Des Führers Zauberer
Heute: Kalanag und Gloria im Titania-Palast Berlin-Steglitz
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Kalanag
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Da Schreiber in seiner bisherigen Branche Berufsverbot hatte, machte er sein Hobby 1947 zum Beruf. Mit Unterstützung ehemaliger Tobis-Leute unterhielt er britische Besatzungssoldaten mit seiner Kalanag-Revue, bestehend aus aufwändigen Großillusionen und leicht gekleideten Showgirls.
Zu den bekanntesten Nummern gehörten neben vielen anderen die auf Jean Eugène Robert-Houdin zurückgehende und von David Devant großgemachte Magische Bar, bei der die ganze Vorstellung über aus einem einzigen Krug auf Zuruf jedes gewünschte Getränk ausgeschenkt wurde, sowie, dass er nach besonderen Kunststücken mit dem (redensartlich gewordenen) Spruch „Und das machen wir alles mit Wasser aus Indien“ aus einer nie versiegenden Karaffe einen Schwung Wasser auf die Bühne goss. Als Höhepunkt jeder Vorstellung ließ er von der hellerleuchteten Bühne nach einer Idee von Howard Thurston ein Auto verschwinden. Ein wichtiges Element seiner Shows war immer seine Frau und Partnerin Gloria de Vos (Anneliese Voß). Als seine Assistentin mit dem für die damalige Zeit erlaubten Maß an Sexappeal sowie als Tänzerin verlieh sie jeder Vorstellung ihren besonderen Glanz. Für Exotik sorgte ein in einer Kiste erscheinender Gepard.
Offiziell wurde nie bekannt, wie Schreiber die aufwändige Show im Nachkriegsdeutschland aus dem Nichts finanziert hatte. Alleine die Kosten für das verschwindende Auto beliefen sich auf die damals astronomische Summe von 10.000,- DM. Zauberkünstler wie Janos Bartl oder Fredo Marvelli, denen Schreiber während des Dritten Reichs übel mitgespielt hatte, riefen in Flugblättern zum Boykott seiner Shows auf.
Kalanag, bürgerlich Helmut Ewald Schreiber, (* 23. Januar 1903 in Stuttgart; † 24. Dezember 1963 in Gaildorf) war Filmproduzent und ein deutscher Zauberkünstler im Deutschen Reich und in der frühen Bundesrepublik.
Aufgrund seiner guten Kontakte zu Propagandaminister Joseph Goebbels machte er Karriere bei der Tobis-Filmgesellschaft. Mit Anbruch des Tonfilmzeitalters stieg Schreiber zum Produktionsleiter auf, von 1930 bis 1934 war er außerdem als Motorradrennfahrer aktiv. Ab Herbst 1936 wirkte er als Herstellungsgruppenleiter, 1939 stieg er in die Verwaltungschefetage der Filmwirtschaft ein, im Juni 1942 schließlich wurde er Produktionschef der Bavaria und blieb es bis zum Kriegsende. Als Autor, Kameramann, Aufnahme- und Produktionsleiter zeichnete Schreiber insgesamt für 150 Filme verantwortlich. Schreiber, der seit 1933[1] der NSDAP angehörte, verhinderte die Auflösung des Magischen Zirkels, der jedoch ab Juni 1936 im Rahmen der sogenannten Gleichschaltung zwangsweise an die Reichskulturkammer (Reichstheaterkammer, Fachgruppe Artistik) angegliedert wurde. Schreiber ließ sich von den Nationalsozialisten als Präsident des Magischen Zirkels (1936–1945) einsetzen, reduzierte die ursprünglich 1373 Mitglieder auf 400 und unterband die Verwendung von jüdischen Kompositionen als Hintergrundmusik. Ohne Zugehörigkeit zum von Schreiber kontrollierten Zirkel hatten Zauberkünstler in Deutschland Auftrittsverbot, das zwangsläufig jüdische Zauberkünstler betraf. Demgegenüber verwandten sich nach dem Krieg jüdische Künstler für Kalanag und verwiesen darauf, dass er noch lange jüdisches Personal in Diensten der Bavaria hielt. 1936 wurde Schreiber mit dem Hofzinser-Ring ausgezeichnet, den er 1948 an Ludwig Hanemann (Künstlername Punx) weitergab.
Quelle: ▻http://chiaroscuromagazine.com/shows-and-exhibitions/fine-art-fine-craft/kalanag.html
Nach dem sogenannten Anschluss Österreichs dehnte Schreiber seinen Einfluss auch nach dort aus. Schreiber wurde Direktor der Bavaria Film in München, zauberte vor öffentlichen Reden von Hitler und war 1939 Gast auf dessen Berghof am Obersalzberg. Schreiber pflegte Freundschaft mit Hitlers persönlichem Adjutant SS-Gruppenführer Julius Schaub, der Zauberveranstaltungen protegierte. Für Zauberkünstler ungewöhnlich missbilligte Schreiber die öffentliche Aufklärung über betrügerische Tricks von Spiritisten und drohte Verrätern sogar offen mit der Gestapo. Diese Haltung mag mit Schreibers Freundschaft zum Berliner Polizeichef und Okkultisten Wolf-Heinrich Graf von Helldorf zusammenhängen, der seinerzeit den trickreichen Hochstapler Erik Jan Hanussen für einen echten Magier gehalten hatte. Schreiber propagierte den heute verbreiteten Zauberspruch „Simsalabim“ als seine Kreation, den Historiker allerdings dem dänisch-amerikanischen Zauberkünstler Dante zuschreiben.
Kriegsende
Gegen Kriegsende vermittelte Schreiber zwischen den Alliierten und gesuchten SS-Leuten, die gegen freies Geleit Zugang zum legendären Raubgold anboten, das heute größtenteils offiziell als verschollen gilt. Als später die Militärpolizei Schreiber auf dem Bavaria-Gelände festnehmen wollte, erschien dieser in Gegenwart hoher amerikanischer Militärs, die ihn schützten. Als Präsident des Magischen Zirkels wurde er abgesetzt und erhielt von den Alliierten Berufsverbot. Nach einem Entnazifizierungsverfahren flüchtete Schreiber in die Britische Besatzungszone nach Hamburg, wo er bei einem Zauberfreund lebte, der als „König des Schwarzmarkts“ bekannt war und später wegen Diamantenschmuggels mit einem Schweizer Zauberkünstler verurteilt wurde.
Bilder aus Kalanags Revue
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