• So war Wannsee
    https://www.janecke.name/ortsgeschichte/stolpe-wannsee

    1811

    Heinrich von Kleist, auch erst 34 Jahre alt, wählt hier am kleinen Wannsee, nahe Stolpe, am 12. November den Freitod. Er erschoss seine krebskranke, verheiratete Freundin Henriette Adolphine Vogel und sich selber, weil beide keine gemeinsame und gute Zukunft für sich sahen. Die letzte Nacht vor ihrem Tode verbrachten sie in Stimmings Gastwirtschaft und ließen sich noch eine letzte Frühstücksmahlzeit (um diese Jahreszeit am Wannsee) servieren. Der Spruch für ihn auf dem Grabstein: „Er lebte, sang und litt in trüber, schwerer Zeit. Er suchte hier den Tod und fand Unsterblichkeit“.

    Bevor es im Kaiserreich zum Gefilde der Reichen und Neureichen mit S-Bahn-Anschluß ausgebaut wurde, sah Wannsee als Dorf Stolpe aus wie zahlreiche andere arme Siedlungen. Doch bereits unter Napoleon regte sich das Nationalgefühl seiner Bewohner das die folgengen 150 Jahre prägen sollte.

    1813

    Am 18. August erklärt Österreich dem Kaiser der Franzosen den Krieg. Russland und auch Schweden unterstützen Österreich. Der zögerliche preußische König Friedrich Wilhelm III. kündigt „den Waffenstillstand“ gegen die französische Besatzungsmacht auf. Die Befreiungskriege beginnen.
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    Die Potsdamer Soldatentochter Maria Christiane Eleonore Prochaska, Schülerin im Großen Militärwaisenhaus zu Potsdam und später Köchin bei Baurat Ludwig Manger, zog als „Jäger Renz“ verkleidet mit in den Krieg zur Befreiung der Heimat. Sie wurde in der Schlacht an der Göhrde bei Dannenberg am 16. September schwer verletzt und starb am 05. Oktober an den Folgen dieser Verletzungen.

    Die Befreiungskriege und ihre Schlachten schadeten den armen Gemeinden nicht wegen der gefallenen Bewohner, auch der wirtschaftliche Preis war hoch.

    1814

    Abschrift des Entwurfes zur Nachweisung und Berechnung des Verlustes, welche das Vorwerk und die Gemeinde zu Stolpe in den Tagen der im Jahre 1813 im Teltowschen Kreise vorgefallenen Schlacht erlitten hat.
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    Der Gemeinderat sagt, dass die Gemeinde in Stolpe mit einem so geringen Quantum nicht zufrieden sein könne. Der (tatsächliche) Verlust ist auf 500 Bund Heu taxiert und überdies sollen sie ihr Quantum aus Berlin holen, was auch wegen der Entfernung mit Kosten versehen ist.

    Die Dorfgemeinde bittet daher zu veranlassen, dass ihr nicht nur eine größere Quantität Heu aufgrund ihrer Verluste bewilligt wird, sondern das bewilligte Quantum auch in Potsdam verabfolgt wird, so, wie schon andere Dorfgemeinden ihr Heu erhalten hätten.

    Mehrfach abgebrannt und immer wieder aufgebaut kennen wir heute noch das Blockhaus Nikolsoe.

    1819

    Auf der Höhe ohnweit des Abhangs zum Havelufer zur Pfaueninsel, wurde im Auftrag des Königs Friedrich Wilhelm III. ein Blockhaus nach russischer Manier angelegt, weil seine Tochter Charlotte (Alexandra Fedorowna) an einem solchen Gebäude bereits in Sankt Petersburg Gefallen gefunden hatte. Dieses benannte er zu Ehren seiner Tochter, die 1817 den russischen Großfürsten (und späteren Zaren) Nikolaus geheiratet hatte, schlicht und einfach Nikolsko(j)e, dem Nikolaus gehörend. Im märkischen Volksmund wurde daraus schnell „Nikolsköö“.

    Die Menschen waren der Natur und den Krankheiten weitgehend ausgeliefert.

