• Straßenumbenennung im Wedding: Der König ist tot, lang lebe der König! - taz.de
    http://www.taz.de/!5595917


    Rudolf Duala Manga Bell, König des Duala-Volkes im heutigen Kamerun, wurde 1914 von den deutschen Kolonialisten ermordet. Nach ihm soll der bisherige Nachtigalplatz in Wedding in Manga-Bell-Platz umbenannt werden

    Die Gegner der neuen Straßennamen frohlocken: Ein Brief ist aufgetaucht, in dem sich ein Kameruner König beschwert. Leider stimmt die Story nicht ganz.

    15. 5. 2019 von Susanne Memarnia - Die „Initiative Pro Afrikanisches Viertel“ (IPAV) gibt nicht auf. Seit der Bezirk Mitte vor gut einem Jahr die Umbenennung von drei nach deutschen Kolonialisten benannten Straßen im Wedding beschlossen hat, läuft die Ini, die anders als ihr Name vermuten lässt, von jeher gegen Umbenennungen ist, verbissen Sturm. Jeder Schritt der beteiligten Ämter, jede Nachricht wird zum Anlass genommen, über das angeblich „zutiefst undemokratische Verfahren“ zu lamentieren und den verantwortlichen PolitikerInnen Kolonialherren-Manier, Paternalismus und andere Schlechtigkeiten vorzuwerfen.

    Für die heutige Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) hat IPAV mal wieder „Einwohneranfragen“ gestellt. Dieses Mal drehen sie sich um einen Brief, den ein Großneffe des Königs Rudolf Duala Manga Bell, nach dem der Nachtigalplatz in Manga-Bell-Platz unbenannt werden soll, an den Vorsteher der BVV geschrieben hat. Der Absender, ein pensionierter Lehrer aus Bayern, schreibt, dass er dem aktuellen König von den Plänen des Bezirks telefonisch berichtet habe.

    Beim Gespräch darüber sei ihnen „ein für uns gravierender Fehler“ aufgefallen, schreibt der Großneffe. So sei der Name Manga Bell „eine Erfindung der Kolinialherren“, die seinerzeit für ihre afrikanischen Untertanen einen Familiennamen brauchten; der eigentliche Name des Königs sei Duala gewesen. Bei aller Freude über die geplante Umbenennung: Man bitte diese Änderung zu veranlassen. Der Brief schließt mit der Feststellung, der König würde sich freuen, zur Umbenennungsfeier eingeladen zu werden.

    Für die BI ist das selbstredend ein gefundenes Fressen: Ob jetzt die „Umbenennung der schon einmal umbenannten Umbenennung vorgesehen“ sei (man hatte bereits den Bell-Platz wegen Einsprüchen der Feuerwehr in Manga-Bell-Platz ändern müssen), will man nun in der BVV wissen? Ob der aktuelle König denn zur Feier eingeladen werde? Ob dessen Belehrung über „die fehlerhafte, nämlich auf Kolonialisten-Perspektive“ basierende Namensgebung Konsequenzen habe für die anderen Straßennamen?

    „Durch Boten – EILT!“
    Nun hat auch die Autorin dieser Zeilen diesen „brisanten“ Brief bekommen – in einem anonym abgegebenen Umschlag mit dem Hinweis „Durch Boten – EILT!“ Eilig ist die Sache allerdings weniger, wie ein kurzer Anruf beim Absender klärte. Er habe den Brief schon im März geschrieben, sagt der Großneffe des 1914 von den Deutschen ermordeten Königs. Die Sache sei für ihn auch längst erledigt.

    Ach, so schnell? Ja, beteuert der Bayer. Der (am Umbenennungsprozess beteiligte) Verein Africavenir habe ihn angerufen und die Zusage gegeben, dass ein Schild über den Namensgeber des Manga-Bell-Platzes und die „kolonialistische Erfindung des Namens“ informieren werde. Und weil sie die Umbenennung grundsätzlich „natürlich befürworten“, hätten der aktuelle König und er diesen Kompromiss akzeptiert, „um die ganze Sache nicht zu gefährden“. Die Berliner hätten ihm erklärt, dass es ohnehin noch dauern werde mit den neuen Namen.

    In der Tat: Der Bezirk muss in den kommenden Monaten erst einmal zu den rund 1.200 Widersprüchen von 400 Einzelpersonen gegen die insgesamt drei Umbenennungen Stellung nehmen. Wo er ablehnt, dürfte es Klagen hageln, dafür wird IPAV schon sorgen. Das ganze Verfahren werde wohl noch Jahre dauern, sagte kürzlich Bezirksbürgermeister Stephan Dassel (Grüne).

    Cui bono?

    Zurück zum Großneffen: Der erklärt glaubwürdig, dass er voriges Wochenende nicht in Berlin war und seinen zwei Monate alten Brief auch nicht bei der taz abgegeben hat. Aber wer dann? Wem würde es nützen, wenn Berliner Medien Artikel schreiben mit Überschriften wie „König Douala Bell kritisiert Straßenumbenennung“, wie es der Tagesspiegel Checkpoint am Mittwoch dann wirklich tat?

    Anruf bei der Initiative Pro Afrikanisches Viertel. Nein, sie könne nicht sagen, wer den Brief der taz gebracht habe, erklärt Sprecherin Karina Filusch – und setzt hinzu: wenn derjenige das nicht möchte. Hmm…

    So gibt es am Ende dieser Geschichte zwar keinen Skandal mehr, den einige offenkundig wollten. Dafür sitzt in Bayern nun ein Mann, der, wie er sagt, „Angst hat, dass mein Brief den Gegnern der Umbenennung in die Hände spielt.“ Der IPAV dürfte das egal sein: Schließlich schwingt sie sich gerne ungefragt zu Fürsprechern afrikanischer Interessen auf.

    Erst kürzlich sagte Filusch in der Berliner Zeitung als Argument gegen die Umbenennungen, auch Berliner „mit afrikanischem Hintergrund mögen es nicht, in die Sonderrolle von Opfern gedrängt zu werden“. Was in Einzelfällen stimmen mag, insgesamt aber natürlich ein Affront gegenüber den vielen politisch organisierten Schwarzen ist, die sich seit Jahren für die Umbenennung von Straßen mit kolonialen Unrechtsbezügen engagieren.

    Zum Schluss noch eine gute Nachricht (von der Gruppe Berlin Postkolonial): Der König wird selbstverständlich eingeladen! Nur das Datum für die große Umbenennungsparty steht noch nicht.

    #Berlin #Wedding #Afrikanisches_Viertel #Straßenumbenennung

  • 30. Jahrestag des Mauerfalls: Es war nicht alles gut - taz.de
    http://www.taz.de/!5570205

    „Feiern kann man nicht verordnen“, sagte Kultursenator Klaus Lederer (Linke) am 13. Februar anlässlich der Vorstellung der Planungen für „30 Jahre friedliche Revolution“. Nichtsdestotrotz soll das Gedenken an den Mauerfall 1989 wieder einmal zum Großereignis werden.

    Die vom Senat beauftragten Kulturprojekte Berlin sind dabei, ein stadtweites Festival zu organisieren: „7 Tage 7 Orte“ sind als Epizentren der offiziellen Feierlichkeiten geplant. Es handelt sich um Örtlichkeiten, die zum Mauerfall auf die ein oder andere Weise Bezug haben: Gethsemanekirche, Alexanderplatz, Schlossplatz, East Side Gallery, Stasi-Zentrale, aber auch der Kurfürstendamm als Zielort des ersten Besuchs aus dem Osten und natürlich das Brandenburger Tor, das Symbol der Überwindung der Teilung in der Nacht des 9. November.

    Die ausgewählten Orte sollen mittels Film‑ und Fotoprojekten bespielt und die Atmosphäre, der Tage um den 9. November 1989 soll auch durch Sound­installationen in Erinnerung gerufen werden. Insgesamt will man mit einer „Route der Revolution“ die „Geschichte von 1989/90“ nachvollziehbar machen, vermittelt durch zahlreiche Ausstellungen und Veranstaltungen.

    Vor allem der Musik als verbindendes Moment der Feierlichkeiten ist dabei eine zen­trale Rolle zugedacht. Die Bandbreite der beteiligten Künstler reicht von Klassik, Jazz, Rock, Pop bis HipHop und Techno. Als Finale des Festivalreigens soll dann auf allen Bühnen von Künstlern wie Besuchern dasselbe Stück angestimmt werden und so die „Stadt zu einer großen Gemeinschaft von Feierenden vereint“ werden.

    Ein „würdiges Gedenken“
    10 Millionen Euro hat das Berliner Abgeordnetenhaus für die Feierlichkeiten bereits bewilligt. Das sind einige Millionen mehr als zu den Jubelfeiern zum 20. und 25. Jahrestag des Mauerfalls. Lederer begründete dies am Mittwoch unter anderem mit dem gestiegenen Sicherheitsaufwand bei derartigen „umsonst und draußen“ stattfindenden Großveranstaltungen.

    Über die reine Ankündigung der Programmpunkte für die Presse hinaus versuchte sich der Kultursenator bei der Gelegenheit aber auch an einer grundsätzlichen „Einordnung“ des Jahrestages des Mauerfalls vor 30 Jahren.

    10 Millionen Euro hat das Abgeordnetenhaus für die Feier-lichkeiten bewilligt

    Das aktuelle Erinnern finde – anders als bei vorangegangenen Jubiläen – in einer „veränderten Lage“ statt. Die pure Freude über die friedliche Revolution sehe sich heute auch mit Enttäuschungen und Versäumnissen konfrontiert: so­ziales Ost-West-Gefälle, Rechtsruck, Brexit seien Momente, die man auch beim Feiern nicht ausblenden könne. Und: Man müsse auch die Wendeverlierer und ihre „gebrochenen Biografien“ in den Blick nehmen, sagte Lederer. Das Wichtigste sei deshalb ein „würdiges Gedenken“.

    Drei Punkte seien zu berücksichtigen: zunächst das Gedenken an die „Opfer von Mauer und SED-Regime“; zum zweiten die Erinnerung an die „Helden der Revolution“, die für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte auf die Straße gegangen wären. „Darauf kann man getrost stolz sein“, meinte Lederer. Und schließlich müsse auch der „andere Blick“ auf den Mauerfall einbezogen werden, etwa aus der Sicht der „Menschen mit Migrationshintergrund“. Schließlich sei der Mauerfall in Berlin zugleich „Teil einer europäischen Entwicklung“ gewesen. Es gelte deshalb, sich natio­nalistischen Tendenzen in Zusammenhang mit der seinerzeit eingeleiteten „deutschen Einheit“ entgegenzustellen.

    Zeitzeug*innen gesucht
    Moritz van Dülmen, Geschäftsführer der landeseigenen Kulturprojekte Berlin und Hausherr im Podewil, wo die Veranstaltung am Mittwoch stattfand, betonte in seinem Vortrag, das „A und O“ der geplanten Feierlichkeiten sei die Beteiligung möglichst vieler unterschiedlicher Partner. Die Kulturprojekte GmbH wird daher für die Feier mit Institutionen wie der Gedenkstätte Berliner Mauer, dem Berliner Beauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Robert-Havemann-Gesellschaft kooperieren.

