Antisemitismus in Deutschland | Telepolis

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  • Antisemitismus in Deutschland
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    L’a politque allemande par rapport á l’antisemitisme est extrémiste et contradictoire. On y criminalise sous prétexte d’antisemitisme toute critique conséquente de l’état d’Israel. En même temps on fait cause commune avec des organisations islamistes qui ne dissimulent qu’à peine leur antisemitisme. Dans cette interview Hartmut Krauss nous fournit quelques indices pour mieux saisir comment fonctionne cette politique contradictoire.

    16.2.2023 von Reinhard Jellen - Der islamkritische Sozialwissenschaftler Hartmut Krauss zur Judenfeindlichkeit in der Berliner Republik.

    In dem von Eric Anger und Ronald Bilik mitverfassten Buch Judenfeindlichkeit - Ideologische Wurzeln und gegenwärtige Erscheinungsformen befasst sich der Sozialwissenschaftler Hartmut Krauss mit Ausprägungen und Ursachen des hiesigen Antisemitismus. Telepolis sprach mit dem Autor.

    Herr Krauss, in welcher Bevölkerungsgruppe ist nach Ihrer Einschätzung der Antisemitismus in Deutschland am weitesten verbreitet?

    Hartmut Krauss: Zwar gibt es immer noch einen zu hohen Anteil von judenfeindlichen und „modern“-antisemitischen Einstellungen unter einheimischen Deutschen – insbesondere in alt- und neurechten Milieus –, die entschieden zu verurteilen und offensiv einzudämmen sind.

    Aber dennoch ist entgegen den politisch-medial vorherrschenden einseitigen Darstellungen Folgendes klar hervorzuheben: Judenfeindlichkeit, vor allem in ihren aggressiv-aktivistischen Ausdrucksformen, ist vornehmlich ein muslimischer Migrationsimport und weit überproportional unter Zuwanderern aus islamisch geprägten Ländern verbreitet.
    Studien zu antijüdischen Einstellungen bei Muslimen in Deutschland

    Worauf stützen Sie Ihre Bewertung?

    Hartmut Krauss: Insbesondere auf eine ganze Reihe empirischer Befunde. Tatsächlich ist schon seit längerer Zeit bekannt, dass die Hauptträger des Antisemitismus in Deutschland zugewanderte Muslime sind, darunter seit 2015 verstärkt auch Flüchtlinge.

    „Bezogen auf antisemitische Vorurteilsbekundungen äußern junge Muslime mit 15,7 Prozent die höchste Zustimmung. Bei den Nichtmuslimen mit Migrationshintergrund liegt diese Quote bei 7,4 Prozent und bei den einheimischen Jugendlichen bei 5,4 Prozent.“

    Auch in der Studie „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“ (2011) zeigte sich, dass nichtdeutsche und deutsche Muslime (25 Prozent - 33 Prozent) deutlich häufiger „Vorurteile gegenüber Juden“ hegen als deutsche Nichtmuslime (fünf Prozent).

    In einer Umfrage der Anti-Defamation-League aus dem Jahr 2015 zeigten 14 Prozent der Christen in Deutschland antisemitische Neigungen, unter Atheisten waren es 20 Prozent. Bei Muslimen lag der Anteil bei 56 Prozent.

    Eine vom Berliner American Jewish Committee (AJC) in Auftrag gegebene und vom Allensbacher Institut für Demoskopie durchgeführte Repräsentativbefragung mit dem Titel „Antisemitismus in Deutschland“ (2022), bei der auch die Einstellungen von muslimischen Personen erfasst wurden, gelangte zu folgenden wesentlichen Ergebnissen:

    1. Antijüdische Einstellungen sind bei Muslimen deutlich stärker verbreitet als in der deutschen Gesamtbevölkerung.

    2. Je stärker der Grad der Religiosität bzw. die subjektive Bindung an den Islam ausgeprägt ist (hier gemessen an der Häufigkeit von Moscheebesuchen), desto häufiger werden auch antijüdische Einstellungen geteilt.

