• US-Sanktionen gegen Afghanen : Warlords, die im Ländle investieren
    https://taz.de/US-Sanktionen-gegen-Afghanen/!5979103


    Rahman Rahmani 2020 im afghanischen Unterhaus Foto : Artyom Geodakyan

    Allemagne/Afghanstan : Business as usual. Rien de nouveau donc, mais cet article fournit une bonne déscriptions d’un réseau mafieux issu de l’arrosage des élites afghanes avec des dollars de la trésorerie états-unienne. Bonne chûte : la moitié du fric (enfin, c’est une vague estimation) a fini en Allemagne qui est mieux faite que l’île de Chypres pour planquer ses sous.

    12.12.2023 von Thomas Ruttig - Die USA verhängen Sanktionen gegen zwei mutmaßlich korrupte Afghanen. Diese wurden in Baden-Württemberg als Großinvestoren willkommen geheißen.

    Die USA haben erstmals hohe Funktionsträger der 2021 gestürzten Regierung Afghanistans sanktioniert. Mir Rahman Rahmani (61), letzter Vorsitzender des afghanischen Unterhauses, und sein Sohn Adschmal Rahmani (41) spielten „extensive Rollen in transnationaler Korruption“, erklärte das US-Finanzministerium am Montag in Washington.

    Über ein weltweites Firmenimperium hätten sie einen „komplexen finanziellen Korruptionsplan“ umgesetzt und „Hunderte Millionen“ Dollar aus US-Aufträgen unterschlagen. Das Ministerium blockte jetzt ihre Vermögenswerte in den USA und drohte US-Bürger*innen, die mit den Sanktionierten geschäftlich weiter verkehren, mit Strafen.

    2014 hätten die Rahmanis und „verschiedene Familien“ der afghanische Businesselite „sich verschworen“, die Preise für Treibstofflieferungen an die afghanischen, aber wohl auch an Nato-Streitkräfte, um über 200 Millionen Dollar hochzutreiben. Die Rahmanis besitzen Raffinerien in benachbarten Staaten Zentral­asiens.

    Mit Bestechung hätten sie sich Steuer- und Zollbefreiungen verschafft, zugleich vereinbarte Liefermengen nicht eingehalten. Überschüssigen Sprit verkauften sie wohl an andere Abnehmer, womöglich gar die Taliban.Fotos in sozialen Medien zeigten Rahmani senior jüngst bei Treffen mit Taliban-Ministern.

    Politische Posten mit Korruptionsgeldern gekauft

    Mit einem Teil des Geldes kauften die Rahmanis politischen Einfluss. Der Senior habe Millionen an mehrere Abgeordnete gezahlt, um sich 2018 ihre Stimmen für den Vorsitz im afghanischen Parlament zu sichern. Der Junior habe für seinen Parlamentsssitz im selben Jahr Mitglieder der Wahlkommission mit 1,6 Millionen Dollar bestochen, damit sie ihm Tausende Stimmen zusätzlich zuschanzten.

    2015 schrieb die Demokratieforscherin Anna Larson, die Aussicht auf „lukrative Geschäfte mit Hilfe parlamentarischer Positionen“ sei der Hauptgrund afghanischer Geschäftsleute, sich um Mandate als Abgeordnete zu bewerben. Auf seiner Webseite hält sich Adschmal Rahmani seine „Hingabe für Transparenz in der Berichterstattung“ und sein “ethisches Geschäftsgebaren“ zugute.

    Rahmani senior hatte eine sowjetische Militärakademie absolviert und war Offizier unter der von Moskau gestützten Regierung Präsident Nadschibullahs. 1992 war er an dessen Sturz beteiligt, nachdem er zu den Mudschaheddin gewechselt war.

    Nach 2001 begann er der Webseite Kabul Now zufolge als kleiner Lieferant für den US-Militärstützpunkt Bagram nördlich von Kabul zu arbeiten. Rahmani senior und sein Bruder, der noch mächtigere General Babadschan waren die örtlichen Warlords.

    Lukrative korrupte Geschäfte im Afghanistan-Krieg

    Rahmani junior wurde als Adschmal-e Saredar – gepanzerter Adschmal – bekannt. Er handelte mit gepanzerten Fahrzeugen, die Botschaften und Afghanistans Elite kauften. Da solche Autos knapp waren, wurden laut einem Szenekenner um 50.000 Dollar an überhöhtem Preise pro Stück verlangt.

    Das De-facto-Monopol der Rahmanis in Bagram war ironischerweise Ergebnis eines Ausmistens der Vertragsvergabe in Afghanistan. 2010 hatte der US-Kongress im Bericht „Warlord Incorporated“ aufgedeckt, dass große Teile eines 2,16-Milliarden-Dollar-Auftrags an acht afghanische und andere Firmen unterschlagen wurden, der 70 Prozent der dortigen US-Truppen versorgen sollte.

    Die Rahmanis sprangen in die Bresche. Daraus entwickelte sich ihr Firmenimperium mit dem Junior als Spiritus rector. Wie Fotos auf den Webseiten der beiden Rahmanis zeigen, hatten sie Zugang zu höchsten US-, Nato- und auch EU-Kreisen.

    Rund die Hälfte der jetzt 44 sanktionierten Rahmani-Firmen sitzen in Deutschland. Schwerpunkt ist mit der Ozean-Gruppe Herrenberg in Baden-Württemberg. Dessen Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ließ sich im Juli mit Adschmal Rahmani bei der Einweihung des Quantum Gardens Ehningen bei Stuttgart ablichten. Auch Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) besuchte das „Leuchtturmprojekt“ (Kretschmann). Es kam in Zusammenarbeit u.a. mit dem Fraunhofer-Institut, IBM und der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart zustande Die Rahmanis sind zudem in drei Bundesländern im Wohnungsbau aktiv.

    Wegen des „unglücksseligen Falls von Kabul 2021, war Hadschi Adschmal Rahmani gezwungen, im August 2021 alle Aktivitäten in Afghanistan einzustellen“, heißt es weiter auf seiner Webseite. Er habe seinen “Fokus zu 100 Prozent“ auf das “globale Business und philanthropische Unternehmungen verlagert“ – bis 2021 war er nach eigenen Angaben in Afghanistan in den Bereichen Jugend, Bildung, Gesundheit und Katastrophenhilfe tätig.
    Umtriebig und korrupt auf vielen Ebenen

    Auch bei einem Vorzeigeprojekt, einem 200-Betten-Krankenhaus in Rahmanis Heimatprovinz Parwan, war nach afghanischen Medienberichten Korruption im Spiel. Bis dahin war auch eine Stiftung unter seinem Namen Hauptsponsor der afghanischen Profifußball-Liga, die deshalb auch deren Namen erhielt.

    Laut Kabul Now lebe Adschmal Rahmani seit August 2021 die meiste Zeit in Deutschland (die US-Regierung gibt als Wohnsitz Dubai an). Die Einreise dürfte kein Problem sein: Laut US- Finanzministerium verfügen beide Rahmanis nicht nur über die Staatsangehörigkeit Afghanistan, sondern auch über Pässe von Zypern.

    In dessen Hauptstadt Nikosia verfüpgt der ältere Rahmani über einen Wohnsitz. Sein Hauptwohnsitz ist laut US- Finanzministerium aber ohne weitere Ortsangabe die türkei und der Karibikstaat Saint Kitts und Nevis. Rahmani junior hat außerdem einen ungarischen und einen belgischen Pass.

    Mit dem westlichen Bündnis waren die Rahmanis aber auch danach weiter im Geschäft. „Die Firmen in seinem Investment-Portfolio unterstützen weiterhin die Nato mit Treibstoff-Lieferungen in solchen europäischen Ländern wie Deutschland, die Niederlande und Belgien“, steht auf seiner Webseite.

    Nach Deals mit Treibstoff jetzt mit Erdgas?

    Zudem befinde er sich “in der Endphase von Verhandlungen über ein Abkommen“ (Partner nicht angegeben), “ein jährliches Minimum von vier Millionen Megawattstunden [an Energie aus] Erdgas in Deutschland und benachbarten europäischen Ländern“ bereitzustellen.

    Dazu passt die Angabe von Kabul Now, dass sein Vater jüngst „auf Fotos in sozialen Medien“ bei der COP28-Weltklimakonferenz in Dubai zu sehen gewesen sein soll. Die Rahmani sind offenbar also auch Gaslobbyisten.

    Auch Afghanistan-politisch sind die Rahmanis aktiv, wie Kabul Now herausfand, und zwar über einen im US-Bundesstaat Delaware seit März 2020 eingetragenen Verein, den Afghanistan-US Democratic Peace and Prosperity Council (A-US-DPPC).

    Laut ihrer Webseite wird die Organisation von „Reformern in Afghanistans Exilparlament und Afghano-Amerikanern“ geleitet, die „stark an den Nutzen einer Allianz zwischen den Völkern Afghanistans und Amerika glauben.“
    Spagat zwischen Taliban und Widerstand

    Kabul Now zitiert Angaben des US-Justizministeriums, denen zufolge die Organisation bei ihrer Registrierung angegeben habe, dass sie von Adschmal Rahmani finanziert werde. Als ihr Exekutiv-Direktor ist jemand namens Martin Amin Rahmani angegeben, ein US-Bürger und Managementpartner der Beratungsfirma Victory Six Advisors miit Sitz in Washington DC. Er gibt an, früher für ein namentlich nicht genanntes Mitglied des Repräsentantenhauses gearbeitet zu haben.

    Im Beratergremium des A-US-DPPC werden mit Mir Haidar Afsali und Nahid Farid zwei weitere afghanische Ex-Parlamentsmitglieder genannt. Afsali nahm laut Kabul Now auch an dem jüngsten dritten, von einem regierungsnahen österreichischen Institut veranstalteten Treffen der Anti-Taliban-Opposition – dem sogenannten Wiener Prozess – teil. Das wurde laut dem afghanischen Exilsender Amu TV vom Chef der bewaffneten Nationalen Widerstandsfront, Ahmad Massud, „geleitet“.

    Wie eine Zusammenarbeit der Rahmanis mit der Exilopposition und gleichzeitig geschäftliche oder anderweitige Kontakte mit den Taleban in Afghanistan zusammenpassen, ist fraglich.
    Was bedeuten die US-Sanktionen für die Landesregierung?

    Eine weitere Frage ist natürlich: Hat denn niemand in Baden-Württemberg (und anderswo) gecheckt, wer diese Investoren sind und woher ihr Geld stammt? Bisher hat die taz noch keine Rückmeldung von der Landesbehörden in Stuttfart, ob sie nach den US-Sanktionen Handlungsbedarf sehen. Wie viel korrupte Geldabflüsse aus Afghanistan sind sonst noch in Deutschland geparkt oder investiert worden?

    Die US-Regierung muss sich fragen lassen, warum sie erst jetzt handelte und warum nur gegen die Rahmanis. Wie Kabul bekannt war, liefe gegen sie seit 2015 eine interne Untersuchung.

    #USA #Allemagne #Afghanstan #corruption

  • #Niger : Europe’s Migration Laboratory
    (publié en 2018, pour archivage ici)

    Mahamane Ousmane is an unrepentant people smuggler. He makes no effort to deny transporting migrants “countless times” across the Sahara into Libya. When he is released from prison in Niger’s desert city of Agadez, he intends to return to the same work.

    The 32-year-old is even more adamant he has done nothing wrong. “I don’t like criminals. I am no thief. I have killed no one,” he says.

    As Ousmane speaks, a small circle of fellow inmates in filthy football shirts and flip-flops murmur in agreement. The prison at Agadez, where the French once stabled their horses in colonial times, now houses an increasing number of people smugglers. These “passeurs,” as they are known in French, have found themselves on the wrong side of a recent law criminalizing the movement of migrants north of Agadez.

    Aji Dan Chef Halidou, the prison director who has gathered the group in his office, does his best to explain. “Driving migrants out into the Sahara is very dangerous, that’s why it is now illegal,” he interjects.

    Ousmane, a member of the Tubu tribe, an ethnic group that straddles the border between Niger and Libya, is having none of it. “Nobody ever got hurt driving with me,” he insists. “You just have to drive at night because in the day the sun can kill people.”

    A powerfully built man who speaks in emphatic bursts of English and Hausa, Ousmane worked in the informal gold mines of Djado in northern Niger until they were closed by the military. Then he borrowed money to buy a pickup truck and run the route from Agadez to Sebha in Libya. His confiscated truck is now sinking into the sand at the nearby military base, along with more than 100 others taken from people smugglers. Ousmane still owes nearly $9,000 on the Toyota Hilux and has a family to support. “There is no alternative so I will go back to work,” he says.

    “We need to implement this law gently as many people were living off migration and they were promised compensation by Europe for leaving it behind, but this hasn’t happened yet.”

    While the temperature outside in the direct sun nears 120F (50C), the air conditioner in the warden’s office declares its intention to get to 60F (16C). It will not succeed. As mosquitoes circle overhead, Halidou’s earlier enthusiasm for the law evaporates. “Agadez has always been a crossroads where people live from migration,” he says. “We need to implement this law gently as many people were living off migration and they were promised compensation by Europe for leaving it behind, but this hasn’t happened yet.”

    Ali Diallo, the veteran among the inmates, blames Europe for his predicament. Originally from Senegal, he made his way across West Africa to Libya working in construction. His life there fell apart after the Western-backed ouster of the Gadhafi regime. The steady supply of work became more dangerous and his last Libyan employer shot him in the leg instead of paying him at the end of a job.

    “In Senegal there are no jobs, in Mali there are no jobs, but there were jobs in Libya and that was all right,” he says. “Then the West killed Gadhafi and now they want to stop migration.” Diallo retreated two years ago to Agadez and found a job as a tout or “coxeur” matching migrants with drivers. This was what he was arrested for. He has a question: “Didn’t the Europeans think about what would happen after Gadhafi?”

    The Little Red Town

    Niger is prevented from being the poorest country in the world only by the depth of misery in Central African Republic. It was second from bottom in last year’s U.N. Human Development Index. Niamey, the country’s humid capital on the banks of the River Niger, has a laid-back feeling and its population only recently passed the 1 million mark.

    But the city’s days as a forgotten backwater are coming to an end.

    Along the Boulevard de la Republique, past the machine-gun nests that block approaches to the presidential palace, concrete harbingers of change are rising from the reddish Saharan dust. Saudi Arabia and the U.S. have vast new embassy complexes under construction that will soon overshadow those of Libya and France, the two traditional rivals for influence in Niger.

    Further north in the Plateau neighborhood, the development aid complex is spreading out, much of it funded by the European Union.

    “What do all these foreigners want from our little red town?” a senior Niger government adviser asked.

    In the case of the E.U. the answer is clear. Three-quarters of all African migrants arriving by boat in Italy in recent years transited Niger. As one European ambassador said, “Niger is now the southern border of Europe.”

    Federica Mogherini, the closest the 28-member E.U. has to a foreign minister, chose Niger for her first trip to Africa in 2015. The visit was seen as a reward for the Niger government’s passage of Law 36 in May that year that effectively made it illegal for foreign nationals to travel north of Agadez.

    “We share an interest in managing migration in the best possible way, for both Europe and Africa,” Mogherini said at the time.

    Since then, she has referred to Niger as the “model” for how other transit countries should manage migration and the best performer of the five African nations who signed up to the E.U. Partnership Framework on Migration – the plan that made development aid conditional on cooperation in migration control. Niger is “an initial success story that we now want to replicate at regional level,” she said in a recent speech.

    Angela Merkel became the first German chancellor to visit the country in October 2016. Her trip followed a wave of arrests under Law 36 in the Agadez region. Merkel promised money and “opportunities” for those who had previously made their living out of migration.

    One of the main recipients of E.U. funding is the International Organization for Migration (IOM), which now occupies most of one street in Plateau. In a little over two years the IOM headcount has gone from 22 to more than 300 staff.

    Giuseppe Loprete, the head of mission, says the crackdown in northern Niger is about more than Europe closing the door on African migrants. The new law was needed as networks connecting drug smuggling and militant groups were threatening the country, and the conditions in which migrants were forced to travel were criminal.

    Loprete echoes Mogherini in saying that stopping “irregular migration” is about saving lives in the desert. The IOM has hired community officers to warn migrants of the dangers they face farther north.

    “Libya is hell and people who go there healthy lose their minds,” Loprete says.

    A side effect of the crackdown has been a sharp increase in business for IOM, whose main activity is a voluntary returns program. Some 7,000 African migrants were sent home from Niger last year, up from 1,400 in 2014. More than 2,000 returns in the first three months of 2018 suggest another record year.

    Loprete says European politicians must see that more legal routes are the only answer to containing irregular migration, but he concludes, “Europe is not asking for the moon, just for managed migration.”

    The person who does most of the asking is Raul Mateus Paula, the E.U.’s top diplomat in Niamey. This relatively unheralded country that connects West and North Africa is now the biggest per capita recipient of E.U. aid in the world. The European Development Fund awarded $731 million to Niger for the period 2014–20. A subsequent review boosted this by a further $108 million. Among the experiments this money bankrolls are the connection of remote border posts – where there was previously no electricity – to the internet under the German aid corporation, GIZ; a massive expansion of judges to hear smuggling and trafficking cases; and hundreds of flatbed trucks, off-road vehicles, motorcycles and satellite phones for Nigerien security forces.

    This relatively unheralded country that connects West and North Africa is now the biggest per capita recipient of E.U. aid in the world.

    Normally, when foreign aid is directed to countries with endemic corruption – Transparency International ranks Niger 112th out of 180 countries worldwide – it is channeled through nongovernmental organizations. Until 2014 the E.U. gave only one-third of its aid to Niger in direct budget support; in this cycle, 75 percent of its aid goes straight into government coffers. Paula calls the E.U. Niger’s “number one partner” and sees no divergence in their interests on security, development or migration.

    But not everyone agrees that European and Nigerien interests align. Julien Brachet, an expert on the Sahel and Sahara, argues that the desire to stop Europe-bound migration as far upstream as possible has made Niger, and particularly Agadez, the “perfect target” for E.U. migration policies. These policies, he argues, have taken decades-old informal migration routes and made them clandestine and more dangerous. A fellow at the French National Research Institute for Development, Brachet accuses the E.U. of “manufacturing smugglers” with the policies it has drafted to control them.

    Niger, which has the fastest-growing population in the world, is a fragile setting for grand policy experiments. Since independence from France in 1960 it has witnessed four coups, the last of which was in 2010. The regular overthrow of governments has seen political parties proliferate, while the same cast of politicians remains. The current president, Mahamadou Issoufou, has run in every presidential election since 1993. His latest vehicle, the Party for Democracy and Socialism, is one of more than 50 active parties. The group’s headquarters stands out from the landscape in Niamey thanks to giant streamers, in the party’s signature pink, draped over the building.

    The biggest office in the pink house belongs to Mohamed Bazoum, Niger’s interior minister and its rising political star. When European diplomats mention who they deal with in the Nigerien government, his name is invariably heard.

    “We are in a moment with a lot of international attention,” Bazoum says. “We took measures to control migration and this has been appreciated especially by our European partners.”

    Since the crackdown, the number of migrants passing checkpoints between Niamey and Agadez has dropped from 350 per day, he claims, to 160 a week.

    “We took away many people’s livelihoods,” he says, “but we have to say that the economy was linked to banditry and connected to other criminal activities.”

    “Since independence, we never had a government that served so many foreign interests,”

    E.U. officials say privately that Bazoum has taken to issuing shopping lists, running to helicopters and vehicles, of goods he expects in return for continued cooperation.
    By contrast, the World Food Programme, which supports the roughly one in ten of Niger’s population who face borderline malnutrition, has received only 34 percent of the funding it needs for 2018.

    At least three E.U. states – France, Italy and Germany – have troops on the ground in Niger. Their roles range from military advisers to medics and trainers. French forces and drone bases are present as part of the overlapping Barkhane and G5 Sahel counterinsurgency operations which includes forces from Burkina Faso, Chad, Mali and Mauritania. The U.S., meanwhile, has both troops and drone bases for its own regional fight against Islamic militants, the latest of which is being built outside Agadez at a cost of more than $100 million.

    “Since independence, we never had a government that served so many foreign interests,” says Hamadou Tcherno Boulama, a civil society activist. His organization, Alternative Espaces Citoyens, often has an armed police presence outside its gates these days to prevent people gathering. Four of Niger’s main civil society leaders were jailed in late March after 35,000 people took to the streets in Niamey in the biggest demonstrations Niger has seen in a decade. Much of the public anger is directed against this year’s budget, which hiked taxes on staples such as rice and sugar.

    Foreign aid accounts for 45 percent of Niger’s budget, so the austerity budget at a time of peak foreign interest has stoked local anger.

    Boulama calls Bazoum “the minister of repression” and says Issoufou has grown fond of foreign travel and spends so little time in Niger that his nickname is “Rimbo” – Niger’s best-known international bus company.

    “Issoufou uses international support related to migration and security issues to fortify his power,” Boulama says.

    The E.U. and the International Monetary Fund have praised the government for this year’s budget, saying it will ease dependence on donors. The most that European diplomats will concede is that the Nigerien government is “bloated” with 43 ministers, each with an expensive retinue.

    European leaders’ “focus on migration is 100 percent,” says Kirsi Henriksson, the outgoing head of EUCAP Sahel, one of those E.U. agencies that few Europeans have ever heard of. When it was conceived, its brief was to deliver a coordinated strategy to meet the jihadi threat in Mali, but its mandate changed recently to prioritize migration. Since then its international staff has trebled.

    Henriksson, whose term ended in April, compares the security and development push to a train where everything must move at the same speed: “If the carriages become too far apart the train will crash,” she says.

    As one of the few Europeans to have visited the border area between Libya and Niger, she is concerned that some European politicians have unrealistic expectations of what is achievable. The border post at Tummo is loosely controlled by ethnic Tubu militia from southern Libya and no Nigerien forces are present.

    “Ungoverned spaces” confuse some E.U. leaders, she says, who want to know how much it will cost to bring the border under control. These kinds of questions ignore both the conditions and scale of the Sahara. On the wall of Henriksson’s office is a large map of the region. It shows the emerald green of West Africa, veined with the blue of its great rivers, fading slowly to pale yellow as you look north. If you drew a line along the map where the Saharan yellow displaces all other colors, it would run right through Agadez. North of that line is a sea of sand nearly four times the size of the Mediterranean.

    The Development Delusion

    Bashir Amma’s retirement from the smuggling business made him an Agadez celebrity after he plowed his past earnings into a local soccer team, where he makes a show of recruiting migrant players. Bashir once ran a ghetto, the connection houses where migrants would wait until a suitable ride north could be found. These days a handful of relatives are the only occupants of a warren of rooms leading off a courtyard amid the adobe walls of the old town.

    He is the president of the only officially recognized association of ex-passeurs and has become the poster boy for the E.U.-funded effort to convert smugglers into legitimate business people. The scheme centers on giving away goods such as cheap motorcycles, refrigerators or livestock up to a value of $2,700 to an approved list of people who are judged to have quit the migration business.

    Bashir is accustomed to European questioners and holds court on a red, black and gold sofa in a parlor decorated with framed verses from the Quran, plastic flowers and a clutch of E.U. lanyards hanging from a fuse box. Flanked by the crutches he has used to get around since a botched injection as a child left him with atrophied legs, he says his conscience led him to give up smuggling. But the more he talks, the more his disenchantment with his conversion seeps out.

    Some of his colleagues have kept up their trade but are now plying different, more dangerous routes to avoid detection. “The law has turned the desert into a cemetery, for African passengers and for drivers as well,” Bashir says.

    You either have to be foolhardy or rich to keep working, Bashir says, because the cost of bribing the police has increased since Law 36 was implemented. As he talks, the two phones on the table in front of him vibrate constantly. His public profile means everyone is looking to him to help them get European money.

    “I’m the president but I don’t know what to tell them. Some are even accusing me of stealing the money for myself,” he says.

    His anxious monologue is interrupted by the appearance of man in a brilliant white suit and sandals at the doorway. Bashir introduces him as “one of the most important passeurs in Agadez.”

    The visitor dismisses the E.U. compensation scheme as “foolish” and “pocket money,” saying he earns more money in a weekend. The police are trying to stop the smugglers, he says, but they do not patrol more than 10 miles (15km) outside the city limits. When asked about army patrols north of Agadez, he replies, “the desert is a big place.”

    After he leaves, Bashir hints darkly at continuing corruption in the security forces, saying some smugglers are freer to operate than others. The old way was effectively taxed through an open system of payments at checkpoints; it is unrealistic to expect this to disappear because of a change in the law.