    Schließlich aber sollen auch die Beteiligten der „friedlichen Revolution“ selbst zu Wort kommen. In öffentlichen Aufrufen werden deshalb Zeitzeug*innen gesucht, die damals dabei waren. Wer sich angesprochen fühlt, kann Kontakt aufnehmen und seine Geschichte erzählen, die dann in die vielen Ausstellungen zum Jahrestag am 9. November einfließen könnte.

    Die Absicht, möglichst alle irgendwie bei dieser Feier anzusprechen oder einzubinden, ist deutlich zu merken. Natürlich wird man es nicht jedem recht machen können. Schließlich werden (wieder einmal) über eine Millionen Besucher bei den diversen Veranstaltungen erwartet.

    Das genaue Programm für die Feierlichkeiten wird allerdings erst im Sommer feststehen. Auf jeden Fall soll aber „etwas größer gefeiert“ werden, wie Klaus Lederer betonte. Was er zu erwähnen vergaß: Partyvolk und Touristen sind ja auch ein Wirtschaftsfaktor für die Stadt.

  • Berliner Obdachlose wehren sich: Ein Platz zum Bleiben - taz.de
    http://www.taz.de/!5556684

    17. 12. 2018 - Obdachlose sollen ein Gelände an der Rummelsburger Bucht räumen. Doch Wolfgang, Trotzi und die anderen wehren sich.

    „Wir haben keine Ahnung, wo wir sonst hinsollen“, sagt Trotzi resigniert. In den Räumen des besetzten Jugendschiffs „Freibeuter“, das am Ufer der Rummelsburger Bucht ankert, versammeln sich Obdachlose und Aktivist*innen zu einer Krisensitzung. Die 23-Jährige fürchtet, wie viele andere Obdachlose, die sich auf der anliegenden Freifläche ein vorübergehendes Zuhause errichtet haben, eine Räumung des Geländes.

    Die über 30.000 Quadratmeter große Brache zwischen dem Ostkreuz und der Rummelsburger Bucht ist eine der letzten großen Freiflächen Berlins. Zukünftig sollen hier ein Aquarium, ein Hotel und Hunderte Luxuswohnungen entstehen. Bislang leben hier nach Schätzungen des Streetworker Vereins Gangway e. V. fast hundert Menschen auf dem Gelände. In mehreren Camps verteilt kampieren hier obdachlose Menschen mit verschiedensten Hintergründen: Roma-Familien aus Südosteuropa, auch viele Deutsche und andere EU-Bürger*innen. Immer wieder gibt es Beschwerden von Anwohner*innen über Müll und Schmutz.

    Vergangene Woche erhielten die Be­woh­ner*innen der Brache vom Ordnungsamt die Aufforderung, das Gelände zu räumen. Das Areal wurde großflächig umzäunt, einige Zelte wurden zerstört, eine Räumung blieb jedoch aus. Mitarbeiter*innen der Security-Firma und der BSR teilten den Obdachlosen mit, dass die Räumung wohl am 20. Dezember stattfinden soll. Verunsichert wandten diese sich an die Aktivist*innen des Kollektivs „Staub zu Glitzer“ die sich auf dem seit Oktober besetzten Jugendschiff „Freibeuter“ für die Belange der Obdachlosen auf der benachbarten Freifläche einsetzen. „Es wurden keinerlei Hilfsangebote gemacht“, kritisiert Sarah Waterfeld von Staub zu Glitzer während des Treffens am vergangenen Freitag. Angesichts des bevorstehenden Winters haben viele der Obdachlosen Angst, auch noch ihr letztes Hab und Gut zu verlieren.

    „Man verliert bei jeder Räumung Gepäck“, erklärt Wolfgang. „Was man nicht tragen kann, wird einfach weggeschmissen“. Der 62-Jährige wohnt seit über 20 Jahren auf der Straße. Notunterkünfte sind für ihn wie für viele andere Obdachlose keine Option: „Ich brauche schon aus gesundheitlichen Gründen ein isoliertes Leben“, sagt er. Grund sind neben der mangelnden Privatsphäre auch das Verbot von Alkohol und Hunden. Für Trotzi, die mit drei Freunden auf der Brache ein Lager hat, kommt es nicht infrage, ohne ihren Hund die Nacht zu verbringen: „Lieber würde ich erfrieren.“

    Trotzi (23) ist seit zehn Jahren obdachlos Foto: Nadja Wohlleben

    Kaum noch Ausweichflächen
    Kritisch ist auch, dass es kaum noch Ausweichflächen gibt, wo obdachlose Menschen sicher kampieren können. Neben schwindenden Freiflächen verstärkt die rasant steigende Zahl von Wohnungslosen das Problem. Schätzungen zufolge leben derzeit bis zu 10.000 Menschen auf Berlins Straßen. „Die Situation spitzt sich immer mehr zu“, erklärt Maja von Gangway, die seit zwei Jahren als Streetworkerin an der Rummelsburger Bucht arbeitet.

    WOLFGANG (62), OBDACHLOSER
    „Man verliert bei jeder Räumung Gepäck“

    Ein Großteil des Geländes gehört dem Land Berlin, verantwortlich ist daher die von der Linkspartei unter Katrin Lompscher geführte Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen. Daher beschlossen die Obdachlosen und Aktivist*innen, den Landesparteitag der Linken am Sonntag zu besuchen, um so die drohende Räumung abzuwenden.

    Am Sonntagnachmittag empfangen die Parteimitglieder die aus neun Personen bestehende Vertretung enthusiastisch: Die Sitzung wird unterbrochen, die Obdachlosen werden auf das Podium geführt. „Wir hoffen, von euch Unterstützung zu bekommen und dass es keine Räumung gibt“, forderte der Sprecher der Gruppe Ingo Bauer.

    Abgeordneter Harald Wolf sagte prompt Unterstützung zu: „Solange es keine Lösung für die Unterkunft gibt, wird es keine Räumung geben.“ In den darauf folgenden Gesprächen versicherten mehrere Po­li­tiker*innen der Partei, sich mit dem Bezirk in Verbindung zu setzen, um Alternativlösungen zu finden.

    MICHA, OBDACHLOSENVERTRETUNG
    „Es macht einen krank, wenn man nicht weiß, ob morgen die Polizei vorm Zelt steht“

    Niemand im Senat oder Bezirk will jedoch etwas von einer bevorstehenden Räumung der Brache gehört haben. Eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen erklärte am Montag auf Anfrage, es handele sich lediglich „um ein Gerücht“, eine Räumung war nie geplant. Philipp Gehrke von der Deutschen Stadt- und Grundstücksentwicklung (DSK), die das Gelände im Auftrag für den Senat verwaltet, bestätigte jedoch, dass eine Räumung bereits für den 11. Dezember beabsichtigt war.

    Den Obdachlosen geht es vor allem um ein wenig Sicherheit. „Es macht einen psychisch krank, wenn man nicht weiß, ob morgen die Polizei vor deinem Zelt steht“, sagt Micha, ebenfalls Mitglied der Obdachlosenvertretung. „Wir wollen nur einen Platz, an dem wir bleiben können.

    #Berlin #Lichtenberg #Rummelsburger_Bucht #Paul-und-Paula-Ufer #Hauptstraße #Kynaststraße #Stadtentwicklung #Wohnen #Obdachlosigkeit

  • Liebigstraße 14 - als wir mal Häuserbesetzen ausprobierten
    https://www.openstreetmap.org/node/2824977924

    Liebigstraße 14 (Berlin) – Wikipedia
    https://de.wikipedia.org/wiki/Liebigstra%C3%9Fe_14_(Berlin)

    Im Haus an der Liebigstraße 14 im sogenannten Nordkiez des Berliner Ortsteils Friedrichshain befand sich ein aus einer illegalen Hausbesetzung entstandenes Wohnprojekt, dessen Räumung im Februar 2011 von gewalttätigen Ausschreitungen und öffentlicher Aufmerksamkeit begleitet wurde.

    Liebigstraße 14: Die Eigentümer bleiben im Hintergrund - Berlin - Tagesspiegel
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/liebigstrasse-14-die-eigentuemer-bleiben-im-hintergrund/3788882.html

    31.01.2011, 22:50 Uhr

    Der Streit währt viele Jahre, doch die Eigentümer, die eine Räumung verlangen, kennt kaum jemand. TORSTEN HAMPEL

    Das Eckhaus Liebigstraße 14 – sowie das angrenzende Haus Rigaer Straße 96 – gehören seit 1999 der Lila GbR, einer Firma, die sich wiederum im Besitz zweier Männer befindet: dem Ingenieur Suitbert Beulker und dem Familientherapeuten Edwin Thöne. Beide wollen sich zur anstehenden Räumung nicht äußern.

    Überhaupt einen Kontakt zu Beulker herzustellen, dem in der Rigaer Straße weitere benachbarte Häuser gehören und dessen Eintrag beim Einwohnermeldeamt mit einem Sperrvermerk versehen ist, vermochte selbst das im jahrelangen Streit um die Häuser vermittelnde Bezirksamt oft nur über den Mitgesellschafter Thöne. Thöne ist Geschäftsführer beim Kinderschutzbund im nordrhein-westfälischen Unna. Am Telefon sagt er, dass er den eskalierten Streit um das Haus Liebigstraße 14 nicht durch eigene Äußerungen befeuern wolle und verweist darauf, dass er damit seit einigen Jahren auch nicht mehr befasst sei. Er habe die entsprechenden Befugnisse längst an Beulker abgetreten. In einer von ihm im Januar 2007 geschriebenen Vollmacht steht: „Hiermit bevollmächtige ich, Edwin Thöne, als Miteigentümer des Hausgrundstückes Liebigstr. 14, Rigaer Str. 96, 10247 Berlin, Herrn Dr. Suitbert Beulker, mich in allen mietrechtlichen Angelegenheiten in vollem Umfang … zu vertreten.“ Seit langem versuche er überdies, aus den Lila-GbR-Gesellschafterverträgen herauszukommen. Dies sei nicht einfach. Auch deswegen sei sein Verhältnis zu Beulker, wie man sich denken könne, nicht so gut, wie es einmal gewesen sei.

    Beulker wird von Beteiligten der mittlerweile ein Jahrzehnt andauernden Konflikte um die meisten seiner Friedrichshainer Häuser als Mensch beschrieben, der sich im Lauf der Auseinandersetzungen gewandelt habe. Mietrechtsanwälte und Mieterberater berichten, Beulker sei kurz nach dem Kauf der Häuser ein Hausbesitzer gewesen, wie man ihn sich als Mieter nur wünschen könne. Bei anstehenden Reparaturen sei er persönlich erschienen, habe Schäden begutachtet, defekte Warmwasserboiler gegen funktionierende getauscht. Bewohner schilderten ihn als „guten König“. Bis ihm eines Tages der Zugang zu seinen Häusern von den Mietern verwehrt worden war. Auch an den sich Anfang des zurückliegenden Jahrzehnts anschließenden Vermittlungsgesprächen im Abgeordnetenhaus hat Beulker noch teilgenommen, nicht aber an der abschließenden Sitzung. Nach den folgenden Besuchen in der Liebigstraße und Rigaer Straße fand Beulker die Reifen seines Autos zerstochen vor.