    3. Bezogen auf die im Bundestag vertretenen Parteien weisen AfD-Anhänger am häufigsten antijüdische Einstellungen auf.

    Die Aussage „Juden haben zu viel Macht in der Wirtschaft und im Finanzwesen“ bejahen 23 Prozent in der Gesamtbevölkerung, 39 Prozent der AfD-Anhänger, 49 Prozent der Muslime (die von Israel ein gutes Bild haben), 56 Prozent der Muslime (die von Israel ein schlechtes Bild haben), und 68 Prozent der Muslime, die häufig die Moschee besuchen.

    Die Aussage „Juden haben zu viel Macht in der Politik“ bejahen 18 Prozent in der Gesamtbevölkerung, 34 Prozent der AfD-Anhänger, 38 Prozent der Muslime (die von Israel ein gutes Bild haben), 53 Prozent der Muslime (die von Israel ein schlechtes Bild haben), und 60 Prozent der Muslime, die häufig die Moschee besuchen.

    Die Aussage „Juden haben zu viel Macht im Bereich der Medien“ bejahen 18 Prozent in der Gesamtbevölkerung, 31 Prozent der AfD-Anhänger, 41 Prozent der Muslime (die ein gutes Bild von Israel haben), 53 Prozent der Muslime (die ein schlechtes Bild von Israel haben), und 64 Prozent der Muslime, die häufig die Moschee besuchen.

    Die Aussage „Juden nutzen ihren Status als Opfer des Völkermords im Zweiten Weltkrieg zu ihrem eigenen Vorteil aus“ bejahen 34 Prozent in der Gesamtbevölkerung, 48 Prozent der AfD-Anhänger, 52 Prozent der Muslime (die ein gutes Bild von Israel haben), 61 Prozent der Muslime (die ein schlechtes Bild von Israel haben), und 65 Prozent der Muslime, die häufig eine Moschee besuchen.

    Der signifikant höhere Verbreitungsgrad antijüdischer Einstellungen unter Muslimen schlägt sich auch in der Wahrnehmung jüdischer Opfer von Diffamierungen und Gewalt nieder.

    Nach einer Studie der European Union Agency for Fundamental Rights (EU-Agentur für Grundrechte) aus dem Jahr 2013 schätzten bei Fällen von körperlicher Gewalt oder ihrer Androhung 40 Prozent der Betroffenen die Täter als Personen „mit extremistisch muslimischer Orientierung“ ein: „Deutlich seltener wurden sie als links- oder rechtsgerichtet wahrgenommen.“
    "Feinde der islamischen Weltherrschaft"

    Warum wird darüber vergleichsweise wenig berichtet?

    Hartmut Krauss: Der Sachverhalt, dass zugewanderte Muslime in Deutschland im Durchschnitt deutlich judenfeindlicher eingestellt sind als einheimische Deutsche ist ein bedrohlicher Tatbestand für die in Politik und Medien vorherrschenden proislamischen bzw. antiislamkritischen Erzählungen. Er erschüttert im Grunde den gesamten Bestand islamapologetischer Narrative.

    Zudem untergräbt er in migrationspolitischer Hinsicht die Legitimation für die Förderung, Zulassung und Duldung der nach wie vor stattfindenden ungesteuerten Massenimmigration aus islamischen Ländern.

    Es stellt sich somit nämlich die unangenehme Frage: Wie kann es sein, dass gerade das postnazistische Gesamtdeutschland, dass so viel Wert auf eine gute symbolpolitische Imagepflege legt, so viele orientalische Judenfeinde aufnimmt? Das ist natürlich kein gutes Thema für die herrschaftskonforme Berichterstattung.

    Was sind die Gründe für diesen Antisemitismus?

    Hartmut Krauss: Hervorzuheben ist hier zunächst die generelle Ungläubigenfeindlichkeit als Kernaspekt der islamischen Weltanschauung. Denn das zentrale Hindernis, das der im Koran festgelegten islamischen Weltherrschaft entgegensteht und die absolute Geltungsmacht der islamischen Lebensordnung einschränkt, ist die im Grunde gotteslästerliche Existenz von „Ungläubigen“, die sog. Kuffar.