    “We know that the E.U. has given big money to the government of Niger, we’re seeing plenty of projects opening here,” he says. “But still, one year after the conversion program launched, we’re waiting to receive the money promised.”

    But his biggest frustration is reserved for the slow pace of compensation efforts. “We know that the E.U. has given big money to the government of Niger, we’re seeing plenty of projects opening here,” he says. “But still, one year after the conversion program launched, we’re waiting to receive the money promised.”

    Even the lucky few who make it onto the list for the Action Plan for Rapid Economic Impact in Agadez (PAIERA) are not getting what they really need, which is jobs, he says. The kits are goods to support a small business idea, not a promise of longer-term employment.

    “National authorities don’t give a damn about us,” he says. “We asked them to free our jailed colleagues, to give us back the seized vehicles, but nothing came.”

    There is a growing anti-E.U. sentiment in Agadez, Bashir warns, and the people are getting tired. “Almost every week planes land with leaders from Niamey or Europe. They come and they bring nothing,” he says.

    Agadez is not a stranger to rebellions. The scheme to convert smugglers is run by the same government department tasked with patching up the wreckage left by the Tuareg rebellion, the latest surge of northern resentment at perceived southern neglect that ended in 2009. The scheme sought to compensate ex-combatants and to reduce tensions amid the mass return of pro-Gadhafi fighters and migrant workers that followed from Libya, in 2011 and 2012. Many of them were ethnic Tubu and Tuareg who brought vehicles and desert know-how with them.

    The offices of the High Authority for the Consolidation of Peace in the capital have the air of a place where there has not been much to do lately. Two men doze on couches in the entrance hall. Inside, Jacques Herve is at his desk, the picture of a well-ironed French bureaucrat. He bristles at the accusation that the PAIERA program has failed.

    “The media has often been negative about the conversion program, but they have not always had the right information,” he says. Herve is one of the legion of French functionaries rumored to be seconded to every nook of Niger’s government, and is well-versed in the complaints common in Agadez.

    “During the preparatory phase, people did not see anything, so they were frustrated, but now they are starting to see concrete progress,” he says.

    Herve says 108 small business kits have been given out while another 186 were due to be handed over. When a small number of four-person projects are added in, the total number of people who have been helped is 371. The pilot for the conversion scheme that Bashir and others are waiting on is worth just $800,000.

    If the program was rolled out to all 5,118 ex-smugglers on the long list, it would cost $13 million in funding over the next three years, according to a letter sent to the E.U. Delegation in Niamey. There are other E.U.-funded cash-for-jobs schemes worth another $7 million in Agadez, but these are not related to the former passeur.

    This leaves an apparent mismatch in funding between security, in effect enforcement, and development spending, or compensation. The E.U. Trust Fund for Africa, which European leaders have earmarked to address the “root causes” of migration, has allocated $272 million in Niger.

    Money, Herve acknowledges, is not the problem. He says the principle has been to “do no harm” and avoid channeling funds to organized smuggling kingpins. He also says the task of compiling a roll call of all the workers in an informal economy in a region larger than France had been enormous. “The final list may not be perfect but at least it exists,” he says.

    Herve’s struggles are part of the E.U.’s wider problem. The bloc has pushed for the mainstay of northern Niger’s economy to be criminalized but it remains wary of compensating the individuals and groups it has helped to brand as criminals. There is no precedent for demolishing an informal economy in one of the world’s poorest countries and replacing it with a formal model. Some 60 percent of Niger’s GDP comes from the informal sector, according to the World Bank.

    As a senior government adviser put it, “When you slap a child you cannot ask it not to cry.”

    According to an E.U. official who followed the program, “the law was imposed in a brutal way, without any prior consultation, in a process where the government of Niger was heavily pressured by the E.U., France and Germany, with a minimal consideration of the fact Nigerien security forces are involved in this traffic.”

    “exodants” – a French word used locally to denote economic migrants who fled poverty and conflict in northern Niger to work in Libya or Algeria.

    The group listens as Awal presents the latest draft of an eight-page plan featuring carpentry, restoration, tailoring and sheep-farming ideas. Making it a reality would cost $160,000, they estimate.

    “Some of us have been jailed, some vehicles are lying uselessly under the sun in the military base, but the reality is that we don’t know any other job than this.”

    All those present listen and pledge to respect the new law but they are not happy. The oldest man in the group, a Tuareg with a calm and deep voice, speaks up, “Some of us have been jailed, some vehicles are lying uselessly under the sun in the military base, but the reality is that we don’t know any other job than this,” he says.

    Then his tone turns bitter, “I feel like we have been rejected and the option to move to Libya, like we did in the past, is not there anymore.” Before he can finish, one of the frequent Agadez power cuts strikes, leaving everyone sitting in darkness.

    Unintended Consequences

    Alessandra Morelli uses the fingers of her right hand to list the emergencies engulfing Niger. The country representative of the U.N. Refugee Agency (UNHCR) starts with her little finger to represent the 240,000 people displaced by the Boko Haram crisis in Niger’s southeast. Next is the Malian refugee crisis in the regions of Tillabery and Tahoua, a strip of land that stretches northeast of the capital, along the border with Mali, where 65,000 people have fled conflict into Niger. Her middle finger is the situation along the border with Algeria where migrants from all over West Africa are being pushed back or deported, often violently, into Niger. Her index finger stands for the thousands of refugees and migrants who have retreated back into Niger across the border from Libya. And her thumb represents the refugees the U.N. has evacuated from Libya’s capital Tripoli under a tenuous plan to process them in Niger ahead of resettlement to Europe.

    “I can no more tell you which is more important than I can choose a finger I don’t need,” says Morelli, the survivor of a roadside bombing in Somalia.

    Her depiction of a country beset by emergencies is at odds with the E.U. officials who talk of security and development benefits for Niger from its burgeoning international partnerships. UNHCR opened its office in Niger in 2012 and had been attempting to identify refugees and asylum cases among the much larger northward flow of economic migrants. The agency already has tens of thousands of refugees scattered across camps in the region, where many have already been in the queue for resettlement to the rich world for more than 15 years.

    Her depiction of a country beset by emergencies is at odds with the E.U. officials who talk of security and development benefits for Niger from its burgeoning international partnerships.

    A delicate negotiation with the government of Niger – which is aware that European money and plaudits flow from stopping migrants, not identifying more refugees – led to a fledgling project in Agadez, which in partnership with IOM was meant to identify a small number of test cases.

    But the concentration of international resources in Agadez can also have unintended side effects and the UNHCR guest houses were overwhelmed soon after they opened their doors.
    In December a trickle of young Sudanese men started to appear at the IOM transit center. When they made it clear they did not want passage home to Darfur, they were moved into the guest houses as soon as these opened in January. Hundreds more Sudanese quickly followed, the majority of them from Darfur but some from as far away as South Sudan. Most of them had spent half a lifetime in camps in Sudan or Chad and brought with them stories of hardship, abuse and torture in Libya, where they said they had either worked or been seeking passage to Europe.

    By February the first of the men’s families started to arrive, some from Libya and others from camps in neighboring Chad or from Darfur itself. By the time the number of Sudanese passed 500, UNHCR and its partner – an Italian NGO, COOPI – saw their funds exhausted. The influx continued.

    By early March more than 1,500 Sudanese had gathered in Agadez, many camped in front of the government’s office for refugees. The government of Niger wanted to expel them, said an E.U. security adviser. They were suspicious of possible links with Darfuri rebel groups who have been active in southern Libya. “They gave them a 10-day deadline to leave then revoked it only after a delicate negotiation,” the security adviser said.

    Rumors that the Sudanese were demobilized fighters from the Justice and Equality Movement and Sudan Liberation Army-Minni Minawi spread in Agadez. In the comment section of local media outlet Air Info, anger has been rising. “Agadez is not a dumping ground,” wrote one person, while another said, “we’re tired of being Europe’s dustbin.”

    Still only 21 years old, Yacob Ali is also tired. He has been on the run since he was 8 years old, first escaping the bombs of Sudanese government forces in al-Fasher, northern Darfur. He remembers battling for a tent in Zam Zam, one of the world’s biggest camps for displaced people. The eldest of six children, he left for Libya at 20, hoping to find a job. After being abused and exploited on a farm outside Murzuq, an oasis town in southern Libya, he decided “to cross the sea.”

    Agadez is not a dumping ground,” wrote one person, while another said, “we’re tired of being Europe’s dustbin.

    Once again there was no escape and “after hours on a dinghy,” Ali says, “a Libyan vessel with plainclothes armed men forced us back.”

    For the next five months he was trapped in a warehouse in Tripoli, where he and hundreds of others were sold into forced labor. Eventually he managed to free himself and was told that Agadez “was a safe place.”

    Any hopes Ali or other Sudanese may have harbored that Agadez with its presence of international agencies might offer a swifter and safer route to resettlement are vanishing.
    “For refugees who are stuck in Libya, coming to Niger is the only way to safety and protection,” Morelli says, “but it’s difficult to offer them a real solution.”

    Fears that the Sudanese may be deported en masse intensified in early May, when 132 of them were arrested and removed from the city by Nigerien authorities. They were transported to Madama, a remote military outpost in the northern desert, before being forcibly pushed over the border into Libya.

    The accusation that Niger has become a dumping ground for unwanted Africans has become harder for the government to dismiss over the past six months as its neighbor Algeria has stepped up a campaign of pushbacks and deportations along the desert border. Arbitrary arrests and deportations of West Africans working without documents have long been a feature of Algeria’s economy, but the scale of current operations has surprised observers.

    Omar Sanou’s time in Algeria ended abruptly. The Gambian, who worked in construction as a day laborer, was stopped on the street one evening by police. When he asked for the chance to go to his digs and collect his things he was told by officers he was just going to a registration center and would be released later. Another policeman told him he was African, so had “no right to make money out of Algeria.”

    That is when he knew for sure he would be deported.

    Without ever seeing a court or a lawyer, Sanou found himself with dozens of other migrants on a police bus driving east from the Algerian city of Tamanrasset. The men had been stripped of their belongings, food and water.

    The bus stopped in a place in the desert with no signs and they were told the nearest shelter was 15 miles (25km) away. Although several of the men in his group died on the ensuing march, Sanou was lucky. Other groups have been left more than 30 miles from the border. Some men talk of drinking their own urine to survive, and reports of beatings and gunshot wounds are common. As many as 600 migrants have arrived in a single day at Assamaka border post, the only outpost of the Nigerien state in the vast Tamesna desert, where IOM recently opened an office. Survivors such as Sanou have found themselves at the IOM transit center in Agadez where there is food, shelter, healthcare and psychological support for those willing to abandon the road north and go home.

    After nearly five years, Sanou now faces returning home to Gambia empty-handed. The money he earned during the early years of his odyssey was given to his little brother more than a year ago to pay his way north from Agadez. Now 35 and looking older than his age, he admits to feeling humiliated but refuses to despair. “A man’s downfall is not his end,” he says.

    After nearly five years, Sanou faces returning home to Gambia empty-handed. Now 35 and looking older than his age, he admits to feeling humiliated but refuses to despair. “A man’s downfall is not his end.”

    Algeria’s brutal campaign has hardly drawn comment from the E.U., and a Nigerien diplomat said U.S. and European anti-migrant rhetoric is being parroted by Algerian officials. At a recent gathering of Algerian military commanders, discussions centered on the need to “build a wall.”

    The perception among senior figures in the Niger government that they have allowed themselves to become a soft touch for unwanted refugees and migrants has created acute tension elsewhere.

    In March a small-scale effort to evacuate the most vulnerable refugees from Tripoli to Niamey before processing them for resettlement in Europe was suspended. The deal with UNHCR hinged on departures for Europe matching arrivals from Libya. When only 25 refugees were taken in by France, the government of Niger pulled the plug. It has been partially reactivated but refugee arrivals at 913 far outweigh departures for the E.U. at 107. Some reluctant E.U. governments have sent asylum teams to Niamey that are larger in number than the refugees they are prepared to resettle. Meanwhile, people who have suffered horrifically in Libya are left in limbo. They include a Somali mother now in Niamey whose legs are covered in the cigarette burns she withstood daily in Libya at the hands of torturers who said they would start on her two-year-old daughter if she could not take the pain.

    The knock-on effects of the experiments in closing Niger as a migration corridor are not felt only by foreigners. Next to the rubbish dump in Agadez, a few hundred yards from the airstrip, is a no-man’s land where the city’s landless poor are allowed to pitch lean-to shelters. This is where Fatima al-Husseini, a gaunt 60-year-old, lives with her toddler granddaughter Malika. Her son Soumana Abdullahi was a fledgling passeur who took the job after failing to find any other work.

    What had always been a risky job has become potentially more deadly as police and army patrols have forced smugglers off the old roads where there are wells and into the deep desert. Abdullahi’s friends and fellow drivers cannot be sure what happened to him but his car got separated from a three-vehicle convoy on a night drive and appears to have broken down. It took them hours to find the vehicle and its human cargo but Abdullahi had struck out for help into the desert and disappeared.

    His newly widowed wife had to return to her family and could support only two of their three children, so Malika came to live with al-Husseini. Tears look incongruous on her tough and weatherworn face but she cries as she remembers that the family had been close to buying a small house before her son died.

    Epilogue

    All that remains of Mamadou Makka is his phone. The only traces on the scratched handset of the optimistic and determined young Guinean are a few songs he liked and some contacts. It is Ousman Ba’s most treasured possession. “I have been hungry and refused to sell it,” he says, sitting on the mud floor of a smuggler’s ghetto outside Agadez.

    Makka and Ba became friends on the road north to the Sahara; they had never met in Conakry, the capital of their native Guinea. The younger man told Ba about his repeated attempts to get a visa to study in France. Makka raised and lost thousands of dollars through intermediaries in various scams before being forced to accept that getting to Europe legally was a dead end. Only then did he set out overland.

    “It was not his fate to study at a university in France, it was his fate to die in the desert,” says Ba, who was with him when, on the last day of 2017, he died, aged 22.

    “It was not his fate to study at a university in France, it was his fate to die in the desert”

    The pair were among some 80 migrants on the back of a trio of vehicles roughly two days’ drive north of Agadez. The drivers became convinced they had been spotted by an army patrol and everything began to go wrong. Since the 2016 crackdown the routes have changed and distances doubled, according to active smugglers. Drivers have also begun to take amounts of up to $5,000 to pay off security patrols, but whether this works depends on who intercepts them. Some drivers have lost their vehicles and cash and been arrested. News that drivers are carrying cash has drawn bandits, some from as far afield as Chad. Faced with this gauntlet, some drivers unload their passengers and try to outrun the military.

    In Makka and Ba’s case, they were told to climb down. With very little food or water, the group did not even know in which direction to walk. “In that desert, there are no trees. No houses, no water … just mountains of sand,” Ba says.

    It took four days before an army patrol found them. In that time, six of the group died. There was no way to bury Makka, so he was covered with sand. Ba speaks with shame about the selfishness that comes with entering survival mode. “Not even your mother would give you her food and water,” he says.

    When they were finally picked up by the Nigerien army, one of the officers demanded to know of Ba why he had put himself in such an appalling situation and said he could not understand why he hadn’t gotten a visa.

    Half dead from heat stroke and dehydration, Ba answered him, “It is your fault that this happened. Because if you weren’t here, the driver would never abandon us.”

    Four months on and Ba has refused the offer from IOM of an E.U.-funded plane ticket home. He is back in the ghetto playing checkers on a homemade board and waiting to try again. He used Makka’s phone to speak to the young man’s father in Conakry, who begged him to turn back. Ba told him, “Your son had a goal and I am still following that goal. Either I will reach it or I will die. God will decide.”

    https://deeply.thenewhumanitarian.org/refugees/articles/2018/05/22/niger-europes-migration-laboratory

    #laboratoire #migrations #asile #réfugiés #externalisation #frontières #Agadez #modèle #modèle_nigérien #loi_36 #loi #IOM #OIM #Giuseppe_Loprete #risques #retours_volontaires #Raul_Mateus_Paula #European_development_fund #fond_européen_pour_le_développement #Allemagne #GTZ #Mohamed_Bazoum #France #Italie #G5_Sahel #Action_Plan_for_Rapid_Economic_Impact_in_Agadez (#PAIERA)

  • 17.08.2018: German government concludes agreement with Greece
    (pour archivage)

    On 17 August 2018, the Federal Minister of the Interior, Building and Community, #Horst_Seehofer, and his Greek counterpart reached an agreement which covers cooperation regarding refusal of entry at the border and family reunification in cases under the Dublin-III-Regulation.

    In cases where internal border checks at the German-Austrian border produce a hit in the European fingerprint database #EURODAC revealing that an asylum applicant has already filed an asylum application in Greece, it will be possible under this agreement for Germany to return the persons concerned directly to Greece within 48 hours. This does not apply to unaccompanied minors.

    In line with what was agreed in the margins of the European Council meeting and in compliance with existing legal obligations, Germany is, in return, prepared to speed up processing the backlog of family reunification cases by the end of 2018. In addition, Germany is prepared to review contentious family reunification cases. Both sides confirm their resolve to continue working towards common European solutions and ensure one another of their mutual solidarity and support in case of future migration crises.

    The Federal Minister of the Interior, Building and Community, Horst Seehofer, said: ""The signing of this administrative agreement with Greece is another important step that will help establish orderly conditions in European migration policy. With this agreement, Germany and Greece set a clear signal for the enforcement of existing law which does not give individuals the freedom to choose the EU member state which is to process their asylum application.""

    Greece is the second partner country after Spain with which Germany has concluded an agreement on the refusal of entry at the border.

    https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/EN/2018/agreement_greece.html

    #Allemagne #frontière_sud-alpine #frontières #accord #renvois #expulsions #refoulements #Autriche #refus_d'entrée #empreintes_digitales #frontières_intérieures #Grèce

    • Deal between Greece and Germany „clearly unlawful“

      On 4 May 2021 in a chamber decision the Administrative Court of Munich found the administrative arrangement between Germany and Greece, known as the “Seehofer Deal”, which facilitates the immediate return of asylum applicants from the German border with Austria to Greece, as “clearly unlawful” and in violation of European law. The court ordered to immediately return the concerned applicant from Greece to Germany, who had been deported in August 2020. The person concerned is represented by the lawyer Matthias Lehnert. The proceedings are supported by the Greek Council for Refugees (GCR) and PRO ASYL.

      „The Administrative Court of Munich clearly states: procedural requirements and compliance with human rights cannot be bypassed by fast-track procedures at the border, especially by the Federal Police. The Dublin Regulation cannot be circumvented unilaterally or by an agreement between two Member States,“ emphasizes lawyer Matthias Lehnert. „But that’s what the federal government of Germany has done, and in doing so, it’s been breaking European law with its eyes wide open.“

      The Greek Council for Refugees and PRO ASYL expect the decision to be implemented immediately.

      Background to the case

      The person concerned, a Syrian applicant, had initially applied for asylum in Greece. There he was threatened with deportation to Turkey due to the EU-Turkey deal. He continued his flight to Germany. On 13 August 2020 he was apprehended by the Federal Police at the German-Austrian border and expressed his wish to apply for asylum. Instead of initiating the procedure required under European law within the framework of the Dublin III Regulation at the Federal Office for Migration and Refugees (BAMF), the Federal Police deported the Syrian concerned to Greece in application of the “Seehofer Deal” the following day. In Greece he was notified a rejection decision regarding his asylum application and a return decision to Turkey and was detained for several weeks before GCR was able to obtain his release. Since then he has been living homeless in Athens, threatened with deportation to Turkey.

      The „Seehofer Deal“: refoulement at the German-Austrian border

      The “Seehofer Deal” between Germany and Greece (a similar arrangement also exists with Spain) was concluded in 2018. It provides for the refusal of entry to protection seekers who were previously registered in Greece and who enter Germany via the border with Austria. They are to be detained and deported to Greece within 48 hours. As of June 2020, 39 people were affected by the deal between Greece and Germany (answer to question 42).

      As Prof. Dr. Anna Lübbe already confirmed in her expert opinion in December 2018, the binding Dublin Regulation defines the procedure and criteria for whether and how an asylum seeker can be transferred from one Member State to another – after sufficient examination and with effective access to legal protection. The “Seehofer Deal” ignores this and places itself outside the existing law.

      The deal itself was not even made available to members of the parliaments at first. It only became public thanks to PRO ASYL’s Greek partner organisation, Refugee Support Aegean.

      https://www.proasyl.de/en/pressrelease/deal-between-greece-and-germany-clearly-unlawful

  • Un commentaire de lecteur approfondi sur la guerre en #Ukraine et la destruction du concept d’#Europe par les #États-Unis

    https://lostineu.eu/hoffnung-auf-europa-schwindet-orban-bei-macron-und-die-spur-des-geldes

    Il faut à mon avis rendre hommage aux Etats-Unis. Avec la guerre en Ukraine, qu’ils ont préparée stratégiquement depuis longtemps selon le scénario de Brezinski, ils voulaient à tout prix élargir l’écart entre la Russie et le cœur de l’Europe afin d’écarter toute concurrence imminente. Ils ont aujourd’hui atteint cet objectif de manière si complète et durable que, dorénavant, plus aucune herbe ne pourra pousser entre l’Europe, et en particulier l’#Allemagne, et la #Russie. …

    • der vollständige Kommentar:

      Man muss den USA hier m.E. Respekt zollen. Mit dem Ukrainekrieg, den sie von langer Hand strategisch nach dem Drehbuch von Brezinski vorbereitet haben, wollten sie den Abstand zwischen Russland und Kerneuropa wieder vergrößern, um sich drohende Konkurrenz vom Leibe zu halten. Sie haben diese Ziel Stand heute so umfassend und nachhaltig erreicht, dass bis auf weiteres kein Gras mehr zwischen Europa und insbesondere Deutschland und Russland wachsen kann.

      Um dieses Ergebnis zu erzielen haben die USA bisher nur überschaubare Mittel aufgeboten. Fünf Milliarden Euro zur Bewerkstelligung des Maidan (nach Auskunft von Frau Nuland), ein paar Ladungen abgängiger Waffensysteme ein ein paar zig Milliarden für den Krieg und die Stützung des Staates Ukraine. Ein Teil der Waffenlieferungen der USA dürfte nicht einmal unentgeltlich erfolgt sein, sonst hätte es keiner #Lend&Lease Beschlüsse in den USA bedurft.

      Auf dem weg sind die USA die verhassten #Nordstream Pipelines losgeworden. Nicht nur, dass sie dafür Sündenböcke parat haben. Sie haben sogar bewirkt, dass sich unter den Regierungen Europas nicht eine einzige findet, die die richtigen Fragen stellt und den Willen zur Aufklärung aufbringt.

      Jetzt ziehen sich die USA zum bestmöglichen Zeitpunkt zurück. der Konflikt ist aktuell kaum durch Verhandlungen auflösbar. Russland hat gewonnen und wird die Bedingungen diktieren können. Das Verhältnis Russlands zu Europa ist zerrüttet. Und die richtig großen Geldausgaben stehen erst noch vor der Tür, namentlich der Wiederaufbau und die Alimentierung der Ukraine und die Sicherung einer drastisch vergrößerten und extren gefährlich gewordenen Grenze nach Russland. All dies wird Europa zu bezahlen haben. Zuzüglich der Entgelte für die US-Waffenlieferungen (Lend&Lease).

      Das Glanzstück ist aber, dass die EU ernsthaft die Aufnahme der Ukraine anstrebt, während der #Nato Beitritt schon fast abmoderiert wurde. Dadurch wird es für #Europa unmöglich, sich diesem Fass ohne Boden zu entziehen und der Graben nach Russland wird noch einmal deutlich vertieft. Und die USA können ihr Spiel über die Nato weitertreiben, ohne dafür signifikant geradestehen zu müssen.

      #Putin hat schon verlautbart, dass er sich konstruktive Politik mit den USA womöglich nach dem Krieg noch vorstellen kann, mit Europa bis auf weiteres nicht. Von daher wird es schon wieder Geschäfts der #USA mit #Russland geben, während Europa mit schmutzigen #LNG aus den USA und teurer Energie seine Wettbewerbsfähigkeit verspielt hat und seine Industrie Richtung USA verliert.

      Ich habe in meinem inzwischen nicht ganz kurzen Leben noch niemals gesehen, wie man seinen Karren mit soviel Zielstrebigkeit und Vehemenz strategisch gegen die Wand und gleichzeitig tief in den Morast fahren kann, wie es unsere #EU-Elite flankiert von unserer Bundesregierung gemacht hat.

