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  • Letzte Station: Portbou
    http://www.neues-deutschland.de/artikel/985799.letzte-station-portbou.html

    Walter Benjamin starb vor 75 Jahren auf seiner Flucht vor der Gestapo

    Am frühen Morgen, noch im Schutz der Dunkelheit, brachen sie in Banyuls-sur-Mer auf: Lisa Fittko, die mutige Fluchthelferin, die die Gruppe führte, die Fotografin Henny Gurland, ihr siebzehnjähriger Sohn und Walter Benjamin, der Kulturkritiker und Schriftsteller »mit dem durchgeistigten Gelehrtenkopf«, achtundvierzig Jahre alt, auffallend höflich, herzkrank und weltfremd, wie Lisa Fittko sehr viel später in ihrem Bericht schreiben wird.
    ...

    Als Hitlers Truppen 1939 über Frankreich herfielen, hat man auch Walter Benjamin in ein Internierungslager gesperrt. Er kam nach der Freilassung noch zu einem Visum für die USA, aber er besaß, als die spanische Grenzstation erreicht war, nicht das inzwischen notwendige französische Ausreisevisum. Ihm drohte in Portbou die Abschiebung ins besetzte Frankreich und die mögliche Auslieferung an die Gestapo. Er hatte schon früher den Selbstmord in Erwägung gezogen, jetzt, in der Nacht zum 27. September 1940, schienen die Morphiumtabletten, die er bei sich trug, der letzte Ausweg. Man fand ihn morgens sterbend in seinem Hotelzimmer. Die spanischen Grenzposten ließen seine Begleiter daraufhin unbehelligt weiterziehen.

    Das Manuskript, das Walter Benjamin bei seiner Flucht so ängstlich gehütet hatte, wurde nie gefunden.

    Berliner Kindheit um Neunzehnhundert
    http://gutenberg.spiegel.de/buch/berliner-kindheit-um-neunzehnhundert-6571/2

    Das Telephon

    Es mag am Bau der Apparate oder der Erinnerung liegen – gewiß ist, daß im Nachhall die Geräusche der ersten Telephongespräche mir sehr anders in den Ohren liegen als die heutigen. Es waren Nachtgeräusche. Keine Muse vermeldet sie. Die Nacht, aus der sie kamen, war die gleiche, die jeder wahren Neugeburt vorhergeht. Und eine neugeborene war die Stimme, die in den Apparaten schlummerte. Auf Tag und Stunde war das Telephon mein Zwillingsbruder. Und so durfte ich erleben, wie es die Erniedrigung der Frühzeit in seiner stolzen Laufbahn überwand. Denn als Kronleuchter, Ofenschirm und Zimmerpalme, Konsole, Gueridon und Erkerbrüstung, die damals in den Vorderzimmern prangten, schon längst verdorben und gestorben waren, hielt, einem sagenhaften Helden gleich, der in der Bergschlucht ausgesetzt gewesen, den dunklen Korridor im Rücken lassend, der Apparat den königlichen Einzug in die gelichteten und helleren, nun von einem jüngeren Geschlecht bewohnten Räume. Ihm wurde er der Trost der Einsamkeit. Den Hoffnungslosen, die diese schlechte Welt verlassen wollten, blinkte er mit dem Licht der letzten Hoffnung. Mit den Verlassenen teilte er ihr Bett. Auch stand er im Begriff, die schrille Stimme, die er aus dem Exil behalten hatte, zu einem warmen Summen abzudämpfen. Denn was bedurfte es noch mehr an Stätten, wo alles seinem Anruf entgegenträumte oder ihn zitternd wie ein Sünder erwartete. Nicht viele, die heute ihn benutzen, wissen noch, welche Verheerungen einst sein Erscheinen im Schoße der Familien verursacht hat. Der Laut, mit dem er zwischen zwei und vier, wenn wieder ein Schulfreund mich zu sprechen wünschte, anschlug, war ein Alarmsignal, das nicht allein die Mittagsruhe meiner Eltern, sondern die weltgeschichtliche Epoche störte, in deren Mitte sie sich ihr ergaben. Meinungsverschiedenheiten mit den Ämtern waren die Regel, ganz zu schweigen von den Drohungen und Donnerworten, die mein Vater gegen die Beschwerdestelle ausstieß. Doch seine eigentlichen Orgien galten der Kurbel, der er sich minutenlang und bis zur Selbstvergessenheit verschrieb. Und seine Hand war wie ein Derwisch, der der Wollust seines Taumels unterliegt. Mir aber schlug das Herz, ich war gewiß, in solchen Fällen drohe der Beamtin als Strafe ihrer Säumigkeit ein Schlag. In diesen Zeiten hing das Telephon entstellt und ausgestoßen zwischen der Truhe für die schmutzige Wäsche und dem Gasometer in einem Winkel des Hinterkorridors, von wo sein Läuten die Schrecken der Berliner Wohnung nur steigerte. Wenn ich dann, meiner Sinne kaum mehr mächtig, nach langem Tasten durch den finstern Schlauch, anlangte, um den Aufruhr abzustellen, die beiden Hörer, welche das Gewicht von Hanteln hatten, abriß und den Kopf dazwischen preßte, war ich gnadenlos der Stimme ausgeliefert, die da sprach. Nichts war, was die unheimliche Gewalt, mit der sie auf mich eindrang, milderte. Ohnmächtig litt ich, wie sie die Besinnung auf Zeit und Pflicht und Vorsatz mir entwand, die eigene Überlegung nichtig machte, und wie das Medium der Stimme, die von drüben seiner sich bemächtigt, folgt, ergab ich mich dem ersten besten Vorschlag, der durch das Telephon an mich erging.