    Räumung Liebigstraße 14 in Berlin: Das Ende der Besetzung - taz.de
    http://www.taz.de/!5127477

    2.500 Polizisten räumten das von Alternativen verbarrikadierte Haus innerhalb von vier Stunden. Die Bilanz bis zum Abend: über dreißig Festnahmen und acht verletzte Polizisten.

    BERLIN taz | Franz Schulz ist ein Bürgermeister, der meist ernst dreinblickt. Am Mittwoch aber scheint sein Blick noch etwas ernster. Der Grünen-Politiker und Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg steht vor dem Haus Liebigstraße 14, die schwarze Wollmütze tief im Gesicht, Hände in den Manteltaschen. Ein schwerer Verlust sei das, was hier passiere, sagt der 62-Jährige. „Die Angst ist da, dass jetzt ein Dominoeffekt eintritt.“ Ein Effekt, der die alternative Wohnstruktur im Bezirk wegbrechen lässt. Nicht nur in diesem Bezirk.

    Seit sieben Uhr früh steht Schulz in der kleinen Kopfsteinpflasterstraße im Alternativ-Bezirk Friedrichshain. Die vielen Polizisten, die neben dem Bürgermeister patrouillieren, sind noch etwas früher angekommen. Ab 4 Uhr haben sie den Kiez abgeriegelt und die Dächer um das orangefarben angestrichene Haus mit den vielen Antifa-Postern und Graffitis besetzt. Um 8 Uhr rückte der Gerichtsvollzieher an. Er wird heute dieses Wohnprojekt beenden: Das Haus Liebigstraße 14 wurde 1990 besetzt und zwei Jahre später legalisiert. Nun wird es geräumt.

    Jahrelang hatten sich die 25 Bewohner dagegen vor Gericht gewehrt, an runden Tischen um Lösungen gerungen. Vergebens. Die Eigentümer waren zu keinen Gesprächen bereit, der Senat regte sich nicht, ein Alternativhaus zu finden. Im November 2009 wurde den zumeist jungen Bewohnern, darunter Italiener, Spanier und Engländer, gekündigt. Anfang Januar 2011 erreichte sie der Räumungsbescheid.

    Szene mobilisiert seit Wochen

    Seit Wochen mobilisierte die autonome Szene - mit Erfolg: Hunderte, vielleicht Tausende, auch aus anderen Städten und Nachbarländern, kommen am Mittwoch, um gegen die Räumung zu protestieren. Und um noch einmal den eigentlich seit Jahren erledigten Widerstand der Berliner Hausbesetzerszene aufleben zu lassen.

    Schon in den frühen Morgenstunden muss die Polizei Sympathisanten vorm Haus vertreiben. Zuvor hatten bis in die Nacht die Bewohner ihr Haus noch verbarrikadiert, die Fenster vernagelt, die Balkone vergittert. Als sich die Polizei ins Haus hämmert, steht sie vor einem großen Sperrmüllhaufen, Wasser läuft die Stufen hinab - das Treppenhaus ist blockiert.

    Mehr als vier Stunden brauchen die Beamten, um am Mittag über einen Mauerdurchbruch im Dach bis in die dritte Etage vorzudringen. Sechs junge Männer und drei Frauen, die letzten Bewohner, haben sich hier eingeschlossen. Sie wehren sich mit Feuerlöschern, dann werden sie abgeführt.

    Unterdessen ziehen Schwarzgekleidete in Kleingruppen durch die Nachbarschaft und zetteln „dezentrale Aktionen“ an. Mülltonnen werden umgeworfen, Kreuzungen blockiert, Straßenbahnen gestoppt, Steine fliegen in eine Bank, Farbbeutel an Fassaden. So schnell sich die Akteure zusammenfinden, so schnell stieben sie wieder auseinander.

    Insgesamt 32 Festnahmen, unter anderem wegen Landfriedensbruchs und Körperverletzung, und acht verletzte Beamte meldet die Polizei bis zum frühen Abend. Ein Polizist musste im Krankenhaus behandelt werden. Bei einer Spontandemonstration auf der Frankfurter Allee mit rund 500 Teilnehmern wurden Flaschen und Steine in Richtung von Polizeibeamten geworfen, sagte ein Polizeisprecher. Die Polizei habe zeitweise rund 1.000 Demonstranten beobachtet.

    Doch es sind nicht wie einst die großen Straßenschlachten, die diese Räumung begleiten, es sind kurze, beständige Unruhestiftungen, dazu kommt die Verbarrikadierung des Hauses. Mehr war nicht drin. Und doch ist es mehr, als viele Politiker der Hausbewegung noch zugetraut hätten.

    Über 200 besetzte Häuser

    Mehr als 200 Häuser waren nach 1990 in Berlin besetzt. Erfolgreiche Neubesetzungen hat es seit Jahren nicht gegeben. In der Innenstadt schwinde der Platz für Freiräume, hatten die Liebig-Bewohner immer wieder öffentlich kritisiert. Sie sind mit dieser Einschätzung nicht allein. Längst ist Gentrifizierung für viele Berliner kein Fremdwort mehr. Die Forderung nach sozialverträglichen Mieten, so versprechen fast alle Parteien, werde ein Hauptthema vor und nach der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im Herbst.

    Den einst besetzten Alternativhäusern aber zeigt die Politik die kalte Schulter. Für die Liebig 14 gibt es am Mittwoch keine Solidaritätsnote der rot-roten Regierung. Auch die an die Macht strebende Landesspitze der Grünen fordert die Bewohner auf, „friedlich das Haus zu verlassen“.

    In Friedrichshain-Kreuzberg sieht man das anders. Außer Bezirksbürgermeister Schulz fährt von den Grünen/Bündnis 90 auch Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele mit dem Fahrrad vor. Aus vielen einst besetzten Häusern sei heute „etwas Vorzeigbares“ geworden, sagt Ströbele. „Deshalb ist es absurd, dass die Liebig nicht weitermachen durfte. Wir verlieren immer mehr alternative Flecken.“

    Ein Autonomer mit schwarzer Kapuze drückt das später kaum anders aus: Immer mehr linke Freiräume gingen heute verloren. Eigens aus Leipzig sei er mit vier Bekannten angereist, erzählt der 30-Jährige, um „Widerstand zu leisten“. Weil die Liebig 14 kein Einzelfall sei.

    Auch in der Nachbarschaft regt sich offen Unmut. „Eine Niederlage für alle“ sei der heutige Tag, sagt ein junges Pärchen. Mit Brötchenbeutel stehen sie vor der Polizeikette. „Ich könnte heulen, wenn ich diese Bilder sehe“, sagt die Frau. Es sei ein Armutszeugnis, dass es dem Senat nicht gelungen sei, die Eigentümer an den Tisch zu holen, um zu verhandeln. Auch beim Bäcker nebenan ist man betrübt. „Die Linken waren immer nett und freundlich“, sagt die Verkäuferin. Sie würden ihr fehlen.

    Doch nicht alle sehen das so. Ein 70-Jähriger beugt sich in einer Nebenstraße aus dem Fenster. „Wird Zeit, dass diese Dreckecke aufgeräumt wird“, grummelt er. Später parkt er sicherheitshalber seinen Skoda um. Auch die Kitas haben vorsorglich geschlossen. Zumindest äußerlich steht die Nachbarschaft hinter den Alternativen. „Solidarität mit Liebig 14“, flattern Banner an den Balkonen. Und die Bäckersfrau schmeißt Polizisten aus dem Laden.

    Noch ein paar Tage Ärger

    2.500 Polizisten waren im Einsatz. Heftige Ausschreitungen erwartet die Polizei jedoch erst für den Abend. Dann, wenn sich die vielen in einer „Wut“-Demonstration zusammenfinden sollen. Eine Demonstration am Samstag hat so krawallig geendet wie seit Jahren nicht mehr. Steine verletzten 40 Polizisten.

    Noch ein paar Tage lang dürfte es nachts Ärger geben. Farbbeutelwürfe auf Senatsgebäude, Polizeidirektionen oder Immobilienbüros. Wie schon in den Tagen zuvor. Danach dürfte wieder Ruhe einkehren, auch in Friedrichshain. Etwas weiter nördlich dominieren bereits rote Townhouses mit grünen Gärten. Dem aktuellen Berliner Sozialbericht nach gibt es hier die geringste Arbeitslosigkeit der Stadt.

    Bürgermeister Schulz findet das nicht schlecht. Doch es müsse auch Platz für Alternatives geben, sagt der studierte Physiker. Bis zum Nachmittag bleibt er und stellt sich als Vermittler zur Verfügung, „falls sich doch noch ein Ersatzhaus findet“. Immerhin hätten viele am Mittwoch ihren Unmut gezeigt, sagt Schulz. „Ich hatte schon befürchtet, dass kaum einer kommt.“

    Ein Jahr danach: Liebig 14 - Die Nachbarn aus dem schwarzen Block - Seite 0 - Berlin - Tagesspiegel
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/ein-jahr-danach-liebig-14-die-nachbarn-aus-dem-schwarzen-block/6134488.html

    01.02.2012, 15:41 Uhr RALF SCHÖNBALL

    Unmittelbar nach der Räumung des linken Wohnprojekts Liebig 14 im Februar 2011 kam es in Friedrichshain zu schweren Krawallen.FOTO: DPA
    Diese Adresse ist aus Berlins Straßenkarte verschwunden – die Liebigstraße 14 gibt es nicht mehr. Kein Eingang. Kein Klingelschild. Kein Briefkasten. Die Haustür des Altbaus ist mit Planken zugenagelt. Aber die Rechnung des Grundbesitzers ging nicht auf. Das vor einem Jahr geräumte linksalternative Wohnprojekt ist auch heute kein gewöhnliches Mietshaus. „Liebig 14 bleibt – haut ab“ hat jemand mit schwarzer Farbe an die Fassade im Erdgeschoss gesprüht. Protestplakate, Aufrufe zu Demonstrationen und „Erklärungen“ sind mit Tapetenkleister an Wände und Eingang geklebt. Wer in dem sanierten Altbau wohnt, muss mutig sein.

    Denn durch die Räumung hat die Liebig 14 an Symbolkraft für die linksalternative Szene sogar gewonnen. Auf den Internetseiten rufen Aktivisten zu einer „Zombieparade“ auf: Die „von der Gentrifizierung und in die Höhe schnellenden Mieten verjagten Untoten“ versammeln sich am kommenden Sonnabend auf dem Bersarinplatz. Am Jahrestag der Räumung, dem 2. Februar, kommt es zu einer „Mahnwache“ vor der umkämpften „Liebig 14“ selbst. Die Polizei ist nach den Ausschreitungen vom vergangenen Wochenende alarmiert. Die Proteste der linken Szene zeigen: Sie will nicht hinnehmen, dass der Markt alternative Wohn-, Club- und Kulturstätten zerstört. Und dass sie auch sehr nachtragend sein kann.

    Die Schlacht um ihr Wohnprojekt hat sie vor einem Jahr verloren. Gegen 2500 Polizisten, die mit Wasserwerfern, Hubschraubern und Räumfahrzeugen angerückt waren. Bis in die frühen Morgenstunden hatten sich die Krawalle hingezogen und waren auf verschiedene Quartiere in Friedrichshain übergesprungen. Die Bilanz: 61 verletzte Polizeibeamte, 82 Festnahmen, 22 der Festgesetzten wurden dem Haftrichter vorgeführt.