  • Abzocke, Betrug, Kleinkriminelle : Treffen sich zwei Trottel am Bahnhof
    https://taz.de/Abzocke-Betrug-Kleinkriminelle/!5973709

    J’admire le talent de conteur des petits truands qui inventent des histoires pour améliorer le résultat de leur mendicité. L’horreur me prend quand je pense au sequelles que laissent leurs mensonges et petites trahisons.

    3.12.2023 von Jan-Paul Koopmann -;Kann es Geschichten geben, die zu unglaubwürdig sind, um gelogen zu sein? Unser Autor ist sich da nicht mehr so sicher.

    Schon der Laufschritt ist alarmierend, mit dem der Typ mir über den Parkplatz des Kleinstadtbahnhofs hinterhersprintet. Auch das Grinsen wirkt dubios und seine Geschichte klingt komplett abstrus: Er brauche Geld für ein Bahnticket – ach so, nein, äh, auf meinem Ticket mitfahren wolle er nicht – denn da warte gleich ein Taxidienst am anderen Ende der Stadt, um ihn direkt zu einem wirklich wichtigen Vorstellungsgespräch nach Harburg zu bringen. Und jetzt habe er zu wenig Geld mit und erreiche leider, leider seine Frau nicht.

    Normalerweise versuche ich die Schnorrergeschichten zu überhören. Ist ja schlimm genug, dass die Leute sich diesen Scheiß ausdenken müssen – weil es ja auch mit ihnen was macht, wenn sie damit durchkommen. Persönlich fühle ich mich besser, wenn wer fragt, ob ich ein bisschen Kleingeld für sie oder ihn über hätte. Wie es mir mit dem Elend der anderen geht, ist natürlich nicht der Punkt, aber wir haben in Sachen Betteln alle unsere Strategien – ob wir nun nach Geld fragen oder auf die Frage antworten müssen.

    Hier draußen im Speckgürtel kommt der Übergriff aber unerwartet und lässt mich unerwartet zweifeln. Was wäre, frag ich mich, wenn der Typ, Marke kleinkrimineller Vorstadtgangster, am Ende wirklich hier gestrandet ist? Wer würde dem schon glauben? Mit seiner fahrigen Checkerhaltung und dieser beknackten Geschichte. Und dann sitzt er hier am Arsch der Welt und kriegt den Job nicht wegen 17 Euro irgendwas?

    Okay, der Zug ist schon am Einrollen, ich habe keine Zeit zum Denken und bekanntermaßen ein gutes Herz. In diesem Moment singt mir (ungelogen!) Funny van Dannen so Über-ich-mäßig ins Hirn: „Erst dachte ich: Pass auf, die will dich reinlegen, Alter! / Aber dann sagte ich mir: So dreist kann niemand sein / und obendrein so unverschämt mich für so doof zu halten.“ Ich gebe ihm 20 Euro und er wirkt selbst ein bisschen überrascht.
    Ich bin doch nicht blöd, denke ich

    Er diktiert mir eine Handynummer. Ich solle ihm Bankdaten über Whatsapp schicken und dann – „Ehrenwort“ – überweist er’s zurück. „Klar, dir geb ich noch meine IBAN“, denk ich, „ich bin doch nicht blöd.“

    Die Abwägung ist simpel: 20 Euro für das höchst zweifelhafte Gefühl, jemandem geholfen zu haben, der qua Ganoven-Charisma eigentlich keine Chance auf mein Geld hätte.

    Ich schicke ihm keine IBAN. Aber im Zug google ich die Handynummer und finde sie direkt auf einer „Wer ruft an?“-Plattform mit dem Hinweis, es wäre ein Soundundso dran, der sich für Geldgeschäfte irgendwo treffen wolle: „Vorsicht, Abzocke!“ Die Nummer taucht auch in Inseraten für (vier verschiedene) Gebrauchtwagen auf.

    Lustig ist, dass er sich unter dem Soundso-Namen auch leicht finden lässt: auf Instagram und Facebook, wo er zwischen seinen so tätowierten wie durchtrainierten Brüdern in Boxerpose herumhampelt.

    Einfach aus Scheiß schick ich eine PayPal-Zahlungsaufforderung über 20 Euro an die Handynummer und finde in der automatischen Bestätigungsmail dann auch seinen echten Namen. Der Zug ist noch keine fünf Minuten unterwegs, da habe ich eine Adresse und einen Onlineartikel der Lokalzeitung, in dem er vor ein paar Jahren als Absolvent der Realschule der Nachbarstadt geführt wird.

    „Ach, Junge“, denk ich und stalke noch ein bisschen weiter zwischen überbelichteten Selfies und Fotos von Familienfeiern mit viel Bling-Bling herum. Ganz weit unten im Feed finde ich ihn mit Unschärfefilter und einem fett gesetzten Zitat der Marke „Nachdenkliche Sprüche mit Bild“. Da steht: „Ich bereue keine Fehler so sehr, wie die ganzen guten Taten, die ich für die falschen Menschen getan habe.“

    Und jetzt tut er mir doch ein bisschen leid, denn ich weiß ja ganz genau, was er meint.

    #mendicité #Allemagne

  • Deutsch-israelische Beziehungen : »Seelische Bereinigung« 
    https://www.jungewelt.de/artikel/464628.deutsch-israelische-beziehungen-seelische-bereinigung.html


    Wussten um die braunen Kontinuitäten des westdeutschen Staates. Protest gegen den Bundeskanzler und dessen Staats­sekretär Hans Globke 1966 am Ben-Gurion-Flughafen bei Tel Aviv während Adenauers Staatsbesuch in Israel Michael Maor/picture alliance

    Tout le monde connait Eichmann. Son véritable patron, le commanditaire personnel de la déportation de 20.000 juifs grecs à Auschwitz, était sécretaire d’état à Bonn et éminence grise derrière Adenauer et n’a jamais été poursuivi pour ses crimes.

    Hans Globke a tout arrangé pour empêcher Eichmann de témoigner sur sa relation avec lui. Dans les protocoles du procès contre Eichmann son nom n’existe pas. L’état juif a sciemment collaboré avec ce bourreau pour des raisons pragmatiques. Globke et Adenauer payaient des millions à l’Israël et faisaient désormais partie du même racket anticommuniste comme la jeune nation juive.

    Ils avaient besoin l’un de l’autre, les allemands pour obscurcir la responsabilité des nouveaux maîtres à Bonn et le petit Israel pour renflouer ses caisses. Cette histoire d’amour inconditionnel cintinue jusqu’aujourd’hui. L’actuel gouvernement d’extrême droite à Tel Aviv cultive un état d’esprit assez proche de celui des nazi co-fondateurs de l’état ouest-allemand.

    5.12.2023 von Stefan Siegert - In einem alten Schwarzweißfilm kommt ein Mann auf die Kamera zu. Ein grauer Wintertag in den 1960er Jahren. Der Mann, geschätzt Anfang sechzig, geht nah am Kameraauge vorbei. Im Schatten der Krempe eines honorigen Filzhuts eine randlose Brille, im Ausschnitt eines grauen Wollmantels ein dunkler Kaschmirschal. Aus der Nähe wirkt es, als bemerke er niemanden außer sich selbst, das täuscht. Aktentasche links, geht er die Straße hinab. Sein Gang wie alles an ihm: nicht steif, aber kontrolliert, unerschütterlich korrekt, durch und durch ein Beamter. Er geht auf ein Gerichtsgebäude zu, schlüpft durch eine Hintertür hinein. Bis ganz zuletzt hat es dieser Mann geschafft, bei Gericht immer nur als Zeuge aufzutreten.

    »Ein Mann mit Vergangenheit«, hat ein Kenner in Hans Maria Globkes Zeit über ihn gesagt. Als der Publizist Reinhard M. Strecker die bis dahin bekanntgewordenen Bruchstücke der Vergangenheit Hans Globkes aufdeckte – der Deutschlandfunk stellte zuletzt noch 2021 fest, die Akten zum Fall Globke seien »bis heute nicht zugänglich« – und als dessen Buch über einige Dinge im Leben Hans Globkes 1961 schließlich herauskam, prozessierte Globke dagegen. Der Prozess endete mit einem Vergleich, das gerichtlich leicht beanstandete Buch überlebte seine erste Auflage nicht.

    Mann mit Vergangenheit

    Globke war ein mächtiger Mann. Als Chef des Bundeskanzleramts ab 1953 war er der höchste Beamte, er war der personalpolitische und geheimdienstliche Strippenzieher im Staate BRD. In allen westdeutschen Berichten über ihn steht zu lesen, Bundeskanzler Konrad Adenauer habe Globkes Können benutzt und zugleich den perfekten Verwaltungsjuristen und in Machtausübung erfahrenen politischen Berater wegen dessen Vergangnenheit stets in der Hand gehabt. Bei dieser Ansicht wird darüber hinweggesehen, dass es in den Hierarchiespitzen des kapitalistisch-liberalen Demokratietyps wenige, in der Öffentlichkeit weitgehend unsichtbare, außerhalb demokratischer Prozesse stehende Machthaber gab und gibt, welche die jeweiligen Bundeskanzler wenn nicht in der, so doch gut an der Hand haben: die CEOs der großen deutsch-internationalen Energie-, Chemie-, Technologie- und Finanzkonzerne. Sie führten Globke schon auf den Listen ihrer »Freundeskreise«, als es noch der Vorgänger von Konrad Adenauer im deutschen Kanzleramt war, der sich bis 1945 Globkes zweifellos überragender Fähigkeiten bediente. Irgendwo hat jemand diese Fähigkeiten klug auf den Punkt gebracht: »Hans Maria Globke konnte erbarmungslos schweigen.«

    Dieser Staat BRD, der es für geboten hält, die Sicherheit des Staates Israel zur bundesdeutschen »Staatsraison« zu erklären, weiß sich dem Staatsbeamten Globke gegenüber so dankbar, dass dessen Porträt bis heute im Bundeskanzleramt hängt. Ohne dass es viele wissen, ist allerdings seit langem bekannt und gut belegt: Hans Globke, 1898 als Sohn eines wohlhabenden Tuchhändlers in Düsseldorf geboren, hat bereits ab 1929 in seiner Eigenschaft als Regierungsrat im preußischen Innenministerium sein ganz besonderes Verhältnis zu den Juden Wirklichkeit werden lassen. So entstand im Oktober 1932 unter Globkes Federführung die »Verordnung über die Zuständigkeit zur Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 21. November 1932«, die erste verwaltungstechnische Maßnahme zur gesonderten Erfassung aller deutschen Juden. 1937 sorgte der nunmehrige Ministerialrat Globke ganz oben im Reichsinnenministerium unter Wilhelm Frick – der am 16. Oktober 1946 in Nürnberg gehängt wurde – per Verordnung dafür, dass deutschen Juden, damit sie nicht mehr entwischen konnten, ein »J« in ihre Pässe eingeprägt wurde. Damit deutsche Menschen, denen ein »J« aufgeprägt war, nicht länger deutsche Namen beschmutzten, ersann im Herbst 1938 Hans Globke die Regelung, in ihre Pässe einen zweiten Vornamen eintragen zu lassen: Alle jüdischen Wilhelme oder Friedrichs des Deutschen Reichs hießen künftig »Wilhelm Israel« oder »Friedrich Israel«, alle deutschen Elfrieden oder Augustes jüdischer Abstammung hießen künftig »Elfriede Sara« oder »Auguste Sara«.

    Bereits 1936 hatte Globke die Nürnberger Rassengesetze der deutschen Reichsregierung dahingehend zur praktischen Anwendung empfohlen, dass es künftig für Deutschlands Volksgenossen galt, sich »im Blut rein« zu erhalten. Die kurze, aber heftige juristische Karriere des Straftatbestands »Rassenschande« geht auf Hans Globke zurück. Den Beteiligten war schon 1938 klar, dass solche Maßnahmen einer bewussten Vorbereitung der physischen Vernichtung der deutschen Juden dienten, nicht nur der deutschen Juden. Um die Umsetzung dieses Ziels machte sich Globke tatkräftig auch in den während des Krieges von der Naziwehrmacht besetzten Ländern verdient. Aus seit 1961 öffentlich zugänglichen CIA-Unterlagen geht hervor, dass Globke »möglicherweise« auch für die Deportation von 20.000 Juden aus Nordgriechenland in deutsche Vernichtungslager im besetzten Polen verantwortlich war. So hatte es Max Merten ohne Benutzung des Wörtchens »möglicherweise« zu Protokoll gegeben, der Verwaltungsoffizier der in Griechenland ihr Unwesen treibenden Heeresgruppe E. Daraufhin hatte der hessische Oberstaatsanwalt Fritz Bauer ein Ermittlungsverfahren gegen Globke eröffnet. Es wurde im Mai 1961 auf Intervention Adenauers an die Staatsanwaltschaft Bonn abgegeben, dort stellte man die Sache »mangels hinreichenden Tatverdachts« ein.
    Streng katholisch

    Um Hans Globkes sich geradezu sadistisch austobende Judophobie nachvollziehen zu können, gilt es, neben der über die ganze Welt verteilten religiösen und kulturellen Ethnie der Juden eine andere Religion ins Auge zu fassen, den römischen Katholizismus. Der Zweitname Globkes, Maria, deutet es an: Globke war nach Erziehung und Selbstverständnis das, was man verharmlosend »streng katholisch« nennt. Das lässt sich in dem, was er getan hat, bis in die Leibfeindlichkeit des Begriffs »Rassenschande« zurückverfolgen. Es war der CDU, deren Geld, darunter die üppigen Parteispenden aus der Industrie, Globke treulich verwaltete, es war derselben Partei, deren Geschicke er – eine Art früher CDU-Generalsekretär – aus dem Hintergrund lenkte und deren Werte er für die Zukunft prägte, es war der gesamten Rechten bis heute wichtig zu betonen, Hans Globke sei »kein Nazi« gewesen.

    Ein interessanter Gedanke. Globke war von 1922 bis zu deren Auflösung 1933 Mitglied der katholischen Zentrumspartei, einer ihrer führenden Repräsentanten war der Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer. Diese Partei stand in engstem Kontakt mit dem 1939 als Pius XII. zum Papst aufgestiegenen ehemaligen vatikanischen Nuntius im Deutschen Reich, Eugenio Pacelli. Ein toxischer Kommunistenfeind, seit er 1917 von Revolutionären der bayerischen Räterepublik mit dem Revolver bedroht worden war (Globke hatte noch in den Adenauer-Jahren Pacellis »Rundschreiben über den atheistischen Kommunismus« auf dem Nachttisch). Berliner Statthalter dieses Papstes war zu Nazizeiten der Bischof Graf von Preysing, ein antikommunistischer Gegner Hitlers. Globkes Mitwirkung am »Widerstand«, auf die er sich nach dem Krieg herausredete, bezog sich vermutlich auf diesen Bischof und sein Umfeld. Preysing unterhielt 1944 auch Kontakte zu bürgerlich-aristokratischen Hitler-Gegnern: Globke unterrichtete also aus dem Innenministerium den Bischof von Preysing und über diesen den Papst über die Absichten der Nazis. Die Nazis nahmen dafür 1943 Globke auf seinen Antrag hin nicht in ihre Partei auf, mehr an »Widerstand« war nicht.

    Nazis oder Katholiken – für die Juden kam es aufs selbe heraus. Hans Globke konnte als faktischer Doppelagent gegen Ende des Krieges nicht mehr falschliegen. Egal, ob er faschistisch oder katholisch funktionierte: Er war auf der Seite derer, welche aus sehr unterschiedlichen Gründen die Kommunisten und die Juden hassten und beide ausrotten wollten. Die Nazis haben, wie von ihrem Führer in seinem Zwangsbestseller versprochen, das Ausrotten im 20. Jahrhundert wahrgemacht. Das Papsttum in Rom brauchte für ähnlich erschreckende Dimensionen knapp zweitausend Jahre. Das Christentum, Eugen Drewermann hat es faktenreich erzählt, ist Erfinder des Antijudaismus, viele seiner katholischen Anhänger waren für Jahrhunderte seine mörderischen Praktiker. Aber: Hat der Vatikan deswegen – wozu er mindestens so schlechte Gründe hatte wie die Bundesregierungen seit Angela Merkel – die Sicherheit Israels zu seiner Staatsraison erklärt? Und würde sich die römische Kurie endlich entschließen, sich für ihren Völkermord an den Juden unmissverständlich zu entschuldigen, sie müsste sich nicht nur an die Juden im Staat Israel wenden: Sie hätte bei der um vieles größeren, bis heute über den Erdball verstreuten und immer wieder verfolgten jüdischen Diaspora sehr ernsthaft und sehr lange um Vergebung zu bitten.
    Gehlens Mithilfe

    Spätestens an dieser Stelle müssen die Vereinigten Staaten ins Bild. Von der CIA war im Zusammenhang der Information über Globkes Mitwirkung an der Vernichtung von 20.000 nordgriechischen Juden bereits die Rede. Der sehr spezielle US-Geheimdienst trat im Fall Globke erstmals 1945 in Aktion. Der damalige CIA-Chef, Allen Dulles, saß schon im Winter 1944/45 an den Telefonen, Funkgeräten und Fernschreibern seines damaligen Hauptquartiers in Bern. Er muss gute Beziehungen zu den reichsdeutschen Eliten gehabt haben, er hatte den Überblick. Monate vor Ende des Krieges war er damit beschäftigt, die richtigen Leute für die künftig freiheitlich-demokratische Grundordnung Deutschlands zu rekrutieren.

    Als Volltreffer neben Hans Globke (CIA-Deckname »Causa«) erwies sich dabei Reinhard Gehlen (CIA-Deckname »Utility«), Hitlers Kommunistenjäger Nummer eins; Gehlen war als Chef der Abteilung »Fremde Heere Ost« Spezialist für die Ausrottung sowjetischer Kommunisten. Für die CIA baute General Gehlen nach Kriegsende einen deutschen Geheimdienst auf, die »Organisation Gehlen«. Globke integrierte sie 1949 als »Bundesnachrichtendienst« in den tiefen Staat Adenauers. Gehlen bedankte sich mit Gefälligkeiten wie der kostenlosen Bespitzelung von CDU-Konkurrenten; er jagte wie gewohnt die auch in den drei Westzonen immer noch regen Kommunisten.

    Maigalerie junge Welt, 7. Dezember 2023

    Wer im Internet den kurzen »Wochenschau«-Ausschnitt vom ersten Besuch Adenauers 1951 bei Pius XII. in Rom gesehen hat, wird für immer wissen: Auch dieser Katholik schwamm zuverlässig im Kielwasser der Spitze seiner Glaubensrichtung. Nie ward ein Achtzigjähriger gesichtet, der im Frack derart katzenartig leicht den Kratzfuß vollführte, bevor er seinem gleichaltrigen Heiligen Vater Lippe auf Knochen die Hand küsste. Die so besondere Beziehung der BRD zum nach dem Krieg entstandenen Staat Israel gehört wie die Aussöhnung mit Frankreich und die Festlegung Westdeutschlands auf die NATO zu den Grundpfeilern Adenauerscher Außenpolitik, der vatikanische Grundpfeiler bleibt ausgeblendet.

    Wie außerordentlich – mehr »fragwürdig« als »besonders« – die Beziehungen der Bundesrepublik zum Staat Israel sind, wird mit der Wahrnehmung deutlich, dass es bei wichtigen Entscheidungen wie dem Wiedergutmachungsabkommen mit Israel ausgerechnet der Staatssekretär Globke war, bei dem der Bundeskanzler, so Wikipedia, »auf gemeinsamen Spaziergängen im Garten des Kanzleramtes seinen Rat« einholte. Der Judenhasser Globke hat dieses Abkommen gehorsam und gewissenhaft maßgeblich mitgestaltet. Es diente laut Adenauers Bekundungen vor dem Bundestag in unnachahmlichem Deutsch der »seelischen Bereinigung unendlichen Leides«. Israel waren die vereinbarten bundesdeutschen 3,5 Milliarden US-Dollar hilfreich, sie waren abrufbar als Dienstleistungen und Warenlieferungen, heimliche Waffengroßlieferungen inklusive. Zu den »Dienstleistungen« gehörte des Generals Gehlen kompetente Mithilfe beim von der CIA verantworteten Aufbau der Keimzelle aller israelischen Geheimdienste, des Mossad. Neben den geopolitischen Nahostvorstellungen der Vereinigten Staaten war es vor allem die prekäre Finanzlage des jungen Staates Israel, die es der Regierung Ben Gurion 1950 geraten erscheinen ließ, mit den Deutschen zu reden. Die antideutschen Proteste in der jüdischen Bevölkerung Israels waren daraufhin gewaltig, das waren, in proarabischer Argumentation, auch die Proteste der westdeutschen Rechten, allen voran der sehr junge Bundestagsabgeordnete Franz-Josef Strauß.

    Da legten zwei so fundamentalistische Judenfeinde wie Reinhard Gehlen und Hans Globke für den Staat Israel ihren Antisemitismus beiseite. Es war Kalter Krieg. Die Karten wurden neu gemischt. Die Juden als Weltfeind waren out. Das Abendland sollte hinfort nur noch vor den Kommunisten gerettet werden.

    Als nötig erwies sich die Eingliederung der Schoah ins neue Weltbild: Der Adenauer-Staat musste moralisch und – ein für alle Mal! – auch materiell entschuldet, die »seelische Bereinigung unendlichen Leides« musste ins Werk gesetzt werden – aber bitte, ohne dabei den Pelz nass zu machen. Vielleicht war es der kühle Kopf Hans Globkes, dem die Idee entsprang: Man entledigte »Auschwitz« seines komplexen historischen Hintergrunds und machte die Schoah zum isoliert-monolithischen Mythos der Schuld. Dem entgegen kam die bedingungslose Unterstützung leider nicht aller Juden in der Welt, sondern nur die Unterstützung aller israelischen Regierungen bis heute. So könnte es gewesen sein, so könnten die israelischen Regierungen viel später zur »deutschen Staatsräson Israel« gekommen sein. Das hatten sich Globke und die Seinen so gedacht – noch ohne »Staatsräson« freilich, die machte erst Angela Merkel 2008 in einer Rede vor der Knesset erstmals öffentlich¹.
    Unvollständige Aufklärung

    Dann aber kam das Jahr 1960. Da saß seit dem 23. Mai ein gewisser Adolf Eichmann in israelischem Gewahrsam, es erwies sich: Der so sorgsam trockengewaschene Pelz drohte als die ganze Zeit triefend nass erkannt zu werden, es ließ sich nicht leugnen – man musste mit den Israelis über Hans Globke sprechen. Denn es bestand seitens der Bundesregierung die dringende Befürchtung, es könnte vor der versammelten internationalen Öffentlichkeit Globkes Verhältnis zu dem bald in Jerusalem vor Gericht stehenden Organisator des ersten industriellen Genozids der Weltgeschichte zur Sprache kommen.

    Ben Gurion hätte – wäre es öffentlich geworden – heftige Auseinandersetzungen im eigenen Land und in der Diaspora riskiert, hätte er sich auf Adenauers Drängen eingelassen, den Namen Globke im Prozessverlauf nicht in Erscheinung treten zu lassen. Auf welche Weise die Herren einig wurden, wird man, wenn alles gutgeht, in vielleicht 50 Jahren wissen, wenn die vollständigen Akten vorliegen. Fest steht: Der Name Globke fiel zwischen dem 11. April und dem 15. Dezember 1961 während des ganzen Jerusalemer Prozesses gegen Adolf Eichmann nicht ein einziges Mal in Erscheinung (Allen Dulles, so ist aus den Akten der CIA zu erfahren, habe zur selben Zeit persönlich die Erwähnung Globkes in einem Artikel des US-Magazins Life verhindert).

    Es ist, als werde in diesem Moment, wie in einem Brennglas, der Geburtsfehler des US-amerikanisch-deutsch formatierten deutsch-israelisch praktizierten Verhältnisses sichtbar. Die israelische Regierung muss einfach gewusst haben, mit wem sie da in einer besonderen Beziehung stand. Sie kann sich keine Illusionen gemacht haben über den geistigen Leviathan der Judenvernichtung mit Namen Hans Globke, dessen Existenz sie 1961 in Jerusalem vor der Weltöffentlichkeit verbarg. Wie konnten sich Juden nach all dem mit solchen Leuten einlassen?

    Man stelle sich vor: Der Staat Israel hätte 1961 aus Anlass des Eichmann-Prozesses vor den in Jerusalem versammelten Medien der Welt die vollständige Geschichte der Schoah erzählt. Man träume, er hätte den geschichtlichen Hintergrund und Zusammenhang der Vernichtungslager enthüllt, es hätte dem Gründungsmythos des Staates Israel entsprochen. So aber die Bilanz: das Grauen – enthüllt. Die den Juden (vom Verbrecherstaat Deutsches Reich) auferlegte, für die Nachlebenden unvorstellbare Marter mit ihrem millionenfachen Ende im Gas – enthüllt. Nicht enthüllt: das Netzwerk hinter Auschwitz, welches Globke verkörperte.

