»Es kommt vermehrt zu Kündigungen« (Tageszeitung junge Welt)

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  • »Es kommt vermehrt zu Kündigungen«
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    Auch von Gentrifizierung bedroht: Garagen aus der DDR (Berlin, 4.10.2018)

    13.5.2023 von Fabian Lehmann - Vielen Pächtern von Garagen droht die Kündigung, manchmal sogar der Abriss der Garage. Was sind die Gründe dafür?

    In der DDR hatten die Bürger das Recht, Eigentumsgaragen zu bauen. Man wollte aber nicht, dass die Menschen auch das Grundstück erwerben konnten, denn das widersprach der damaligen Philosophie. So entstand dieses Konstrukt des Gebäudeeigentums auf fremdem Grund und Boden. Im Recht der Bundesrepublik gibt es eine solche Trennung von Gebäude- und Grundeigentum aber nicht. Deshalb hat man 1994 das sogenannte Schuldrechtsanpassungsgesetz beschlossen. Demnach bleibt das selbstständige Gebäudeeigentum so lange erhalten, bis das DDR-Vertragsverhältnis endet. Endet der Vertrag aber, geht die Garage automatisch in das Eigentum des Grundstückseigentümers über – also Kommune, Kirchengemeinde oder eine Privatperson. Der neue Eigentümer kann die Garage dann abreißen oder weitervermieten. Mit beiden Fällen sind wir konfrontiert.

    Was für ein Interesse hat eine Kommune, den alten Vertrag aufzulösen?

    Oft kündigen Kommunen die Verträge, um an das Eigentum der Garage zu gelangen und diese weiterzuvermieten. Kündigen können sie jederzeit und ohne Angabe von Gründen. Kommunen können dann Mieten nehmen, die erheblich höher sind, als es die Pacht bislang war. Außerdem versuchen sie in vielen Fällen, mit dem neuen Vertrag auch die Pflichten, die eigentlich der Vermieter zu erfüllen hat, auf den Mieter zu übertragen. Das betrifft vor allem die Instandhaltung. Häufig sind es die bisherigen Eigentümer der Garage, denen dieselbe Garage zur Miete angeboten wird. Da setzt dann unsere Beratung an. Denn für die bisherigen Eigentümer besteht die Möglichkeit, eine Entschädigung zu erhalten, deren Höhe sich danach bemisst, welche Einnahmen die Kommune in den kommenden Jahren durch die Vermietung der Garage voraussichtlich erwirtschaften wird.

    Wie hoch fällt eine solche Entschädigung üblicherweise aus?

    Ferienhütten Barsdorf

    Das bemisst sich individuell nach Zustand und Standort der Garage. Aber um ein Beispiel zu nennen, haben wir für ein Mitglied des Verbands Deutscher Grundstücksnutzer in Thüringen 2.000 Euro vor Gericht erkämpft.

    Wenn mir als Garageneigentümer gekündigt wird, wie sollte ich dann vorgehen?

    Das kommt darauf an, ob der Abriss droht oder die Garage weiter genutzt werden soll. Auf alle Fälle sollte man sich rechtlichen Beistand suchen. Mit der Kündigung wird den ehemaligen Eigentümern oft mitgeteilt, dass sie die Garage selbst abreißen und eine beräumte Fläche übergeben sollen. Bislang gab es für die Abrisskosten eine 50:50-Regelung. Die ist zum Jahresende 2022 jedoch ausgelaufen. Was statt dessen angewendet werden soll, bleibt unklar. Viele Kommunen gehen davon aus, dass nach Ende des Vertrags der Pächter nicht nur sein Eigentum verliert, sondern auch einhundert Prozent der Abrisskosten übernehmen muss. Weil das in unseren Augen hochgradig ungerecht ist, haben wir versucht, das Auslaufen der bisherigen Regelung zu verhindern, aber dafür keine politische Mehrheit gefunden. Jetzt wird wohl erst die Spruchpraxis der Gerichte endgültige Klarheit bringen.

    Stellen Sie fest, dass es nach Auslaufen der bisherigen Regelung vermehrt zu Kündigungen kommt, weil die Grundstückseigentümer ihren Vorteil sehen?

    Ja, es kommt vermehrt zu Kündigungen, aber eine größere Kündigungswelle ist bislang nicht zu verzeichnen. Es gibt allerdings Beispiele, bei denen die Kündigung am 3. Januar ausgesprochen wurde, wo man also offensichtlich auf das Auslaufen der bisherigen Abrissregelung gewartet hat. In Leipzig haben die Stadträte indes beschlossen, dass, wenn kommunale Garagenhöfe verschwinden müssen, die Garageneigentümer nicht mit den Abrisskosten belangt werden.

    Hat sich das Modell der Garage fern der eigenen Wohnung vielleicht auch überlebt?

    Das müsste sich in einem schwindenden Bedarf widerspiegeln, aber der ist nicht festzustellen. Wenn man diese Garagenhöfe jetzt abreißt, droht ein Parkchaos. Außerdem haben die Garagenhöfe auch eine soziale Komponente. Garagengemeinschaften sind ein Faktor des sozialen Zusammenhalts.

    Hagen Ludwig ist Mitglied des Präsidiums des Verbands Deutscher Grundstücksnutzer

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