• Der große Gesang
    http://www.jungewelt.de/m/2015/08-15/006.php

    Canto General von Pablo Neruda und Mikis Theodorakis wurde vor 40 Jahren zum ersten Mal in Griechenland aufgeführt.

    Die bis auf den heutigen Tag brisante Aktualität der Texte Nerudas wird durch Theodorakis’ Musik in besonderer Weise neu interpretiert. 1981 erfolgt die Uraufführung des vollständigen Oratoriums in Berlin, Hauptstadt der DDR, mit Maria Farantouri und Petros Pandis. Beide treten mit großem Erfolg bis heute gemeinsam mit dem Canto General auf. Durch zahlreiche Aufführungen ist er in das Bewusstsein Hunderttausender Menschen auf allen Kontinenten gelangt und zum Symbol der Menschenwürde und Menschenliebe geworden. Der Canto General kündet von beidem, von der Liebe zum Leben, aber auch von der Bedrohung und der Verachtung des Lebens. Theodorakis beendet mit ihm die dritte seiner fünf Schaffensphasen als Komponist. In dieser Zeit gestaltet er eine neue Gattung des weltlichen Oratoriums.

    Während Theodorakis’ Pariser Exil Anfang der 1970er Jahre eskalieren die politischen Ereignisse in Griechenland. Am 5. November 1973 rollen Panzer zur Polytechnischen Hochschule im Zentrum Athens, um die Demonstrationen und den Aufstand der Studierenden gegen die Diktatur gewaltsam zu beenden. Die schreckliche Bilanz: 200 Tote und 2.000 Verletzte. Einige Monate später, im Sommer 1974, endet die Militärdiktatur und damit die Zeit der Angst in Griechenland. Theodorakis kehrt aus dem Pariser Exil zurück und wird triumphal in Athen empfangen. Wenige Tage nach seiner Ankunft gibt er ein Konzert, bei dem 70.000 Menschen seine Lieder singen. Hiervon existieren überwältigende Filmdokumentationen. Sie drücken aus, wie fest seine Musik in den Herzen und im Bewusstsein der Menschen verankert ist, und dass, obwohl während vieler Jahre seine Kompositionen aufgrund des Armeebefehls Nr. 13 der Militärjunta in Griechenland nirgendwo gespielt oder gesungen werden durften. 1975 kommt es dann an zwei Tagen hintereinander zu umjubelten Canto-General-Aufführungen in Athen.