    Die DDR hat diese Enthüllung ab Juni 1963 in einem aufwendigen Prozess in Leipzig² vorgenommen. Dessen zeitgeschichtliches Substrat und seine im Kern sachliche, akribisch belegte Richtigkeit ignorierte der Westen mit den üblichen Schubladenfloskeln von wegen »Halbwahrheiten« und »Propanda-Show«: Das Netzwerk der Globkes und Gehlens und ihrer, dem erwähnten demokratieenthobenen Milieu entstammenden Weisungsbefugten sollte unsichtbar bleiben. Es sollte die Vorbereiter und Profiteure, die Finanziers von Auschwitz und Nazis nie gegeben haben. Nur den letzten Mosaikstein ihrer Beweiskette mussten die DDR-Juristen schuldig bleiben: einen direkten Beleg für die persönliche Kooperation von Adolf Eichmann und Hans Globke. Es gab eine erdrückende Fülle eindeutiger Indizien. Nur noch das Dokument, auf dem Eichmann den Namen des Bonner Staatssekretärs direkt erwähnte, fehlte.

    An dieser Stelle kommt Reinhard Streckers Buch über Globke erneut ins Spiel. Eichmanns Verteidiger brachte seinem Mandanten ein frischgedrucktes Exemplar in die Zelle nach Jerusalem mit. Eichmann las es, er machte sich auf vierzig engbeschriebenen Seiten Notizen. Von diesen Notizen wusste man, ihre Existenz war belegt. Seit 2006 sind sie wieder da. Sie fielen in den Tiefen des Koblenzer Bundesarchivs zufällig zwei Historikern in die Hände. Man hatte in den Bundesarchiven, wo sie hingehören, schon gar nicht mehr nach ihnen gesucht, so verschwunden waren sie; das Gros der Globke-Akten liegt ohnehin wohlverwahrt und unerreichbar in den unergründlichen Ablagen der Konrad-Adenauer-Stiftung. Im Internet sind Eichmanns Notizen in der Arte-Doku »Globke – ein Nazi in der BRD« zu sehen.³ Wer 2023 danach im Internet recherchiert, wird sich wundern, sie wirken abermals recht verschwunden.

    Mit ihnen aber hat die Welt die neben und über Eichmann welthistorische Rolle Hans Globkes nun schwarz auf weiß. Eichmann betont auf 40 Seiten mehrfach seine »Befehlsabhängigkeit« von den Verordnungen des Innenministeriums, er fordert die Vorladung Globkes, der das alles als der Verantwortliche zu seiner, Eichmanns, Entlastung bestätigen könne. »Die Deportationsdienststellen«, kritzelte Eichmann auf den Block, »brauchten in die Kommentare (zu den Nürnberger Gesetzen, St. S.) ja nur Einblick zu nehmen, um zu wissen, ob die Person zu dem vom Innenministerium festgestellten Personenkreis gehörte oder nicht«. Globke, das ist seitdem gesichert, war der Herr über Leben und Tod der Juden. Eichmanns Schlussfolgerung über seinen ehemaligen unmittelbaren Vorgesetzten trifft ins Braune: »Hier Staatssekretär einer Regierung – da zum Tode verurteilt!« Erst kommt das Fressen, dann die Doppelmoral.

    Die Juden, bliebe zusammenzufassen, sind nicht das Problem. Nicht etwa die jüdischen Staatsbürger Israels oder die vielen Millionen jüdischen Opfer in der Diaspora. Ihr Martyrium, ihre Aschegräber werden schändlich missbraucht von einer Regierungspolitik Israels, die, neben allem anderen, worüber zu reden wäre, in einem historisch entscheidenden Moment die Aufklärung verweigert hat über die Vorgeschichte und das historische Umfeld der ­Schoah. Aufklärung nicht, um mit irgend etwas recht zu behalten, Aufklärung, damit sich die Schoah nicht irgendwann irgendwo auf der Welt wiederholt. Die Schuldigkeit der damaligen israelischen Regierung gegenüber dem bald zweitausend Jahre weltweit befeindeten Volk der Juden wäre Aufklärung gewesen über die vollständige Geschichte der Schoah. Sie hat sich statt dessen für ein Bündnis mit der Welt der Globkes entschieden.

    Die aggressiv expansive Regierungspolitik Israels auf der einen – das zum Himmel schreiende Schicksal der Juden auf der anderen. Beides wird derzeit im Westen fälschlich gleichgesetzt.

    Anmerkungen

    1 Die »Sicherheit Israels« war im April 2004 erstmals in einem Essay des damaligen deutschen Botschafters in Israel als bundesdeutsche »Staatsräson« bezeichnet worden, sein Name: Rudolf Dreßler, bis heute verschweigt dieser uns als linker Sozialpolitiker in guter Erinnerung gebliebene SPD-Politiker, was ihn dazu bewog. Der Begriff selbst wurde von Niccolò Machiavelli geprägt, der Chefideologe absolutistischen Machthabens, ein demokratischen Denkens extrem unverdächtiger Mensch.

    2 Auf der Seite des MDR befindet sich ein Beitrag mit Originaltönen vom Globke-Prozess der DDR: Der Fall Globke – Adenauer und die Nazis. www.mdr.de/geschichte/ns-zeit/zweiter-weltkrieg/nachkriegszeit/hans-maria-globke-staatssekretaer-adenauer-100.html

    3 www.youtube.com/watch?v=AuEIpcMASic

    #Allemagne #Israël #histoire #shoa #gaza

  • L’augmentation du #chiffre_d’affaires issu des ventes d’#armes du Top 100 du #SIPRI impactée par des défis de production et des carnets de commandes remplis

    Le chiffre d’affaires issu des #ventes_d’armes et de services à caractère militaire par les 100 plus grandes entreprises d’#armement s’élève à 597 milliards de dollars en 2022, soit 3,5 % de moins qu’en 2021 en termes réels, alors même que la demande a fortement augmenté. C’est ce que révèlent les nouvelles données publiées aujourd’hui par le Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI).

    Cette diminution s’explique principalement par la baisse du chiffre d’affaires issu des ventes d’armes des plus grandes entreprises américaines. Le chiffre d’affaires a augmenté de manière significative en Asie, Océanie et au Moyen-Orient. Les commandes en cours et la multiplication de nouveaux contrats laissent présager que le chiffre d’affaires mondial issu des ventes d’armes pourrait augmenter de manière significative au cours des prochaines années.

    La demande en armement augmente mais la #production reste à la traîne

    L’invasion à grande échelle de l’Ukraine par la Russie et les tensions géopolitiques dans le monde ont provoqué une forte augmentation de la demande d’armes et d’équipements militaires en 2022. Cependant, malgré de nouvelles commandes, de nombreuses entreprises d’armement américaines et européennes n’ont pas pu augmenter de manière significative leur capacité de production en raison de difficultés de recrutement, de flambée des coûts et de perturbations dans les chaînes d’approvisionnement exacerbées par la #guerre_en_Ukraine. En outre, les pays ont passé de nouvelles commandes en fin d’année et en raison du décalage entre les commandes et la production, l’augmentation de la demande ne s’est pas reflétée dans le chiffre d’affaires de ces entreprises en 2022.

    « De nombreuses entreprises d’armement ont été confrontées à des obstacles pour adapter leur production en vue d’une guerre de haute intensité », souligne Dr Lucie Béraud-Sudreau, directrice du programme Dépenses militaires et Production d’armes du SIPRI. « Toutefois, de nouveaux contrats ont été signés notamment pour des #munitions, ce qui devrait se traduire par une hausse du chiffre d’affaires en 2023 et au-delà. » Contrairement aux plus grands fournisseurs américains et européens, les entreprises d’Asie, d’Océanie et du Moyen-Orient ont vu leur chiffre d’affaires issu des ventes d’armes augmenter de manière significative en 2022, démontrant ainsi leur capacité à répondre à une demande accrue dans des délais plus courts. Cela est particulièrement vrai dans les pays où les entreprises disposent de capacités de fabrication réactives et compétitives, comme #Israël et la #Corée_du_Sud, et dans ceux où les entreprises ont tendance à s’appuyer sur des chaînes d’approvisionnement courtes.

    Aux États-Unis, le chiffre d’affaires issu des ventes d’armes chute en raison de problèmes de production

    Le chiffre d’affaires issu des ventes d’armes des 42 entreprises américaines du Top 100 a chuté de 7,9 % pour atteindre 302 milliards de dollars en 2022. Il représente 51 % du chiffre d’affaires total issu des ventes d’armes du Top 100. Sur les 42 entreprises américaines, 32 ont enregistré une baisse de leur chiffre d’affaires sur un an, citant le plus souvent des problèmes persistants dans la chaîne d’approvisionnement et des pénuries de main-d’œuvre résultant de la pandémie de Covid-19.

    « On constate un afflux de nouvelles commandes liées à la guerre en Ukraine et certaines grandes entreprises américaines, dont #Lockheed_Martin et #Raytheon_Technologies, ont reçu de nouvelles commandes en conséquence », précise Dr Nan Tian, chercheur principal au SIPRI. « Cependant, en raison des carnets de commandes déjà existants de ces entreprises et des difficultés à augmenter leur capacité de production, les revenus générés par ces nouvelles commandes ne se refléteront dans les comptes de l’entreprise probablement que d’ici deux à trois ans. »

    L’#Asie surpasse l’#Europe tirée par un phénomène de #modernisation_militaire

    Le chiffre d’affaire issu des ventes d’armes des 22 entreprises d’Asie et d’Océanie répertoriées dans le classement a augmenté de 3,1 % pour atteindre 134 milliards de dollars en 2022. Il s’agit de la deuxième année consécutive où le chiffre d’affaires issu des ventes d’armes des entreprises du Top 100 situées en Asie et en Océanie est supérieur à celui des entreprises situées en Europe.

    « La demande intérieure et l’appui sur des fournisseurs locaux ont protégé les entreprises d’armement asiatiques des perturbations dans la chaîne d’approvisionnement en 2022 », explique Xiao Liang, chercheur au programme Dépenses militaires et Production d’armes du SIPRI. « Les entreprises en #Chine, en #Inde, au #Japon et à Taïwan ont toutes bénéficié d’investissements gouvernementaux soutenus dans le cadre des programmes de modernisation militaire. »

    Le #chiffre_d’affaires combiné des quatre entreprises sud-coréennes du Top 100 a chuté de 0,9 %, principalement en raison d’une baisse de 8,5 % enregistrée par le plus grand producteur d’armes du pays, #Hanwha_Aerospace. Deux entreprises sud-coréennes ont enregistré une augmentation de leur chiffre d’affaires, notamment #LIG_Nex1. Les entreprises sud-coréennes devraient connaître un accroissement de leur chiffre d’affaires dans les années à venir en raison d’une augmentation des commandes enregistrées après la signature d’importants contrats d’armement avec la Pologne et les Émirats arabes unis.

    Augmentation modeste du chiffre d’affaires en Europe alors que la demande liée à l’Ukraine commence à affluer

    Le chiffre d’affaires issu des ventes d’armes des 26 entreprises du Top 100 basées en Europe a augmenté de 0,9 % pour atteindre 121 milliards de dollars en 2022.

    « La guerre en Ukraine a entraîné une demande de matériel adapté à une guerre d’usure, comme les munitions et les véhicules blindés. De nombreux producteurs européens ont vu leur chiffre d’affaires augmenter », souligne Lorenzo Scarazzato, chercheur au programme Dépenses militaires et Production d’armes du SIPRI. « Il s’agit notamment d’entreprises basées en #Allemagne, en #Norvège et en #Pologne. Par exemple, la société polonaise #PGZ a augmenté son chiffre d’affaires de 14 %, bénéficiant du programme accéléré de modernisation militaire que le pays poursuit. »

    Les sociétés transeuropéennes #Airbus et #KNDS comptent parmi les principales sources d’augmentation du chiffre d’affaires issu des ventes d’armes en Europe, en grande partie grâce aux livraisons effectuées sur des commandes de longue date.

    Les entreprises turques mènent une augmentation significative du chiffre d’affaires issu des ventes d’armes au Moyen-Orient

    Le Moyen-Orient a connu la plus forte augmentation en pourcentage du chiffre d’affaires issu des ventes d’armes de toutes les régions en 2022. Les sept entreprises basées au Moyen-Orient figurant dans le Top 100 ont enregistré une augmentation substantielle. Leur chiffre d’affaires combiné de 17,9 milliards de dollars représente une augmentation de 11 % sur un an. Le chiffre d’affaires combiné des quatre entreprises turques a atteint 5,5 milliards de dollars, soit 22 % de plus qu’en 2021. Le chiffre d’affaires combiné des trois entreprises israéliennes du Top 100 a atteint 12,4 milliards de dollars en 2022, soit une augmentation de 6,5 % par rapport à 2021.

    « Les entreprises du Moyen-Orient spécialisées dans des produits moins sophistiqués sur le plan technologique ont pu augmenter leur production plus rapidement afin de répondre à l’augmentation de la demande », précise Dr Diego Lopes da Silva, chercheur principal au SIPRI. « L’exemple le plus frappant est celui de #Baykar, en Turquie, producteur du #drone #Bayraktar_TB-2. Baykar est entré dans le Top 100 pour la première fois en raison de l’augmentation de son chiffre d’affaires issu des ventes d’armes de 94 %, soit le taux d’augmentation le plus rapide de toutes les entreprises du classement. »

    Autres développements notables

    - En 2022, la Chine représente la deuxième plus grande part du chiffre d’affaires par pays du Top 100, soit 18 %. Le chiffre d’affaires issu des ventes d’armes combiné des huit entreprises d’armement chinoises du Top 100 a augmenté de 2,7 % pour atteindre 108 milliards de dollars.
    - Le chiffre d’affaires issus des ventes d’armes des sept entreprises britanniques dans le Top 100 ont augmenté de 2,6 % pour atteindre 41,8 milliards de dollars, soit 7,0 % du total.
    - En raison du manque de données, seules deux entreprises russes ont été incluses dans le Top 100 pour 2022. Leur chiffre d’affaires combiné a chuté de 12 %, à 20,8 milliards de dollars. La transparence des entreprises russes continue de régresser. Bien qu’il s’agisse d’une holding, sans capacité de production directe, #Rostec est incluse dans le Top 100 de 2022 en tant que mandataire des entreprises qu’elle contrôle.
    - La seule entreprise ukrainienne figurant dans le Top 100, #UkrOboronProm, a vu son chiffre d’affaires issu des ventes d’armes chuter de 10 % en termes réels, à 1,3 milliard de dollars. Bien que son chiffre d’affaires ait augmenté en termes nominaux, cela a été compensé par la forte inflation du pays.

    À l’attention des rédacteurs

    À propos de la base de données du SIPRI sur l’industrie de l’armement

    La base de données du SIPRI sur l’industrie de l’armement a été créée en 1989. À cette époque, elle excluait les données des entreprises installées en Chine, en Union soviétique et en Europe de l’Est. La version actuelle contient des données pour 2002-2022, y compris des données sur les entreprises russes. Les entreprises chinoises sont incluses à partir de 2015.
    Le « chiffre d’affaires issu des ventes d’armes » fait référence au chiffre d’affaires généré par la vente de biens et de services à caractère militaire à des clients militaires nationaux et étrangers. Sauf indication contraire, tous les changements sont exprimés en termes réels et tous les chiffres sont donnés en dollars américains constants de 2022. Les comparaisons entre 2021 et 2022 sont basées sur la liste des entreprises du classement 2022 (c’est-à-dire que la comparaison annuelle s’effectue entre le même ensemble d’entreprises). Les comparaisons à plus long terme sont basées sur des ensembles d’entreprises listées au cours de l’année respective (c’est-à-dire que la comparaison porte sur des listes différentes d’entreprises).

    La base de données du SIPRI sur l’industrie de l’armement, qui présente un ensemble de données plus détaillées pour les années 2002 à 2022, est disponible sur le site Web du SIPRI : https://www.sipri.org/databases/armsindustry

    https://www.obsarm.info/spip.php?article631

    #industrie_de_l'armement #rapport #chiffres #statistiques #USA #Etats-Unis #business #Turquie

    voir aussi :
    https://seenthis.net/messages/1029978

  • Border justice

    Instead of forging safe, legal pathways to protection, European states and the EU are fostering strategies of deterrence, exclusion and externalization. Most people on the move are left with no alternative but to cross borders irregularly. When they do, state actors routinely detain, beat and expel them – mostly in secret, with no assessment of their situation, and denying them access to legal safeguards.

    These multiple human rights violations are all part of the pushback experience. Often reliant on racial profiling, pushbacks have become a normalized practice at European borders. ECCHR challenges this state of rightlessness through legal interventions and supports affected people to document and tell their stories. Together we hold states accountable and push for changes in border practice and policies.

    Our team brings together a diverse group of lawyers and interdisciplinary researchers, working transnationally with partners to develop legal strategies and tackle rights violations at borders. We meticulously reconstruct and verify the experiences of those subjected to pushbacks. Confronted with states’ denial of the reality at Europe’s borders, we collect, analyze and publicise in-depth knowledge. Our aim is to enforce the most basic of legal principles: the right to have rights.

    https://www.ecchr.eu/en/border-justice

    #frontières #justice #refoulements #push-backs #violence #migrations #réfugiés #asile #justice_frontalière #justice_migratoire #Espagne #rapport #Ceuta #Grèce #Macédoine_du_Nord #Libye #Italie #hotspots #Allemagne #Croatie #Slovénie #frontière_sud-alpine #droit_d'asile #ECCHR

  • Segelvereinswiki
    https://segelvereinswiki.de


    Tout ce tu dois savoir si tu veux fonder ton club de voile en Allemagne

    Liebe Segelfreundin, lieber Segelfreund,

    beinahe 1300 Segelvereine aus allen 16 Bundesländern sind Mitglied in einem Landes Segler-Verband und damit dem Deutschen Segler-Verband. Neben aller Individualität der einzelnen Clubs, sind sich alle Vereine und ihre Mitglieder in zwei Dingen einig: zunächst einmal in ihrer uneingeschränkten Leidenschaft für das Segeln in all seinen Facetten. Daraus ergibt sich das zweite, stark bindende Element – das ehrenamtliche Engagement, auf allen Ebenen in allen Vereinen. Egal, ob Fahrten- oder Leistungssegeln, Windsurfen oder Kiteboarden, Eis-, Land-, Strand- oder RC-Segeln: Überall bringen Segler sich ein und machen sich stark für ihre große Leidenschaft.

    Wir wissen, dass das oft mit enormem Einsatz verbunden und eine große Herausforderung ist. Deshalb haben wir, alle Landes Segler-Verbände und der Deutsche Segler-Verband, für Sie ein umfassendes Handbuch entwickelt. Mit dieser Informationssammlung möchten wir Ihnen die Gestaltung des Vereinslebens erleichtern. Wir geben Ihnen hier alle notwendigen Informationen für eine gute Vereinsführung an die Hand: von einer Satzungsvorlage über Tipps zu Fördermitteln und Versicherungen bis hin zu Hinweisen für die Ausrichtung einer Regatta. Nutzen Sie das komplette Angebot oder einzelne Elemente daraus. Bitte beachten Sie dabei, dass die Informationen auf diesen Seiten nichts rechtsverbindlich sind.

    Betrachten Sie unser Handbuch als unterstützendes Nachschlagewerk, das Ihnen Anregungen liefern und den Vereinsalltag erleichtern soll. Sie vermissen einige Themen? Dann melden Sie sich unbedingt bei uns. Gemeinsam können wir dieses Handbuch jederzeit erweitern und weiter verbessern. Wenn Sie Fragen und Anregungen haben, freuen wir uns über einen Austausch unter presse@dsv.org.

    #Allemagne #sport #navigation_à_voile #association

  • Tag der Entscheidung
    https://www.jungewelt.de/artikel/464411.tag-der-entscheidung.html

    Als einziger Abgeordneter des Reichstags stimmte Karl Liebknecht am 2. Dezember 1914 gegen Kriegskredite

    2.12.2023 von von Sevim Dagdelen - Der 2. Dezember ist der Tag der historischen Entscheidung zwischen Militarismus und Antimilitarismus in Deutschland. 1914 stimmte der SPD-Abgeordnete Karl Liebknecht an diesem Tag als einziger Abgeordneter im Reichstag gegen die Kriegskredite zur Finanzierung des Feldzugs gegen Frankreich, Großbritannien und Russland. Es gehe um einen Verteidigungskrieg, ja um einen Befreiungskrieg Europas vom Joch des russischen Zarismus, tönte es damals allseits, gerade auch beim linken Flügel der Sozialdemokratie. Liebknecht nahm in seiner Stimmerklärung auf dieses Element der Kriegspropaganda Bezug: »Die deutsche Parole ›Gegen den Zarismus‹ diente (…) dem Zweck, die edelsten Instinkte, die revolutionären Überlieferungen und Hoffnungen des Volkes für den Völkerhass zu mobilisieren.«

    Die Kriegskredite von damals sind die Waffen- und Finanzhilfen an die Ukraine heute, sind die Entbehrungen des Wirtschaftskriegs gegen Russland und die schier schrankenlose Aufrüstung im Rahmen eines Stellvertreterkrieges von NATO und USA. Liebknechts Widerstandsgeist ist Vorbild, heute »Nein« zu sagen zu Deutschlands Weg in eine Kriegsbeteiligung gegen Russland.

    Bedingungslose Kriegsunterstützung für die Ukraine mit nunmehr 50 Milliarden Euro Steuergeldern, Sanktionen gegen Russland, die den höchsten Reallohnverlust für Beschäftigte in der Geschichte der Bundesrepublik mit sich brachten, und eine Haushaltsplanung, die für 2024 mit 90 Milliarden Euro mehr als 20 Prozent für Militär und Waffen vorsieht. Es gibt nicht eine Fraktion im Deutschen Bundestag, die sich gegen diesen toxischen Politikmix der Ampel stellt. Entweder werden Aufrüstung, Wirtschaftskrieg und Überweisungen an Kiew befürwortet oder Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet als Verteidigung legitimiert und Sanktionen gegen russische Oligarchen in Stellung gebracht, die am Ende aber doch die gesamte Wirtschaft und damit die Bevölkerung treffen.

    Der Stellvertreterkrieg der NATO an der Seite der USA in der Ukraine ist ein Krieg für finstere geopolitische Zwecke, ein Krieg für eine Weltordnung, die auf Ausbeutung, Neokolonialismus und Unterdrückung des globalen Südens setzt. Verbunden ist dieser Krieg mit einem sozialen Angriff der Bundesregierung auf die eigene Bevölkerung, die die Zeche für einen neuen Militarismus zahlen soll. Über 5,5 Millionen Menschen können in Deutschland nicht mehr angemessen heizen, eine Verdoppelung seit Beginn der Energiesanktionen gegen Russland. Der Aktienwert von Rheinmetall dagegen ist seit Amtsübernahme der Ampel um über 250 Prozent gestiegen. Es ist Zeit für einen Tag der Entscheidung. Zeit, den Kriegstreibern im Land, die auf Durchhalteparolen, Mästung der Rüstungskonzerne und Steigerung des Elends der Beschäftigten setzen, in den Arm zu fallen.

    Sevim Dagdelen vom »Bündnis Sahra Wagenknecht« ist Mitglied des Deutschen Bundestages.

    #Allemagne #guerre #histoire #politique #Ukraine #1914-1918

  • Staatsraison: Dispatch From Germany | Mass Review
    https://massreview.org/node/11675

    For white Germans to stand for the rights of Palestinians to life, health, safety, and freedom, they would need to study our world from outside Germany’s myopic narratives. Without knowledge of imperialism’s grip on the world, and the structural violence of European nation states, we cannot “read” the state of Israel as we know it today. We cannot see the ethical challenge which the ongoing annihilation of Gaza presents to the world.

    Instead, we are witnessing a desperate attempt by white German elites of all political stripes to maintain their collective fantasy of their white goodness in the world, proven by unwavering and unconditional support of the state of Israel. This fantasy is being massively revived and revamped in a slew of Islamophobic, often hysterically absurd campaigns. Examples include the targeting of anti-Zionist Jewish groups and individuals from Israel, the US, or Germany; and activists like Greta Thunberg who dared to connect climate struggle to justice for the oppressed Palestinians.