    Die Liebig 14 ist heute saniert und neue Bewohner sind eingezogen. Aber sie teilen sich den Hauseingang mit den Nachbarn aus der Rigaer Straße 96. Der gemeinsame Flur führt über den Hof zur Rückseite des einst besetzten Hauses. „Hau ab“ hat jemand in einen leeren Blechkasten neben der Haustür gesprüht. Das blieb übrig von dem neuen Klingelschild der Liebig 14. Auch die Briefkästen der neuen Mieter haben Unbekannte aufgerissen und demoliert. An der weiß getünchten Fassade des Innenhofs ziehen sich die Spuren von roten und schwarzen Farbbeuteln herunter, die vom Dach an die Hauswand geschleudert wurden. Dreimal rückte die Polizei in den letzten Monaten an, zweimal wegen „Sachbeschädigungen“, einmal wegen „Störung des öffentlichen Friedens“, heißt es.

    Das neue Klingelschild ist neben dem Hofausgang montiert. Namen stehen hier nicht, auch nicht an den Wohnungstüren. Aufgemalte Blümchen dienen stattdessen als Erkennungszeichen im Vierten, die Buchstaben „tT“ im Dritten. Auch die sieben Briefkästen, die notdürftig an eine Holzplanke im Hausflur des früheren Wohnprojektes geschraubt sind, hätten die Mieter wohl am liebsten unbeschriftet gelassen. Aber wer will schon auf Postsendungen vollständig verzichten?

    Die frühere Eingangstür zur Liebigstraße ist auch von innen zugenagelt, Holzbohlen wurden rechts und links sowie oben und unten an den Rahmen genagelt. Ein Kleiderschrank steht davor. Weil man ihn notfalls zum Schutz gegen die verriegelte Haustür schieben kann? Fremden begegnen die Neuen misstrauisch, nur einer öffnet überhaupt die Tür. Und der will seinen Namen auch nicht nennen: Nein, sagt der Endzwanziger, der im Türrahmen steht, über seine Geburtsstadt wolle er auch nichts in der Zeitung lesen. „Die haben ein großes Netzwerk“, sagt er. Trotzdem denke er nicht an Wegzug. Es sei ja ruhiger geworden. Ja doch, auch bei ihm sei mal eine Scheibe gesplittert. „Aber die kümmern sich“, sagt er und meint den Vermieter. Der spendierte einem Pärchen im Haus sogar einen Platz in der Tiefgarage, nachdem es von einem Brandanschlag auf einen Opel Corsa aufgeschreckt worden war. Der alte Mercedes eines Mieters wurde auch verwüstet: Scheiben eingeschlagen, Reifen zerstochen, und auf dem Blechkleid hinterließen die Anhänger des Netzwerks den Schlachtruf, der hier überall prangt: „Liebig 14 bleibt, hau ab“. Der Mercedes-Besitzer gab auf. Aber nicht alle ziehen weg. Andere sagen, man dürfe die Straße nicht „denen“ überlassen. Auch wenn sie vom Dach aus Wasser ins Haus fließen lassen. Oder mit der Zwille Murmeln in die Scheiben schießen.

    Der Brandanschlag spaltet die Szene. In einer „Erklärung“, die an der Hauswand klebt, ist zu lesen: „Wir finden es immer super, wenn irgendetwas von Beulkers ,Eigentum’ kaputtgeht.“ Beulkers ist der Hauseigentümer. Doch das Feuer hätte „ehemalige Nachbarn“ gefährden können. „Genau dieses Restrisiko halten wir politisch wie menschlich für fatal.“ Andere wie die „AntiYuppieFront“ rufen weiter zur Gewalt auf. „Steine, Metallkugeln, Brandsätze, Plakate, Postwurfsendungen, Mieter, Innenversammlungen und vieles mehr, der Kampf gegen die Gentrification ist im vollem Gange (...) hier Einzuziehen zahlt keine Versicherung.“ Wer daran denke, die Polizei zu rufen, solle besser „schnell den Wohnort wechseln“.

    Von der immer wieder aufflackernden Gewalt distanziert sich der Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), deutlich. Aber er sagt auch: „Es ist sehr bedauerlich, dass alle Versuche, sich zu einigen, an den hohen Mauern des Hauseigentümers gescheitert sind und die Situation eskaliert ist.“ Schulz setzte sich persönlich für das linksalternative Wohnprojekt ein, tat sogar eine Stiftung auf, die das Haus kaufen wollte. Denn für Schulz hat sich dieses „Lebensmodell nicht überholt“: Der Anspruch nach Selbstbestimmung, der Versuch, bürgerlichen Normen etwas entgegenzusetzen, seien „unheimlich wichtig“. Deshalb „müssen Orte bleiben, wo sich junge Leute ausprobieren können“.

    Der 63-jährige Kommunalpolitiker sieht einen großen Veränderungsdruck am Werk, erklärt das mit „Strukturproblematik des Wohnungsmarktes“, redet von der dort herrschenden „sozialpolitisch paradoxen Situation“. Schulz war der erste Politiker, der sich an den runden Tisch mit Initiativen setzte, die gegen steigende Mieten protestieren, setzte sich eineinhalb Jahre Wut, Frust und Angst der Betroffenen aus. Das erträgt wohl nur, wer sich in die Lage anderer versetzen kann, weil er selbst Existenzangst kennt. Schulz, gelernter Physiker und dritter Sohn eines Malerverputzers, holte sein Abitur am Abendgymnasium nach und sparte sich das spätere Studium vom kargen Lohn als Fotolithograf ab.

    Mit wenig Geld müssen auch viele Wähler in seinem Bezirk auskommen. Und „bei der Neuvermietung von Wohnungen gibt es gewaltige Sprünge“, sagt Schulz. Die Zusammensetzung der Bevölkerung verändere sich. In Kreuzberg am Chamissoplatz, in der Bergmannstraße-Nord und im Graefekiez sei die Gentrifizierung statistisch an den überdurchschnittlichen Einkommen abzulesen. Nicht aber im Zentrum der Hausbesetzerbewegung der achtziger Jahre – SO36 und Wrangelkiez. Aber auch da steigen die Mieten.

    Schuld daran ist ausgerechnet eine Lebensform, die Hausbesetzer erfanden: die Wohngemeinschaft. Studenten-WG’s zahlen Mieten, „die sich Familien oder Haushalte nicht leisten können“. Denn jedes WG-Mitglied trägt bei zur Mietzahlung – und nicht nur ein Elternteil für eine ganze Familie. So treiben sie die Gentrifizierung voran, bis sie selbst Opfer dieser Entwicklung werden. Wenn sie nach dem Abschluss des Studiums keinen Platz auf dem schwierigen Arbeitsmarkt finden oder eine Familie gründen – und die Mieten im Kiez nicht zahlen können.

    Dem Schokoladen in der Ackerstraße, dem Tacheles an der Oranienburger, auch ihnen droht die Räumung in diesem Jahr. Die Liebig 14 wird als ein Schritt zur Auslöschung sozialer und städtebaulicher Freiräume für alternative Lebensentwürfe angesehen und hat Symbolkraft in linken Netzwerken wegen der kommenden Räumungen. Dass die Lage eskalieren könnte, erklärt der Stadtsoziologe Andrej Holm so: „Mit der Liebigstraße wurde der Befriedungsvertrag aufgekündigt, der bei vielen besetzten Häusern Anfang der neunziger Jahre abgeschlossen wurde.“ Politiker und linke Szene hatten die Lehre aus den Schlachten in der Mainzer Straße gezogen, aus zwei Tagen Gewalt, nahe am Bürgerkrieg. Doch nun werden die damals abgeschlossenen Mietverträge angegriffen. Und mit jeder Räumung werde die an den Häuserwänden „sichtbare Subkultur“ aus der Innenstadt verdrängt und damit „der Traum von der Mischung aus Leben, Arbeit und Wohnen“ an einem Ort, sagt Holm. Viele dieser Orte gibt es nicht mehr: den „Umsonstladen“ in der Kastanienallee, Knaack-Club, Klub der Republik und Icon. Andere sind bedroht: das Tuntenhaus oder das Tacheles.

    Der Konflikt gewinnt auch deshalb an Schärfe, weil das Recht nicht immer auf der Seite der Hauseigentümer lag – den Besetzern das aber trotzdem nicht half. Das zeigte sich vor kurzem bei den Prozessen gegen acht Personen, die bei der Räumung der Liebig 14 im Haus angetroffen wurden. „Hausfriedensbruch“ wurde ihnen vorgeworfen. Zu Unrecht. Der Eigentümer hatte einzelne Bewohner auf Räumung verklagt, aber nicht den rechtmäßigen Mieter: einen Verein. Bekannt war das bereits ein Monat vor der Räumung, weil der Anwalt des Vereins gegen diese Rechtsschutz beantragt hatte. Den Zwangsvollstrecker konnte das nicht stoppen. „Die Räumung war illegal“, behaupten Aktivisten deshalb im Internet.

    Vielleicht wäre es aber nur eine Frage der Zeit gewesen, bis auch gegen den Verein ein Räumungstitel vorgelegen hätte. Stadtsoziologe Holm meint, dass viele Verträge, die nach der großen Welle von Hausbesetzungen Anfang der neunziger Jahre an Runden Tischen vereinbart wurden, der Befriedung dienten und nicht bis ins Detail das Mietrecht beachtet haben.

    Allerdings haben auch frühere Besetzer den Spielraum des liberalen Rechtssystems entdeckt und nutzen ihn als Kampfzone. Deshalb zieht sich die Räumung des Tacheles hin. „Im Grunde genommen wird der Staat an der Nase herumgeführt“, sagt Zwangsverwalter Holger Schwemer. Ständig würden neue Künstler auftreten und Ansprüche auf Teile des Areals stellen. Gegen jeden von ihnen muss Schwemer dann einen eigenen Räumungstitel beantragen. Auch die Besetzer haben dazugelernt.

    Vier Stunden brauchte die Polizei, um ins Innere des Hauses zu gelangen und die Liebig 14 zu räumen. Die Besetzer hatten Türen von innen mit Holzplanken vernagelt und Öfen und Mobiliar davor geschoben. Die Beamten drangen über den Dachboden des Nachbarhauses ein und mussten Vorschlaghammer und Bolzenschneider einsetzen, um das Treppenhaus der Liebig 14 zu erreichen. Neun Menschen wurden im Haus angetroffen und festgenommen. Das Amtsgericht sprach sie später frei vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs.

    Räumung Liebigstraße 14: Zombies vs. Yuppies | Berliner Zeitung
    https://www.berliner-zeitung.de/berlin/raeumung-liebigstrasse-14-zombies-vs--yuppies-5819952

    04.02.13,
    Es war ein bizarres Bild: Auf der Rigaer Straße in Friedrichshain warfen junge Menschen in Anzügen und Pelzjacken mit Spielgeld um sich und prosteten einander mit Sekt zu. Dazu riefen sie „Hoch mit der Miete, mehr Rendite!“ und „No justice, no peace, wir kaufen euren Kiez!“ Die „Yuppies“, wie sich die auffallend gut Gekleideten selbst bezeichneten, waren am Sonnabendabend Teil einer Demonstration durch den Samariterkiez.