    1831

    Die Cholera sucht auch Berlin, Potsdam und die Umgebung heim. Der Erreger, er ist ja noch unbekannt, wird hauptsächlich mit Chlorlösungen und Hitze bekämpft. Die Kranken werden auf geflochtenen Korbtragen aus Weidenzweigen, die mit Wachstuch bezogen sind, zum Krankenhaus gebracht. In den Städten läuft ein Träger mit Glocke dem Krankenzuge voran, um die Leute zu warnen, sich zu nähern. Beerdigt wird generell nachts. Die Bestatter tragen Schutzkleidung aus Wachstuch. Den Park von Sanssouci bei Potsdam umgab man mit einem dichten Bretterzaun, in der Hoffnung, dass die Krankheit somit nicht in das Königshaus eindringen könne. Zu hohen Kosten werden in den Städten „als Gegenmittel“ angeboten: Cholera-Schokolade, Cholera-Liqueure, Cholera-Mäntel und weiterer hilfreicher Kram oder auch nutzarmer Tand. Eine Cholera-Zeitung erscheint in Berlin und Potsdam mit den neuesten Nachrichten.

    Der Ausfschwung beginnt, das Forsthaus Moorlake entsteht.

    1840

    Neu zu Stolpe gehören jetzt: Friedrich-Wilhelm-Brück und auch die Pfaueninsel. 31 Wohnhäuser im Ganzen und die Tapetenfabrikation. Zur jetzigen Zeit verbinden den großen Wannsee, den Kleinen Wannsee, den Pohle-See, den Stölpchen-See und den Griebnitz-See noch keine Kanäle. Das wird erst 1907 verwirklicht sein. Der Wohnplatz Steinstücken wird zu Klein-Machnow eingekircht.

    Die Regierungszeit des Friedrich Wilhelm IV. als König von Preußen beginnt. Seine Ehefrau ist Elisabeth von Bayern, aus dem Hause Wittelsbach. Sie ist die Tochter des beliebten bayerischen Königs Maximilian Joseph I. und auch Tante der späteren österreichischen Kaiserin Elisabeth, „Sisi“ (im Film später „Sissi“ genannt).

    Seiner Frau Elisabeth zu Ehren lässt der König an der Moorlake ein Forsthaus in bayerischer Manier errichten, das jedoch später zu einer Ausflugsgaststätte umgenutzt wird.

    Von der Revolution im eine Tagesreise entfernten Berlin merkt man hier nur wenig.

    1848

    Ereignisse im Jahr der bürgerlichen Revolution gegen Unfreiheit und schlechte Lebensbedingungen: In Berlin sind nach Barrikadenkämpfen gegen das anrückende königliche Militär 200 tote Arbeiter zu beklagen. „Die Märzgefallenen“ werden sie genannt. In Potsdam wird der junge Rechtsreferendar Max Dortu wegen seiner führenden Tätigkeit im „Patriotischen Verein“ verhaftet und ein Jahr später in Freiburg (Breisgau) erschossen. Die große Glocke der Kirche in Stolpe zerspringt. Eine Mahnung an König, Staat und Volk zu Demut und Gerechtigkeit? Bald darauf zerschellt auch die kleinere Glocke und der Fachwerkbau, der wohl noch aus der Zeit des Großen Kurfürsten stammt, zeigt, wie sowieso bekannt, den Zustand der Baufälligkeit.

    Mit den Gastwirtschaften sieht es dagegen besser aus. Es steht außer Stimmings Krug nahe der Friedrich-Wilhelm-Brücke auch noch das kleine Hoenowsche Gasthaus an der Königsstraße.

    So wie auf dem Lande üblich, lebt man auch bei uns in Stolpe naturalwirtschaftlich als Selbstversorger. Geld gibt es zu Weihnachten, da muss an den Kleidungskauf gedacht werden. Einige Einnahmen hat man vom Verkauf der Teltower Rübchen und auch vom Verkauf der Milch, vor allem nach Potsdam. Für einen Liter Milch bekommt man 6 Pfennige. Man hält sich so „über Wasser“.