    Als Feinde der islamischen Weltherrschaft und des umfassenden Islamisierungsstrebens sind die ungläubigen Nichtmuslime als Objekte der Bekämpfung, Tötung, Schmähung, Herabwürdigung etc. herausragendes und übergreifendes Thema der islamischen Quellen. „Als die schlimmsten Tiere gelten bei Gott diejenigen, die ungläubig sind und (auch) nicht glauben werden“ (Koran, Sure 8, 55).

    Als „Schriftbesitzer“ und monotheistische Konkurrenten um die „wahre Rechtgläubigkeit“ sind die Juden wie die Christen unter islamischen Herrschaftsverhältnissen zur Zahlung einer Kopfsteuer verpflichtet und müssen die Stellung eines „Bürgers zweiter Klasse“ (Dhimmi) mit minderen Rechten und zahlreichen Entwürdigungen einnehmen.

    Dabei ist die Kopfsteuer nach traditioneller islamischer Rechtsauffassung „eine Art Bestrafung, die Ungläubigen auferlegt wird wegen ihres Unglaubens, daher wird sie dschizyat genannt, abgeleitet von dschizya, und das heißt Wiedergutmachung. Die Kopfsteuer ist eine Art Bestrafung der Ungläubigen für ihre Verstocktheit im Unglauben.“

    Die spezifische Ungläubigenfeindlichkeit gegenüber den Juden resultierte nun bei Betrachtung der islamischen Quellen daraus, dass Mohammeds ursprüngliche Annahme, die jüdischen Stämme würden seinen Verkündungen schnell folgen, frustriert wurde und die überwiegende Mehrheit der Juden an ihrem Glauben festhielt.

    Darauf „antwortet“ der Koran: „Du wirst sicher finden, daß diejenigen Menschen, die sich den Gläubigen gegenüber am meisten feindlich zeigen, die Juden und die Heiden sind“ (Sure 5, 82). Als Strafe dafür, dass sie „ungläubig sind und unsere Zeichen für Lüge erklären, werden sie Insassen des Höllenfeuers sein“ (Sure 5, 86). Zudem wird ihnen die die Verwandlung in „Affen und Schweine und Götzendiener“ angedroht (Sure 5, 60).

    Mohammed beließ es aber nicht bei diesen verbalen Anfeindungen und Stigmatisierungen, sondern führte gegen alle drei jüdischen Stämme im Umland von Medina Angriffskriege, ließ alle Männer eines Stammes enthaupten sowie deren Frauen und Kinder in die Sklaverei verkaufen und stiftete auch damit ein paradigmatisches Verhaltensmodell.

    Als es dann im Laufe des Verlustes der islamischen Vorherrschaft und der Erfahrung westlich-abendländischer Überlegenheit sowie der nunmehr vorliegenden Gegebenheit, dass die Juden sich anschickten, den Status von demütig Tribut zahlenden Dhimmis zu verlassen und auf von Muslimen beanspruchtem Gebiet eigenmächtig zu siedeln und schließlich gar einen eigenen Staat zu gründen, lag es auf der Hand, dass der in Europa grassierende rassistische Antisemitismus von bedeutenden Teilen der islamischen Welt begrüßt und zum Teil enthusiastisch aufgegriffen und adaptiert wurde. Kurzum: Es kam zur Aufladung der tradierten islamischen Judenfeindschaft mit europäischem Antisemitismus.

    Hingegen zielt die verleumderische Gleichsetzung von „Islamfeindschaft“ und Antisemitismus von Seiten der Islamapologetik u.a. darauf ab, die tatsächliche Synthese von Islam und Judenhass zu verschleiern bzw. von dieser abzulenken. Die Basis bildet hierfür eben die umrissene koranische Verdammung der Juden sowie die paradigmatische antijüdische Gewalt- und Vernichtungspolitik Mohammeds.

