• Buchentdeckungen | Ludwig Renns „Nobi“ und Götz R. Richters „Savvy“ weckten meine Sympathie für Menschen mit anderer Hautfarbe
    http://www.buchentdeckungen.de/blog/2013/01/31/ludwig-renns-nobi-und-goetz-r-richters-savvy-weckten-meine-sympathi

    Ein Gutes hat die aktuelle Diskussion über politisch korrekte Sprache in Kinder- und Jugendbüchern wie „Tom Sawyer“, „Die kleine Hexe“ oder „Pippi Langstrumpf“ – nach langer Zeit habe ich wieder einmal zwei meiner Lieblingsbücher aus meiner Kindheit aus dem Bücherschrank geholt und gelesen: „Der Neger Nobi“ von Ludwig Renn und „Savvy, der Reis-Shopper“ von Götz R. Richter.

    https://www.youtube.com/watch?v=QWea-_gVJWw


    Musikvideo: Der schwule Neger Nobi

    Der schwule Neger Nobi | Film 2010 | moviepilot.de
    http://www.moviepilot.de/movies/der-schwule-neger-nobi

    von Wilm Huygen
    Nobi wuchs als homosexueller Schwarzer in der DDR-Provinz auf. Seine Sexualität offen auszuleben, war unmöglich. Wegen eines Ausreiseantrages geriet er in den Fokus der Stasi und nach einem Fluchtversuch landete er für ein Jahr im Knast. Heute genießt er seine Freiheit als Kiosk-Besitzer in der Schwulenmetropole Köln. Angetrieben von seinem Optimismus ist Nobi seinen Weg gegangen. Auf mehreren Reisen geht er ihn nun zurück. Er trifft alte Schulkameraden, durchstreift das Gefängnis, in dem er eingesessen hat und besucht seinen ersten Freund aus dem Westen.

    Comics in der Trommel
    http://www.ddr-comics.de/trommel.htm

    Lexikon Schimpfwortkunde: „Der Neger“
    http://www.berliner-zeitung.de/kultur/lexikon-schimpfwortkunde---der-neger--5857308

    Für den Nachbarn war es ein Fortschritt, dass er von der Beschimpfung „Bimbo“ für Dunkelhäutige zu „Neger“ wechselte; er behauptet: „Der Begriff „Neger“ sei im Deutschen wertneutral, und diejenigen, in deren Ohren er einen schlechten Klang habe, würden ihn mit dem abschätzigen amerikanischen Wort „Nigger“ verwechseln. „Neger“ sei aber nicht über das Englische, sondern über das Französische in unsere Sprache gelangt. Und der Begriff „négritude“ sei absolut positiv besetzt. Bis wann aber war „Neger“ im deutschen Sprachraum positiv besetzt? Wohl niemals.

    In „Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon“ von 1839 liest man von „der sammtartig weichen, fettig anzufühlenden Haut“ der Neger und dass sie dem gröbsten Aberglauben huldigen indem sie Götzen und Fetische anbeten und zertrümmern, wenn ihre Wünsche unerfüllt bleiben: „Im Allgemeinen spricht sich auch im Charakter der Neger jene Mischung von Regsamkeit und Schlaffheit aus, welche bei allen Südvölkern vorkommt. Sie lieben Tanz und Musik, in welcher letztern sie es jedoch nur zur Hervorbringung eines rohen Lärms mittels Trommeln, Hörnern und Blechinstrumenten gebracht haben.“

    In Meyers Konversations-Lexikon von 1897 liest man korrekt, dass sich das Wort vom lateinischen „niger“ für „schwarz“ ableitet, synonym für Nigritier und Äthiopier verwendet wurde und eine „Menschenrasse“ bezeichnet. Diese Klassifizierung könnten wir akzeptieren, wenn sie nicht ebenfalls mit Wertungen verbunden wäre. In der Enzyklopädie heißt es: „Die meisten Neger haben hohe und schmale Schädel; dazu gesellt sich ein Vortreten des Oberkiefers und schiefe Stellung der Zähne. Den der Rasse eigentümlichen Geruch führt Falkenstein auf eine etwas öligere Beschaffenheit des Schweißes zurück, der bei unreinlicher Lebensweise leicht ranzige Säure entwickelt. Von Charakter sind die Neger heiter, eitel, lügenhaft und sinnlich, aber auch in hohem Grade gelehrig.“

