Kriegsschauplätze in Syrien – Was wir über die östliche Ghouta, Afrin und das Euphrat-Tal wissen sollten | NachDenkSeiten – Die kritische Website
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Jeden Tag hören wir – meist schlechte – Nachrichten aus Syrien. Auch wenn wir von den NachDenkSeiten versuchen, ein wenig Licht in den Nebel zu bringen und Ihnen eine Alternative zur der meist sehr einseitigen Berichterstattung in den klassischen Medien anzubieten, so ist es nicht immer leicht, den Überblick zu behalten. Daher haben wir die Journalistin und Nahostexpertin Karin Leukefeld, die zu den wenigen Quellen aus der Region gehört, auf deren Urteil wirklich Verlass ist, gebeten, die aktuelle Gemengelage in Syrien für die Leser der NachDenkSeiten in einer verständlichen Form aufzubereiten. Was dabei herauskam, ist ungemein lesenswert. Bitte reichen Sie diesen Artikel auch an Ihre Freunde, Bekannte, Verwandte und Kollegen weiter. Es lohnt sich.
Die Ghouta
Die Ghouta war einst ein Naherholungsgebiet für die Einwohner von Damaskus. Ghouta bedeutet „Oase“, hier sprudelten die Wasser des Barada-Flusses, Wälder und Wiesen luden zum Verweilen ein. Reisende, Schriftsteller, Dichter besangen das Gebiet als „Paradies auf Erden“. Der französische Philosoph Constantin Francois de Volney schrieb Ende des 18. Jahrhunderts voller Begeisterung:
„Von den Bergen strömen viele Bäche, die aus dem Gebiet von Damaskus den bestbewässerten und lieblichsten Ort Syriens machen. Die Araber sprechen nur mit Begeisterung von ihm; und sie werden nicht müde, das Grün und die Frische der Obstgärten, die Fülle und Mannigfaltigkeit der Früchte, die Zahl der Quellen wie auch die Klarheit der Springbrunnen und Gewässer zu preisen.“
Der so üppig beschriebene Grüngürtel von Damaskus teilte sich in die östliche Ghouta, die sich entlang der Verbindungsstraße nach Homs erstreckte, in die südliche und westliche Ghouta, die bis zu den Golan-Höhen reichte.1925 sammelte sich in der Ghouta der Widerstand gegen die französische Mandatsherrschaft, der blutig niedergeschlagen wurde.
Die Ghouta besteht ursprünglich aus vielen Dörfern, Weilern, die ihre eigene Geschichte haben. In Jobar zum Beispiel, nur knapp 3 km von der Altstadt von Damaskus entfernt, steht bis heute eine der ältesten Synagogen des Mittleren Ostens. Das Gebäude blieb erhalten, während sich viele Juden von Jobar im 7. Jahrhundert und danach dem Islam ergaben und zu Muslimen wurden. Wie viele Konvertiten entwickelten sie eine Bindung an den Islam, der von Dogmatismus und Intoleranz geprägt war. Mit Beginn der syrischen „Revolution“ (2011) wurden in Jobar Andersgläubige wie Christen, Ismailiten und tolerante Muslime zu „unerwünschten Personen“ erklärt.
Die Veränderung
Seit den 1980-er Jahren – während der großen Entwicklungsphase Syriens – ließen sich besonders in der östlichen Ghouta Handwerks- und Industriebetriebe nieder. Es folgten Werkstätten, Labors, wissenschaftliche und medizinische Einrichtungen, die mit der Universität von Damaskus verbunden waren, Krankenhäuser. Der größte Busbahnhof von Damaskus lag hier, Autohäuser aus aller Welt bauten Glaspaläste entlang der Schnellstraße, die in die Autobahn in Richtung Homs, Hama und Aleppo übergeht. Das Al-Wafideen-Lager bot rund 25.000 Menschen Zuflucht, die selber oder deren Vorfahren 1967 von der israelischen Armee vom syrischen Golan vertrieben worden waren.