    Nimmt die hiesige jüdische Community diese Bedrohung wahr? Vom Zentralrat der Juden vermeine ich diesbezüglich eher beschwichtigende Töne zu vernehmen …

    Hartmut Krauss: Nach meinem Eindruck ist die jüdische Community in dieser Frage der Bedrohung von muslimischer Seite auf deutschem Boden intern nicht homogen aufgestellt. Es gibt eindeutig islamkritische Kräfte, welche die zuvor knapp skizzierten Gegebenheiten und Zusammenhänge kennen und ernst nehmen.

    Auf der anderen Seite sind aber auch diejenigen medial besonders in Szene gesetzten Kräfte vorhanden, die das Problem eher verniedlichen, im Gleichklang mit den etablierten Parteien und Staatsvertretern einseitig und realitätsverzerrend auf die einheimische Rechte fokussieren und sich dabei absurderweise gern auch Seite an Seite mit den Islamfunktionären zeigen. Das gilt leider auch für Vertreter des Zentralrats der Juden.
    Salafisten, rechter und linker Antisemtismus

    Wie beurteilen Sie die Gefahr, die von den Rechten ausgeht?

    Hartmut Krauss: Ich halte diese Gefahr insgesamt gesehen für durchaus relevant und besorgniserregend. Allerdings ist es grundfalsch, wenn man sich dabei einseitig und zum Teil auch aus ideologisch fadenscheinigen Gründen nur auf die einheimische Rechte konzentriert und dabei den quantitativ und qualitativ bedeutsameren Teil der zugewanderten Rechten orientalisch-islamischer Prägung weitgehend außer Acht lässt.

    So ist z. B. die türkisch-rechtsextremistische Ülkücü-Bewegung, deren türkische Hauptorganisation die Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) ist – besser bekannt als Graue Wölfe - mit ihren 11.000 Mitgliedern in Deutschland alleine fast genauso stark wie die gesamte Mitgliedschaft der einheimischen rechtsextremistischen Parteien zusammen. (NPD, Die Rechte, Der III. Weg).

    Hinzu kommen 11.900 Personen, die allein der salafistischen Szene in Deutschland zugerechnet werden. Während die AfD ca. 28.000 Mitglieder aufweist, werden für die Islamische Gemeinschaft[KV1] Milli Görüs (IGMG) ca. 33.000 Mitglieder gezählt. Im Bereich „islamistischer Terrorismus“ wurden zuletzt laut offizieller Mitteilung 531 „Gefährder“ und 516 "Relevante Personen gezählt.

    Im Bereich der politisch rechts motivierten Kriminalität waren es 81 "Gefährder sowie 185 „Relevante Personen“ und im Bereich der politisch links motivierten Kriminalität zwölf „Gefährder“ sowie 72 „Relevante Personen“.

    Von den ca. 2,8 Millionen Türkeistämmigen in Deutschland waren bei der letzten Präsidentschafts- und Parlamentswahl in Deutschland 1.443.585 Millionen wahlberechtigt, von denen 49,7 Prozent ihre Stimme abgaben. Von diesen wiederum wählten zwei Drittel (64,8 Prozent) Erdogan, 55,7 Prozent die AKP und 8,4 Prozent die MHP. Vor diesem Hintergrund ist es wenig überraschend, dass judenfeindliche Rufe auf deutschen Straßen stärker und umfangreicher aus muslimischen als aus deutschen Kehlen erschallen.

    Gibt es linken Antisemitismus und falls ja, welche Rolle spielt dabei Israel?

    Hartmut Krauss: Die bei einigen Vertretern der „Linken“ zu kritisierenden „antisemitischen“ Positionen sind weder religiös-weltanschaulich (christlicher Antijudaismus; islamische Judenfeindlichkeit) noch rassistisch motiviert, sondern resultieren aus einer personalisierenden (verschwörungspopulistischen) Kapitalismuskritik und/oder einer „antiimperialistisch“ verblendeten Israelfeindlichkeit.

    Dabei wird Israel – bei vollständiger Ausblendung der reaktionär-islamischen und aggressiv-dschadistischen Konstitution der palästinensischen Vorhutakteure und ihrer muslimischen Unterstützer – als repressiver Kolonialstaat vorgestellt und naiv der muslimischen Opferinszenierung gehuldigt.