    Anlass der Aktion war die Räumung des Hausprojektes Liebigstraße 14 vor zwei Jahren. Etwa 500 Menschen beteiligten sich an der Demo. Neben den „Yuppies“ waren dazu auch zahlreiche „Zombies“ gekommen – Untote mit weiß geschminkten Gesichtern. Man wolle zeigen, dass alle noch da sind und dass nichts von damals vergessen ist, hieß es.

    Linkes Hausprojekt

    Die Liebigstraße 14 galt über Jahre als sogenanntes linkes Hausprojekt. 1990 war der Altbau besetzt worden, 1992 erhielten die Besetzer Mietverträge. 1999 wurde das Haus verkauft, der neue Eigentümer kündigte die Verträge und klagte alle Bewohner raus. Bei der Räumung am 2. Februar 2011 waren 2500 Polizisten im Einsatz. Es gab etliche Verletzte, 82 Festnahmen und Schäden in Millionenhöhe. Bei einer Demonstration vor einem Jahr war es erneut zu Tumulten und Straßenschlachten gekommen.

    Entsprechend gut vorbereitet präsentierte sich die Polizei am Sonnabend. 400 Beamte waren im Einsatz. Das Haus Liebigstraße 14, das inzwischen die Adresse Rigaer Straße 96 trägt, war weiträumig abgesperrt und durch Polizisten gesichert. Objektschutz erhielten auch mehrere umliegende Häuser. Entlang der Rigaer und der Liebigstraße galten Halteverbote, die Beamten kontrollierten Taschen und Rucksäcken von jungen Passanten.

    Krawalle blieben diesmal aus, die Demonstration und weitere Aktionen wie ein „demonstratives Weihnachtsbaumverbrennen“ in der Wagenburg Convoi an der Rigaer Straße verliefen friedlich. Die Demonstranten wollten diesmal offensichtlich keine „Rache“, sondern hatten ein ernsthaftes Anliegen, wie Peter Müller, einer der Organisatoren, sagte: „Wir wollen zeigen, dass in dieser Stadt etwas schief läuft, wenn sich immer weniger Menschen ihre Wohnungen leisten können.“

    Kritik an „Goldgräberstimmung“

    Wohnen müsse dauerhaft bezahlbar bleiben, und dafür müssten die Bewohner sorgen, sagte er. Von der Politik sei keine Hilfe zu erwarten. Allein im Samariterviertel, so teilten die Veranstalter mit, seien die Mieten im vorigen Jahr um fast 30 Prozent gestiegen. Die „Goldgräberstimmung“ halte an. Allein an der Rigaer Straße würden an zwei Stellen Luxuswohnungen gebaut, so wie auch an der Dolziger Straße. „Sozial Schwache und Arme sind in der Innenstadt nicht mehr gewollt“, sagte ein Demonstrant.

    Deshalb auch der Auftritt der „Yuppies“, die als „Friedrichshainer Patriotische Demokraten“ (FPD) ein gelbes Banner mit der blauen Aufschrift „Mehr Rendite mit der Miete!“ trugen. Etliche Passanten verstanden die Satire. Von Balkonen schallte Applaus, und eine junge Frau mit Kinderwagen sagte, die Miete ihrer Wohnung an der Dolziger Straße sei im letzten Jahr zweimal erhöht worden. "Dagegen muss was getan werden.“

    Die Demonstration endete an einem bedrohten Hausprojekt an der Köpenicker Straße in Mitte.

    Der Stadtsoziologe Andrej Holm über „Liebig 14“ - tip berlin
    https://www.tip-berlin.de/der-stadtsoziologe-andrej-holm-uber-liebig-14

    Nach der von einem Polizeigroßaufgebot durchgesetzten Räumung des linken Projektes: Der Stadtsoziologe Andrej Holm über die Krawalle, Kiezkonservatismus-Vorwürfe und neue Wohnungsmarktkonflikte.

    tip: Herr Holm, warum ist die Räumung der Liebigstraße 14 in der linken Szene so ein Kampfsymbol geworden?
    Andrej Holm: Weil es um eine Räumung geht. Und weil genau das eine Gefahr ist, der sich auch andere Hausprojekte ausgesetzt sehen. Im Prinzip wird da eine Abmachung, die knapp 20 Jahre alt ist, in Frage gestellt: die Legalisierung in Form der Verträge zwischen Ex-Be­setzern und den damals kommunalen Wohnungsbaugesellschaften.

    tip: In Ihrem „Gentrification Blog“ wies ein Kommentator darauf hin, dass die Szene es seit Jahren nicht schaffe, ihre Anliegen über den Unterstützerkreis hinaus öffentlich zu vermitteln.

    Holm: Das ist bei subkulturellen alternativen Szenen oder Protestkulturen kein Wunder. Die Distinktion zum Mainstream und ein starker Selbstbezug sind doch die prägenden Merkmale einer jeden Szene. Die Liebig 14 ist dabei eher ein Sonderfall. Begleitend zu den jahrelangen Gerichtsverfahren gegen die Kündigung wurde bereits im Vorfeld versucht, Öffentlichkeit herzustellen: über Internet, Demos, auch Gespräche mit der Presse. Damit ist es der Liebigstraße partiell gelungen, ein originär szenespezifisches Problem in eine breitere Diskussion zu bringen.

    tip: Nach der Räumung wurden von linken Gruppen bei Banken, dem Liegenschaftsfonds, der O2-World oder Kaufhäusern die Schaufenster demoliert. Motiviert das etwa die breite Öffentlichkeit?
    Holm: Solche Reaktionen sind sicher nicht geeignet, eine breitere gesellschaftliche Verankerung zu bewirken. Wie man auf den einschlägigen Blogs lesen konnte, ging es aber darum auch gar nicht. Das Kalkül war relativ simpel: Wenn Räumung, dann großer Sachschaden und hohe Kosten. Solche Wenn-Dann-Sanktionen sollen die Hemmschwelle für Räumungen hochsetzen und sind ein seit den 70er-Jahren bekanntes und teilweise auch erfolgreiches Ritual in der Geschichte der Berliner Hausbesetzerbewegungen.

    tip: Im Gegensatz dazu scheint die Strahlwirkung der Liebig 14 auf den umliegenden Kiez aber sehr begrenzt gewesen zu sein.
    Holm: Unstrittig ist, dass es in Friedrichshain und Kreuzberg ein großes Spektrum an Angeboten und Einrichtungen der Alternativkultur gibt. Die Liebig 14 war da vielleicht nicht das leuchtende Schiff. Aber darum geht es ja bei der Räumung auch nicht. Sie reiht sich ein in eine längere Geschichte von Auseinandersetzungen um die 1990 entstandenen Projekte: wie beim Tacheles oder beim Schokoladen. Es geht hier, wie oft, um die ökonomisch motivierte Verdrängung bestehender Nutzungen.

    tip: Angeblich haben die Liebig-14-Bewohner ein Ersatzangebot für ein Haus in Weißensee abgelehnt. Haben sie da die Chance auf eine Wirkungsstätte in einem neuen Aufwertungs-Hot-Spot verpasst?
    Holm: Aus Friedrichshainer Perspektive ist das vielleicht ein bisschen zu weit weg. Die Leute aus der Liebigstraße verpassen dort auch nichts. Was wir in Weißensee beobachten, ist eher ein Wanderungsstrom von jungen Familien aus den Aufwertungsgebieten in Prenzlauer Berg. Ein Beispiel ist das Komponistenviertel. Dort gibt es die erste Konzentration von Baugruppen außerhalb des S-Bahn-Rings. Die Aufwertung dort ist also gar nicht auf eine klassische Pionierphase mit Clubs, studentischen Cafйs und Lesebühnen angewiesen. Die Liebigstraße 14 verstand sich als Teil eines spezifischen Alternativmilieus in Friedrichshain-Kreuzberg. Ein Umzug nach Weißensee hätte die weitgehende Entkopplung von ihren lokalen und sozialen Bezugspunkten bedeutet.

    tip: Von den ursprünglichen Liebigstraßenbewohnern, die 1992 die Mietverträge bekommen haben, ist aber auch keiner mehr dort.
    Holm: Das ist wie in allen sozialen Bereichen: Insbesondere junge Menschen sind hochmobil und ziehen oft um. Bei der Kritik an den sozialen und kulturellen Strukturveränderungen in der Nachbarschaft geht es auch gar nicht so sehr darum, eine Personenkontinuität zu wahren. Vielmehr stellt sich die Frage: Können auch weiterhin verschiedene Sozial- und Lebensstilmilieus in der Innenstadt wohnen? Ein Stadtteil sollte auch langfristig für alle jene durchlässig sein, die vom Markt nicht bevorzugt werden: also für ökonomisch Benachteiligte, für ältere Menschen und eben auch für Alternativkulturen.

    tip: Wieviel Kiezkonservatismus steckt in der Gentrifizierungsdebatte? Frei nach dem Motto: Alles soll so bleiben, wie es war.
    Holm: Der Vorwurf wird gern vorgetragen, wenn es darum geht, Anti-Gentrifizierungsproteste zu delegitimieren. Dabei geht doch gar nicht um das Einfrieren einer Situation, sondern vielmehr um die Aufrechterhaltung einer Offenheit für unterschiedliche Aneignungsformen in der Stadt. Konservativ, langweilig und unbeweglich wird eine Stadt doch erst, wenn es diese Spielräume nicht mehr gibt. In Eigentumswohnungsprojekten beispielsweise werden allein über den ökonomischen Hebel unglaublich viele denkbare Möglichkeiten, sich die Stadt anzueignen und sie zu gestalten, von vornherein ausgeschlossen. Wenn Sie so wollen, ist es die Gentrification selbst, die eine Konservierung und ein Einfrieren von Stadt durch den Ausschluss von Alternativen hervorbringt.

    tip: Kann die Räumung der Liebigstraße 14 für diese Debatte in absehbarer Zeit noch eine größere Breitenwirkung entfalten?
    Holm: An dem konkreten Beispiel wird sich keine breite öffentliche Diskussion mehr entzünden. Aber der Fall ist eingebettet in eine größere und auch jenseits der Szenestrukturen geführte Debatte um steigende Mieten und Verdrängungsdynamiken in Berlin. In Häusern des ehemaligen sozialen Wohnungsbaus wehren sich inzwischen Mietergruppen kollektiv gegen die steigenden Mieten, in Kreuzberg organisieren sich ganze Hausgemeinschaften um die Umwandlung ihrer Miet- in Eigentumswohnungen zu verhindern, selbst in Zehlendorf versuchen Bewohnerinitiativen, der nächsten Mieterhöhung zu trotzen. Es gibt einen deutlichen Anstieg von wohnungspolitischen Kleinkonflikten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich diese einen gemeinsamen Ausdruck verschaffen.