Landflucht und Bevölkerungszuwachs ließen um die kleinen Dörfer der einstigen Idylle neue Satellitenstädte entstehen. Rund 3 Millionen Menschen lebten in der östlichen Ghouta offiziell vor Beginn des Krieges 2011, die wirkliche Zahl könnte höher gewesen sein. Die meisten der Menschen flohen Ende 2011/Anfang 2012, als bewaffnete Gruppen in der östlichen Ghouta die Kontrolle übernahmen. Die Zivilisten, die blieben, waren zumeist Angehörige der Kämpfer, Personen, die keine Angehörigen in Damaskus Stadt hatten oder die zu krank und zu alt waren, um zu fliehen. Es waren Leute, die ihr Eigentum nicht verlassen wollten oder sie gehörten einer nicht bewaffneten Oppositionsgruppe an, die mit Unterstützung aus dem Ausland auf einen Sturz der syrischen Regierung hofften.
Die größte dieser Satellitenstädte ist Douma, etwa 10 km nordöstlich von Damaskus Stadt entfernt. Vor dem Krieg lebten dort offiziell 120.000 Einwohner. Viele männliche Bewohner von Douma verdienten ihr Geld in der Bau- und Ölindustrie in den Golfstaaten. Manche wurden Vermittler für Firmen aus dem Golf oder Subunternehmer. Neben dem Geld brachten sie auch ultrakonservatives Gedankengut aus den Golfstaaten mit nach Syrien, das in Moscheen und Koranschulen vermittelt wurde. In Douma bauten die Golfstaaten nicht nur ideell und religiös, sondern auch wirtschaftlich eine Basis auf, die erst im Frühjahr 2011 richtig sichtbar wurde, als die Proteste begannen.
Die Metamorphose der „Freien Syrischen Armee“
Im Sommer 2011 entstand in der Türkei die „Freie Syrische Armee“ (FSA). Etwa zeitgleich schossen in den Dörfern und Vorstädten von Damaskus (Ghouta) bewaffnete Gruppen wie Pilze aus dem Boden. Alle nannten sich „Freie Syrische Armee“, niemand hatte einen politisch-organisatorischen Plan, wie ihr Protest, den sie „Revolution“ nannten, umgesetzt werden sollte. In dieser Zeit entstand in Douma die „Armee des Islam“ (Jaish al Islam), die von Zahran Allousch gegründet wurde. Allousch war 2011 im Rahmen einer Generalamnestie aus dem Gefängnis freigelassen worden, wo er seit 2009 wegen salafistischer Propaganda und illegalem Waffenbesitz inhaftiert war. Im Gegensatz zu anderen bewaffneten Gruppen hatte die „Armee des Islam“ ein klares Ziel. Die säkulare syrische Regierung sollte gestürzt und durch eine Regierung ersetzt werden, die dem islamischen Recht, der Scharia nach salafistischer Auslegung folgen sollte. Finanziell wird die „Armee des Islam“ von der Türkei, Saudi Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) unterstützt, die bis heute für die Bewaffnung und weitere Logistik sorgen. Zahran Allousch wurde 2015 getötet. Kurz darauf wurde sein Bruder Mohamed Alloush zum Leiter der Verhandlungsdelegation der syrischen oppositionellen Nationalen Koalition nach Genf entsandt. Nachdem die militärischen Erfolge der syrischen Armee und ihrer Verbündeten die Kampfverbände landesweit immer mehr zurückdrängten, wurde Alloush bei einem von Saudi Arabien ausgerichteten Treffen gegen oppositionelle Zivilisten ausgetauscht. An den Gesprächen in Astana, bei denen bewaffnete Gruppen mit der syrischen Regierung zusammengebracht werden, um Waffenstillstände und Deeskalationsgebiete zu vereinbaren, nimmt Allousch teil.
