« Viele halten die Demokratie für eine veraltete Technologie »

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  • „Viele halten die Demokratie für eine veraltete Technologie“ | Telepolis
    http://www.heise.de/tp/artikel/46/46140/3.html

    Tim O’Reilly ist einer der Vordenker im Silicon Valley. Er erfand unter anderem den Begriff Web 2.0. Er wie auch der sehr mächtige deutschstämmige Investor Peter Thiel und wohl auch sehr viele der Unternehmer dort halten die Demokratie für eine „veraltete Technologie“. Die Prozeduren sind ihnen zu langsam, Gesetze haben Vorlauf und reagieren nicht in Echtzeit auf Veränderungen. Genau das aber stört sie, weil die technologische Revolution in einer unfassbaren Geschwindigkeit voran schreitet.

    Die Rahmenbedingungen sollen sich wie ein Thermostat den Innovationen anpassen. Selbstfahrende Autos sollen nicht geprüft werden, sondern endlich losfahren. Für O’Reilly besteht die Zukunft der Politik in „algorithmischer Regulation“ gesellschaftlicher Prozesse. Intelligente Systeme evaluieren permanent den Ist-Zustand und gleichen das mit prognostizierten Zielvorstellungen ab. Mangementkybernetik, die als Politik verkauft wird. Tatsächlich aber bedeutet dies das Ende der Politik.

    Es entsteht ein sich selbst steuernder Prozess. In gewisser Weise bedeutet eine „algorithmische Regulation“ der „veralteten Technologie“ Demokratie die Automatisierung von Politik und Gesellschaft. Doch dabei wird unterschlagen, dass eine Zieldefinition nötig ist, auf die hin diese kybernetische Selbststeuerung beruht - wie die Zimmertemperatur, die voreingestellt wird.

    Geht es in der Politik im Idealfall um das Gemeinwohl, bedeutet die Automatisierung von Politik ihre Abschaffung. Das ist die Parallele zum Neoliberalismus. Der Staat wird als Hemmnis definiert. Der Markt gilt als der perfekte und objektive „Informationsprozessor“, wie der Wirtschaftshistoriker Philip Mirowski das nennt. Der Markt ist bei den Neoliberalen also als Idealmaschine konzipiert, die nicht durch ein Regulativ gestört werden darf. Ebenso argumentieren diese mächtigen Vertreter des Silicon Valley. Und ihr Datenkapitalismus entspricht zudem der Potenzierung des Marktmodells. Denn mit den Daten ist der Mensch und jede seiner Lebensäußerungen zur quantifizierbaren Ware geworden.
    ...
    Die Autonomie des Menschen wird derzeit von verschiedenen Stellen unterhöhlt. Beispielsweise von der sich ausbreitenden Verhaltensökonomie - der „behavioral economics.“ Obama, Cameron und Merkel haben bereits entsprechende Berater. Diese vermeintliche Wissenschaft versucht mit fragwürdigen Belegen darzustellen, dass wir Menschen in sehr vielen Dingen viel zu irrational handeln und deswegen so genannte „Entscheidungsarchitekten“ brauchen, die uns helfen. Die technologische Seite davon könnten KI-Systeme sein.

    Schlieter, Kai - Die Herrschaftsformel - Westend Verlag GmbH
    http://www.westendverlag.de/buecher-themen/programm/herrschaftsformel-schlieter.html

    #cybernetique