    https://fr.wikipedia.org/wiki/Walter_Benjamin

    Naissance 15 juillet 1892, Berlin (Allemagne)
    Décès 26 septembre 1940 (à 48 ans), Portbou (Espagne)

  • Le capitalisme comme religion : Walter Benjamin et Max Weber
    Auteur : Michael Löwy
    http://www.cairn.info/revue-raisons-politiques-2006-3-page-203.htm

    Le fragment « Le capitalisme comme religion », rédigé par Walter Benjamin en 1921 – et resté inédit jusqu’aux années 1985, quand il sera publié dans les Œuvres Complètes posthumes, est l’un de ses textes les plus intéressants, mais aussi les plus « hermétiques ». Inspiré par les travaux de Max Weber – nommément cité – sur l’affinité élective entre L’éthique protestante et l’esprit du capitalisme, il va beaucoup plus loin que le sociologue : pour Benjamin le capitalisme a non seulement des origines religieuses, il est lui-même une religion, un culte incessant, sans trêve ni merci, qui conduit la planète humaine à la Maison du Désespoir. Ce fragment appartient, comme certains textes de Georges Lukacs, Ernst Bloch ou Erich Fromm a la catégorie des « interprétations » anti-capitalistes de Weber.

    Walter Benjamin – Kapitalismus als Religion – Fragment (1921)

    Im Ka­pi­ta­lis­mus ist eine Re­li­gi­on zu er­bli­cken, d.h. der Ka­pi­ta­lis­mus dient es­sen­ti­ell der Be­frie­di­gung der­sel­ben Sor­gen, Qua­len, Un­ru­hen, auf die ehe­mals die so ge­nann­ten Re­li­gio­nen Ant­wort gaben. Der Nach­weis die­ser re­li­giö­sen Struk­tur des Ka­pi­ta­lis­mus, nicht nur, wie Weber meint, als eines re­li­gi­ös be­ding­ten Ge­bil­des, son­dern als einer es­sen­ti­ell re­li­giö­sen Er­schei­nung, würde heute noch auf den Abweg einer maß­lo­sen Uni­ver­sal­po­le­mik füh­ren. Wir kön­nen das Netz in dem wir ste­hen nicht zu­ziehn. Spä­ter wird dies je­doch über­blickt wer­den.