Im Kalifat der östlichen Ghouta
Aus der „Freien Syrischen Armee“ (FSA) entstanden nach UN-Angaben landesweit mehr als 2000 Kampfverbände, die sich im Laufe der Jahre immer wieder zerstritten und aus Mangel an Geld und Waffen entweder auflösten oder den dschihadistischen Gruppen anschlossen. Lokale syrische Kampfgruppen, auf die die Bezeichnung „Rebellen“ zutreffen könnte, vereinbarten durch russische Vermittlung Waffenstillstände mit der syrischen Regierung, legten ihre Waffen nieder und wurden in ein staatliches Amnestieprogramm aufgenommen. Zurück blieben neben der „Armee des Islam“ weitere extremistische Kampfgruppen, in denen der Anteil ausländischer Kämpfer sehr hoch war und weiterhin ist.
Die „Rahman-Legion“ (Faylaq al-Rahman) war ebenfalls 2011 gegründet worden und verbündete sich zunächst mit der „Freien Syrischen Armee“. Inzwischen ist die Legion Partner der „Front zur Befreiung der Levante“ (Hay’at Tahrir al-Sham, HTS) einem Bündnis um die Nusra Front, einer Al Khaida-Gruppe. Die Ideologie basiert auf dem Salafismus, die Rahman-Legion bezeichnet die östlichen Vororte von Damaskus als „Östliches Khalifat“. Unterstützt und bewaffnet wird die Gruppe von Katar und von der Türkei. Seit 2015 liefert sich die „Rahman-Legion“ immer wieder blutige Machtkämpfe mit der „Armee des Islam“. Militärbeobachter in der Region führen das auf den Konflikt zurück, der unter den jeweiligen Sponsoren Saudi Arabien/VAE einerseits gegen Katar andererseits besteht. Katar wird seit Sommer 2017 von Saudi Arabien und den VAE als Gegner eingestuft, weil das Emirat mit Iran kooperiert. Beobachter vermuteten bereits, dass die Rahman-Legion auf Druck von Katar zu einem Waffenstillstand bereit sein könnte. Doch ein am 18. Februar von EMN-News veröffentlichter Werbefilm der Gruppe spricht eine andere Sprache. Zu sehen sind Scharfschützen, die ihre modernen Gewehre im Einsatz präsentieren. Durch ihr Zielfernrohr nehmen sie Soldaten und einfache Leute ins Visier, die sich jenseits der Frontlinie in Damaskus befinden. Nach jedem Schuss ist zu sehen, wie das Opfer fällt, während die Schützen Allah preisen. Die Organisation verfügt auch über Anti-Panzer-Raketen TOW aus den USA. Diese führten sie ebenfalls in einem Videoclip vor. Einen Tag nachdem der UN-Sicherheitsrat die Resolution 2401 verabschiedet hatte, die einen 30-tägigen landesweiten Waffenstillstand fordert, zeigte die Rahman-Legion einen Kämpfer, der eine Panzerabwehrlenkwaffe (TOW) abfeuert. Der Blick folgt dem roten Feuerball der Rakete durch das Zielfernrohr, bis sie kurz darauf ihr Ziel in einer gewaltigen Explosion verschwinden lässt. Wieder wird Gott gepriesen, bevor das nächste Ziel ins Visier genommen wird.
Die „Islamische Bewegung der Freien Männer der Levante“ (Ahrar al-Sham) wurde ebenfalls 2011 gegründet und hat sich kürzlich mit einer anderen islamistischen Gruppe, „Nour al Din al Zenki“ zusammengeschlossen. Der Name geht auf einen Herrscher der türkischen Zengiden im 12. Jahrhundert zurück. Die durch den Zusammenschluss entstandene „Syrische Befreiungsfront“ will die „syrische Revolution“ verteidigen, um ebenfalls einen „Islamischen Staat“ zu errichten. Beide Gruppen wurden und werden von den USA, den Golfstaaten und der Türkei unterstützt und haben Hinrichtungen nach Scharia-Urteilen vorgenommen. „Nour al Din al Zenki“ schnitt einem 15-jährigen palästinensischen Jungen vor laufender Kamera die Kehle durch. In der östlichen Ghouta kooperieren beide Organisationen mit dem Bündnis der Nusra Front „Hay’at al Tahrir al Sham“ (HTS). In Idlib, wo alle genannten Gruppen ebenfalls kämpfen, liefern sie sich mit HTS einen blutigen Machtkampf.