    Daraus ergibt sich dann ein ideologisch verzerrtes Bild, das die realen Gegebenheiten grundsätzlich auf den Kopf stellt: Die Israelis sind immer die Bösewichte, die Palästinenser immer die armen unschuldigen Opfer, die sich bloß wehren.
    „Die Existenz Israels wirkt wie ein Pfahl im Fleisch des religiös überhöhten Herrschaftsanspruchs“

    Wie schätzen Sie die Rolle Israels im Nahen Osten ein?

    Hartmut Krauss: Die Gründung des Staates Israel war die unmittelbare Folge der Zerschlagung des NS-Regimes und des damit besiegelten Endes des Zweiten Weltkriegs. Angesichts der ideologischen Kumpanei und politischen Kollaboration mit den Nazis, wie sie sich insbesondere im Wirken des Muftis von Jerusalem, Mohammed Amin al-Husseini, manifestierte sowie der Begeisterung für Hitler und die deutsche Judenvernichtungspolitik war bereits die Beseitigung der Naziherrschaft eine weitere frustrierende Erfahrung für die islamische Welt.

    Kurz darauf erfolgten dann mit der Gründung des Staates Israel und der arabisch-islamischen Niederlage im direkt anschließenden Unabhängigkeitskrieg (Nakba/Katastrophe) weitere schwerwiegende Traumata für die islamische Herrschaftskultur. Hinzu kam dann später noch die Niederlage im Sechstagekrieg (1967).

    Fortan wirkte und wirkt die Existenz Israels wie ein Pfahl im Fleisch des religiös überhöhten Herrschaftsanspruchs der islamischen Gemeinschaft der „Rechtgläubigen“. Die islamspezifische Judenfeindschaft wurde durch diese Niederlagenserie nicht nur religiös-ideologisch, sondern auch sozialpsychologisch „getriggert“ und lässt sich näher bestimmen als aggressiver Ausdruck eines blockierten Herrschafts- und Dominanzanspruchs bzw. die sozialpsychologisch-ideologische Präsenz eines sich dominiert fühlenden Subjekts, das selbst Herrscher sein will und lange Zeit Herrscher war.

    Zwecks psychischer und ideologischer Restabilisierung dieses traumatisierten Subjekts kam es zur selbstentlastenden Herausbildung eines ausgeprägten Verschwörungsnarrativs, wonach der Westen und insbesondere die Juden in der Rolle von Sündenböcken für die Krisen und Nöte der Muslime verantwortlich sind.

    In der ursprünglichen, im August 1988 erstmals veröffentlichten Charta der im Gaza-Streifen herrschenden Hamas, die den palästinensischen Zweig der Muslimbruderschaft verkörpert, sieht man sehr klar, dass der moderne rassistisch-verschwörungsideologische Antisemitismus der grundlegenden klassischen islamisch-dogmatischen Judenfeindschaft nur „aufgepfropft“ wurde.

    So heißt es einleitend bereits in aller Deutlichkeit: „‘Israel wird entstehen und solange bestehen bleiben, bis der Islam es abschafft, so wie er das, was vor ihm war, abgeschafft hat.‘“ "Der Imam und Märtyrer Hassan al-Banna, Gott hab ihn selig."

    Artikel 1 lautet: „Das Programm der Islamischen Widerstandsbewegung ist der Islam. Aus ihm leitet sie ihre Ideen, Konzepte und Vorstellungen vom Universum, dem Leben und den Menschen ab, von ihm lässt sie sich in all ihren Unternehmungen auf dem rechten Weg leiten.“

    Artikel 6: „Die Islamische Widerstandbewegung ist eine spezifisch palästinensische Bewegung, treu Gott ergeben. Der Islam dient ihr als Lebensentwurf. Sie strebt danach, das Banner Gottes über ganz Palästina, jeder Handbreit davon, aufzupflanzen.“ (…)