    Interview: Erik Heier

    de.indymedia.org | Kinderschutzbund Unna kriminalisiert Liebig14
    https://web.archive.org/web/20110205085753/http://de.indymedia.org/2009/09/260096.shtml

    L14-Sympathisant 07.09.2009 20:13 Themen: Freiräume Soziale Kämpfe
    Erstmals veröffentlichte der Unnaer Kinderschutzbund eine Stellungnahme zur geplanten Räumung des Berlin-Friedrichshainer Wohn- und Kulturprojekts Liebigstr. 14 durch seinen Geschäftsführer Edwin Thöne. Dabei schlägt er sich auf die Seite der Eigentümer-Gesellschaft Lila GbR, der neben Thöne auch Suitbert Beulker angehört. Zur entwürdigenden Entmietungspraxis der Lila GbR, von der neben der Liebigstr. 14 auch die Eckkneipe „Zimt & Zunder“ (Rigaer Str. 96) betroffen ist, schweigt sich der Kinderschutzbund aus. Dagegen wirft er den Bewohner_innen „kriminelle Methoden“ vor.

    Bereits am vergangenen Donnerstag beklagte sich der Kinderschutzbund – in Person von Bundesgeschäftsführerin Paula Honkanen-Schoberth – bei den Bewohner_innen der Liebigstr. 14 über deren „aggressiven Pressearbeit“. Jetzt schreibt der Unnaer Kreisverband, es würde „ein enormer Druck auf unseren Mitarbeiter Herrn Thöne als auch auf uns als Verband mit unlauteren und zum Teil kriminellen Methoden ausgeübt.“

    Dass jener Herr Thöne es fertig bringt, eine ganze Hausgemeinschaft auf die Straße zu setzen, erwähnt das Papier nicht. Der Kinderschutzbund stellt lediglich fest, „dass unser Mitarbeiter Edwin Thöne als Privatperson, Mitgesellschafter der Lila GbR ist.“ Dass er in dieser Funktion im Januar 2007 seinem Partner Suitbert Beulker eine Vollmacht ausstellte, mit der dieser die Räumungsprozesse gegen das exbesetzte Haus überhaupt erst führen kann, erwähnt der Kinderschutzbund nicht. Auch nicht, dass Thöne diese Vollmacht jederzeit widerrufen könnte. Dadurch würden die Prozesse gestoppt und die Räumung wäre vorerst verhindert. Laut der Erklärung ist dies „aber Herrn Thönes Privatangelegenheit und berührt in keiner Weise seinen Aufgabenbereich als Mitarbeiter des Kinderschutzbundes.“

    Wenn ein Mitarbeiter des Kindeschutzbundes „als Privatperson“ 28 Menschen mitsamt dreier Kleinkinder aus Profitinteressen ihr Zuhause nimmt, ist dies also eine „Privatangelegenheit“.

    Der Kinderschutzbund macht sich als gemeinnützige Organisation, die vorgibt, sich für das Kindeswohl einzusetzen, in höchstem Maße unglaubwürdig, wenn er sich hinter einen Immobilienspekulanten stellt und sein rücksichtsloses Handeln auch noch versucht zu decken. Wenn er zudem noch die Diffamierungsstrategie der Lila GbR übernimmt, in dem er den Bewohner_innen „kriminelle Methoden“ nachsagt, macht er sich zum Helfer einer menschen- und kinderfeindlichen Entmietungspraxis.

    Der Bundesverband, der sich am vergangenen Donnerstag – mit Verweis auf die „föderalen Strukturen“ des Kinderschutzbundes – versuchte, der Verantwortung zu entziehen, untersagte in einem internen Schreiben allen Orts-, Kreis- und Landesverbänden, sich zur Angelegenheit zu äußern. Der Bundesverband werde sich der Sache weiter annehmen. Ja, was denn nun, Frau Honkanen-Schoberth?

    Inzwischen haben auch einige Medien das Thema aufgegriffen. So berichteten die Tageszeitung „Neues Deutschland“, die „junge Welt“ und der Berliner „Tagesspiegel“ über das Räumungsvorhaben der Lila GbR. Anders der Unnaer Regionalteil der Westfälischen Rundschau. In der Manier eines Hofberichterstatters erläutert Redakteur Jens Schopp, wie viel der arme Edwin Thöne erleiden muss. Es werde „von Seiten der Mieter ein enormer Druck“ auf ihn aufgebaut. Dabei habe er immer wieder versucht im Streit zwischen den Bewohner_innen und Beulker zu vermitteln.

    Sein letztes „Vermittlungsangebot“ machte Thöne („Ich bin kein Immobilienspekulant!“) am vergangenen Freitag. Wenn die Bewohner_innen die Räumung wirklich verhindern wollten, erklärte er, könnten sie doch „einfach ausziehen“.

     http://liebig14.blogsport.de

    #Berlin #Friedrichshain #Liebigstraße #Hausbesetzung

  • Renaud Epstein sur les grands ensembles : « Des sas plutôt que des nasses » - taz.de

    http://www.taz.de/!5283637

    Renaud Epstein sur les grands ensembles
    « Des sas plutôt que des nasses »

    En tweetant chaque jour une vieille carte postale de grand ensemble, Sociologue Renaud Epstein fait un travail de mémoire et invite à changer de regard sur ces quartiers.

    #mémoire #banlieue #Grands_ensembles

  • Fahrdienst für Bundestagsabgeordnete: Chauffeure bangen um ihre Jobs - taz.de
    http://www.taz.de/!5401782

    Ralph Ungefroren hat schon fast jeden Politiker durch Berlin gefahren. Doch damit könnte bald Schluss sein. Der Bundestag hat den Vertrag mit seinem Arbeitgeber, dem Fahrdienst Rocvin, nicht verlängert. Ungefroren ist nach Ende der Legislaturperiode möglicherweise arbeitslos. Gleiches droht seinen 240 KollegInnen. Ab Herbst übernimmt der Fahrdienst der Bundeswehr, die BWFuhrparkservice GmbH.

    Alexander Ulrich (Linke), der dem Ältestenrat des Bundestags angehört, begründet dies mit den Arbeitsbedingungen bei Rocvin: „In der Vergangenheit haben sich die Fahrer immer wieder über ihre Situation dort beschwert.“ Viele von ihnen waren nur als Minijobber auf 450-Euro-Basis angestellt. Deshalb entschied der Ältestenrat schon 2016, den Fahrdienstleister zu wechseln – nach fast 20 Jahren Vertrag.

    Mike Eberschulz, Betriebsratsvorsitzender von Rocvin, ist dennoch besorgt. Denn inzwischen seien von den 240 Mitarbeitern alle fest angestellt – 60 davon in Vollzeit. Zwar können die Chauffeure darauf hoffen, vom neuen Dienstleister übernommen zu werden. Das hatte der Ältestenrat dem BWFuhrpark nahegelegt. Doch laut Eberschulz bot der neue Fahrdienstleister in ersten Bewerbungsgesprächen nur an, 18 Beschäftigte in Vollzeit und 60 in Teilzeit zu übernehmen. Der Großteil der Fahrer würde wieder als Minijobber Spitzenpolitiker durch Berlin fahren, noch dazu mit einer sechsmonatigen Probezeit.

    „Dass viele Fahrer, die bei uns fest angestellt waren, jetzt mit einem Minijob abgespeist werden und zusätzlich noch mal eine Eignungsprüfung beim BWFuhrpark durchlaufen müssen, obwohl sie seit Jahren ihren Job ausführen, ist eine Sauerei“, sagt Eberschulz. Auch Susanne Meinke von Verdi findet die Vorgehensweise „skandalös und nicht nachvollziehbar“. Die Politik habe Hilfe versprochen und bislang nichts eingehalten.

    Linken-Mann Ulrich sieht den Fahrdienstwechsel ambivalent. Er stehe nach wie vor hinter der Entscheidung, da es wiederholt Unstimmigkeiten mit Rocvin gegeben habe, darunter zwei Insolvenzverfahren. Aber mit den bisherigen Konditionen – den Befristungen und der Probezeit – sei er unzufrieden.

    Hauptsache „Limousinen der gehobenen Mittelklasse“
    Der Betriebsrat von Rocvin fühlt sich vom Ältestenrat ungerecht behandelt. Schließlich hätten sich mit dem neuen Geschäftsführer 2014 die Arbeitsbedingungen verbessert – was Susanne Meinke von Verdi bestätigt. Dennoch, klagt Eberschulz, halte der Bundestag an seiner Entscheidung fest. „Der Ältestenrat wollte einfach seinen Job zu Ende führen, den er 2014 begonnen hatte.“

    BETRIEBSRAT MIKE EBERSCHULZ
    „Dass viele Fahrer Minijobs erhalten sollen, ist eine Sauerei“

    Das macht der Betriebsrat auch an einem zweiten Punkt fest: Laut einem internen Schreiben, das der taz vorliegt, setzte sich der Bundestag 2016 auch das Ziel, die Abgeordneten mit einer klimafreundlichen Ökoflotte zu kutschieren, teilweise aus Elektrofahrzeugen. Dies war das zweite Argument des Bundestags, mit dem BWFuhrparkservice zu kooperieren. Tatsächlich entschied sich die Bundestagsverwaltung vergangene Woche wieder für „Limousinen der gehobenen Mittelklasse“ – sprich Audi, BMW und Mercedes. Die deutschen Autohersteller produzieren aber gar keine reinen Elektrofahrzeuge.

    Fraglich bleibt, ob die BWFuhrparkservice GmbH in der nächsten Verhandlungsrunde Ende April den Angestellten von Rocvin ein besseres Angebot unterbreiten wird als das derzeitige, das dem Betriebsrat vorliegt. Das Unternehmen beteuerte gegenüber der taz, dass man „auf die individuellen Wünsche der Fahrer eingehen will“.

    Susanne Meinke von Verdi hat da nur wenig Hoffnung. Sie wandte sich mit einem Schreiben direkt an Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), Wirtschaftsministerin Brigitte Zypris (SPD) und Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) und wies auf die verschlechterten Arbeitsbedingungen hin. Bis heute, sagt Meinke, habe sie nicht einmal Empfangsbestätigungen der Ministerien erhalten.

    Eberschulz und Meinke wollen Ende April nun einen Protest-Autokorso veranstalten. Denn die BWFuhrparkservice GmbH hatte dem Rocvin-Betriebsrat zugesichert, noch diesen Monat die ersten Arbeitsverträge vorzulegen. Dann wird sich zeigen, ob – und zu welchen Konditionen – Ralph Ungefroren und seine KollegInnen noch Politiker durch Berlin fahren werden.

    #Berlin #Bundestag #Fahrdienste

  • Planungen für Partytram M 10 in Berlin: Da rollt was auf Kreuzberg zu - taz.de
    http://www.taz.de/Planungen-fuer-Partytram-M-10-in-Berlin/!5489239

    Diesmal will die Senatsverkehrsverwaltung wirklich nichts anbrennen lassen. Bürgerbeteiligung an Verkehrsprojekten steht zwar im grün geprägten Haus von Senatorin Regine Günther sowieso auf der Agenda. Aber die BerlinerInnen können sich gerade bei solchen Themen als bemerkenswert renitent erweisen.

    Zuletzt blies den Behörden bei den „Begegnungszonen“ in Schöneberg und Kreuzberg ein scharfer Wind entgegen. Im Vorfeld der Verlängerung der Straßenbahnlinie M10 von der Warschauer Straße zum Neuköllner Hermannplatz bemüht man sich deshalb, die AnwohnerInnen ganz früh ins Boot zu holen. Das Reiseziel steht zwar schon im Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün; aber welche Route genau dorthin führt, soll mit allen möglichst umfassend und immer wieder besprochen werden.