Mit Beginn der neuerlichen Kämpfe in den östlichen Vororten von Damaskus (Douma, Harasta, Arbin, Jobar u.a.) haben diese Gruppen – Armee des Islam, Rahman-Legion, Ahrar al Sham, Nour al Din al Zenki und die Nusra Front – sich nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums zu einem gemeinsamen Hauptkommando zusammengeschlossen.
Zivilgesellschaftliche Gruppen kaum noch präsent
Zivile oppositionelle Gruppen sind in den östlichen Vororten von Damaskus kaum noch präsent. Die in Medien häufig zitierten „Weißhelme“, auch „Syrischer Zivilschutz“ genannt, sind ebenso wie die „Syrisch-Amerikanische Medizinische Gesellschaft“ (SAMS) aus syrischen Oppositionsgruppen entstanden und werden von den USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Türkei und den Golfstaaten finanziell unterstützt. Allein für die „Weißhelme“ hat die Bundesregierung seit deren Gründung 2014 sieben (7) Millionen Euro bezahlt.
Das Schicksal anderer Oppositioneller zeigt, dass heute nur noch die in den Kampfzonen operieren können, die von den militärischen Akteuren – den Dschihadisten – geduldet werden. Die Anwältin und Menschenrechtsaktivistin Razan Zeitouneh, die 2011 mit Gleichgesinnten in Douma ein Dokumentationszentrum für Menschenrechtsverletzungen gründete, verschwand im Dezember 2013 und ist seitdem unauffindbar. Ihre Familie, die sich wenige Tage später an die Öffentlichkeit wandte, sprach von einer Entführung. Auch ihr Ehemann Wael Hamada und die Aktivisten Samira Al-Khalil und Nazim Al-Hamadi sind seitdem verschwunden. Im September 2013 berichtete die Anwältin, dass sie und ihr Zentrum von lokalen bewaffneten Gruppen in Douma bedroht worden seien. Drei Monate später verschwand sie. Im April 2014 machte die Familie von Razan Zeitouneh die „Armee des Islam“ und ihren Anführer Zahran Alloush für das Wohlergehen der vier Entführten verantwortlich. Eine Antwort gab es nicht, die vier Menschenrechtsaktivisten kehrten nie zurück.
Während Nahrungsmittel und Medikamente knapp sind in den östlichen Vororten von Damaskus, gelangen modernste Waffen und Munition, Kommunikationsgeräte, Kameras und Drohnen weiter zu den Kämpfern. Ein Nachschubweg führt durch Tunnelsysteme, die die Vororte miteinander verbinden. Die meisten wurden inzwischen allerdings von der syrischen Armee und ihren Verbündeten gekappt. Die Tunnel gehörten ursprünglich zu einem weitverzweigten unterirdischen Wasserversorgungssystem des Barada-Flusses, der die östliche Ghouta bewässert. Basierend auf Berichten von Bewohnern, deren Ehemänner und/oder Söhne verschwanden oder von den Kampfverbänden entführt wurden, mussten Gefangene und Geiseln die unterirdischen Tunnelanlagen ausbauen und befestigten, so dass man heute von einer unterirdischen Stadt in Teilen der östlichen Ghouta spricht. Die Tunnelsysteme dienen als „Schutzräume“ vor Angriffen der syrischen Armee, gleichzeitig wurden durch die Tunnel einige der schwersten Anschläge auf die syrischen Streitkräfte verübt.