    Artikel 11: "Die Islamische Widerstandsbewegung glaubt, dass Palästina allen Generationen der Muslime bis zum Tag des Jüngsten Gerichts als islamisches Waqf-Land vermacht ist. Palästina darf weder als Ganzes noch in Teilen aufgegeben werden. Es gehört weder einem arabischen Staat noch allen arabischen Staaten, weder einem König oder Präsidenten noch allen Königen und Präsidenten, weder einer Organisation noch allen Organisationen, ganz gleich, ob es sich dabei um eine palästinensische oder arabische Organisation handelt, denn Palästina ist den Generationen der Muslime bis zum Tag des Jüngsten Gerichts gegeben. (…)

    Auf dieser orthodox-islamischen Grundlage wird dann „modern-antisemitisch-verschwörungsideologisches“ Gedankengut assimiliert. Wer eine Zwei-Staaten Lösung im Sinne friedlicher Koexistenz anstrebt, muss primär hier an die Wurzel gehend ansetzten oder er wird auch zukünftig scheitern."
    „Abstruse politisch-mediale Bezeichnungskumpanei“

    Können Sie Gründe anführen, warum sich Teile der Linken mit religiösen Fanatikern wie der Hamas oder der Theokratie im Iran solidarisch erklären?

    Hartmut Krauss: Zunächst einmal halte ich es für absolut verfehlt, Gruppen und Personen, die sich mit extrem rückständigen und religiös-irrational verblendeten islamischen Terroristen und theokratischen Totalitaristen solidarisieren und damit Hochverrat an den Ideen und Prinzipien der (Radikal-)Aufklärung sowie der herrschaftskritisch-emanzipatorischen Theorieentwicklung begehen, als „links“ zu etikettieren.

    Hierbei handelt es sich um eine sehr abstruse politisch-mediale Bezeichnungskumpanei zwischen globalkapitalistischen Mainstreammedien, alten und neuen Rechten sowie postmodern ideologisierten Straßengangs, die im Interesse der herrschenden Kräfte agieren.

    Tatsächlich handelt es sich bei diesen fälschlicherweise so genannten „Linken“ um eine Ansammlung von Kulturrelativisten, Multikulturalisten und Poststalinisten, deren weltanschaulich-politische Positionen im schroffen Gegensatz zur klassischen Marxschen Theorie stehen.

    Sie sind weder an einer kritisch-emanzipatorischen Analyse und Bewertung nichtwestlicher Herrschaftskulturen noch am Begreifen der aktuellen Verflechtungsdynamik von Kapitallogik und nichtwestlichen Herrschaftsverhältnisse wirklich interessiert. Was sie antreibt, sind vielmehr folgende Beweggründe:

    1.) Das Absuchen der Wirklichkeit nach vordergründigen Bestätigungen für ihr veraltetes ideologisches Weltbild vom allmächtigen und einzig bösartigen „Westen“.

    2.) Die Pflege eines positiv-rassistischen Vorurteils, das Angehörige nichtwestlicher Kulturen per se als Verkörperung des Guten, wenn auch etwas Zurückgebliebenen und Unselbständigen (auf jeden Fall: nicht Eigenverantwortlichen) ansieht und deshalb in sozialfürsorgliche Obhut nimmt, das heißt an ihnen ein vormundschaftssüchtiges Helfer- und Beschützersyndrom auslebt.

    3.) Der antimarxistische, im Grunde reaktionär-konservative Verzicht auf die kritische Bewertung zwischenmenschlicher Herrschaftsverhältnisse und repressiver Praxen, wenn es sich dabei um eine „andere“, nichtwestliche Lebenskultur handelt.

    4.) Die Ausprägung eines deutungspathologischen Reflexes, der jedwede Kritik von Deutschen an Nichtdeutschen mit fast schon krimineller Verleumdungsenergie a priori, also unabhängig von der Überprüfung der inhaltlichen Tragfähigkeit der geäußerten Kritik, als „rassistisch“ und „fremdenfeindlich“ denunziert.

    5.) Und nicht zuletzt dann eben die Tendenz zur Verbrüderung mit nichtdeutschen Reaktionären auch übelster Art, insbesondere radikalislamischen Akteuren nach der Logik „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“.
    Antisemitismus in der Ukraine

    Letzte Frage: Wie ausgeprägt ist der Antisemitismus in der Ukraine?

