»So etwas wie ›Normalität‹ gibt es gar nicht« (Tageszeitung junge Welt)

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  • 23.07.2016: »So etwas wie ›Normalität‹ gibt es gar nicht« (Tageszeitung junge Welt)
    https://www.jungewelt.de/2016/07-23/001.php

    Von 1993 bis zum Frühsommer 1994 lief auf Vox donnerstags ein Aufklärungsmagazin namens »Liebe Sünde«. Der Sender stand vorübergehend vor dem Konkurs, »Liebe Sünde« ging zu Pro Sieben, und innerhalb einer Woche musste ein Ersatz gefunden werden. Dieser Sendeplatz wurde von Spiegel TV »verwaltet«, und so bekam ich einen Anruf, ob ich Lust hätte, eine Sendung zu den Themen Liebe, Sex, Erotik zu moderieren. Zu der Zeit leitete ich mit drei Kollegen das »Schmidt-Theater« in Hamburg, habe im Büro gearbeitet, auf der Bühne gestanden und war in den Endproben für ein Soloprogramm. Ich hatte eigentlich überhaupt keine Zeit. Trotzdem habe ich zugesagt – und nicht eingeschätzt, worauf ich mich damit einließ. »­Wa(h) re Liebe« lief zehneinhalb Jahre mit 545 Sendungen und einer riesigen Zuschauerresonanz. Trotz der späten Sendezeit um 23 Uhr hatten wir im Schnitt eine Million Zuschauer, denen die Mischung aus Reportagen, Gesprächen und ungewöhnlichen Studioaktionen gefiel. Meine Moderation war eher ungewöhnlich, eine Mischung aus Beratung und Amüsement. Obwohl »Wa(h)re Liebe« als Unterhaltungssendung gedacht war, blieb sie den Zuschauern als Aufklärungsformat in Erinnerung.

    ...

    Ihre erste Sendung begannen Sie mit den folgenden Worten: »Neulich nacht, als ein junger Mann auf meinem Gesicht saß ... Das ist vielleicht ein bisschen zu hart. Ich formulier’ das um – neulich nacht, als ich so über das Leben philosophierte, kam ich auch auf die Liebe. Wenn wir lieben, glauben wir ja, wir werden nie wieder traurig seien, oder wir sind so wund, dass wir keinen Schritt mehr laufen können. Bei mir ist es immer beides. Von Sex ist die Rede, meine Lieben, mein Name ist Lilo Wanders.« Hatten Sie nicht Angst, dass ein Sturm der Entrüstung der Moralapostel und Sittenwächter folgen würde?

    Ich kam vom Kabarett und liebte die Provokation. Die Sendung war für mich etwas, dessen Auswirkungen ich nicht voraussehen konnte. Wir hatten vorher knapp vier Jahre die »Schmidt-Mitternachtsshow« aus unserem Theater auf St. Pauli in den dritten Fernsehprogrammen gezeigt. Ein ziemlich freches Format, und ich sah meine berufliche Zukunft fest verknüpft mit meinem Theater. Nach der ersten Sendung fasste mich mein Redaktionsleiter um die Schultern und sagte: »Bald kennt dich ganz Deutschland!« Ich konnte das nicht glauben, aber schon bald kannte mich ganz Europa, denn »Wa(h)re Liebe« wurde von Island bis Nordafrika per Satellit ausgestrahlt.

    Wa(h)re Liebe
    https://de.wikipedia.org/wiki/Wa(h)re_Liebe

    Liebe Sünde
    https://de.wikipedia.org/wiki/Liebe_S%C3%BCnde

    #Allemagne #médias #sexualité #lgbt