    Drei Züge je­doch sind schon der Ge­gen­wart an die­ser re­li­giö­sen Struk­tur des Ka­pi­ta­lis­mus er­kenn­bar. Ers­tens ist der Ka­pi­ta­lis­mus eine reine Kult­re­li­gi­on, viel­leicht die ex­trems­te, die es je ge­ge­ben hat. Es hat in ihm alles nur un­mit­tel­bar mit Be­zie­hung auf den Kul­tus Be­deu­tung, er kennt keine spe­zi­el­le Dog­ma­tik, keine Theo­lo­gie. Der Uti­li­ta­ris­mus ge­winnt unter die­sem Ge­sichts­punkt seine re­li­giö­se Fär­bung. Mit die­ser Kon­kre­ti­on des Kul­tus hängt ein zwei­ter Zug des Ka­pi­ta­lis­mus zu­sam­men: die per­ma­nen­te Dauer des Kul­tus. Der Ka­pi­ta­lis­mus ist die Ze­le­brie­rung eines Kul­tes sans rêve et sans merci. Es gibt da kei­nen „Wo­chen­tag“< ,> kei­nen Tag der nicht Fest­tag in dem fürch­ter­li­chen Sinne der Ent­fal­tung allen sa­kra­len Pom­pes< ,> der äu­ßers­ten An­span­nung des Ver­eh­ren­den wäre. Die­ser Kul­tus ist zum drit­ten ver­schul­dend. Der Ka­pi­ta­lis­mus ist ver­mut­lich der erste Fall eines nicht ent­süh­nen­den, son­dern ver­schul­den­den Kul­tus. Hier­in steht die­ses Re­li­gi­ons­sys­tem im Sturz einer un­ge­heu­ren Be­we­gung. Ein un­ge­heu­res Schuld­be­wußt­sein das sich nicht zu ent­süh­nen weiß, greift zum Kul­tus, um in ihm diese Schuld nicht zu süh­nen, son­dern uni­ver­sal zu ma­chen, dem Be­wußt­sein sie ein­zu­häm­mern und end­lich und vor allem den Gott selbst in diese Schuld ein­zu­be­grei­fen< ,> um end­lich ihn selbst an der Ent­süh­nung zu in­ter­es­sie­ren. Diese ist hier also nicht im Kul­tus selbst zu er­war­ten, noch auch in der Re­for­ma­ti­on die­ser Re­li­gi­on, die an etwas Si­che­res in ihr sich müßte hal­ten kön­nen, noch in der Ab­sa­ge an sie. Es liegt im Wesen die­ser re­li­giö­sen Be­we­gung, wel­che der Ka­pi­ta­lis­mus ist< ,> das Aus­hal­ten bis ans Ende< ,> bis an die end­li­che völ­li­ge Ver­schul­dung Got­tes, den er­reich­ten Welt­zu­stand der Ver­zweif­lung auf die ge­ra­de noch ge­hofft wird. Darin liegt das his­to­risch Un­er­hör­te des Ka­pi­ta­lis­mus, daß Re­li­gi­on nicht mehr Re­form des Seins son­dern des­sen Zer­trüm­me­rung ist. Die Aus­wei­tung der Ver­zweif­lung zum re­li­giö­sen Welt­zu­stand aus dem die Hei­lung zu er­war­ten sei. Got­tes Tran­szen­denz ist ge­fal­len. Aber er ist nicht tot, er ist ins Men­schen­schick­sal ein­be­zo­gen. Die­ser Durch­gang des Pla­ne­ten Mensch durch das Haus der Ver­zweif­lung in der ab­so­lu­ten Ein­sam­keit sei­ner Bahn ist das Ethos das Nietz­sche be­stimmt. Die­ser Mensch ist der Über­mensch, der erste der die ka­pi­ta­lis­ti­sche Re­li­gi­on er­ken­nend zu er­fül­len be­ginnt. Ihr vier­ter Zug ist, daß ihr Gott ver­heim­licht wer­den muß, erst im Ze­nith sei­ner Ver­schul­dung an­ge­spro­chen wer­den darf. Der Kul­tus wird von einer un­ge­reif­ten Gott­heit ze­le­briert, jede Vor­stel­lung, jeder Ge­dan­ke an sie ver­letzt das Ge­heim­nis ihrer Reife.

    Die Freud­sche Theo­rie ge­hört auch zur Priest­er­herr­schaft von die­sem Kult. Sie ist ganz ka­pi­ta­lis­tisch ge­dacht. Das Ver­dräng­te, die sün­di­ge Vor­stel­lung, ist aus tiefs­ter, noch zu durch­leuch­ten­der Ana­lo­gie das Ka­pi­tal, wel­ches die Hölle des Un­be­wuß­ten ver­zinst. Der Typus des ka­pi­ta­lis­ti­schen re­li­giö­sen Den­kens fin­det sich groß­ar­tig in der Phi­lo­so­phie Nietz­sches aus­ge­spro­chen. Der Ge­dan­ke des Über­men­schen ver­legt den apo­ka­lyp­ti­schen „Sprung“ nicht in die Um­kehr, Sühne, Rei­ni­gung, Buße, son­dern in die schein­bar ste­ti­ge, in der letz­ten Span­ne aber spren­gen­de, dis­kon­ti­nu­ier­li­che Stei­ge­rung. Daher sind Stei­ge­rung und Ent­wick­lung im Sinne des „non facit saltum“ un­ver­ein­bar. Der Über­mensch ist der ohne Um­kehr an­ge­lang­te, der durch den Him­mel durch­ge­wachs­ne, his­to­ri­sche Mensch. Diese Spren­gung des Him­mels durch ge­stei­ger­te Mensch­haf­tig­keit, die re­li­gi­ös (auch für Nietz­sche) Ver­schul­dung ist und bleibt< ,> hat Nietz­sche pr< ä >ju­di­ziert.

    Und ähn­lich Marx: der nicht um­keh­ren­de Ka­pi­ta­lis­mus wird mit Zins und Zin­ses­zins, als wel­che Funk­ti­on der Schuld (siehe die dä­mo­ni­sche Zwei­deu­tig­keit die­ses Be­griffs) sind, So­zia­lis­mus.

    Source :
    http://raumgegenzement.blogsport.de/2009/11/02/walter-benjamin-kapitalismus-als-religion-fragment-1921
    https://sites.google.com/site/espacecontreciment/home/doc/Benjamin-KapitalismusalsReligion.pdf

    #capitalisme #religion #auf_deutsch

    • Le capitalisme, un culte « sans trêve et sans merci » - ou « sans rêve et sans merci » ? Belle faute de frappe en tous cas (présente déjà dans l’original - ou dans la copie ?)