    Deshalb kann und will Verkehrsstaatssekretär Jens-Holger Kirchner auf der Informationsveranstaltung, zu der ihn die Neuköllner Reuterkiez-­Initiative am Donnerstagabend in den Campus Rütli eingeladen hat, auch nicht sagen, welche denn die wahrscheinlichste Trassenführung für die Verlängerung der „Partytram“ ist. Auch wenn eine regelrecht ins Auge springt: in einer langen Geraden über die Oberbaumbrücke, durch die Falckensteinstraße, quer durch den Görlitzer Park und weiter bis zur Sonnenallee (siehe Karte). Ein letzter Schlenker, und der Hermannplatz wäre erreicht.

    Grafik: Infotext

    Aber: „Das ist nicht die Trasse, die kommt, höchstens eine, die sich aufdrängt“, beschwichtigt Kirchner die Anwesenden. Er versichert, dass das Genehmigungsrecht die Verwaltung verpflichte, „Tausende ­Varianten und Untervarianten“ zu prüfen.

    Das mag überspitzt sein, aber in der Tat gibt es viele denkbare Routen: nicht zuletzt die historische, über die die elek­tri­schen Bahnen von den 1910er Jahren bis nach dem Zweiten Weltkrieg rollten. Sie machten einen großen Bogen um den damaligen #Görlitzer_Bahnhof, fuhren über die Wiener zur Ohlauer Straße und dann durch die Friedel- bis zur Weserstraße. Aber auch ein weiter Umweg über Alt-Treptow ist grundsätzlich denkbar, zumal es mit der Oberbaumbrücke laut Kirchner bauliche Probleme gibt.

    Die anstehenden Konflikte liegen auf der Hand: Im verkehrsberuhigten Wrangelkiez würden viele dankend auf eine neue Lärm- und Gefahrenquelle verzichten, und besonders die Querung des Görlitzer Parks riecht nach Ärger. Dabei, betont der Staatssekretär schon mal prophylaktisch, gebe es mit der U4 in Schöneberg schon seit hundert Jahren eine Bahn, die ebenerdig durch einen Park führe. Heute stehe dieser Bahnhof sogar als „architektonisches Kleinod“ unter Denkmalschutz.

    Wohin führt die Spur der Tramlinien in Kreuzberg und Neukölln? Foto: dpa

    Offenbar sind auch schon Ängste laut geworden, die Tram könne die Gentrifizierung des Nordneuköllner Kiezes weiter befeuern. (Kirchner: „Ich meine, nein.“) Auf der Veranstaltung sind die Bedenken aber eher allgemeiner Natur. („Wozu brauche ich die Tram? Ich fahre mit der U-Bahn!“)

    #Stadtentwicklung #Friedrichshain #Kreuzberg #Neukölln #Straßenbahn

  • DGB-Demo am 1. Mai in Berlin: Links ist jetzt ganz vorne - taz.de
    http://www.taz.de/DGB-Demo-am-1-Mai-in-Berlin/!5402251


    Rot-Rot an der Demo-Spitze: Elke Breitenbach (Linke, 2.v.r.) mit DGB-Landeschefin Doro Zinke, Innensenator Andreas Geisel (SPD, 2.v.l.) und Michael Müller (SPD) Foto: Stefan Boness

    1.5.2017 Susanne Memarnia, Redakteurin taz.Berlin

    Bei der Gewerkschaftsdemo läuft die neue Arbeitssenatorin Elke Breitenbach jetzt an der Spitze. Sie beackert ein schweres Feld: Vieles ist Bundespolitik.

    Elke Breitenbach verteilt Begrüßungsküsschen. Keine Frage, die frühere Gewerkschaftssekretärin hat ein Heimspiel bei der DGB-Demo, sie kennt jeden, jeder kennt sie. „Immer schon“ komme sie hierher, seit sie 1981 nach Berlin gezogen ist, erzählt die gebürtige Hessin. „Aber sonst war ich immer brav hinten bei meiner Partei.“ Heute steht die Arbeitssenatorin von der Linkspartei in der ersten Reihe.

    Kurz bevor sich der Zug um zehn Uhr an der Spandauer Straße Ecke Karl Liebknecht in Bewegung setzt, kommen auch Breitenbachs Senatskollegen und klemmen sich hinter das Fronttransparent: Innensenator Andreas Geisel (SPD), der Regierende Bürgermeister Michael Müller (dito), Kultursenator Klaus Lederer (Linke) – zumindest der rote Teil von Rot-Rot-Grün lässt es sich nicht nehmen, bei der traditionellsten Veranstaltung des Tages vorneweg und gut sichtbar für die Fotografen dabei zu sein.

    Seit knapp fünf Monaten ist Breitenbach im Amt. Aufgefallen ist die Arbeits-, Sozial- und Integrationssenatorin bislang vor allem in den letzten beiden Feldern. Zumindest galt die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit vor allem dem Freizug der mit Flüchtlingen belegten Turnhallen. Was hat sich die Politikwissenschaftlerin als Arbeitssenatorin für die nächsten fünf Jahren vorgenommen? „Es gibt ja wenig Spielraum“, schränkt sie gleich mal die Erwartungen ein. Arbeitsmarktpolitik sei vor allem Bundespolitik, darum hoffe sie sehr auf die Bundestagswahlen im Herbst.

    Von deren Ausgang hängt unter anderem eines von Breitenbachs Lieblingsprojekten ab, ein neuer öffentlich finanzierter Gemeinwohlarbeitssektor. Unter Rot-Rot hieß das mal ÖBS, Öffentlicher Beschäftigungssektor: Langzeitarbeitslose bekamen am Gemeinwohl orientierte Aufgaben, etwa in Stadtteilzentren, und wurden dafür mit Tariflohn bezahlt. „Ich bin ein großer Fan“, gesteht Breitenbach, aber derzeit gebe es für solche Programme keine Bundesmittel. Immerhin, sagt die 56-Jährige: Auch SPD und Grüne seien heute dafür.
    Wie Geflüchtete in Arbeit bringen?

    Hinter dem Roten Rathaus biegt die Demo in die Leipziger Straße, auf Höhe der Fischerinsel verabschieden sich Müller und Lederer. „Wir gehen mal in unsere Formationen“, witzelt der Regierende. Kurze Zeit später ist auch Geisel verschwunden. Was die Politprominenz angeht, hält Breitenbach jetzt allein mit Doro Zinke, DGB-Regionalchefin, und den Linken-Abgeordneten Udo Wolf und Carola Blum die Stellung als Demo-Spitze.
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    1. Mai in Berlin-Kreuzberg
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    Der Zug kommt schnell voran, nach knapp einer Stunde ist das Ziel Pariser Platz in Sicht. Breitenbach mahnt nach links: „Was rast ihr schon wieder? Die GEW muss mal einen Schritt langsamer machen.“ Was nur demotechnisch gemeint ist.

    Auf Landesebene sieht Breitenbach vor allem die Herausforderung, Langzeitarbeitslose und Geflüchtete in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Ein wichtiger Hebel, „mit dem wir hier richtig steuern können“, sei die Vergabepolitik, erklärt sie. So prüfe der Senat derzeit, die Vergabe von Investitionsmitteln des Landes an die Schaffung von Arbeitsplätzen für diese beiden Gruppen zu koppeln und den Unternehmen dafür Lohnkostenzuschüsse zu gewähren. „Wir müssen mal sehen, ob das umsetzbar ist.“ Es gebe ja bereits verschiedene Möglichkeiten für Unternehmen, Lohnkostenzuschüsse zu bekommen, doch solche Mittel würden zu selten abgerufen.
    Öffentlicher Dienst als Vorbild
    Die DGB-Demo

    Rund 14.000 Menschen folgten am Montag dem Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes zur Demonstration und Kundgebung am Tag der Arbeit. Unter dem Motto „Wir sind viele, wir sind eins!“ demonstrierten sie für eine solidarische Gesellschaft. In mehreren Demonstrationszügen – auch mit Motorrädern, Fahrrädern und Skatern – ging es zum Brandenburger Tor. (dpa)

    Ein wichtiges Schlagwort für Breitenbach wie für den ganzen Senat ist zudem der Kampf für „gute“ und gegen prekäre Arbeit. „Hier müssen die landeseigenen Betriebe und der öffentliche Dienst mit gutem Beispiel vorangehen“, sagt die Senatorin. Auch auf der Demo fordern verschiedene Gruppen vom Senat eine bessere Bezahlung von Volkshochschul- und Uni-Dozenten, aber auch, dass landeseigene Unternehmen wie Charité und Vivantes ihre Tarifflucht durch die Ausgründung von Tochterunternehmen beenden.

    Der Regierende Müller geht in seinem Grußwort bei der Abschlusskundgebung ebenfalls auf das Thema ein: „Die Zeit des Outsourcing ist vorbei“, sagt er, und dass die Charité-Tochter CTM wieder eingegliedert wird, „wie versprochen“. Davon abgesehen, schränkt Breitenbach im Zwiegespräch mit entwaffnender Ehrlichkeit ein, könne die Politik hier allerdings wenig machen. „Prekäre Arbeit ist ja leider nicht verboten.“

    So viele Forderungen! Michael Müller bei seiner Rede am 1. Mai Foto: dpa

    Ehrlich und ein wenig melancholisch klingt es auch, wenn die Frau, die selbst Ende der 90er Jahre ein Jahr arbeitslos war und von 2003 bis vorigen Dezember im Abgeordnetenhaus saß, über ihre eigene neue Arbeit räsoniert. Was ihr nicht gefällt, ist, dass sie als Senatorin „wenig Selbstbestimmung“ über ihre Termine habe. „Ich muss viel repräsentieren.“
    Überblick behalten

    Gleichzeitig erfahre sie manches erst sehr spät. „Als Abgeordnete habe ich viele Bürgerbriefe bekommen und alle selber beantwortet.“ So habe sie viel mitbekommen über Probleme, etwa in den Jobcentern. Ob sie fürchte, sich von den Sorgen der Leute zu entfernen? „Keine Ahnung, ob ich es schaffe, so den Überblick zu behalten, wie ich das möchte.“

    Als die Demo-Spitze um 11.20 Uhr am Pariser Platz ankommt, bleibt Breitenbach an der Absperrung stehen, wartet auf den Beginn der Kundgebung. Ab und zu kommt jemand vorbei, grüßt und klopft ihr auf die Schulter, doch die meiste Zeit steht die Senatorin allein. Früher, im Block bei den Linken, war es vermutlich lustiger.

    #Berlin #Arbeit #Politik

  • #Sicile : des #militants_identitaires tentent d’empêcher le #sauvetage de migrants

    Des activistes de l’ultra-droite ont voulu bloquer le bateau d’une ONG qui tente de sauver des migrants qui sont partis des côtes libyennes.


    http://www.leparisien.fr/faits-divers/sicile-des-militants-identitaires-tentent-d-empecher-le-sauvetage-de-migr
    #Italie #extrême_droite #ong #asile #migrations #réfugiés #Italie #Méditerranée

    cc @marty @isskein

  • Durchsichtige Afrikaner

    Mit Geld und Technologie aus Europa wird Afrika biometrisiert. EU-Grenzschutz und afrikanische Staatsräson finden so zusammen.