    Man bemerkt, wie die Bezeichnung „Neger“ auch bei Wissenschaftlern durch rassistische Stereotypen unterwandert war und leicht zur Grundlagen einer gepflegten Verachtung anderer Völker werden konnte. Die heutige Biologie unterteilt den Menschen weder in Rassen noch Unterarten, weil es keinen Sinn hat. Die genetischen Unterschiede innerhalb von Völkern oder Nationen sind meist viel größer, als zwischen ihnen. In der Wissenschaft also gibt es keine Menschenrassen mehr. Natürlich war weder 1850 noch später jeder ein Rassist, der Neger sagte.

    In der DDR wurden „Negersänger“ wie Paul Robeson, „Neger-Komponisten“, „Neger-Tenöre“ oder „Neger-Volkslieder“ offiziell gelobt und so von kommerziellen Entartungen wie Jazz oder Rock’n’Roll unterschieden. In der Zeitschrift „Trommel“ für Thälmann-Pioniere wurde der aus Kuba stammende Comic über einen afrikanischen Rebellen unter dem Titel „Der Neger Nobi“ einmal 1982 und dann noch mal 1989 abgedruckt.

    Für Westdeutschland sei Rudi Dutschke zitiert, der 1967 mit Kampfgenossen diskutierte: „In Amerika ist ein Lotse in die Zukunft zu erkennen. Es gibt dort die radikale Negation in Gestalt der nationalen Minoritäten, der Neger. Das bedeutet Schaffung neuer menschlicher Beziehungen im Kampf, Organisierung der armen Neger, vielleicht auch Organisierung der armen Weißen; daraus entstehen wiederum Organisationsformen, die menschlicher sind, die vielleicht schon Bedürfnisse erfüllen, die bei uns verdrängt werden.“

    Seit ungefähr 1995 sind es nur noch Rechtsextreme oder Leute mit ausgeprägter Provokationslust, die Menschen afrikanischer Herkunft als „Neger“ bezeichnen. Ausnahme sind die vor 1940 geborenen, denen man zugutehalten kann, nicht über die semantischen Entwicklungen der letzten drei Jahrzehnte informiert zu sein. Diese Entschuldigung gilt aber nicht mehr nach Lektüre dieses Beitrags.

    Ludwig Renn
    https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Renn

    Nach der Niederlage der Republikaner in Spanien gelangte Renn über England und Amerika nach Mexiko ins Exil, wo er als Vorsitzender der Bewegung „Freies Deutschland“ tätig war und die Weltsprache Esperanto förderte. Nach Deutschland kehrte Renn 1947 zurück, ließ sich in der DDR nieder und wurde Mitglied der SED. Er war an der Technischen Hochschule Dresden und an der Humboldt-Universität zu Berlin tätig und war Mitglied des 1. Volksrates der SBZ.

    Ab 1952 schrieb er als freier Schriftsteller militärhistorische und politische Abhandlungen, Reise- und Lebensberichte sowie Kinderbücher. Dabei blieb er streng auf Parteilinie.

    Der homosexuelle Renn lebte seit der Rückkehr aus dem mexikanischen Exil mit dem aus Dresden stammenden Max Hunger (1901–1973) zusammen. Zu beiden stieß 1949 noch Hans Pierschel (1922–1994). Von 1952 bis zu seinem Tod wohnte Renn mit seinen Freunden in Berlin-Kaulsdorf. Er und seine Lebensgefährten wurden in einem gemeinsamen Grab auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin beigesetzt, das unter Denkmalschutz steht.

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