Lied „Mont Klamotte“ hörte, das Titelstück des zweiten Silly-Albums. Ein Song über einen künstlichen Berg im Herzen von Berlin, der nach dem verlorenen Weltkrieg von den Trümmerfrauen aus dem Schutt der Ruinen zusammengekarrt wurde.

    Der Song beginnt ruhig und kühl und steigert sich zu einem Rockgewitter mit schneidenden Gitarren. Wer ihn hört, versteht auch heute noch, warum Jim Rakete damals geplättet war. Solche Musik, die sich quer zu allen Trends stellt, gibt es nicht allzu häufig. Und als Jim Rakete hörte, dass die Band aus dem Osten Berlins kam, war er noch mehr überrascht. Er sagte, dass er sich zuvor nie darum geschert hätte, was es hinter der Mauer im Osten – keine drei Kilometer von seinem Studio in Kreuzberg entfernt – an Musik gab. Rakete wurde der Fotograf und West-Manager von Silly.

    Gründungsversammlung des Komitees fürGerechtigkeit im BerlinerCongress Centrum 1992, auf dem Podium unter anderen: Stefan Heym, Tamara Danz,Peter-Michael Diestel, GregorGysi und Rio Reiser.ullstein bild

    Es waren die Texte, die die oft ungewöhnliche Musik von Silly erdeten. Texte über Frauen wie „Die wilde Mathilde“ oder „So ’ne kleine Frau“, klug, poetisch, ehrlich. Tamara Danz trug sie so leidenschaftlich und überzeugend vor, dass kaum jemand auf die Idee kam, dass sie von einem Mann stammten. Von Werner Karma, dem vielleicht besten Songtexter der späten DDR.

    Texte, die den vorher üblichen Schwulst der 70er-Jahre weit hinter sich ließen, die lebensnah waren und sich nicht anbiederten an die Staatsräson oder an den Zeitgeist. Texte, die weise waren und doch eingängig, in denen jedes Wort den richtigen Platz hatte und zu deren Refrains die Musiker von Silly dann Melodien zimmerten, die hängen blieben. Auch bei Leuten, die lieber die etwas dreckigere Variante des Ostrocks hörten, etwa die Band Pankow oder Punk von Feeling B.

    Tamara Danz war nicht nur eine selbstbewusste Frau mit Berliner Schnauze, sondern auch äußerst zielstrebig. Sie machte Silly zu ihrer Band, wurde zur unangefochtenen Chefin. Nach und nach wechselte sie alle Musiker aus, weil sie andere besser fand oder weil sie sich in sie verliebt hatte. Sie wurde von anderen Bands durchaus gefürchtet, weil sie immer auf der Suche nach den besten Musikern war – für Silly.

    Tamara Danz trat selbstbewusst auf wie ein Alphatier, und das in Zeiten, in denen das bei Frauen nicht üblich war, schon gar nicht in einer so männlich dominierten Branche wie der Rockmusik. Und sie war nacheinander mit zwei Mitgliedern ihrer Gruppe liiert, ohne dass die Band zusammenbrach.
    Schutz vor der Stasi

    Zum Ende der DDR meldete sich Tamara Danz verstärkt politisch zu Wort. Die Zeit um 1989 wurde von einer winzigen Gruppe mutiger Oppositioneller geprägt. Sie fanden sich zu kleinen Demos zusammen, die sich schnell zu Massenkundgebungen auswuchsen und schließlich zu einer friedlichen Revolution führten, in der nicht ein Schuss auf Demonstranten fiel.

    Etwa 50 Musiker, darunter auch Silly, verfassten dann die Resolution der Rockmusiker, in der sie klar und deutlich mehr Freiheitsrechte einforderten. Die Verfasser wurden vom Staat bedrängt und mitunter drangsaliert, viele Musiker lasen den Text dennoch bei ihren Konzerten vor. Nun kamen auch Jugendliche, die gar nicht auf DDR-Rock standen, zu den Konzerten, um mit ihrer Anwesenheit die Bands vor der Stasi zu schützen.

    Dann der Mauerfall, die große Freiheit und der Kampf um die Macht und die politische Deutungshoheit in einem kollabierenden Staat. Die einen wollten die schnelle Vereinigung mit der Bundesrepublik, die Bürgerbewegungen eher eine eigenständige DDR. Dafür trat auch Tamara Danz ein, die eine Zeit lang öfter auf politischen Podien zu sehen war als auf Rockbühnen. Sie saß in einer Reihe mit Schriftstellern wie Stefan Heym oder Christa Wolf und warb für einen menschlichen Sozialismus.

    Sie war ganz oben in der öffentlichen Wahrnehmung, sie wurde gehört. Doch die Idee einer eigenständigen DDR interessierte immer weniger Leute. Bei der ersten freien Wahl der DDR am 18. März 1990 gewannen nicht die Bürgerbewegungen, sondern das konservative Bündnis um die CDU.

    Dann kam der „Sommer der Deutschen Mark“, und viele DDR-Bürger reisten mit dem ersten Westgeld in ihren ersten Sommer der Freiheit. Nachdem sie zurückgekommen waren, wurde die DDR am 3. Oktober offiziell Teil der Bundesrepublik. Nun wurden die Reden der Bürgerrechtler, Intellektuellen und Künstler über einen Dritten Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus noch weniger gehört.

    Auch für Tamara Danz war es der größtmögliche anzunehmende Absturz. Eben war sie noch wichtig gewesen, wurde nach ihrer Meinung gefragt; nun verschwand sie aus der öffentlichen Wahrnehmung. Und die Lieder der Band aus den Playlists der Radiosender. Nach dem Mauerfall gingen die Blicke der meisten Ostdeutschen erst mal nur nach Westen. Es gab viel nachzuhören und nachzuholen, kaum jemand hörte noch Ostrock.

    Und was machten Tamara Danz und ihre Jungs von Silly? Irgendwann wieder Musik. Nun wechselte die Sängerin auch den letzten Mann aus, den Texter Werner Karma, um endlich ihre eigenen Texte zu schreiben. Sie erkrankte an Krebs, doch noch vor der Diagnose schrieb sie Texte, die wie eine düstere Vorahnung klingen: „Gib mir Asyl hier im Paradies, hier kann mir keiner was tun. Gib mir Asyl hier im Paradies, nur den Moment, um mich auszuruh’n.“

    Ganz am Ende, mit dem letzten Album mit Tamara, erreichten Silly noch einmal ein breiteres Publikum. Tamara Danz starb am 22. Juli 1996. Nach ihrem Tod sagten viele: Es war falsch, dieser früher so wichtigen Ost-Stimme seit Jahren nicht mehr zugehört zu haben.

    Die Band Silly machte mit anderen Sängerinnen wie Anna Loos, Julia Neigel und Anna R. weiter. Gute Stimmen, aber keine hat annähernd das Charisma von Tamara Danz, die nun 70 Jahre alt geworden wäre.

    Und sicher würde sie sich ein wenig über ihre kleine Straße am Mercedes-Platz freuen. Mehr Ehre geht kaum. Und irgendwie ist dieser Ort nicht völlig falsch: Denn die Straße beginnt an der berühmten East Side Gallery, dem fast letzten Stück der Berliner Mauer. Ein Ort, an dem auch in der Nacht des Konzerts von Billie Eilish viele Leute an den riesigen Wandbildern vorbeigehen, um nachzuspüren, wie es denn war mit der Mauer und mit Ost und West. Das passt doch ganz gut zu Tamara.

    https://www.youtube.com/watch?v=PbLFg2lIgho

    https://fr.m.wikipedia.org/wiki/Tamara_Danz

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