Die Kämpfer der beschriebenen Gruppen bilden gemeinsam ein Heer von mehreren Tausend Gotteskriegern. Wiederholte Verhandlungen über deren Abzug blieben erfolglos. Ein im Sommer 2017 vereinbarter Waffenstillstand und die Einstufung der östlichen Vororte von Damaskus als „Deeskalationsgebiet“ scheiterten, nachdem von den o.g. Gruppen im September und im Dezember 2017 – durch die Tunnelsysteme – zwei schwere Anschläge auf die syrischen Streitkräfte mit weit über 100 Toten verübt worden waren. Der an den Verhandlungen um das „Deeskalationsgebiet“ und den Waffenstillstand beteiligte syrische Minister für nationale Versöhnung, Ali Haidar, erklärte nach den Anschlägen, die Kampfverbände hätten offensichtlich kein Interesse an einem Waffenstillstand. Man bleibe dafür offen, sehe allerdings wenig Chancen für ernsthafte Vereinbarungen. Hunderte syrische Soldaten, Regierungsbeamte und deren Angehörige werden von den o.g. Gruppen als Geiseln gehalten. In den vergangenen sieben Wochen wurden aus den Gebieten der östlichen Ghouta mehr als 1500 Granaten und Raketen auf Wohnviertel in Damaskus gefeuert. Dutzende Menschen starben, Hunderte wurden verletzt.
Die Türkei, westliche und Golfstaaten haben seit 2011 den bewaffneten Aufstand in den östlichen Vororten von Damaskus unterstützt. Bei einem Putschversuch im Sommer 2012 drangen Kampfverbände weit ins Zentrum von Damaskus ein, wurden aber wieder zurückgeschlagen. Das Ziel war ursprünglich, die Aufständischen aus der östlichen Ghouta nach Damaskus einmarschieren zu lassen, um die Regierung zu stürzen. Heute kontrollieren die Kampfgruppen noch ein Gebiet von ca. 100km². Das gesamte Gebiet von Damaskus und Umland (Rif) umfasst 18.000 km².
Der Kampf um Afrin und das Euphrat-Tal
Die Lage im Norden Syriens wird aktuell von zwei Fronten bestimmt. Im Westen von Aleppo, in und um die Kleinstadt Afrin, haben die türkischen Streitkräfte mit dschihadistischen Verbündeten eine Offensive gegen die kurdische Selbstverwaltung der angestrebten „Demokratischen Föderation Nordsyrien“ gestartet. Die Türkei gibt an, sich gegen kurdische Terroristen verteidigen zu müssen. Der vom UN-Sicherheitsrat geforderte Waffenstillstand wird von Ankara ignoriert.
Bereits im Sommer 2016 waren türkische Truppen mit dschihadistischen Verbündeten nördlich von Aleppo nach Syrien einmarschiert und hatten dort zwischen den Städten Azaz, Al Bab und Jarabulus eine „Sicherheitszone“ gegen das Vordrängen der kurdisch geführten „Syrischen Demokratischen Kräfte“ (SDK) markiert. Besonders irritiert zeigte sich Ankara über die Haltung des NATO-Verbündeten USA, dessen Streitkräfte seit 2014 (seit dem Kampf um Kobane/Ain al Arab) mit den kurdischen Volksverteidigungskräften YPG/YPJ im Nordosten Syriens kooperieren. Washington bewaffnet die kurdischen Einheiten und bildet sie aus und bezeichnet sie als „Partner der Anti-IS-Koalition“ im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS). Da der IS weitgehend zerschlagen ist, könnte die USA sich aus Syrien zurückziehen, doch US-Außenminister Rex Tillerson verkündete Mitte Januar 2018 die neue US-Strategie für Syrien. Danach werden die US-Streitkräfte in den Gebieten nordöstlich des Euphrat in Syrien bleiben, um a) ein Wiederauferstehen des IS zu verhindern, b) den Einfluss des Iran zurückzudrängen und c) die syrische Zivilgesellschaft zu unterstützen, um das Land, nach dem Sturz von Präsident Assad, neu aufzubauen. Um diesen Plan umzusetzen, soll eine 30.000 Mann (und Frau) starke Grenzschutztruppe aufgebaut werden, wofür das Weiße Haus bereits 4 Milliarden US-Dollar pro Jahr bewilligt hat. Programme für die Stärkung der syrischen Zivilgesellschaft sind darin ebenso enthalten wie weitere Bewaffnung und Ausbildung. Die USA und ihre Partner kontrollierten nordöstlich des Euphrats 30 Prozent des syrischen Territoriums, so Tillerson vor Journalisten in Kuwait. Man kontrolliere die darin lebende Bevölkerung ebenso wie einen Großteil der syrischen Öl- und Gasvorkommen. Das sei ausreichend, um auf die Genfer Gespräche über die Zukunft Syriens Einfluss zu nehmen. Um diesem Plan Nachdruck zu verleihen, wurden wiederholt syrische Truppen und verbündete paramilitärische Kräfte aus Russland und Iran von Kampfflugzeugen der US-geführten Anti-IS-Allianz angegriffen, sobald sie versuchten, den Euphrat zu überqueren und die staatliche syrische Kontrolle syrischer Gas- oder Ölförderanlagen zu sichern.