    Where will this wave of white re-nationalization lead us? Already we face the likelihood of extreme Right victories in the next regional and national elections. “Respectable” politicians of all camps are considering an addendum to German citizenship laws that requires requiring immigrants to unconditionally support the state of Israel.

    German cultural institutions, political circles, media, and academy are currently under massive pressure to denounce as anti-Semitic, wholesale, even the humble and relatively recent gains of postcolonial and decolonial scholarship and activism. Or on a more aggressive note, as pro-Hamas. Merely calling for #CeasefireNOW is deemed to be anti-Semitic incitement. This castigation extends to Jewish intellectuals in Germany, like Deborah Feldman, and to the Berlin art collective OYUN, who have called for an end to the siege of Gaza, and spoken out against settler colonialism.

    #islamophobie #extrême_droite #sionisme #Allemagne

  • L’erosione di Schengen, sempre più area di libertà per pochi a danno di molti

    I Paesi che hanno aderito all’area di libera circolazione strumentalizzano il concetto di minaccia per la sicurezza interna per poter ripristinare i controlli alle frontiere e impedire così l’ingresso ai migranti indesiderati. Una forzatura, praticata anche dall’Italia, che scatena riammissioni informali e violazioni dei diritti. L’analisi dell’Asgi

    Lo spazio Schengen sta venendo progressivamente eroso e ridotto dagli Stati membri dell’Unione europea che, con il pretesto della sicurezza interna o di “minacce” esterne, ne sospendono l’applicazione. Ed è così che da spazio di libera circolazione, Schengen si starebbe trasformando sempre più in un labirinto creato per isolare e respingere le persone in transito e i cittadini stranieri.

    Per l’Associazione per gli studi giuridici sull’immigrazione (Asgi) la sospensione della libera circolazione, che dovrebbe essere una pratica emergenziale da attivarsi solo nel caso di minacce gravi per la sicurezza di un Paese, rischia infatti di diventare una prassi ricorrente nella gestione dei flussi migratori.

    A fine ottobre di quest’anno il governo italiano ha riattivato i controlli al confine con la Slovenia, giustificando l’iniziativa con l’aumento del rischio interno a seguito della guerra in atto a Gaza e da possibili infiltrazioni terroristiche. La decisione è stata anche proposta come reazione alla pressione migratoria a cui è soggetto il Paese. Lo stesso giorno in cui l’Italia ha annunciato la sospensione della libera circolazione -misura prorogata- la stessa scelta è stata presa anche da Slovenia, Austria, Repubblica Ceca, Slovacchia, Polonia e Germania. Una prassi che rischia di agevolare le violazioni dei diritti delle persone in transito. “Questa pratica, così come l’uso degli accordi bilaterali di riammissione, ha di fatto consentito alle autorità di frontiera dei vari Stati membri di impedire l’ingresso nel territorio e di applicare respingimenti ai danni di persone migranti e richiedenti asilo, in violazione di numerose norme nazionali e sovranazionali”, scrive l’Asgi.

    Il “Codice frontiere Schengen” prevede che i confini interni possano essere attraversati in un qualsiasi punto senza controlli sulle persone, in modo indipendente dalla loro nazionalità. Secondo i dati del Consiglio dell’Unione europea, circa 3,5 milioni di persone attraverserebbero questi confini ogni giorno mentre in 1,7 milioni lavorerebbero in un Paese diverso da quello di residenza, attraversando così una frontiera interna. In caso di minaccia grave per l’ordine pubblico o la sicurezza interna in uno Stato membro, però, quest’ultimo è autorizzato a ripristinare i controlli “in tutte o in alcune parti delle sue frontiere interne per un periodo limitato non superiore a 30 giorni o per la durata prevedibile della minaccia grave”. Tuttavia, lo stesso Codice afferma che “la migrazione e l’attraversamento delle frontiere esterne di un gran numero di cittadini di Paesi terzi non dovrebbero in sé essere considerate una minaccia per l’ordine pubblico o la sicurezza”.

    Inoltre, anche nel caso in cui vengano introdotte restrizioni alla libera circolazione, queste vanno applicate in accordo con il diritto delle persone in transito. “La reintroduzione temporanea dei controlli non può giustificare alcuna deroga al rispetto dei diritti fondamentali delle persone straniere che fanno ingresso nel territorio degli Stati membri e, nel caso specifico dell’Italia, attraverso il confine italo-sloveno -ribadisce l’Asgi-. In particolare, il controllo non può esentare le autorità di frontiera dalla verifica delle situazioni individuali delle persone straniere che intendano accedere nel territorio dello Stato e che intendano presentare domanda di asilo”. In particolare, la sicurezza dei confini non può impedire l’accesso alle procedure di protezione internazionale per chi ne fa richieste e di riceve informazioni sulla possibilità di farlo. Infine, i controlli non possono portare a una violazione del diritto di non respingimento, che impedisce l’espulsione di una persona verso Paese dove potrebbe subire trattamenti inumani o degradanti o dove possa essere soggetta a respingimenti “a catena” verso Stati che si macchiano di queste pratiche.

    Le operazioni di pattugliamento lungo il confine tra Italia e Slovenia presentano criticità proprio in tal senso. Secondo le notizie riportate dai media e le recenti dichiarazioni del ministro dell’Interno Matteo Piantedosi, l’Italia avrebbe applicato ulteriori misure che hanno l’evidente effetto di impedire alla persona straniera l’accesso al territorio nazionale e ai diritti che ne conseguono. Già a settembre del 2023 il ministro aveva dichiarato, in risposta a un’interrogazione parlamentare, la ripresa dell’attività congiunta tra le forze di polizia di Italia e Slovenia a partire dal 2022. Sottolineando come grazie all’accordo fosse stato possibile impedire, per tutto il 2023, l’ingresso sul territorio nazionale di circa 1.900 “migranti irregolari”. “Preoccupa, inoltre, l’opacità operativa che caratterizza questi interventi di polizia: le modalità, infatti, con le quali vengono condotti sono poco chiare e difficilmente osservabili ma celano evidenti profili di criticità e potenziali lesioni di diritti”.

    Le azioni di polizia, infatti, avrebbero avuto luogo già in territorio italiano oltre il confine: una simile procedura appare in linea con quanto previsto dalle procedure di riammissione bilaterale, ma in contrasto con il Codice frontiere Schengen, che presuppone che i controlli possano essere svolti solo presso i valichi di frontiera comunicati alle istituzioni competenti. Una prassi simile è stata riscontrata lungo il confine italo-francese, dove l’Asgi ha identificato la coesistenza di pratiche legate alla sospensione della libera circolazione con procedure di riammissione informale.

    “La libera circolazione nello spazio europeo è una delle conquiste più importanti dei nostri tempi -è la conclusione dell’Asgi-. Il suo progressivo smantellamento dovrebbe essere dettato da una effettiva emergenza e contingenza, entrambe condizioni che sembrano non rinvenibili nelle motivazioni addotte dall’Italia e dagli altri Stati membri alla Commissione europea. La libertà di circolazione, pilastro fondamentale dell’area Schengen, rivela forse a tutt’oggi la sua vera natura: un’area di libertà per pochi a danno di molti”.

    https://altreconomia.it/lerosione-di-schengen-sempre-piu-area-di-liberta-per-pochi-a-danno-di-m

    #Schengen #contrôles_frontaliers #contrôles_systématiques_aux_frontières #asile #migrations #réfugiés #frontières #Europe #frontières_intérieures #espace_Schengen #sécurité #libre_circulation #Italie #Slovénie #terrorisme #Gaza #Slovénie #Autriche #République_Tchèque #Slovaquie #Pologne #Allemagne #accords_bilatéraux #code_frontières #droits_humains #droits_fondamentaux #droit_d'asile #refoulements_en_chaîne #patrouilles_mixtes #réadmissions_informelles #France #frontière_sud-alpine

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    ajouté au fil de discussion sur la réintroduction des contrôles systématiques à la frontière entre Italie et Slovénie :
    https://seenthis.net/messages/1021994

  • Rezension zu: Helmut Schmidt
    https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-24837

    Claudia Hiepel, Historisches Institut, Universität Duisburg-Essen - Die geradezu kultische Verehrung, die Helmut Schmidt in seinen letzten Lebensjahren in der Öffentlichkeit erfuhr, kontrastiert merkwürdig mit dem doch eher kritischen Bild während seiner Kanzlerschaft in den Jahren 1974–1982. Zwei biographische Arbeiten über den 2015 verstorbenen Bundeskanzler a.D. Helmut Schmidt gehen diesem scheinbaren Widerspruch nun aus unterschiedlichen Perspektiven auf den Grund.

    Kristina Spohr, Associate Professor für Internationale Geschichte an der London School of Economics, behandelt die acht Jahre seiner Kanzlerschaft und konzentriert sich dabei inhaltlich auf die globale Wirtschafts- und Sicherheitspolitik. Anhand umfangreicher Quellenrecherchen im Privatarchiv Helmut Schmidts wie in weiteren Archiven in Deutschland, Großbritannien und den USA liefert sie eine Analyse dieser beiden Pfeiler der Außenpolitik Schmidts. Sie setzt ihm postum ein Denkmal als „Weltkanzler“, der eine einflussreiche weltpolitische Rolle gespielt und Entwicklungen angestoßen habe, die in ihren Nachwirkungen bis in die Gegenwart hineinragen. Im Gegensatz zur positiven öffentlichen Wahrnehmung Schmidts werde seine Rolle jedoch von der wissenschaftlichen Forschung nicht hinreichend gewürdigt. Schon die zeitgenössische Rezeption seiner Kanzlerschaft fiel nicht uneingeschränkt positiv aus. Für den „SPIEGEL“ war Helmut Schmidt im Herbst 1982, kurz vor dem Misstrauensvotum im Bundestag, ein guter Kanzler mit schlechter Bilanz – sein ständiger Rivale Willy Brandt hingegen ein schlechter Kanzler mit guter Bilanz.[1] Die Wissenschaft verwehrte Schmidt laut Spohr zu Unrecht den Platz in der „hall of fame“ (S. 11) der ganz großen Kanzler der Bundesrepublik. Den meisten galt er als ,bloßer‘ Macher und Krisenmanager, aber nicht als eigenständiger Denker und Stratege. Selbst sein politischer Freund Henry Kissinger schrieb ihm lediglich die Rolle eines „Übergangskanzlers“ (S. 299) in einem schwierigen Krisenjahrzehnt zu, der aber nichts Bleibendes, nichts historisch Herausragendes hinterlassen habe.

    Aus Sicht Spohrs sind dies krasse Fehlurteile über einen Politiker, dessen Fähigkeiten und Qualitäten ihn weit über das Normalmaß hinaushoben. Schmidt war für die Autorin vielmehr einer derjenigen Kanzler, mit denen die kleine Bundesrepublik gleichsam in eine internationale Liga aufstieg, in der sie als nicht-nuklearer und halb-souveräner Staat eigentlich nicht als gleichberechtigter Mitspieler oder gar Spielführer vorgesehen war. Schmidts Expertise, seine außergewöhnliche Fähigkeit zu konzeptionellem Denken und die daraus resultierende politische Praxis weisen für Spohr „Merkmale echter Staatskunst“ auf (S. 16). Er habe als „Verteidigungsintellektueller“ und „Weltökonom“ brilliert; er sei der Zeit und den Zeitgenossen weit vorausgewesen, indem er die neuen Anforderungen erkannt habe, die die zunehmende Interdependenz der Staatenwelt in den 1970er-Jahren an die Nationalstaaten und ihre Akteure herantrug.

    Als Schmidt nach dem Rücktritt Brandts das Amt des Bundeskanzlers übernahm, war das drängendste Problem die globale Wirtschafts- und Währungskrise, verbunden mit dem Ende des Währungssystems von Bretton Woods 1973, dem Floating der Währungen, der Ölkrise 1973/74, Inflation und Arbeitslosigkeit. Die Krise der 1930er-Jahre vor Augen, sah Schmidt Demokratie und Weltfrieden gleichermaßen bedroht. Eine isolierte nationale Lösung hielt er angesichts der zunehmenden wechselseitigen Abhängigkeiten und Verflechtungen nicht für möglich. Weltwirtschaft wurde zur Kernaufgabe der Staats- und Regierungschefs der führenden Industrienationen, die erstmals 1975 in Rambouillet zu alljährlichen Gipfeltreffen zusammenkamen. Schmidt war maßgeblich an der Implementierung dieser Gipfel beteiligt, ein als Krisenmechanismus entstandenes multilaterales Forum, das bis heute Bestand hat und aus der internationalen Politik nicht wegzudenken ist. Das Europäische Währungssystem (EWS), das Schmidt mit dem französischen Staatspräsidenten Giscard d’Estaing initiierte und das die Wechselkursstabilität innerhalb der Europäischen Gemeinschaft sichern sollte, ist als Antwort auf die Krise der 1970er-Jahre zu sehen und zugleich als Vorgeschichte des Euro. Beides, G7-Gipfel und EWS, lassen sich mit einiger Berechtigung auf der Habenseite der Kanzlerschaft Schmidts verbuchen.

    Aber auch bei den großen sicherheitspolitischen Themen der Zeit ist die Sache für Spohr klar: Die von Schmidt lancierte NATO-Doppelstrategie könne als Vorgeschichte der Abrüstungsverhandlungen zwischen Gorbatschow und Reagan betrachtet werden und als „wichtiger Beitrag zur Entschärfung des Kalten Krieges“ (S. 17). Die „Staatskunst“ Schmidts basierte demnach auf einer Kombination aus intellektueller Durchdringung eines komplexen Gegenstandes und einer den Realitäten angemessenen, im Prinzip alternativlosen Strategie, die er in politische Entscheidungsmacht transformieren konnte. Ähnlich wie in ökonomischen Fragen habe Schmidt auch hier auf seine Kompetenz bauen können. Seit den 1950er-Jahren gehörte er zu den wenigen sicherheitspolitischen Experten in der SPD. Spohr spart wiederum nicht mit Superlativen: Als „Vordenker in Verteidigungsfragen“ sei Schmidt in der Bundesrepublik „konkurrenzlos“ gewesen (S. 77).

    Militärisches Gleichgewicht war das zentrale Credo von Schmidts sicherheitspolitischen Vorstellungen. Dieses sah er mit dem Beschluss der Sowjetunion zur Stationierung der SS 20-Raketen bedroht. Schon 1977 entwickelte er eine Doppelstrategie: Rüstungsbegrenzung war das Ziel, aber im Zweifel sollte die Aufstockung des Waffenarsenals erfolgen. Spohr kann anhand zahlreicher Äußerungen Schmidts nachweisen, dass dieser immer eine Null-Lösung bevorzugt hätte. Dennoch hielt er an einer „ziemlich mechanischen Vorstellung“[2] von militärischem Gleichgewicht fest, wonach die strategische Parität bei den Mittelstreckenwaffen nicht mehr gewährleistet sei und daher die westliche Seite nachziehen müsse. Diese Auffassung teilte man in der US-Administration durchaus nicht. Antworten auf die Modernisierung des sowjetischen Waffenarsenals hätte es auch jenseits der Stationierung neuer Raketensysteme gegeben, und das strategische Gleichgewicht war nicht zwangsläufig aus den Fugen geraten. Der NATO-Doppelbeschluss vom Dezember 1979 war daher vor allem das Ergebnis der beharrlichen Interventionen Schmidts.

    Neuland zu betreten ist bei diesem mittlerweile gut erforschten Thema schwierig. Spohrs Verdienst ist es, hier sehr tief in die Feinheiten der sicherheitspolitischen Implikationen einzelner Waffensysteme einzudringen. Die Autorin zeichnet zudem ein farbiges Bild der Gipfeldiplomatie, das mitunter beim Lesen das Gefühl hervorruft, mit am Verhandlungstisch zu sitzen. Allerdings birgt diese Erzählweise die Gefahr des Distanzverlustes, vor der Spohr leider nicht gefeit ist. Sie erzählt die Geschichte konsequent aus der Perspektive ihres Protagonisten. Der Bewunderung für Schmidt lässt sie dabei freien Lauf. Lediglich seine Launenhaftigkeit und Arroganz werden kritisch angemerkt (S. 312). Dass er damit maßgeblich für das zerrüttete Verhältnis zum US-Präsidenten Carter verantwortlich war, spricht nicht für seine „Staatskunst“.

    In einem Anflug von Überidentifikation übernimmt Spohr bestimmte Feindbilder Schmidts. Egon Bahr wird hier zum „Quälgeist“ (S. 123), der aus Eitelkeit und Opportunismus einen Proteststurm gegen Neutronenbombe und Nachrüstung inszenierte, den es ohne ihn nicht gegeben hätte. Dass Bahr und andere Kräfte in der SPD aus Überzeugung und aus einem anderen Sicherheitsverständnis heraus handelten, zieht Spohr nicht einmal in Erwägung, wie überhaupt der linke Flügel in der SPD und die Friedensbewegung nur als lästige Störfaktoren wahrgenommen werden. Von einer kritisch-reflektierenden Zeitgeschichtsschreibung wären differenziertere Urteile zu erwarten.

    Die Marginalisierung anderer Akteure gehört ebenfalls zu den Fallstricken biographischen Erzählens. Ohne die enge Kooperation und politische Freundschaft mit Giscard d’Estaing aber wären weder die G7-Gipfel zustande gekommen noch das EWS. Überhaupt waren Gipfeltreffen als Kriseninterventionsmechanismus nicht neu, sondern wurde bereits seit 1969 erfolgreich im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft angewandt. Und auch bei der NATO-Doppelstrategie spielten Giscard und der britische Premierminister Callaghan auf der Konferenz von Guadeloupe 1979 eine wichtige Rolle, als sie gemeinsam auf den US-Präsidenten einwirkten.

    Zuzustimmen ist Spohr, dass die „langen“ 1970er-Jahre keine bloße Übergangsperiode waren, sondern als eine Art Frühgeschichte der zweiten Globalisierung zu lesen sind, die von den Zeitgenossen wahrgenommen, aber noch nicht so bezeichnet wurde. Damit allerdings rennt man in der Forschung offene Türen ein. Helmut Schmidt spielte in diesem Kontext sicher eine wichtigere Rolle als bislang wahrgenommen. Ihn als „Weltkanzler“ derart herauszuheben schießt aber über das Ziel hinaus.

    Thomas Karlaufs Schmidt-Biographie tappt nicht in die biographische Falle. Ihm gelingt es, sich seinen Helden „vom Leib zu halten“ (Christian Meier), obgleich er Schmidt als dessen langjähriger Lektor auch persönlich sehr gut kannte. Er genoss das Vertrauen des Altkanzlers und hatte uneingeschränkten Zugang zum Privatarchiv und zu Schmidt selbst, mit dem er in ständigem Kontakt stand. Trotz dieser Nähe ist ihm ein ausgewogenes, nüchternes und facettenreiches, mitunter auch kritisches Porträt Schmidts gelungen.

    Es geht um die „späten Jahre“ vom Kanzlersturz 1982 bis zu Schmidts Tod, immerhin 33 Jahre, in denen Schmidt „außer Dienst“, aber in der Öffentlichkeit präsent war. Während dieser Zeit avancierte er zum Welterklärer und Idol der Deutschen, der sich gerade im letzten Jahrzehnt immenser Beliebtheit erfreute. Karlauf erzählt diese zweite Karriere Schmidts als Elder Statesman – ohne politisches Amt, aber nicht ohne politischen Einfluss. Karlauf sucht die Gründe und Hintergründe für diese einzigartige Rolle, die Schmidt als „Altkanzler“ in der Geschichte der Bundesrepublik auch nach seinem Sturz spielte. Der späte Ruhm speiste sich demnach aus zwei Quellen: zum einen aus der Sehnsucht der Deutschen nach Orientierung, zum anderen aus Schmidts besonderer Fähigkeit, auch komplizierte Dinge verständlich darzustellen und die langen Linien der Entwicklung im Blick zu haben.

    Das Zusammenspiel dieser Faktoren ergab sich nicht von allein, und Karlauf verfolgt die Genese in seiner chronologischen Darstellung. Nach dem Schock des Kanzlersturzes und dem Verlust der politischen Ämter gab es zunächst „Jahre der Zurückhaltung“ (1982–1990, Teil I), in denen Schmidt versuchte, mit sich und der Partei ins Reine zu kommen. Die Tätigkeit als Herausgeber bei der ZEIT half ihm, über den Bedeutungsverlust hinwegzukommen und die Basis für seine zweite Karriere zu legen. Es folgten „Jahre der Einmischung“ (1991–2003, Teil II), in denen Schmidt seine vielfältigen internationalen Netzwerke ausbaute und in verschiedenen Organisationen und Diskussionsforen Einfluss nahm auf die politischen Debatten. Erst spät beschritt er dann die „Wege des Ruhms“ (2003–2015, Teil III), die ihn zu dem unantastbaren Status führten, den er bis zu seinem Tod innehatte. Er besaß eine Autorität wie kaum ein anderer ehemaliger Politiker. Am ehesten wäre Brandt zu nennen, der aber als Parteivorsitzender noch lange nach seiner Kanzlerschaft auf ganz andere Weise in den politischen Betrieb eingebunden war. Sicher spielte auch Kohls Gegenwart eine Rolle, die Schmidts Vergangenheit gleichsam vergoldete (S. 199). Als „Kanzler der Einheit“ hätte Kohl seinem Vorgänger dennoch Konkurrenz machen können. Bezeichnenderweise aber begann der Aufstieg des einen Altkanzlers mit dem Abstieg des anderen im Zuge der CDU-Spendenaffäre um das Jahr 2000.

    Dass Schmidt sehr konsequent an seinem Bild für die Geschichtsbücher arbeitete, hat man immer schon geahnt. Wie intensiv, mit welchen Finessen und welcher Beharrlichkeit, das erhält man hier kenntnisreich und überzeugend belegt. Seine mehrbändigen, vielgelesenen Memoiren, die in jahrelanger sorgfältiger Arbeit entstanden, sollten ebenso dazu beitragen wie alle anderen schriftlichen und mündlichen Äußerungen Schmidts. Seine Geschichtsdeutung begann bereits mit seinem Sturz 1982. Schon hier ließ er sich, obwohl in der Defensive, das Heft des Handelns nicht aus der Hand nehmen und arbeitete an dem Bild vom „Verrat“ der FDP. Tatsächlich waren es die auseinanderdriftenden wirtschaftspolitischen Vorstellungen in der Krise, die den sich lange ankündigenden Sprung der FDP begründeten. Vor allem aber ging es Schmidt darum, die SPD unbeschädigt aus der Krise herauszubringen. Es war die Version der CDU, dass der Kanzler an seiner eigenen Partei gescheitert sei – eine Auffassung, die im Übrigen bei Kristina Spohr durchklingt. Das Leiden an der störrischen, von Linkskräften dominierten SPD, die dem eigentlich vernünftigen und alternativlosen Kurs des Kanzlers nicht habe folgen wollen, ist bei Spohr eine ständig durchklingende Melodie. Karlauf dagegen weist in diesem Zusammenhang auf eine Selbstverständlichkeit hin: Die Partei ist ein Ort der politischen Willensbildung und insofern nicht zu übergehen oder abzutun. Das war auch Schmidt bewusst, der intensiv für seinen Kurs warb – mit dem Ergebnis, dass die SPD ihm auf dem Parteitag im April 1982 durchaus (noch) folgte. Die eigentliche Zerreißprobe blieb Schmidt erspart, denn die definitive Entscheidung über den zweiten Teil des Doppelbeschlusses, die Stationierung, stand erst im Herbst 1983 an. Hier wäre die Partei Schmidt vermutlich in der Tat nicht mehr gefolgt. Dass die SPD aber auch später das Ende des Kalten Krieges nicht ihm, sondern der Friedenspolitik Brandts zuschrieb, schmerzte ihn sehr.

    Schmidt wollte nicht als Krisenmanager oder Übergangskanzler in die Geschichte eingehen, sondern als Europapolitiker, als Weltökonom und Sicherheitsexperte. Kristina Spohr leitet dieses Bild aus der „realen“ Außenpolitik seiner Kanzlerjahre ab. Thomas Karlauf macht hingegen deutlich, wie sehr diese Sicht das Ergebnis einer retrospektiven Geschichtskonstruktion ist. Ob das Krisenmanagement bei der Sturmflut in Hamburg 1962 oder Schmidts Geradlinigkeit gegenüber dem Terror der Roten Armee Fraktion dieses gewünschte Narrativ nicht doch am Ende überlagern werden, muss die Zukunft zeigen.