    Volksmythen um Schätze setzen überall auf der Welt mächtige Kräfte frei.

    1857

    Heinrich Beyer (1826 – 1887) hat sich mehrere Lebensaufgaben gestellt. Eine davon hat er kürzlich bearbeitet: Die Umgebung seines Anwesens in Kohlhasenbrück hat er gründlich nach dem angeblich vor rund 300 Jahren von Hans Kohlhase vergrabenen Silberschatz abgesucht – ihn aber noch nicht gefunden.

    Die Politik hingegen wird einfach zur Kenntnis genommen, solange die eigenen Interessen nicht direkt betroffen sind.

    1859

    Prinz Wilhelm („der Kartätschenprinz“ von Berlin des Jahres 1848) übernimmt die Regentschaft für den erkrankten Bruder, König Friedrich Wilhelm IV.

    Das Erbauen der Stülerschen Kirche in unserem Dorf währte zwei Jahre. Die Kirche mit dem mächtigen Turm wird am 25. November eingeweiht. Sie erscheint uns noch als sehr groß, gegenüber dem früheren kleinen Fachwerkkirchlein, das wir in guter Erinnerung haben.

    In der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts beginnt Berlin zu wachsen, die Industrialisierung nimmt Fahrt auf, und die Grundstückspekulanten machen sich an die Arbeit Wannsee in einen ansehnlichen Villenvorort zu verwandeln.

    1863

    Der Berliner Bankier Wilhelm Conrad (1822 – 1899) erwirbt den Gasthof „Stimminger Krug“ an der Friedrich Wilhelm Brücke und wird diesen in der Folgezeit (um 1870) abbrechen lassen. Er kauft des Weiteren 300 Morgen des Landes, das dieses Grundstück umgibt.

    1864

    Gründung der Villenkolonie Alsen auf dem Grund des „Stimminger Krugs“ und seiner Umgebung am Großen Wannsee durch Herrn Conrad. Conrad eröffnet dort zuerst das „Café Alsen“. (Anmerkung: Alsen erinnert an die jütländische Insel Alsen, die im deutsch-dänischen Krieg 1864 erobert wurde. Conrads Schwager war an diesem Feldzug beteiligt).

    Die Grünanlagen der Kolonie Alsen werden in Anlehnung der Arbeiten von Peter Joseph Lenné gestaltet, die jener für den Schlosspark Glienicke schuf.

    Die Grundlagen sind geschaffen, nun braucht es nur noch einen Krieg und den Zusammenschluß von Preußen mit Bayern, Sachsen und den deutschen Kleinstaaten, damit das Geldverdienen richtig beginnen kann. In Wannsee merkt man davon zunächst nur Bahnbau und häufigere Postzustellung.

    1870

    Die Vorbereitungen zum Bau der Wannseebahn werden getroffen (auch „Wahnsinnsbahn“ geheißen, weil das Verkehrsnetz ja schon so sehr engmaschig ist und man in die Sommerfrische ja ohnehin besser in offener Kutsche fährt). Dazu erfolgt Landankauf von Stolper Kossäten.

    Die Postzustellung für Kohlhasenbrück, Teerofen und Stolpe besorgt der Landbriefträger von Potsdam, der dort um 6 Uhr in der Frühe seinen Dienst beginnt. Hat er die Aufträge in Nowawes-Neuendorf besorgt, trifft er zwischen 10 1/2 Uhr und 11 Uhr in Kohlhasenbrück ein. Es wird aber auch Vormittagspost mit dem Zug befördert (allerdings ist das ein nur offiziöses Abkommen), die dann an der Bahnwärterbude No. 25 in Kohlhasenbrück mit kühnem Schwung aus der Lokomotive geworfen wird. So gibt es die vorbildliche zweimalige Postzustellung am Tage.

    Frankreich erklärt Preußen den Krieg. Es beginnt der Krieg gegen Frankreich, den Bismarck mit der „Emser Depesche“ indirekt aber ganz bewusst stark gefördert hatte.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Berlin-Wannsee

    #Berlin #Geschichte #Wannsee