Die USA und ihre Verbündeten – Großbritannien, Frankreich, Deutschland inklusive – wollen Syrien entlang des Euphrat-Tals zerteilen. 20 US-Militärbasen und –flughäfen wurden in den Gebieten östlich des Euphrats errichtet, um die auf lange Zeit angelegte Besatzung (Tillerson: Wir haben Zeit) durchzusetzen. Die kurdischen Volksverteidigungskräfte werden weiterhin militärisch und finanziell unterstützt. Die syrischen nationalen Gas- und Ölressourcen werden besetzt, die syrische Bevölkerung de facto als Geiseln genommen.
Für Ankara ist das Vorgehen der USA unakzeptabel, daher die Invasion gegen Afrin und die Drohung, weitere Gebiete im Nordosten von Aleppo – allerdings nur westlich des Euphrat – zu besetzen Euphrat – zu besetzen. Die Unterstützung kurdischer Kräfte, die Ankara als Staatsfeind Nummer Eins ansieht, wird als massiver Affront des NATO-Partners USA angesehen. Ein militärischer Konflikt zwischen den beiden NATO-Staaten auf syrischem Territorium ist nicht ausgeschlossen.
Die direkten Nachbarländer Syriens, der Libanon, Türkei und Irak wollen eine Aufteilung Syriens verhindern, ebenso Russland und der Iran, die mit der syrischen Regierung und Armee verbündet sind. Die Syrer haben mit mehr als 2500 lokalen Waffenstillständen ihren Wunsch nach Frieden und Wiederaufbau ihres verwüsteten Landes deutlich manifestiert. Die USA allerdings verfolgt andere Pläne und Washington hat seine Partner entsprechend informiert und instruiert.
Syrien soll zerschlagen werden, um dessen Bündnispartner Russland und Iran ebenso wie die libanesische Hisbollah zu schwächen. Dem Protokoll eines Treffens der „Kleinen Syriengruppe“, zu der die USA Anfang Januar 2018 zunächst Großbritannien, Frankreich, Jordanien und Saudi Arabien nach Washington eingeladen hatte, ist zu entnehmen, dass der Druck auf Russland aufrechterhalten oder auch erhöht werden soll, um den US-Plan umzusetzen (libanesische Tageszeitung Al Akhbar, 22.2.2018). Dafür sollen UNO-Einrichtungen, auch der UN-Sonderbeauftragte für Syrien, Staffan De Mistura angewiesen werden. Sollte Moskau sich weigern, den US-Forderungen „an das syrische Regime“ nachzugeben, werde man weitermachen, wie man bereits begonnen habe (Druck auf Moskau auszuüben): „Die humanitäre Lage in Syrien und die russische Komplizenschaft bei den Luftangriffen“ sollen angeprangert werden. Bis zu den Präsidentschaftswahlen in Russland habe man noch viele Möglichkeiten, den Druck auf Russland und den Kreml zu erhöhen.
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