    Spohr, Kristina: Helmut Schmidt. Der Weltkanzler. Aus dem Englischen von Werner Roller. Darmstadt 2016 : Theiss Verlag, ISBN 978-3-8062-3404-6 384 S., 17 SW-Abb. € 29,95

    Karlauf, Thomas: Helmut Schmidt. Die späten Jahre. München 2016 : Siedler Verlag, ISBN 978-3-8275-0076-2 555 S. € 26,99

    Anmerkungen:
    [1] Wolfram Bickerich, Dreizehn Jahre geliehene Macht, in: SPIEGEL, 27.09.1982, S. 40–56, hier S. 40, http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14353616.html (07.06.2017).
    [2] Wilfried Loth, Die Rettung der Welt. Entspannungspolitik im Kalten Krieg 1950–1991, Frankfurt am Main 2016, S. 205.

    #Allemagne #histoire #politique #SPD #social-démocrates #biographie

  • Die Welt : Sabine Pamperriens Biografie wird Helmut Schmidt nicht gerecht
    https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article135130653/So-eine-Biografie-verdient-Helmut-Schmidt-nicht.html

    Helmut Schmidt avait vingt ans en 1935 et trente en 1945. Il fait partie de le génération qui a rendu possible la guerre allemande et les méfaits des nazis. Le journaliste du journal de droite Die Welt pense au contraire que les allemandes de l’age de H.S. étaient trop jeunes pour être responsables de quoi que ce soit. Le mensonge national sépare toujours la majorité conservatrice des provinces allemandes de leurs compatriotes oeuvrant pour le progrès social et la paix dans le monde. Pour la droite une biographie critique de la jeunesse du grand homme ne peut contenir que de fausses dénonciations.

    He’s the one who gives his body as a weapon of the war
    And without him all this killing can’t go on.

    Buffy Sainte-Marie, Universal Soldier , 1964

    8.12.2023 von Sven Felix Kellerhoff - Die Journalistin Sabine Pamperrien wollte den Erfahrungen Helmut Schmidts im Zweiten Weltkrieg nachforschen. Doch ihr Buch geht an der Wirklichkeit des Lebens im Nationalsozialismus weit vorbei.

    Exakte Erinnerung gehört nicht zu den allergrößten Stärken von Helmut Schmidt. Und das liegt keineswegs nur an seinem Alter von inzwischen fast 96 Jahren – Geburtstag feiert der mit weitem Abstand beliebteste Ex-Politiker der Deutschen kurz vor Weihnachten. Bekanntermaßen hat der Altkanzler die Neigung, unangenehme Dinge tatsächlich oder angeblich zu vergessen. Legendär ist sein Satz „Das erinnere ich nicht!“ in Interviews, wenn es etwa um den Preis für die Erlaubnis geht, die deutschen Geiseln 1977 aus der Lufthansa-Boeing in Mogadischu zu befreien.

    Erstaunlich deshalb, dass die Journalistin Sabine Pamperrien in ihrer jetzt erschienenen Biografie „Helmut Schmidt und der Scheißkrieg“ über sein Leben in den Jahren 1918 bis 1945 mit dem Gegenteil der bekannten Tatsache einsteigt: „Schmidt ist berühmt für sein glänzendes Gedächtnis“.

    Schon bald zeigt die Lektüre, dass die Autorin diese falsche Prämisse unbedingt braucht. Denn ihr Buch besteht wesentlich aus der Konfrontation von Schmidts zahlreichen Äußerungen über seine Jugend und Soldatenzeit mit in Akten überlieferten Darstellungen.

    Das ist keineswegs grundsätzlich illegitim. In Pamperriens Fall jedoch war es zugleich die einzige Möglichkeit, ihr Projekt zu vollenden. Denn offenbar entzog der Protagonist der Autorin die Unterstützung, als er erkannte, in welche Richtung die Biografie sich entwickelte.
    Sabine Pamperrien: Helmut Schmidt und der Scheißkrieg. Die Biografie 1918 bis 1945. Piper Verlag München. 352 S., 19,99 Euro.

    Sabine Pamperrien: Helmut Schmidt und der Scheißkrieg. Die Biografie 1918 bis 1945. Piper Verlag München. 352 S., 19,99 Euro.

    Quelle: Piper Verlag

    Jedenfalls gibt Pamperrien offen zu: „Trotz anfänglich positiver Signale“ zu ihrem Buchprojekt habe Schmidt „nicht zur Beseitigung von Widersprüchen und Unklarheiten“ beigetragen. „Alle an ihn gerichteten Fragen und Bitten um Stellungnahmen blieben unbeantwortet.“

    Wer das Ergebnis betrachtet, versteht warum. So hält die Autorin fest: „Klare Strukturen und Ordnungen, Kameradschaft als Einstehen für den anderen, Fürsorge für den Schwächeren: das sind die Werte, die Helmut Schmidt im Innersten prägen.“ Das stimmt sicher, und es ist uneingeschränkt positiv.

    Bei Pamperrien aber liest es sich unangenehm ähnlich wie der infame Vorwurf des damaligen SPD-Nachwuchsstars Oskar Lafontaine. Der hatte Schmidt 1982 „Sekundärtugenden“ vorgeworfen, mit denen man „auch ein KZ betreiben“ könne.

    Zwar schreibt die Autorin, die bisher lediglich zwei Bücher über die Rezeption von Heiner Müllers Werken und über den DDR-Schriftstellerverband veröffentlicht hat: „Verwunderlich ist, wie schwer Schmidt sich mit seiner eigenen Geschichte tut, obwohl kaum jemand seiner Generation (und schon gar nicht ihm, zu Recht) die Verstrickung zum Vorwurf macht.“

    Doch beim Lesen des Buches stellt sich ein anderer Eindruck ein. Seite für Seite treffen den Altkanzler Vorwürfe wegen seines Lebens während des NS-Regimes und des Zweiten Weltkrieges. Fast genauso häufig wundert man sich über die nicht offen ausgesprochene, aber stets zu spürende Unterstellung, Schmidt habe seine eigene Vergangenheit bewusst verbogen.

    Schmidts Erinnerung entspricht in mehr als einem Detail nicht der Aktenlage

    Etwa 20 Seiten des Kapitels „Hitler-Jugend“ sind den „Widersprüchen“ gewidmet, eingeleitet von gleich zweimal derselben These: Schmidt erinnere sich falsch. Mal heißt es „an eine andere Version“, mal: „Schmidts Erinnerung entspricht in mehr als einem Detail nicht der Aktenlage.“

    Zum Problem wird diese schlichte Banalität nur, weil Pamperrien eingangs zu Unrecht das vermeintlich hervorragende Gedächtnis des Altkanzlers so sehr gelobt hat. Es wäre von jedem Menschen zu viel verlangt, dass er sich Einzelheit für Einzelheit an die Version seines Lebens erinnert, die etwa in Schul- oder Sportvereinsakten steht. Die übrigens auch nicht immer die reine Wahrheit enthalten.

    Ist Helmut Schmidt nun freiwillig oder unfreiwillig in die Hitler-Jugend eingetreten? Aus der zeithistorischen Forschung ist bekannt, dass auf Jugendliche in den 1930er-Jahren ein hoher Konformitätsdruck lastete. Und Schmidt hat ja auch selbst eingeräumt, zeitweise fasziniert gewesen zu sein vom Nationalsozialismus, wovon ihn dann aber spätestens der Krieg kuriert habe.

    Hat der Altkanzler in seinen vielen, von Pamperrien sorgfältig zusammengetragenen autobiografischen Äußerungen immer schlüssig sein eigenes Leben beschrieben? Mit Sicherheit nicht; um das zu wissen, braucht man ihr Buch allerdings nicht. Ein sensibler Historiker weiß um die Stärken, aber eben auch Schwächen von Zeitzeugen und ihren Erinnerungen. Diese Sensibilität vermisst man in „Helmut Schmidt und der Scheißkrieg“ sehr.

    Einen weiteren, eklatanten Fall von ahistorischer Argumentation hat das Magazin „Der Spiegel“ in einem furiosen Verriss des Buches aufgespießt. Ausführlich zitiert Pamperrien aus den Beurteilungen von Vorgesetzten des Luftwaffen-Leutnants Helmut Schmidt. Da wurde ihm etwa attestiert, „auf dem Boden der nationalsozialistischen Weltanschauung“ zu stehen.
    Bundestagsabgeordneter, verteidigungspolitischer Sprecher und Reservist, aber sicher kein „Soldatenkanzler“: Helmut Schmidt 1958 während einer Übung der Bundeswehr

    Bundestagsabgeordneter, verteidigungspolitischer Sprecher und Reservist, aber sicher kein „Soldatenkanzler“: Helmut Schmidt 1958 während einer Übung der Bundeswehr

    Quelle: picture-alliance / dpa

    Allerdings wiesen sowohl eher linksliberale und eher konservative Militärhistoriker wie Wolfram Wette und Manfred Messerschmidt oder Rolf-Dieter Müller den daraus gezogenen Schluss zurück, Schmidt sei „von Nazi-Ideologie kontaminiert“ gewesen.

    Jedenfalls, wenn es die Form eines Vorwurfs annimmt. Wieder einmal gilt, wie fast in Pamperriens gesamtem Buch: Das Ausblenden des historischen Kontextes und das Urteilen von einem heutigen, moralisierenden Mainstreamstandpunkt aus führt in die Irre.

    Sehr deutlich wird das in einer Passage im Kapitel „In der Etappe“, in der es über Helmut Schmidt heißt: „Die Lektüre von Remarques ‚Im Westen nichts Neues‘ hatte ihm zwar die Schrecken des modernen Krieges plastisch vor Augen geführt, doch hatte ihn das offenbar nicht zum Nachdenken über den Pazifismus und auch nicht zur Entwicklung einer Antikriegshaltung gebracht.“ In einer in den Anmerkungen versteckten Bemerkung steht dann sogar noch: „Später wird er den Pazifismus als unrealistisch abtun.“

    Hier wird also der durch grausame Erfahrung getriebene Pazifismus eines Erich Maria Remarque unterschiedslos gleichgesetzt mit der gesinnungsethischen Beliebigkeit der westdeutschen „Friedensbewegung“ der 70er- und 80er-Jahre – verbunden durch die Erwartung, ein bei Kriegsbeginn 1939 gerade einmal 20-Jähriger müsse doch eine „Antikriegshaltung“ gehabt haben. Viel weiter daneben liegen kann man kaum.

    Man muss kein Freund des „Überkanzlers“ Helmut Schmidt sein, als der er sich selbst sah und heute wohl immer noch sieht. Seine jüngsten Auslassungen zum Regime in China etwa, das die Nachteile von Kommunismus und Kapitalismus vereint, sind ziemlich schwer erträglich. Unabhängig davon ist die angedeutete, aber natürlich gleich relativierte Unterstellung in Pamperriens Buch, er sei ein „Soldatenkanzler“ gewesen, hinterhältig.
    Schmidts Gedächtnis funktioniert strategisch

    Ja, Helmut Schmidt hat sich vieles in seinen Erinnerungen zurechtgebogen. Und ja, sein Gedächtnis funktioniert durchaus strategisch. Das hebt ihn aber nicht heraus gegenüber anderen Menschen; es ist einfach bei jedem so, ob in der NS-Zeit oder, mit erheblich geringeren Herausforderungen, heute.

    Eine Biografie wie diese hat niemand verdient. Zuallerletzt Helmut Schmidt. Es gibt genug Kritisches über ihn zu sagen. Wahrscheinlich nicht zuletzt über seine Zeit in der Wehrmacht während des „Scheißkriegs“. Lesenswert ist das aber nur, wenn es seriös beschrieben wird.

    #Allemagne #histoire #guerre #nazis #SPD #social-démocrates #biographie

  • The Good Die Young : The Verdict on Henry Kissinger
    https://jacobin.com/store/product/kissinger-book

    If the American foreign policy establishment is a grand citadel, then Henry Kissinger is the ghoul haunting its hallways. For half a century, he was an omnipresent figure in war rooms and at press briefings, dutifully shepherding the American empire through successive rounds of growing pains.

    Avec cette petite explication sur l’oiseau déplumé par @EmissaryOfNight

    Emissary of Night 🔆🍉
    @EmissaryOfNight
    Jacobin hated Henry Kissinger so much that they wrote a book-length obituary years ago and commissioned 50,000 copies and just let them sit until the motherfucker finally died. Unbeatable levels of hater. I am inspired.

    https://twitter.com/EmissaryOfNight/status/1730061710189359399

    • Bundeskanzler Helmut Schmidt
      https://www.helmut-schmidt.de/helmut-schmidt/biografie

      L’homme qui a géré la tranformation du SPD du progrès social, de la démocratisation et de la paix en parti du patronat et du transatlantisme. Bourreau de la gauche et superviseur de l’assassinat des prisonniers de Stammheim, fier souteneur de l’OTAN et d’Israël H.S. est le metteur en scène de l’année de plomb 1977.

      Le grand public l’adorait un peu à la manière des ouailles de Trump parce qu’il était la preuve vivante qu’on pouvait fumer ses cinquante clopes par jour à quatre vingt dix ans et être en bonne forme.

      Pourtant Schmidt n’a jamais été apprécié en public par les idéologues et puissants.

      https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-24837

      Selbst sein politischer Freund Henry Kissinger schrieb ihm lediglich die Rolle eines „Übergangskanzlers“ (S. 299) in einem schwierigen Krisenjahrzehnt zu, der aber nichts Bleibendes, nichts historisch Herausragendes hinterlassen habe.

      https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article135130653/So-eine-Biografie-verdient-Helmut-Schmidt-nicht.html

      Oskar Lafontaine ... hatte Schmidt 1982 „Sekundärtugenden“ vorgeworfen, mit denen man „auch ein KZ betreiben“ könne.

      On n’a pas encore vu de biographie qui dénonce ses méfaits.

      Biografie
      1918 – 1974 Vor der Kanzlerschaft
      1974 – 1982 Kanzlerschaft
      1982 – 2015 Nach der Kanzlerschaft

      1918

      Helmut Schmidt wird am 23. Dezember 1918 in
      Hamburg geboren.

      1937

      Reifeprüfung an der Hamburger Lichtwarkschule Ableistung des Reichsarbeitsdienstes
      Einberufung zu einem zweijährigen Wehrdienst

      1939 – 1945

      Als Soldat bei der Luftwaffe, Teilnahme u.a. am Krieg gegen die Sowjetunion, ansonsten Verwendung zumeist im „Heimatkriegsgebiet“, zuständig beim Reichsluftfahrtministerium für Ausbildung (letzter Dienstgrad Oberleutnant der Reserve)

      1942

      Heirat mit Hannelore ("Loki") Glaser in Hamburg (1944 Geburt des Sohnes Walter, der vor seinem ersten Geburtstag stirbt; 1947 Geburt von Tochter Susanne)

      1945

      Rückkehr aus britischer Kriegsgefangenschaft
      Aufnahme eines Studiums der Volkswirtschaftslehre und der Staatswissenschaften zum Wintersemester an der Universität Hamburg (Abschluss 1949)

      1946 – 1948

      Eintritt in die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) (1946)
      Übernahme des Vorsitzes des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (1947)

      1949 – 1953

      Zunächst Referent, später Abteilungsleiter in der Behörde für Wirtschaft und Verkehr in Hamburg unter dem Senator (und späteren Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen) Karl Schiller

      1953 – 1961

      Mitglied des Deutschen Bundestages, Wahl in den Bundesvorstand der SPD (1958)
      Mitglied in mehreren Ausschüssen (u.a. Verkehr, Wirtschaft, europäische Sicherheit)

      1961 – 1965

      Nach der für die SPD verlorenen Bundestagswahl 1961 Rückkehr nach Hamburg, dort zunächst Polizeisenator, später Innensenator
      Sturmflut in Hamburg: Bei der Rettung tausender Bürger*innen im Februar 1962 begründet Helmut Schmidt seinen Ruf als Krisenmanager

      1965

      Rückkehr nach Bonn als Bundestagsabgeordneter, vorgesehen als Minister in der Regierungsmannschaft des SPD-Kanzlerkandidaten Willy Brandt, die SPD verliert die Bundestagswahl jedoch erneut

      1966 – 1969

      Nach dem vorzeitigen Ende der CDU/CSU/FDP-Regierung Bildung der ersten Großen Koalition von CDU und SPD
      Übernahme des SPD-Fraktionsvorsitzendes im Bundestag vom schwer erkrankten Fritz Erler (1966/1967)

      1968 – 1984

      Stellvertretender Verteidigungsminister

      1969 – 1972

      Im Oktober als Verteidigungsminister im ersten sozialliberalen Kabinett Willy Brandt vereidigt
      Veröffentlichung der verteidigungspolitischen Schrift „Strategie des Gleichgewichts“ (1969)

      1972 – 1974

      Finanzminister im zweiten Kabinett Willy Brandt (zwischenzeitlich zusätzlich das Ressort des Wirtschaftsministers)

      1974 – 1975

      Wahl zum fünften Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland (Übernahme des Amtes vom zuvor zurückgetretenen Willy Brandt) (16. Mai 1974)

      Unterzeichnung der Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in Helsinki (1975)
      Gemeinsam mit dem französischen Staatschef Giscard d’Estaing Initiierung des ersten Weltwirtschaftsgipfels in Rambouillet (1975)
      Treffen mit Chinas Staatspräsident Mao Tse-tung (1975)

      1976 – 1977

      3. Oktober 1976: Bestätigung der Kanzlerschaft bei der Bundestagswahl gegen den CDU-Spitzenkandidaten Helmut Kohl
      Serie von Groß-Demonstrationen und Protesten gegen Atomkraftwerke und -anlagen in Deutschland (Brokdorf, Gorleben usw.), die Bundesregierung hält an der Kernkraft fest
      Reise nach Auschwitz/Polen (1977); Helmut Schmidt spricht von einer seiner schwersten Reisen
      Im „Deutschen Herbst“ (1977) und darüber hinaus entschiedene und konsequente Haltung gegenüber den Terroristen der Rote Armee Fraktion (RAF)
      Im gleichen Jahr vielbeachtete Rede im Londoner International Institute for Strategic Studies, Entwurf eines Konzepts zur Herstellung eines strategischen Gleichgewichts von Atomwaffen in Europa

      1978 – 1980

      Besuch des Staats- und Parteichefs der Sowjetunion Leonid Breschnew im Haus Helmut und Loki Schmidts in Hamburg-Langenhorn (1978), Gespräche u.a. über nukleare Abrüstung
      Die Regierungschefs Frankreichs, Großbritanniens, Deutschlands und der USA treffen eine Vorentscheidung für den NATO-Doppelbeschluss auf der karibischen Insel Guadeloupe (Januar 1979, formeller Beschluss der NATO-Mitgliedstaaten am 12. Dezember des Jahres)
      Giscard d’Estaing und Helmut Schmidt setzen gemeinsam die Gründung des Europäisches Währungssystems (EWS) um (Inkrafttreten 1979) und schaffen damit die Basis für die spätere Einführung des Euro
      Veröffentlichung der Schriften „Als Christ in der politischen Entscheidung“ (1976) und der „Der Kurs heißt Frieden“ (1979)

      1980 – 1981

      Abrüstungsgespräche mit der sowjetischen KP-Führung in Moskau und Bonn
      5. Oktober 1980: Helmut Schmidt gewinnt die Bundestagswahl gegen Franz Josef Strauß (CSU) und tritt am 5. November 1980 seine zweite Amtszeit an
      Gespräche mit DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker (Fortsetzung der Politik „Wandel durch Annäherung“)
      Beginn einer Serie großer Friedensdemonstrationen gegen die nukleare Nachrüstung in Deutschland (bis Mitte der 1980er Jahre), Helmut Schmidt setzt seine Position pro-NATO-Doppelbeschluss gegen starke Widerstände in der Gesellschaft wie auch in der Partei durch

      1982

      Die sozialliberale Koalition aus FDP und SPD zerbricht im Spätsommer 1982 an Differenzen über den Kurs in der Wirtschaftspolitik
      1. Oktober: Nach einem konstruktiven Misstrauensvotum im Deutschen Bundestag scheidet Helmut Schmidt aus dem Amt des Bundeskanzlers aus, seine Nachfolge tritt Helmut Kohl (CDU) in einer christlich-liberalen Koalition an.

      1983 – 1993

      Mitherausgeber (und zwischenzeitlich Geschäftsführer und Verleger) der Wochenzeitung Die Zeit Abschied aus dem Deutschen Bundestag (1987)
      Mitbegründer des Interaction Council früherer Regierungschefs (1983), der Helmut- und Loki Schmidt-Stiftung (1992) und der Deutschen Nationalstiftung (1993)

      1993 – 2015

      Weiterführung seiner umfassenden Publikationstätigkeit („Menschen und Mächte“, „Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten“, „Außer Dienst“ uvm.), viele der insgesamt rund 50 Publikationen werden zu Bestsellern, außerdem hunderte Beiträge in Büchern, Zeitungen und Zeitschriften
      Ausgedehnte internationale Vortragsreisen, fortgesetzte Konsultationen zur Überwindung internationaler Probleme und Krisen mit Politikern, Wissenschaftlern, Ökonomen und anderen wichtigen Persönlichkeiten in aller Welt; Überreichung zahlreicher Preise, Doktorwürden, Auszeichnungen und Ehrenbürgerschaften

      #Allemagne #histoire #guerre #néolibéralisme #SPD #social-démocrates

  • Vor Auflösung am 6. Dezember : Linksfraktion tagte am Montag zum letzten Mal
    https://www.tagesspiegel.de/politik/vor-auflosung-am-6-dezember-linksfraktion-tagte-am-montag-zum-letzten-m

    Le déclin du parti Die Linke continue. A partir du 6 décembre sa fraction parlementaire au Bundestag n’aura plus que le statut de groupe et perdra les privilèges propres aux fractions.

    C’est la conséquence de ses disputes suite à la mise à l’écart de plusieurs de ses membres les plus populaires attachés à l’idée d’une gauche au service des gens simples sans privilèges particuliers. La droite s’en rejouit.

    28.11.2023 - Nach der Abspaltung von mehreren Abgeordneten verliert die Linke ihren Fraktionsstatus im Bundestag. Trotz der Auflösung äußert sich Dietmar Bartsch kämpferisch.

    Die Linksfraktion im Bundestag hat sich am Montag zu ihrer voraussichtlich letzten Sitzung getroffen, bevor sie sich am 6. Dezember auflöst. Hintergrund ist die Abspaltung von zehn Abgeordneten um die frühere Fraktionschefin Sahra Wagenknecht. Künftig wollen sich beide Lager als getrennte Gruppen im Parlament organisieren.

    „Auch in der nächsten Sitzungswoche und auch die verbleibenden zwei Jahre werden wir als Linke sehr aktiv agieren“, sagte der scheidende Fraktionschef Dietmar Bartsch. „Man wird von uns hören und man wird unsere Positionen sowohl im Deutschen Bundestag als auch außerhalb wahrnehmen.“

    Die Situation sei wegen der ungeklärten Haushaltsfragen sehr zugespitzt: „Das Land braucht aktuell so dringend eine linke Opposition, und das wird unsere Aufgabe sein.“ Den Vorschlag von CSU-Chef Markus Söder für Neuwahlen lehnte Bartsch ab. „Die Frage von Neuwahlen, die stellt sich aktuell nicht, auch wenn ich sehe, dass die Regierung derzeit im Chaos versinkt.“

    Wann die Linke beim Bundestag einen Antrag stellt, als Gruppe anerkannt zu werden, sagte Bartsch noch nicht. „Sie können davon ausgehen, dass wir den Antrag dann stellen, wenn er zulässig und sinnvoll ist. Und Sie können auch davon ausgehen, dass der entsprechend vorbereitet ist.“ Über den Gruppenstatus entscheiden werden der Ältestenrat und dann das Plenum der Abgeordneten.

    Wegen der bereits beschlossenen Auflösung der Fraktion werden deren 108 Mitarbeiter zunächst alle entlassen. Einige dürften später bei der Linken-Gruppe oder der Wagenknecht-Gruppe unterkommen. Fraktionssprecher Michael Schlick sagte nach Bartschs Statement: „Danke für Ihr Kommen. Dann vielleicht bis zum nächsten Mal oder ansonsten irgendwann mal.“

    #Allemagne #politique #gauche

  • Immobilienspekulation : Für Signa wird es eng
    https://www.jungewelt.de/artikel/464103.immobilienspekulation-f%C3%BCr-signa-wird-es-eng.html


    L’insolvabilité du spéculateur immobilier Signa met en danger les emplois de tous les employés des grands magasins Karstadt. En même temps s’ouvre la perspective de l’achat des grands magasins historiques par la ville de Berlin qui pourra les transformer en espaces culturels adaptés aux besoins de sa population croissante. On a le droit de rêver, non ?