    Wie nah, das hat der deutsche Innenminister Thomas de Maizière Anfang des Jahres auf seiner Maghreb-Reise bewiesen. Marokko habe einem biometrischen Datenabgleich für Abschiebungen zugestimmt, verkündete er. Etwa zwei Wochen später gab Veridos, ein Gemeinschaftsunternehmen der Bundesdruckerei und der deutschen IT-Firma Giesecke & Devrient, bekannt, von Marokko mit der „Entwicklung und Umsetzung eines nationalen Grenzkontrollsystems“ beauftragt worden zu sein. Geliefert werden unter anderem biometrische Scanner, Passlesegeräte, Kontrollschleusen und Server für 1.600 Kontrollposten.

    Über eine Million Geflüchtete hat das UNHCR mit seinem neuen Registrierungssystem (BIMS) bereits weltweit biometrisch erfasst. Ihre Daten werden zentral auf einer UN-Datenbank im schweizerischen Genf gespeichert. Bis zu 34 Millionen Flüchtlinge aus 125 Ländern könnten hier zukünftig registriert sein, schätzt der Hersteller des Systems Accenture in einer Werbebroschüre. In 14 afrikanischen Staaten wird BIMS bereits angewendet.


    http://www.taz.de/EU-Fluechtlingspolitik-in-Afrika/!5361733
    #surveillance #Afrique #Europe #UE #biométrie #technologie #frontières #contrôles_frontaliers #asile #migrations #Ecowas #externalisation #aide_au_développement (sic) #Wapis #Interpol #empreintes_digitales #Ghana #Mali #Niger #Bénin #Maroc #Veridos #Giesecke_&_Devrient #Libye #Soudan #passeports #business #économie #BIMS #base_de_données #Gemalto #Afrique_du_Sud #Algérie #biométrisation #Nigeria #Ouganda #Mühlbauer

  • Les Stolpersteine, ces pavés dorés faits pour trébucher

    http://www.slate.fr/story/118391/paves-dores-trebucher

    Si vous vous êtes déjà rendu dans une ville allemande, vous avez peut-être déjà aperçu du coin de l’œil, voire trébuché sur des petits pavés dorés incrustés sur les trottoirs. Ils portent le nom de « Stolpersteine », un mot qui signifie « pierre d’achoppement » en allemand, c’est-à-dire un obstacle sur lequel on bute. Faire trébucher le passant pour l’inviter à prendre conscience de l’horreur muette dont les trottoirs qu’il arpente ont été autrefois les témoins : c’est l’idée de l’artiste allemand Gunter Demning, qui sème ces pavés aux abords des immeubles où vivaient autrefois les millions de victimes du régime nazi.

    Chaque pavé retrace en quelques lignes le massacre systématique des citoyens d’origine juive, opposants politique, homosexuels, gens du voyage qui ont été arrêtés et déportés sous le troisième Reich. Au mois de mai 1996, à l’occasion d’une exposition sur le camp d’extermination d’Auschwitz, Gunter Demning a commencé à disposer ses pavés dans les rues de Berlin, en scellant illégalement 47 Stolpersteine devant les immeubles où avaient vécu des victimes de l’Holocauste, rappelle le quotidien allemand Die Tageszeitung. Dans une rue du quartier de Kreuzberg, un pavé résume ainsi le destin brisé d’une habitante :
    « Ici habitait – Charlotte Bernstein – Année de naissance – 1900 – Déportée – 1943 – Theresienstadt – Assassinée à Auschwitz »

    Au cours des deux dernières décennies, les Stolpersteine se sont répandues comme une traînée de poudre en Allemagne et au-delà de ses frontières. On en trouve aujourd’hui plus de 56.000 à travers l’Europe, comme on peut le lire sur le site internet du projet : en Pologne, en Hongrie, en République Tchèque, aux Pays-Bas mais aussi en France —quelques communes vendéennes ont fait la démarche de commander des pavés à l’artiste à la mémoire des habitants déportés sous l’Occupation– ce qui lui vaut souvent le surnom de « plus grand mémorial décentralisé au monde », souligne le quotidien

  • Gereon Rath - Die Recherche
    http://www.gereonrath.de/recherche.html

    Die Gereon-Rath-Romane wollen ganz bewusst keine Geschichtsbücher sein bzw. Geschichtsbücher ersetzen. Gleichwohl machen sie den ein oder anderen womöglich neugierig auf das Berlin der 30er Jahre und die Lebensumstände der Menschen am Ende der Weimarer Republik und in der beginnenden Nazi-Diktatur. Diese Links und die Auflistung einiger Buch- und Filmtitel, die der Autor für seine Recherche verwendet hat, können den geschichtsinteressierten Leserinnen und Lesern weiterhelfen. Für Berliner und Berlinbesucher ist sicherlich auch der Besuch eines der unten am Ende der Seite aufgeführten Museen interessant.

    #Berlin #Literatur #Krimi

  • Heute dreißigstes Terrorismusjubiläum in Berlin
    http://www.taz.de/!5288570

    Wer sich vor Terroristen fürchtet, ist kein echter Berliner.

    Nach dem schrecklichen La-Belle-Anschlag am Abend des 5. März 1986 in Berlin-Friedenau waren die HNO-Ärzte im Klinikum Steglitz bis in den nächsten Tag hinein konzentriert damit beschäftigt, gerissene Trommelfelle zu schienen. Wie die meisten Westberliner machten sie nach dem Attentat einfach das Naheliegende. Man wird pragmatisch, wenn man jahrelang unter dem Damoklesschwert lebt:

    Unter dem Eindruck von Mauer und massiver Militärpräsenz hielten die Westberliner einen dritten und atomaren Weltkrieg jederzeit für möglich und vorstellbar. Dieses Gefühl stellte sich nachträglich als vollkommen realistisch heraus, Berlin war wirklich Ziel der Atomraketen.
    Ganz unter uns gesagt, warum sollte das im Jahr 2016 anders sein, oder kennen Sie die aktuellen Pläne der Moskauer und Washingtoner Generäle?

    Nun denn, dreißig Jahre später wissen wir immer noch nicht alles über die Hintergründe des La-Belle-Anschlags. Nach jahrelangen Untersuchungen, nach der mörderischen Bombardierung und vollständigen Zerstörung Libyens, nach kriminalpolizeilichen Untersuchungen, nach der Teil-Öffnung von Archiven und nach dem Verschwinden möglicher Auftraggeber und Mitwisser, ist der Anschlag immer noch nicht vollkommen aufgeklärt. Verurteilt wurden ein paar Laufburschen.

    Wie im NSU-Prozeß verhindern Regierungen und Geheimdienste, daß Angehörige mit ihrer Trauer abschließen und Frieden finden können.

    Ali Chanaa war im Ostteil der Mauerstadt vom Staatssicherheitsdienst als Inoffizieller Mitarbeiter mit dem Decknamen „Alba“ angeworben worden. In seiner zweieinhalbstündigen Aussage behauptete Chanaa, er habe die Stasi etwa drei Stunden vor dem Attentat über den Bombenplan unterrichtet. Zeit genug wäre also gewesen, den Westbehörden anonym einen Tipp zukommen zu lassen.

    Diese Aussage ließ sich allerdings nicht erhärten. Zum einen brach die Berichterstattung des IM „Alba“ ausweislich der überlieferten Stasiakten wenige Tage vor dem Anschlag abrupt ab. Zum anderen behauptete Chanaa, nicht seinen Führungsoffizier, sondern den Geheimdienst über eine „Notfallnummer“ verständigt zu haben – Gesprächspartner unbekannt.

    Weitgehend ungeklärt blieb aber die Rolle westlicher Geheimdienste. Im Juli 1990 fand das Magazin Der Spiegel in einem Stasi-Dossier den Hinweis, wonach die CIA durch einen Doppelagenten über die Anschlagsvorbereitungen informiert gewesen sein könnte: durch eben den IM „Alba“.

    So siehts aus:

    – Der Krieg geht weiter.
    – Wer sich in die Nähe von Kombattanten begibt, begibt sich in Lebensgefahr.
    – Man erfährt nie Genaues, wenn Geheimdienste im Spiel sind.
    – Das alles sind Gründe dafür, sich mit offenem Visier für Frieden zwischen den Völkern einzusetzen.

    Wann feiern Sie mal wieder mit Kriegsflüchtlingen ?

    P.S. Ja, es geht wirklich darum, Gespenster aus dreißig Jahren zu vertreiben ;-)

    P.P.S. Die libysche Regierung hat im Jahr 2003 Entschädingszahlungen zugestimmt und damit indirekt ihre Verantwortung zugegeben. Das ändert leider nichts an der grundsätzlichen Feststellunge, daß wesentliche Teile des La-Belle-Komplex noch im Dunklen liegen. Unter dem TAZ-Artikel findet sich dann auch folgender Kommentar:

    von Ninetto, 04. 04. 2016, 12:13, Geschichte bitte, und keine Propaganda -

    Was sind die Hintergründe dieser Geschichte: jawohl, Ronald Regan und der USA Imperialismus. Einfach mal über den “Gulf of Sidra incident” informieren.

    Die USA wollte lang bevor diesem Anschlag Krieg mit Libyen und suchte nur nach einer Provokation, mal mit einem richtigen militärischen Angriff - mit 35 Toten auf der Seite Libyen - mal mit Geheimdienste und Doppel-Agenten.

    Na gut, schauen wir mal nach:
    https://en.wikipedia.org/wiki/Gulf_of_Sidra_incident_(1981)
    ... und ...
    https://en.wikipedia.org/wiki/Gulf_of_Sidra_incident_(1989)
    ... und dann gab es noch davor ...
    https://de.wikipedia.org/wiki/Itavia-Flug_870#Theorie:_Anschlagsversuch_auf_Gaddafi

    Nach einer Theorie geriet die DC-9 in einen französischen oder amerikanischen Angriff auf die Regierungsmaschine des damaligen libyschen Staatschefs Muammar al-Gaddafi, bei der es sich wahrscheinlich um eine der DC-9 entfernt ähnlich aussehende Tupolew Tu-134 handelte. Gaddafi befand sich damals auf dem Weg zu einem Staatsbesuch in Polen. Es wird behauptet, dass von einem französischen oder amerikanischen Flugzeugträger im Mittelmeer oder von einem französischen oder amerikanischen Stützpunkt (Solenzara, NAS Sigonella) mehrere Abfangjäger gestartet seien, um die Maschine Gaddafis bei der Überquerung des Tyrrhenischen Meeres abzuschießen.

    Libyen habe jedoch über einen Kontaktmann in Rom von den Plänen erfahren und die Maschine nach Malta umgeleitet. Parallel seien einige MiG-23 zum Schutz Gaddafis in den italienischen Luftraum beordert worden. Bei einem Luftkampf zwischen den MiGs und den französischen oder amerikanischen Flugzeugen sei dann versehentlich der zwei Stunden verspätet gestartete Flug 870 abgeschossen worden, da die französischen oder amerikanischen Piloten annahmen, es handle sich um das Flugzeug Gaddafis.

    #Berlin #Friedenau #Steglitz #Klinikum_Benjamin-Franklin #Geschichte #Terrorismus #Rheinstraße #LaBelle #Roxy