    Hartmut Krauss: Bei aller berechtigten Kritik an der autoritär-repressiven Konstitution des postsowjetischen Russlands ist es andererseits doch unangemessen, sich von einem unkritisch-schönfärberischen Bild der Ukraine blenden zu lassen. Eine starke antisemitische Präsenz in der jüngeren Geschichte der Ukraine kann nicht geleugnet werden.

    So wurden nach vorliegenden Berichten und Analysen während des russischen Bürgerkriegs zwischen November 1918 und März 1921 an über 500 Orten in weit über 1000 Pogromen über 100.000 Juden umgebracht. Etwa zwei Drittel aller jüdischen Häuser und über 50 Prozent aller jüdischen Geschäfte sollen geplündert oder zerstört worden sein.

    Verantwortlich für dieses mörderische und zerstörerische Treiben waren insbesondere die weißgardistisch-konterrevolutionären Truppen von Anton Denikin, die ukrainischen Milizen von Symon Petljura sowie die Grüne Armee enteigneter Bauern. Angetrieben wurden diese Gewalttaten wie später auch die Gräueltaten der Nazis in der sowjetischen Ukraine durch die Feindschaft gegen den Bolschewismus und die vermeintliche Dominanz von Juden in dieser Bewegung (antibolschewistisch-antijüdische Synthese).

    Im Zweiten Weltkrieg verübte die „Organisation Ukrainischer Nationalisten“ (OUN) nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht wiederholt Massaker an der jüdischen Bevölkerung. 84.000 Ukrainer hatten sich für den Dienst in der SS gemeldet.

    Über den OUN- Führer Stefan Bandera, der heute – wie auch Symon Petljura – in der Ukraine als Volksheld verehrt wird, heißt es: „Vor dem Krieg machte er kein Geheimnis daraus, dass ’nicht nur Hunderte, sondern Tausende Menschenleben geopfert werden müssen’, damit die OUN ihre Ziele realisieren und ein ukrainischer Staat entstehen könne. Die Massengewalt beziehungsweise die ’Säuberung’ der Ukraine von Juden, Polen, Russen und anderen ’Feinden’ der Organisation war ein zentraler Bestandteil seiner Ziele.“

    Die postsowjetische Ukraine weist eine einflussstarke Präsenz rechtsextremistischer (ultranationalistischer und neofaschistischer) Akteure auf, die auch bei dem sog. Maidan-Umsturz 2014 eine wesentliche – wenn nicht ausschlaggebende – Rolle spielten. Nach dem Umsturz und im Fortgang der weiteren Entwicklung waren die rechtsextremistischen Akteure zwar nicht auf der unmittelbaren oberen Regierungsebene vertreten, fungierten aber – auch gegenüber Polizei und Geheimdiensten und jenseits des staatlichen Gewaltmonopols – als durchsetzungsfähige Einschüchterungs- und Repressionsorgane im Rahmen des oligarchischen Machtsystems.

    In einem 2018 erschienenen Kommentar auf Reuters zum Neonazi-Problem der Ukraine hieß es angesichts der Verbindungen zwischen Strafverfolgungsbehörden und Rechtsextremisten sowie der staatlichen Duldung rechtsextremistischer Einschüchterungspatrouillen:

    „Westliche Diplomaten und Menschenrechtsorganisationen müssen die ukrainische Regierung auffordern, die Rechtsstaatlichkeit zu wahren und der extremen Rechten nicht länger zu erlauben, ungestraft zu agieren. (…) Es gibt keinen einfachen Weg, den virulenten Rechtsextremismus auszurotten, der die ukrainische Politik und das öffentliche Leben vergiftet hat, aber ohne energische und sofortige Gegenmaßnahmen könnte er bald den Staat selbst gefährden.“

    Dass diese Fakten aktuell nicht in das einseitig-antirussische Propagandabild der westlichen „Kriegsberichterstattung“ passen, dürfte auf der Hand liegen.