    28.11.2023 von Gudrun Giese - Deutsche Tochter des angeschlagenen Immobilienkonzerns insolvent. Angeblich bis zu 600 Millionen Euro für Sanierung nötig

    Signa hat alle Bauvorhaben in Berlin gestoppt – unter anderem das Projekt um das Karstadt-Haus am Hermannplatz

    Mindestens eine halbe Milliarde Euro benötigt die seit Wochen kriselnde Signa-Gruppe des österreichischen Investors René Benko. Das berichten seit vergangener Woche verschiedene Medien in Deutschland und Österreich.

    Am Freitag hatten Vertreter der Tochtergesellschaft Signa Real Estate Management Germany GmbH (Signa REM) beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg Insolvenz angemeldet. Die Gesellschaft ist Teil der Signa Prime Selection und fungiert als Dienstleister für einen Teil des Immobilienportfolios, wie das Handelsblatt am Montag berichtete. Eigene Gebäude besitzt die Tochter nicht. Im Jahr 2021 hätte die ­Signa REM mit 139 Beschäftigten einen Umsatz von knapp 54 Millionen Euro erwirtschaftet und damit einen für den Konzern eher kleinen Beitrag zur Gesamtbilanz geleistet. Der Insolvenzantrag zeige aber, dass Signa drastische Probleme bei der Finanzierung laufender Projekte habe und die Prime Selection nicht genügend Mittel zur Verfügung stellen könne, um eine Insolvenz abzuwenden, so das Handelsblatt.

    Nach diversen Insolvenzen in den Handelssparten der Signa-Gruppe, die z. B. während der Coronapandemie zweimal die Warenhaustochter Galeria Karstadt-Kaufhof und zuletzt die Tochtergesellschaften von Signa Sports United trafen, Verkäufen von Unternehmen wie den Möbelketten Kika/Leiner in Österreich sowie dem Stopp von Bauprojekten wie dem »Elbtower« in Hamburg sollte eigentlich der als Insolvenzverwalter bekannt gewordene Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Arndt Geiwitz aus Neu-Ulm den Gesamtkonzern sanieren. Laut einer Signa-Pressemitteilung von Anfang November sollte er inzwischen längst die Zügel in der Chefetage übernommen haben, was nach einem Bericht der Lebensmittelzeitung vom Wochenende aber noch nicht geschehen ist. Er sei immer noch Berater. Geiwitz selbst äußerte sich dazu nicht.

    Offenbar steht und fällt alles mit der Zusage, erhebliche Finanzmittel für Signa zu beschaffen. Davon habe der Insolvenzexperte seinen Einstieg in die Geschäftsführung abhängig gemacht, weil er sonst sein in Grundzügen bereits ausgearbeitetes Sanierungskonzept nicht umsetzen könne. An der Beschaffung der als notwendig erachteten Summe von 500 bis 600 Millionen Euro sind das Bankhaus Rothschild und die Anwaltskanzlei White & Case beteiligt.

    Die Gespräche mit potentiellen Investoren laufen auf Hochtouren. Das Handelsblatt berichtete in der vergangenen Woche von Verhandlungen mit dem auf Restrukturierungsfinanzierungen spezialisierten Investor »Attestor«. Die österreichische Nachrichtenagentur APA berichtete am Montag, bei Signa werde ein Mezzanine-Investor gesucht, der bereit sei, gegen extrem hohe Zinsen und wenig direktes Mitspracherecht eine gute halbe Milliarde Euro zur Verfügung zu stellen. Mezzanine-Kapital ist eine Mischform aus Eigen- und Fremdkapital. Zinsen und zusätzliche Gebühren könnten Kreditkosten von zwanzig Prozent pro Jahr bedeuten, also 100 Millionen Euro.

    Unterdessen erwägt Klaus-Michael Kühne, Logistikunternehmer und bereits Großinvestor der Signa-Gruppe, die komplette Übernahme des Hamburger Prestigeprojekts »Elbtower«. Laut Handelsblatt habe Kühne dazu erste Gespräche mit Vertretern der Hamburger Landesregierung geführt. Er selbst äußerte sich nicht dazu. Am »Elbtower«, dessen Baukosten auf insgesamt 960 Millionen Euro geschätzt werden, ruhen seit Wochen die Arbeiten, weil Signa die Rechnungen für den bisher rund 100 Meter hohen Rohbau nicht beglichen hat. Auch andere Bauprojekte ruhen oder wurden erst gar nicht begonnen, wie etwa das auf dem Gelände der ehemaligen Gänsemarkt-Passagen in Hamburg. Sorgen machen sich auch die Betreiber der geschrumpften Warenhauskette Galeria Karstadt-Kaufhof, die nach zwei Insolvenzen in zweieinhalb Jahren eigentlich wieder rentabel fortgeführt werden sollte. Doch auch bei dieser Tochter ist die Liquidität knapp. Ohne eine kräftige Finanzspritze für Signa könnte es für das gesamte Firmenkonglomerat bald sehr düster aussehen.

    #Allemagne #Berlin #spéculation_immobilière

  • Wohnungsnot und üble Zustände in Schmargendorf : „Mir trampeln Tag und Nacht neun Studenten auf dem Kopf herum“
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/melanie-g-mir-trampeln-tag-und-nacht-neun-studenten-auf-dem-kopf-he


    Das Mehrfamilienhaus in Schmargendorf mit 20 indischen Untermietern. Foto : Gerd Engelsmann

    Il y a quelques annêes encore on pensait aux squats et foyers de sans abris quand on parlait du logement précaire à Berlin. Désormais les marchands de sommeil sont arrivés à Berlin. Voici comment fonctionne l’économie politique du métier.

    26.11.2013 von Kerstin Hense - Die 49-Jährige ist eine der letzten Hauptmieter eines Mehrfamilienhauses in Schmargendorf und wehrt sich gegen üble Zustände.

    Melanie G. ist mit ihren Nerven am Ende. Sie ist eine der letzten beiden Mieter eines Mehrfamilienhauses in Schmargendorf, die nach einem Eigentümerwechsel vor drei Jahren noch übrig geblieben sind. Seitdem lebt die alleinerziehende Mutter unter unschönen Umständen. Nachts funktionieren die Heizung und das Warmwasser nicht und sie hat mit Feuchtigkeit zu kämpfen. Außerdem leben über ihr neun Studenten, beengt in einer Dreizimmerwohnung, die Tag und Nacht über ihrem Kopf herumtrampeln würden, sagt sie.

    „Ich werde von dem Lärm sogar nachts aus dem Schlaf gerissen, weil die Wohnung mit neun Personen völlig überbelegt ist. Ich war schon ein paar Mal oben und habe ihnen Bescheid gesagt“, erklärt die 49-jährige. Passiert sei seitdem nichts. Sie halte den Zustand nun nicht mehr aus und hat sich deshalb an die Berliner Zeitung gewandt. Als wir Reporter bei ihr in der Küche sitzen, hören wir ebenfalls permanent schwere dumpfe Schritte über unseren Köpfen.

    In der Wohnung ist es auffallend kalt, sodass man auch tagsüber eine Jacke tragen muss. Sie bekäme die 98 Quadratmeter große Wohnung nicht richtig warm, da sie nachts komplett auskühle, erzählt Melanie G. „Die schalten uns von 23 Uhr abends bis 6 Uhr morgens die Heizung aus und dann haben wir auch kein warmes Wasser mehr.“

    In ihrem Arbeitszimmer ist schon seit ein paar Wochen erneut ein großer feuchter Fleck unter der Decke zu sehen, der durch einen Wasserschaden in der darüberliegenden Wohnung entstanden ist. „Durch die Kälte wird es immer schlimmer“, sagt sie. Ihr Nachbar im Erdgeschoss habe seit ein paar Tagen ebenfalls einen Wasserschaden, da in den Wohnungen über ihnen ohne Vorhang geduscht werde.
    Die Hausverwaltung bleibt untätig

    Mehrmals hat Melanie G. deshalb schon mit ihrer Hausverwaltung Kontakt aufgenommen. Doch bislang erfolglos. „Entweder bekomme ich keine Antwort oder ich werde vertröstet. Das geht schon seit Monaten so“, erklärt sie. In den Google- Bewertungen beklagen sich auch andere Mieter über eine Nicht-Kommunikation.

    Die Mutter einer 13-jährigen Tochter ist eine der letzten beiden Hauptmieter in dem Mehrfamilienhaus, in dem bei ihrem Einzug vor fünf Jahren ursprünglich mal acht Parteien lebten.

    Nachdem der vorherige Eigentümer das Haus 2020 verkaufte, begannen die Probleme. Es werde sich seitdem um nichts mehr gekümmert, so schildert sie. Melanie G. glaubt, dass man gern alle Mieter raushaben wolle. „Uns wurde seitens der Hausverwaltung bei einer Eigentümerversammlung kommuniziert, dass demnächst ein Dachausbau geplant ist und die Mieter aus anderen Stockwerken erhielten bei einem Auszug Abfindungsangebote in Höhe von 30.000 Euro“, erklärt sie.


    Die Studenten aus Indien leben zu neunt in dieser Dreizimmerwohnung. Sie wollen unerkannt bleiben. Foto: Gerd Engelsmann

    Etliche Mieter hätten das Angebot angenommen. Sie selbst habe keines bekommen. „Ich denke, die haben es sich bei mir gar nicht erst getraut“, so betont sie. Denen sei klar gewesen, dass sie es nicht in Anspruch genommen hätte. „Ich habe sehr viel Geld in die Renovierung meiner Wohnung gesteckt und hätte so schnell in Berlin keine bezahlbare andere gefunden“, so Melanie G. Sie zahlt 1175 Euro warm für ihre Dreizimmerwohnung.

    Sie und ein weiterer Mieter, der ebenfalls im Erdgeschoss lebt, sind die letzten Bewohner, die noch von den alten Mietern übrig geblieben sind. „Die anderen vier Wohnungen sind seit ein paar Monaten an ausländische Studenten, die an einer privaten Hochschule in Charlottenburg studieren, untervermietet worden“, erklärt Melanie G.

    An den Briefkästen stehen insgesamt 20 indische Namen, die kaum zu entziffern sind. „Der Postbote hat sich schon ein paar Mal bei mir beklagt, dass er Schwierigkeiten hat, die Briefe zuzustellen, weil er durch den Dschungel der Namen nicht mehr durchsteigt. Außerdem soll es das achte Haus in seinem Zuständigkeitsbereich sein, in dem so viele Studenten aus dem Ausland untergebracht sind“, sagt Melanie G.

    Die alleinerziehende Mutter findet das „unwürdig und kriminell“, Menschen so beengt unterzubringen und dafür auch noch viel Miete zu kassieren. Aus einem Untermietvertrag der Studenten, den die Berliner Zeitung einsehen konnte, geht hervor, dass jeder von ihnen 450 Euro Miete zahlen soll.


    Die Klamotten liegen auf dem Boden, weil es zu wenige Schränke gibt. Foto: Gerd Engelsmann

    Die Reporter der Berliner Zeitung haben sich in einer der Wohnungen, die an die Studenten vermietet werden, umgesehen. Ein junger Mann, der ebenfalls anonym bleiben möchte, führt uns durch die drei Zimmer. In der Küche stehen zwei junge Männer am Herd und bereiten sich gerade eine warme Mahlzeit zu.

    Die etwa 98 Quadratmeter große Wohnung ist spärlich ausgestattet. Im Badezimmer gibt es nur eine Badewanne, ohne Duschvorhang. In drei Zimmern verteilt sind insgesamt drei Holzbetten und sechs Matratzen auf dem Boden. „Wir leben hier zu siebt und mitunter auch zu neunt. Das ist schon sehr beengt und schwierig, unter solchen Umständen zu lernen“, erklärt der junge Mann.

    Die 450 Euro pro Kopf an Miete würden jeden Monat von einem Mann abgeholt werden. Dieser wolle das Geld in bar haben, berichtet der Student. Die Berliner Immobilienfirma, die die Wohnung an die jungen Männer vermietet hat, ist nur unter der Postanschrift der Schwesterfirma zu finden. Es ist weder eine Mailadresse noch eine gültige Telefonnummer im Netz zu finden.

    Die Studenten haben das Zimmer über eine WhatsApp-Gruppe für indische Studenten in Berlin gefunden. „Es ist schwer, ein Zimmer in dieser Stadt zu bekommen, und wir sind froh, dass wir nicht auf der Straße sind“, erklärt einer von ihnen. Außerdem sei die Wohnung zentral gelegen und nur 15 Minuten mit dem Fahrrad von der Universität entfernt.

    Die Berliner Zeitung fragte bei der zuständigen Hausverwaltung an, ob ihnen die Zustände in dem Mehrfamilienhaus bekannt sind. Doch die Antwort blieb bis Redaktionsschluss aus.

    Der Eigentümer des Hauses, die Fortis Real Estate Investment AG, teilte mit: „Insbesondere der geplante Ausbau des Dachgeschosses zur Schaffung von neuem Wohnraum als auch die notwendigen Strangsanierungen und erforderlichen Wohnungsrenovierungen bringen die Erfordernis mit sich, dass Wohnungen temporär nicht bewohnt sein sollten“, so Vorstand Marco Mendler. Dabei werde aber für jeden Mieter eine individuelle Lösung gefunden, und hier im Haus habe es auch einige Mieter gegeben, die nach Ausführung der baulichen Maßnahmen nicht mehr hätten zurückziehen wollen. Sie hätten Mieter dabei unterstützt und Ersatzwohnungen nach deren individuellen Wünschen beschafft.


    Die vielen Paar Schuhe der neuen Untermieter. Foto: Gerd Engelsmann

    Die Heizung im Haus verfüge zur Energieeinsparung über eine übliche Nachtabsenkung. Eine Auskühlung in dem von Ihnen beschriebenen Maße sei hierbei jedoch unüblich und die Warmwasserversorgung von der automatischen Nachtabsenkung ebenfalls nicht betroffen. Die Heizungsanlage sei vor etwa 14 Tagen von einer Fachfirma überprüft und eingestellt worden. „Wir veranlassen jedoch umgehend die Überprüfung der Heizungsfunktion und deren Einstellung“, versprach Mendler.

    Die von Mietern beklagten Wasserschäden, die vermeintlich durch das Duschen ohne Vorhang in den Wohnungen darüber ausgelöst und bislang noch nicht behoben worden sind, seien inzwischen in Bearbeitung und sie stünden dazu bereits mit den betroffenen Mietern in Kontakt. Ein Wasserschaden vom vergangenen Freitag sei inzwischen in Augenschein genommen und der notwendige Reparatur- und Renovierungsumfang sowie der zeitliche Ablauf würden aktuell ermittelt. Ebenfalls sei eine Duschtrennwand bestellt, die noch nicht geliefert worden sei.

    Zum Untermietverhältnis äußerte sich der Vorstand folgendermaßen: „Grundsätzlich haben wir Mietern die Untervermietung erlaubt, aber was hier nun vermeintlich gemacht wurde, entbehrt jeglichem Verständnis und ist von uns weder gewünscht, noch geduldet. In der kommenden Woche wird durch eine Wohnungsbegehung dieser Umstand vor Ort geprüft und umgehend abgestellt“, erklärt Mendler weiter. Er versprach auch, nach Ersatzwohnungen aus seinem Bestand für die Studenten zu suchen.


    Melanie G. möchte unerkannt bleiben. Sie steht mit Jacke und Mütze in ihrer Wohnung, weil sie friert. Foto: Gerd Engelsmann

    Die Berliner Zeitung hat sich auch auf dem Gelände der Immobilienfirma im Osten Berlins umgesehen, die mit den indischen Studierenden die Mietverträge geschlossen hat. Doch nach unserem Klingeln machte niemand auf, an den Fenstern waren die Jalousien heruntergezogen.
    Berliner Mieterverein sieht darin ein „übles System“

    Dem Berliner Mieterverein sind solche Fälle bekannt. „Wir erleben zunehmend, dass insbesondere Migrantinnen und Migranten, aber auch Studierende aus dem EU-Ausland und anderen Kontinenten zimmerweise in überbelegten Wohnungen unterkommen und dieser üblen Masche ausgesetzt sind“, erläutert Geschäftsführer Sebastian Bartels.

    Man habe es hier offenbar mit einem dreisten Versuch zu tun, aus der Wohnungsnot möglichst viel Profit zu ziehen. Solche Untermietverhältnisse mit Briefkastenfirmen seien in der Regel konstruiert, um den starken gesetzlichen Kündigungsschutz zu unterlaufen.

    Der Berliner Mieterverein erkenne ein übles System hinter diesen Fällen: Unter Verstoß gegen die Mietpreisbremse würden einzelne Zimmer einer Wohnung untervermietet, wobei die vermeintlichen Untermieter nur konstruierte Briefkastenfirmen oder vorgeschobene Hausverwalter des Eigentümers seien. Typisch sei, dass Mängel selten beseitigt würden. Sobald Mieterinnen und Mieter sich gegen diese Zustände wehrten, hagele es Kündigungen – mit der Begründung, das Untermietverhältnis sei erloschen, da der Vermieter dem Hauptmieter gekündigt habe.

    Menschen, die mit dem Mietrecht nicht vertraut seien, könnten diesem vorgeschobenen Argument nichts entgegensetzen. „Wir beobachten seit Jahren eine Zunahme solcher Fälle und raten allen Betroffenen, solche Kündigungen nicht zu akzeptieren, also trotz Kündigung in der Wohnung zu bleiben“, so Bartels weiter.

    Daneben sollten die Betroffenen ihre Miethöhe überprüfen lassen und die Beseitigung von Mängeln einfordern. Dabei sei es jedoch wichtig, sich rechtlich vertreten zu lassen, denn die Firmen seien gewieft und schickten oft Anwaltskanzleien vor.

    Melanie G. hofft, dass nun bald Ruhe in ihrem Haus einkehren wird und sie wieder Frieden in ihren eigenen vier Wänden finden kann. Sie sagt: „Der Alltag ist stressig genug. Wenn man sich in seinem Zuhause nicht mehr wohlfühlt, ist das sehr belastend.“

    #Allemagne #Berlin #immobilier #logement #immigration

  • „Sie waren Nachbarn“: Jüdische Ausstellung in Berlin bleibt vorerst zerstört - als Mahnmal
    https://www.berliner-zeitung.de/news/sie-waren-nachbarn-in-berlin-moabit-juedische-ausstellung-durch-bra

    20.11.2023 von Maria Windisch - In Berlin wurde ein Schaukasten mit einer Ausstellung zur jüdischen Geschichte beschädigt. Als Mahnung gegen antisemitische Gewalt soll die zerstörte Vitrine erst mal so bleiben.

    Nachdem in Berlin-Moabit die jüdische Schaukasten-Ausstellung „Sie waren Nachbarn“ durch einen Brandanschlag zerstört wurde, soll die Vitrine vor dem Rathaus Tiergarten vorerst nicht repariert werden. Wie das Bezirksamt Mitte am Montag mitteilte, beschlossen Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger und Vertreter des gleichnamigen Vereins, dass die Vitrine als Mahnung gegen antisemitische Gewalt zeitweise so belassen werden soll. Laut dem Verein soll außerdem eine Hinweistafel aufgestellt werden. Die Ausstellung selbst soll in wenigen Wochen wiedereröffnen.

    Mit einem Stein hatten der oder die Täter am Sonntag die Scheibe des Schaukastens zerstört und danach Feuer gelegt, wie der Verein am Sonntag mitteilte. Eine Passantin hatte den Anschlag gegen Mittag entdeckt und die Polizei informiert. Da war die Ausstellung allerdings schon größtenteils zerstört. Beamte des Staatsschutzes sicherten Spuren am Tatort.

    Nicht der erste Anschlag? Schon zuvor gab es wohl Demolierungen

    Bereits in den Tagen zuvor soll es an dem Kasten Verschmutzungen und kleinere Beschädigungen gegeben haben. „Wir sind über den offensichtlich antisemitisch motivierten Brandanschlag entsetzt“, machte der Verein in einem Statement deutlich.

    Aro Kurp, Vorstandsmitglied des Vereins „Sie waren Nachbarn“, sagte, die Ausstellung in der Vitrine sei seit Anfang November zu sehen gewesen. Sie sollte noch bis Ende Dezember gezeigt werden. Der Verein, der sich regelmäßig mit solchen Ausstellungen der NS-Geschichte und dem jüdischen Moabit widmet, habe sich diesmal mit dem Krankenhaus des Stadtteils beschäftigt. Dort gab es Widerstand gegen das Naziregime und Unterstützung etwa für Juden oder Deserteure.

    Auch im sozialen Netzwerk X wurde über den Brandanschlag berichtet. So kommentierte Stefanie Remlinger, Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Mitte, mit ihrem Privataccount: „Keine Wut der Welt wegen dem Leid der Palästinenser rechtfertigt Antisemitismus und das Stören des Gedenkens an den Holocaust.“ Dazu postete sie ein Bild der mutwillig zerstörten Ausstellung.

    Unsere Ausstellung Jüdisches Leben in Moabit von „Sie waren Nachbarn“ wurde heute zerstört. Entsetzt, traurig und entschlossen sage ich: Keine Wut der Welt wegen dem Leid der Palästinenser rechtfertigt Antisemitismus und das Stören des Gedenkens an den Holocaust #Mitte #wir pic.twitter.com/4kf9CZxUrs
    — Stefanie Remlinger (@StefRemlinger) November 19, 2023

    #Allemagne #Berlin #antisemitisme

  • Nahostkonflikt – Kritik von Juden in Deutschland : „Wir verzweifeln an Israels Politik“
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/nahostkonflikt-kritik-von-juden-in-deutschland-wir-verzweifeln-an-i

    Voilà une position que la majorité politique allemande considère comme antisemite. De l’antisemitisme juif qu’il.a fallu inventer pour faire taire les voix juives humanistes.

    23.11.2023 von Nirit Sommerfeld
    ...
    Wir verzweifeln an Israels Politik, die seit Jahrzehnten das Ziel verfolgt, die Palästinenser loszuwerden und das gesamte Land zwischen Mittelmeer und Jordan für sich zu beanspruchen, was derzeit in einer rechtsradikalen Regierung manifest geworden ist, die unverhohlen Äußerungen von sich gibt, die in Deutschland (zurecht!) als Volksverhetzung oder Schlimmeres identifiziert würden.

    So will etwa Israels Staatspräsident Herzog nicht zwischen Hamas und Zivilisten unterscheiden und verlangt in einer martialischen Rede, ihnen „das Rückgrat zu brechen“. Verteidigungsminister Yoav Galant spricht, wie viele andere auch in der israelischen Zivilgesellschaft, von „Tieren“ oder „human animals“; die auf sie gerichteten Militäroperationen seien „nicht auf Genauigkeit aus, sondern auf Zerstörung“. Israels Minister für ‚Jerusalemer Angelegenheiten und Heimaterbe‘, Amichai Eliyahu, brachte den Einsatz einer Atombombe ins Spiel und schlägt den „Monstern von Gaza“ die Flucht in die Wüste oder nach Irland vor.

    Wir wissen: Worte bereiten Taten vor. Seit Netanyahu der Hamas den Krieg erklärt hat, findet meiner Ansicht nach ein Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung statt. Es ist die Rache für den 7. Oktober, bei dem die Hamas ihrerseits durch nichts zu rechtfertigende Kriegsverbrechen an Zivilisten verübt hat.
    In Israel sagt man lieber „Araber“ als „Palästinenser“

    Übrigens war das schon vor 15 Jahren, als ich in Israel gelebt habe, völlig normal, so über Palästinenser zu sprechen. Mehrere Bekannte sagten mir damals schon, es gäbe nur eine Lösung für das Palästinenserproblem, und das sei Vernichtung. Diese Araber – in Israel nimmt man ungern das Wort ‚Palästinenser‘ in den Mund, als fürchte man, die alleinige Namensnennung könne schon die Anerkennung ihrer Existenz andeuten – würden nicht leiden, sie machten nur Theater, um das Mitleid der Welt zu erregen. Geschichte sei nun einmal nicht gerecht, man habe als jüdisches Volk 2000 Jahre Diaspora hinter sich und mit der Shoa das schlimmste Menschheitsverbrechen erdulden müssen; jetzt seien eben andere dran.

