• Andreasplatz
    https://de.wikipedia.org/wiki/Andreasplatz

    Der Andreasplatz war als ehemaliges Zentrum der Stralauer Vorstadt ein historisch bedeutsamer Platz im heutigen Ortsteil Friedrichshain in Berlin. Er lag an der Andreasstraße, zwischen den beiden Querstraßen Kleine Andreasstraße und Grüner Weg (heute Singerstraße). Um 1960 verschwand die Platzanlage mit der Neubebauung des Viertels aus dem Stadtbild.

    Der Anfang dieses Wikipedia-Artikels hört sich lakonisch an, ein Ort wird der Dramatik entkleidet, die hier einhundet Jahre Leben prägten.


    1899 verbargen die Stadtmöbel das Elend im Zille-Milljöh hinter den Fassaden.

    Der Mädchenfänger von Berlin
    http://www.welt.de/vermischtes/article1870282/Der-Maedchenfaenger-von-Berlin.html

    Carl Großmann
    https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Gro%C3%9Fmann

    In der Welt vom 6.4.2008 beschreibt Torsten Thissen wie Karl Großmanns letztes Opfer vom Gefängnistor bis zu ihrem Mörder gelangte. Die Polizei brach nur Minuten zu spät in seine Wohnung ein.

    Marie Nitsche ist keine schöne Frau. Sie weiß es. Sie ist alt geworden, mit ihren 34 Jahren der Konkurrenz der jungen Mädchen, die jeden Tag zu tausenden aus der Provinz nach Berlin kommen, nicht mehr gewachsen. Es gab eine Zeit, in der viele Männer sie ausführen wollten, verrückt nach ihr waren. Schöne Männer, junge Männer, sie war verliebt. Doch diese Zeit ist lange vorbei. Die Männer, die sie jetzt ansprechen, sind nicht charmant, machen keine Komplimente. Sie lächeln auch nicht. Sie grinsen.

    Auf der Friedrichsstraße bekommt sie ihren ersten Schnaps. Sie geht in eine Kneipe, die eigentlich viel zu gut für sie ist, fragt den Mann einfach, zittert ein bisschen, er hat Mitleid. In Kreuzberg trifft sie einen Betrunkenen und schwatzt ihm ein paar Bier ab. Irgendwann ruft der Mann den Wirt. Es ist ein Ausflugslokal, die Leute sitzen auf Bierbänken, viele Sonntagsanzüge, viele Sommerkleider, niemand blickt auf, als man sie rausschmeißt. Früher hätte sie wahrscheinlich auch nicht aufgeblickt, erinnert sie sich vage, sie empfindet keine Scham, schon lange nicht mehr.

    Marie Nitsche läuft nun an Menschen vorbei, die mehr aussehen wie sie, die sonntags die gleichen Kleider wie werktags tragen. Manche von ihnen in Lumpen, mit entstellten Gesichtern. Sie weicht einem doppelt Beinamputierten aus, der auf einem Rollwagen hockt. Er hat ein Schild um den Hals, ein Kriegsveteran, der um Mildtätigkeit bittet. Marie Nitsche hat nichts zu verschenken, sie bedauert ihn nicht und dennoch: Als Marie Nitsche den Schlesischen Bahnhof erkennt, die Lokomotiven unter Dampf, das Gewusel der Reisenden, die Droschken, die Kofferträger, die rauchend an ihren Karren lehnen, als sie die Taschendiebe bemerkt, die Huren und ihre Zuhälter, die fliegenden Händler und Zeitungsjungen mit den Sonntagsausgaben, befällt sie ein Gefühl des Nachhausekommens.

    erichs-kriminalarchiv - 17. Fall - Karl Großmann (1921)
    http://erichs-kriminalarchiv.npage.de/die-grossen-kriminalfaelle/die-grossen-kriminalfaelle-17-fall-1921.html

    Der Wikipedia-Autor schreibt denn auch:

    Der Platz entwickelte sich allerdings nicht zu einer Repräsentanzfläche, sondern entsprechend den Bewohnern und der Struktur zu einem Kiezplatz inmitten des bekannten Zille-Milieus. Heinrich Zille beschrieb zwar nie die Plätze und Häuser direkt, wuchs allerdings, aus Dresden kommend, nach 1867 in der Kleinen Andreasstraße auf und lebte also inmitten der Mietskasernen rund um den Andreasplatz seiner Zeit. Diese wurden zum Hauptsujet seiner späteren Werke. Der Andreasplatz entwickelte sich zudem zu einem Zentrum des Berliner Rotlichtviertels um den damaligen Schlesischen Bahnhof, den heutigen Ostbahnhof. Auch der bekannte Berliner Serienmörder Carl Großmann lebte in der Nähe des Platzes und suchte hier auch seine Opfer, meistens Prostituierte und mittellose Frauen.

    Um die Ecke von det janze Elend stand in der Frankfurter Allee / Andreasstraße das Luxuskaufhaus Hertie.
    http://www.stadtbild-deutschland.org/forum/index.php?page=Thread&threadID=39&pageNo=4


    http://www.spiegel.de/fotostrecke/nachkriegsfotos-vom-wiederaufbau-in-berlin-fotostrecke-128682-3.html

    1945 war sogar das Elend weggebombt, dananch verbot ihm der Sozialismus, oder was man so nannte, den Wiedereinzug in die Stralauer Vorstadt.

    Dann kam die Legende von Paul und Paula.
    http://www.friedrichshain-magazin.de/archiv/fh-4-02/text16.html

    „Berlin. Es ist Winter. In einer alten Straße sprengen sie wieder Häuser. Das erste. Das zweite. Sie fallen in sich zusammen. Als sich die unvermeidlichen Staubwolken verziehen, werden die Fassaden neuer Bauten sichtbar. Ein drittes altes Haus. Hier wird noch ausgezogen. Ein Möbelwagen steht vor der Haustür. Neugierige haben sich angesammelt. Nichts ist so interessant wie fremde Einrichtungen, wenn sie von Möbelpackern auf die Straße getragen werden.“

    So beginnt das Drehbuch zu einem der bekanntesten Filme aus den DEFA-Studios. Der Film wird seit sieben Jahren im Studio-Kino „Börse“ gezeigt und gilt als DDR-Kultfilm. Die beiden Hauptpersonen der Liebesgeschichte leben einander gegenüber in der Singerstraße. Doch es dauert lange, bis sie sich finden.
    ...
    die Geschichte endet tragisch: Sie stirbt bei der Geburt ihres dritten Kindes. Zum Schluss wird auch das letzte alte Haus in der Singerstraße gesprengt.
    ...
    Heute steht hier - „anstelle ehemaliger trostloser Mischbebauung von Arbeits- und Wohnstätten“, wie es in einem Architekturführer von 1974 heißt ? eine Kaufhalle. Hinterhofkinos und Reifenhändler gibt es hier nicht mehr. Der Neubau gegenüber ist mittlerweile mit Wärmedämmplatten verkleidet.

    Wie es weiterging wurde hier diskutiert:
    Sanierung von Plattenbauten [Archiv] - Deutsches Architektur-Forum
    http://www.deutsches-architektur-forum.de/forum/archive/index.php/t-9290.html

    Der_Geograph (17.09.10, 23:10): Das ewig leerstehende Gebäude an der Ecke Singer-/Andreasstraße wird seit einigen Monaten ebenfalls saniert. ... Dies ist m. E. eine der gelungensten Sanierungen eines Plattenbaus. Die Fassade sieht sehr hochwertig aus, des weiteren lässt die dunkle Farbe mit den silbergrauen, vertikalen Streben und den verspiegelten Fenstern das Haus nun sehr modern wirken.

    Kann man auch so sehen:

    Klarenbach (08.03.11, 20:00): Dann habe ich mir auch mal das Hochhaus Andreastraße 22 angeschaut und war doch sehr angetan. Vor allem die Dachterrasse bietet einen sehr schönen Ausblick. Billig sind die Wohnungen nicht, da muss man schon Nettokaltmieten von über 10 Euro zahlen.

    Oder die Hintergrundgeschichte erzählen:

    Betonkopf (04.08.12, 21:26): ich hab in mitte und fhain viel in plattenbauten beruflich zu tun und das ist eine gewachsene wohnstruktur, meistens leben die bewohner seit dem erstbezug dort (30-40 jahre!!), kennen ihre nachbarn, lieben die aussicht und achten auf haus, stockwerk, grünanlage, umgebung, besucher, man kennt sich, geht auch mal für den nachbarn einkaufen etc...man kennt sich halt.
    in so ne umgewandelte büroplatte erst einmal leben reinzubringen stell ich mir schwierig vor, da muß so einiges geboten werden...ach mensch, da fällt mir die luxussanierte platte in der singerstrasse/andreasstr. in fhain ein...schwarze fassadenplatten, teure, leicht verspiegelte fenster, consierge in nem gold tapezierten empfang nebst div. kronleuchtern, herrliche dachterrasse ausgelegt mit tropenhölzern, gehobene ausstattung, kaisers direkt vor der tür...wohnungen sauteuer und deswegen ein nahezu leeres gebäude das die nachbarn (baugleiche platte schräg gegenüber, alles seniorengerechte wohnungen) durch die schwarzen fassadenplatten und die schießschartenfenster eher gruselt...

    Heute blickt uns ein brauner Kaiser’s Supermarkt vom ehemaligen Andreasplatz aus an. Es gibt nur noch eine Straßenkreuzung Singerstraße/Andreasstraße. Das Foto sparen wir uns.

    #Berlin #Friedrichshain #Verbrechen #Geschichte #Luisenstädtischer_Kanal