    In solchen Aussagen liegt der Schmerz, den viele in der „Jüdischen Stimme“ kennen. Er rührt von einer Wunde, die sich nicht schließen will. Bei mir ist es die tiefe Enttäuschung, die ich erfahren habe, als ich 2007 in mein Geburtsland zurückzog. Im Laufe von zwei Jahren musste ich festzustellen, dass all meine Überzeugungen bezüglich dieses Landes, an denen ich ebenso wenig wie alle anderen Kinder Israels je gezweifelt hatte, Lügen und Täuschungen waren: Von der Mär vom leeren „Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“ über die „moralischste Armee der Welt“ und der „einzigen Demokratie im Nahen Osten“ (die immerhin für jüdische Israelis bis vor kurzem noch halbwegs existierte) bis hin zur im israelischen Diskurs komplett geleugneten Nakba, der Ermordung tausender und Vertreibung hunderttausender Palästinenser im Zuge der Staatsgründung, des Raubes ihres Besitzes, ihres Landes, ihres verbrieften Rückkehrrechts. Die Liste ließe sich lang fortsetzen.

    Auf alledem baut sich eine existenzielle Angst auf: Angst um die Menschen in Israel, Angst um die Palästinenser, Angst um Juden weltweit, Angst vor einem Flächenbrand, der zu einem Dritten (und letzten?) Weltkrieg führen könnte. Wo soll das hinführen, wenn wir diesen Pfad der Gewalt nicht verlassen? Wenn wir ein Menschheitsverbrechen – und das hat die Hamas mit ihrem barbarischen Vernichtungszug am 7. Oktober begangen, was nicht nur verdammt, sondern auch bestraft werden muss – mit einem weiteren Menschheitsverbrechen vergelten?

    Bitte nicht mit dem Beispiel von Nazi-Deutschland kommen!

    Die Geschichte hat gezeigt, dass Gewalt immer nur Gegengewalt erzeugt, und dass Ideen und Ideologien nicht weggebombt werden können. Und da soll mir keiner mit dem Beispiel von Nazi-Deutschland kommen! Die Alliierten wussten schon Jahre vor 1945 von der Existenz von KZs, sie hätten das Grauen schon lange zuvor beenden können. Faschistische Nazi-Ideologie wurde nicht durch Bomben auf Dresden ausgelöscht. Sie macht das Leben in Deutschland heute noch für bestimmte Minderheiten gefährlich, siehe NSU, Hanau oder Halle, nur um die Spitze des Eisbergs zu benennen.

    Was erwarten wir von den überlebenden Kindern in Gaza, deren Eltern und Urgroßeltern schon Flüchtlinge von 1948 waren? Sollen sie, nachdem sie wochenlang Ruinen, Hunger und Durst, Verschüttete und Verbrannte, Tod und Trauma erlebt haben, nach einem Wiederaufbau ihres Freiluftgefängnisses unsere freundlichen Nachbarn mit eingeschränkten Rechten werden, die unsere israelischen Gärten bestellen und unsere Häuser bauen, so wie die meisten Palästinenser es sich eingerichtet haben in den vergangenen Jahrzehnten? Oder werden sie eines Tages zu jungen Männern werden, die in ihrer Verzweiflung und Wut wieder Waffen in die Hand nehmen, um sich zu rächen an der Rache Israels?

    Diese tödliche Spirale wird ausschließlich durch einen Paradigmenwechsel zu unterbrechen sein. Entweder durch radikale Trennung zwischen Israelis und Palästinensern, was ich bis dato immer abgelehnt habe, weil ich durch meine eigene Familiengeschichte weiß, wie gut Juden und Araber neben- und miteinander leben konnten, solange die einen sich nicht über die anderen gestellt und sie entrechtet haben. Oder durch gleiche Rechte für alle Menschen zwischen Mittelmeer und Jordan in einem wie auch immer gearteten gemeinsamen Staat, einer Konföderation, einem Staatenbündnis oder einer sonstigen Organisationsform, die ohnehin die Menschen vor Ort selbst zu bestimmen haben.

    Aber bis dahin wird viel Blut fließen. Mit jedem Tag, an dem das Gemetzel in Gaza und die Tötungen, Vertreibungen und Hauszerstörungen im Westjordanland weitergehen, entfernt sich ein gerechter Frieden um eine Generation, mindestens. Hier kommt meine Verzweiflung über die deutsche Politik ins Spiel – von der EU und den USA ganz zu schweigen. Deutschland begreift nicht, dass sein „Wir stehen bedingungslos an der Seite Israels“ zu einer riesigen Gefahr für Israel und vor allem für Juden in Deutschland werden kann.

    Wo war Deutschlands Staatsräson, als Zivilisten Schutz brauchten?

    Wie nur kann der deutsche Staat wegsehen, wenn israelische Minister sich selbst als Faschisten bezeichnen, und Israels korrupter Ministerpräsident alles tut, um nur ja an der Macht zu bleiben? Seht Ihr nicht, dass er sein eigenes Volk verraten hat? Wo war die israelische Selbstverteidigung am 7. Oktober, auf deren Recht Ihr permanent pocht? Wo war Deutschlands „Staatsräson“, als israelische Zivilisten dringen Schutz vor Terroristen gebraucht hätten? Und wo ist jetzt Eure „unverbrüchliche Freundschaft“ mit einem Staat, der Völkermord und Vertreibung an den Palästinensern vorantreibt und womöglich nicht einmal vor dem Einsatz einer „kleinen“ Atombombe zurückschreckt?

    Oder – was fast schlimmer wäre – die gesamte islamische Welt auf den Plan rufen könnte, wenn der Plan von rund 20 radikal-jüdischen Organisationen und deren Anhängern sich durchsetzt, den Felsendom zu sprengen und den Dritten Tempel an seiner Stelle zu erreichten? Die Einrichtungsgegenstände samt der goldenen Menorah, so wie sie in der Bibel beschrieben ist, das Gewand des Hohepriesters, Becher und Löffel für Weihrauch und Vieles mehr liegt schon im „Tempel-Institut“ in der Altstadt Jerusalems bereit und erfreut sich einer steigenden Besucherzahl, vor allem von evangelikalen und andere Christensekten.

    Das alles macht mir, macht uns „Jüdischen Stimmen“ Angst. Ich habe Angst um meine Verwandten und Freunde in Israel, um den Niedergang der einst sozialistisch beflügelten, einst demokratisch und geschlechter- und herkunftsgleich gedachten israelischen Gesellschaft, in der heute nur noch Hass und Überlegenheitsanspruch regiert. Deswegen senken wir die Köpfe angesichts des Todes und der Gewalt, die auch wieder auf uns zurückfallen kann – und es ist gut, dass Grauschöpfe, dunkle Locken, Juden und Nichtjuden dabei sind. Der Staat Israel verrät sein eigenes Volk, verrät uns Juden weltweit, indem er am laufenden Band gegen jüdische Werte verstößt und seine Bürger nicht schützte, als sie es am nötigsten hatten. Stattdessen waren Militär und Polizei mit dem Schutz gewalttätiger Siedler in der Westbank beschäftigt.

    Ist es da nicht auch für Deutsche ermutigend, dass Juden in Deutschland ihre Stimme erheben? In den USA sind Tausende dem Ruf unserer Schwesterorganisation „Jewish Voice for Peace“ gefolgt, haben den Kongress in Washington besetzt und den zentralen Bahnhof von New York blockiert. Sie tragen T-Shirts mit der Aufschrift „Not in our name“ (Nicht in unserem Namen), verlangen einen sofortigen Waffenstillstand, die Befreiung der Geiseln, Verhandlungen. „We still need to talk“ (Wir müssen immer noch reden) ist dort wie hier die Devise, unter der vorletzte Woche eine von Jüdinnen und Juden in Berlin geführte Demonstration mit mehr als tausend Menschen friedlich stattfand.
    ...
    Für eine gemeinsame, gerechte und friedliche Zukunft werde ich laut und eigensinnig weiterhin meine jüdische Stimme erheben. Denn unsere Trennlinie verläuft nicht zwischen Juden und Arabern, sondern zwischen Humanisten und Fanatikern.

    Im Übrigen hat der Berliner Kultursenator verkündet, dass dem Kulturzentrum Oyoun aufgrund der Zusammenarbeit mit „Jüdische Stimme“ sämtliche Fördergelder entzogen werden. Begründung: „Versteckter Antisemitismus“. Ich wünschte, in Deutschland würde mit dieser Entschlossenheit echtem, unverhohlenem Antisemitismus begegnet werden.

    Nirit Sommerfeld, in Israel geboren, in Ostafrika und Deutschland aufgewachsen, ist Schauspielerin, Sängerin und Autorin. Von 2007 bis 2009 lebte sie mit ihrer Familie in Tel Aviv und besuchte regelmäßig die besetzte Westbank, seitdem setzt sie sich für die Beendigung der Besatzung und gleiche Rechte für Israelis und Palästinenser zwischen Mittelmeer und Jordan ein.

    #Allemagne #Israël #sionisme #antisemitisme

  • Tesla workers in Germany join union as health and safety issues grow
    https://www.reuters.com/business/autos-transportation/tesla-workers-germany-join-union-health-safety-issues-grow-union-2023-10-09

    9.10.2023 von Victoria Waldersee, GRUENHEIDE - Tesla (TSLA.O) workers at the carmaker’s Brandenburg plant are joining the IG Metall union in rising numbers over concerns around health, safety and overwork, the union said on Monday.

    Lack of staff and inadequate safety provisions in the workplace were leading to a high number of accidents at work, and it was not rare that around 30% of workers were signed off sick, the union said in a statement.

    Reuters was not able to independently verify the union’s claims and Tesla did not immediately respond to a request for comment.

    Union representatives met workers at the factory gates, on the platforms of nearby stations and inside the factory on Monday handing out stickers stating “Together for safe and fair work at Tesla”.

    On Sunday night, Tesla managers invited their teams to a meeting with “free food and a surprise” to discuss IG Metall’s presence on the site, stating: “We want to speak with you and your teams about the questionable methods and actual goals of IG Metall,” according to a copy of the email seen by Reuters.

    “The law gives all workers the right to organise in a union and stand openly for that at their workplace. That counts at Tesla in Brandenburg as well,” Dirk Schulze of IG Metall said.

    The union said it does not share specific membership numbers for companies as a matter of course, but that it has seen a steep rise in the number of new members at Tesla.

    Reuters spoke to twelve workers at the factory on Monday.

    While four said they were satisfied with working conditions, eight said pressure was too high, with some reporting high incidence of accidents and issues with receiving overtime pay.

    Two workers said they were not allowed to speak to the media.

    “Speed is not compatible with safety,” said one 56-year-old worker from Poland, who declined to be named, adding there were too few workers to meet targets and that he would seek a new job next year if conditions did not improve.

    Reporting by Victoria Waldersee; Editing by Sharon Singleton

    Victoria Waldersee - Autos correspondent in Germany, covering the industry’s transition to electric vehicles. Previously reported on the impact of the COVID-19 pandemic on the retail sector in South Asia, China and Europe, and wider general news. Formerly at YouGov and Economy, a charity working to produce accessible economics coverage.

    #Allemagne #industrie_automobile #travail #syndicalisme

  • XYZ : Heine in Kinshasa
    https://www.jungewelt.de/artikel/463466.xyz-heine-in-kinshasa.html

    18.11.2023 von Enno Stahl - Die Entscheidung hatte ich mir nicht leichtgemacht. Kinshasa wirkte auf mich zunächst wie meine »eigene Frage als Gestalt«. Dunkel, bildlos, irgendwie sehr problematisch vom ersten Moment an: Man trifft dort ein, wird am Flughafen tatsächlich jemand warten und mich abholen, wie vereinbart? Was, wenn nicht? Das Handy geht erst mal nicht, ohne kongolesische SIM-Karte kann man nicht einmal jemanden anrufen. Dann steht man dort mit all dem Bargeld, das man mitschleppt, mitschleppen muss, da unklar ist, ob die Karten dort überhaupt funktionieren. Was dann, wie weiter? Es ist kompliziert.

    Nun, ich habe es gewagt. Denn es geht um die Literatur, einen Roman, der sich nur fortsetzen lässt, wenn ich die Stadt einmal leibhaftig gesehen habe. Und Kinshasa musste es sein, nicht Accra, nicht Dakar, nicht Nairobi. Viele Monate Arbeit hatte ich im vorhinein investiert, um ein Netzwerk zu flechten, denn das ist an solchen Orten alles. Sonst ist man aufgeschmissen, buchstäblich verloren. Ich fand tolle Leute, die mir die Ängste nahmen und die Gestalt der Frage veränderten. Kinshasa bekam nach und nach eigene Konturen, wurde anschaulich, beinahe real. So ist es letztlich recht einfach gewesen. Dass alle Sorge umsonst gewesen wäre, kann man allerdings nicht sagen: Die Mühe musste schon sein, und die Karten, zum Beispiel, funktionierten tatsächlich nicht.

    Jedenfalls bin ich nun hier. Mein Guide und Fahrer Cedrick kümmert sich zuverlässig um mich. Er ist weltgewandt, kennt sich aus, sogar mit der aktuellen deutschen Politik. Aus Kinshasa weg will er nicht. Er sagt: Ich bin jung, ich bin stark, ich will hier etwas bewegen! Neben einem Studium des Umweltingenieurwesens betreibt er in Eigenregie das freie Kulturzentrum »Mokili na Poche« (Die Welt in der Tasche) als Anlaufstelle für Straßenkinder, die dort mit Unterkunft und Nahrung versorgt werden, aber auch kulturpädagogische Angebote erhalten. Sie kreieren etwa Recyclingrucksäcke aus dem allgegenwärtigen Kunststoffmüll. Ein paar Jungs versuchen sich als Rapper, das nötige Equipment finden sie hier. Unlängst haben die Nachrichtenagentur Reuters, TV 5 und France 24 über sie berichtet. Cedrick finanziert das alles aus seiner eigenen Tasche, 800 Dollar monatlich, allein für die Miete, mit dem Geld, das er von Leuten wie mir bekommt. Darüber hinaus sind Spenden hoch willkommen.

    Die allgemeine Infrastruktur ist unvorstellbar heruntergerockt. Im Viertel Bandal, in dem ich wohne, ist andauernd Stromausfall, manchmal nur kurz, manchmal für Stunden. Auch das Wasser bleibt weg. Zur Sicherheit füllt man große Eimer auf Vorrat. Wenn die Dusche nicht funktioniert, gießt man daraus kellenweise Wasser über sich, das geht auch. Im Verkehr sieht es nicht anders aus. Nur die großen Straßen sind asphaltiert. Sobald man sie verlässt, gerät man in ein Labyrinth aus unwegsamen Pisten. Deutsche Feldwege sind bequem dagegen. Schlaglöcher, kopfgroße Steine, Pfützen, die Autos rumpeln da durch, mit nie mehr als fünf oder zehn Kilometern pro Stunde. Der Verkehr auf den Magistralen ist wahnsinnig, alle fahren durcheinander, überall, wo gerade Platz ist, Millimeterarbeit, kaum ein Wagen ohne Blechschaden. Dazwischen wimmeln kreuz und quer Motorradtaxis, meist mit drei Personen, die sich von den Kühlern der Autos abstoßen. Auch hier kommt man nur langsam voran mit 20, 30 Kilometern pro Stunde. Das Fahren erfordert immense Geschicklichkeit, ich würde es mir im Leben nicht zutrauen. Cedrick beherrscht es mit gelassener Souveränität.
    Legendäre Dandys

    Besonders heiß ist es nicht, 27 Grad. Kaum mehr als in Deutschland zur selben Zeit. Die Luftfeuchtigkeit ist allerdings hoch. Jetzt in der Trockenzeit lässt sich die Sonne nicht allzu oft sehen, meist ist es diesig, leicht bewölkt. Richtigen Sonnenschein gibt es in der Regenzeit, lerne ich, da wird es unter der Äquatorialsonne sehr heiß, worauf sturzflutartige Regenfälle folgen.

    Die Menschen stehen in einem unsagbar harten Existenzkampf. Kinshasa ist nicht billig, nicht einmal für Europäer. Bezahlt werden muss in harten Dollars. Die erarbeiten sich Myriaden von fliegenden Händlern, Männer, Frauen und Kinder, indem sie tagein, tagaus Waren durch die Stadt schleppen, auf dem Kopf oder den Schultern. Wasserflaschen, Taschentücher, Kunsthandwerk, Baguettes, Obst, Snacks, Zigaretten. Andere schieben schwere Karren, Männer mit Handwagen, mitten im Verkehr. Die meisten Polizisten sind korrupt. Niemand hält an roten Ampeln, aus Angst, von ihnen ausgeraubt zu werden. Die Fenster von Massentaxis sind stark vergittert – aus demselben Grund. Das ist schlimm und dennoch nicht völlig unverständlich, weil die Staatsbediensteten unregelmäßig oder gar nicht bezahlt werden.

    Das, was ich in Kinshasa erledigen will, ist in wenigen Tagen getan. Ich treffe mich mit einer Gruppe von Sapeurs, diesen inzwischen schon legendären Dandys, die sich trotz Armut mit exquisiter Kleidung hervortun. Unter dem Diktator Mobutu, der afrikanische Dresscodes gesetzlich vorschrieb, waren sie so etwas wie die Punks in der westlichen Welt – nur unter umgekehrten Vorzeichen. Ich spreche mit dem Vertreter einer traditionell-afrikanischen Kirche, der mir deren kosmologische Vorstellungen näherbringt, wir sitzen zweieinhalb Stunden mitten in der Sonne, ohne Wasser, er redet ein Gemisch aus Lingala und Französisch, es ist sehr anstrengend.

    Daneben tausche ich mich mit vielen Kongolesen über mein Projekt aus, jeder hat etwas zu ergänzen und zu korrigieren, es nimmt immer genauere Formen an. Die Leiterin des Goethe-Instituts, Astrid Matron, hat mir dankenswerterweise einen Auftritt in der sehr gut eingeführten Lesungsreihe »Café littéraire de Missy« im Bistro des Institut français vermittelt. Missy ist eine freundliche Mittvierzigerin, die diese Veranstaltung blendend organisiert hat. Es ist viel Publikum da, weil ein Auszug aus einem Roman namens »Lumumba« angekündigt wurde. Ganz so ist der Arbeitstitel nicht, und das Buch handelt auch nicht unmittelbar von Lumumba, aber eine gewisse Rolle spielt er schon. Für die Kongolesen besitzt sein Name weiterhin große Strahlkraft, daher der rege Besuch. Nicht alle sehen ihn positiv. Manche denken, dass Lumumba die Unabhängigkeit zu schnell, zu planlos eingeführt habe, ähnlich, wie das auch der belgische Historiker David Van Reybrouck in seinem großen Buch »Kongo. Eine Geschichte« analysiert. Die Diskussion ist lang und heftig. Auch ich werde attackiert, manch einer fragt sich, warum ausgerechnet ich denn ein Buch über Lumumba schreiben sollte. Andere wiederum begrüßen das ausdrücklich. Die Moderatorin eilt mir ein ums andere Mal eloquent zur Hilfe; als ich ihr nachher dafür danke, sagt sie nonchalant, das sei für sie normal, im Hauptberuf sei sie Anwältin, und Leute zu verteidigen sei nun mal ihr Job.

    Auch diese Diskussion, von der ich im nachhinein sogar noch eine schriftliche Zusammenfassung erhalte, ist sehr nützlich, sie erlaubt Einblicke in die historische Selbstwahrnehmung der Kongolesen. Damit aber sind sämtliche Verpflichtungen abgegolten, die ich mir zur Beförderung des Romanprojekts auferlegt hatte. Doch es gab noch etwas anderes in Kinshasa zu tun.

    Zu Hause arbeite ich im Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf. Als sich die Reisepläne konkretisierten, fragte man mich, ob ich meinen Aufenthalt dort nicht nutzen könnte, um in geeigneter Form auf das Heinrich-Heine-Stipendium hinzuweisen. Diese Förderung für internationale Studierende wird von der Heinrich-Heine-Universität angeboten, finanziert von der Stadt Düsseldorf, betreut unter anderem durch das Heine-Institut. Junge Forscherinnen und Forscher aus aller Welt, die eine Qualifizierungsarbeit über Heine schreiben, können sich dafür bewerben. Der oder die ausgewählte Glückliche erhält für fünf Monate eine großzügige Projektförderung. Bislang stammten die Stipendiaten aus China, Holland oder Kanada, noch nie aus Afrika. Daher würden Bewerbungen von dort besonders begrüßt.
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    Michael Runkel/IMAGO/robertharding

    Ein solches Angebot im Gepäck zu haben gefiel mir. Es war eine Chance, etwas zurückzugeben, wenigstens einer Person, wenn es denn jemandem aus Kinshasa gelänge, in den Genuss dieses Stipendiums zu gelangen. Monatelange bemühte ich mich vergeblich um Kontakt zu interessierten Hochschullehrern. Keiner meiner Gewährsleute konnte mir jemanden empfehlen. Auf der Webseite der Université de Kinshasa war ausgerechnet der Link zu den Belles Lettres tot, weder Kontaktdaten noch die Struktur entsprechender Studienseminare waren zu eruieren.

    Doch zwei Wochen bevor ich fuhr, klappte doch etwas. Man empfahl mir, mich an Professor André Yoka vom ­Institut National des Arts (INA) zu wenden, einer über den Kongo hinaus bekannten Hochschule für darstellende Künste. Yoka war Rektor der INA, inzwischen emeritiert, doch weiterhin dort aktiv. Er antwortete sofort. In Kinshasa kommt es zum Treffen mit ihm und dem Professor Yoris Ngaki. Beide sind neben ihrer Lehrtätigkeit selbst als Autoren tätig und zeigen sich sehr interessiert an dem Stipendienprogramm. Von Heine allerdings haben sie noch nie etwas gehört. Das ist seltsam, da dieser doch der frankophile deutsche Autor par excellence ist, als »Henri Heine« geradezu Teil der französischen Literaturgeschichte! Bereits zu Lebzeiten, als er noch nicht einmal 40 war, erschien eine erste französische Werkausgabe.
    Warum nicht Heine?

    Ich erzähle viel über ihn, seine Biographie, seinen Humanismus, sein Stück »Almansor«, das für Religionsfreiheit eintritt, in dem der berühmte Satz sich findet: »Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.« Das gefällt ihnen. In zwei Tagen soll es soweit sein – eine kleine Präsentation des Heinrich-Heine-Stipendiums in der INA. Das ist ein Samstag. Ich denke, dass dies eigentlich kein guter Tag für eine Veranstaltung mit Studierenden ist, und äußere das auch. Doch die Professoren wiegeln ab, nein, das sei kein Problem.

    Tatsächlich ist die Theateruni sehr belebt am Samstag morgen, offensichtlich ein normaler Studientag. Die INA ist ein wenig rumpelig, aus grobem Beton, aber nicht ohne Charme. Aktuell wird ein großzügiger Neubau erstellt – von chinesischen Bauherren. Chinesen investieren bekanntlich seit einigen Jahren in großem Maßstab im Kongo. Die einen sichern sich seltene Erden mit Waffen oder Intrigen, der chinesische Weg geht eben so.

    Die INA-Studierenden sind lässig, oft ungewöhnlich gekleidet, sie stechen heraus unter den Jugendlichen, die man hier auf den Straßen sieht. Ein smarter Bohemientyp mit Pepitahut, Professor Nzey van Musala, empfängt uns und sagt, dass es bald anfangen werde. Auch er ist Dramatiker. Mit Heine hat er sich vertraut gemacht. Es gibt einen sehr umfangreichen französischen Wikipedia-Artikel, nicht viel kürzer als der deutsche Eintrag. Nzey ist ziemlich angetan und versteht gar nicht, wieso ihn im Kongo keiner kennt: Goethe, Büchner, ja – aber warum nicht Heine? Besonders gefällt ihm, dass Heine viele politische Gedichte geschrieben hat, das sei ihm persönlich auch sehr wichtig. Er fragt, ob ich ihm eine Auswahl davon schicken könne – er würde gerne eine Revue mit dessen politischen Texten realisieren. Das sage ich gerne zu.

    Rund 50 Studierende finden sich ein, um meinen Ausführungen über das Heine-Institut, Heine selbst sowie das Stipendium zu lauschen. Professor Ngaki, der zu uns gestoßen ist, übersetzt alles, was ich sage – wegen »meines europäischen Dialekts«, der es den Zuhörern schwermache, mich zu verstehen. Ich hoffe, dass das keine Umschreibung dafür ist, wie schlecht meine französische Aussprache ist. Manche der Studierenden scheinen ohnehin nicht recht zu wissen, was das mit ihnen zu tun haben soll, andere sind sehr aufmerksam und schreiben alles mit. Das Stipendium ist sehr hoch dotiert. Allerdings muss man sich in seriöser und profunder Weise mit Heine beschäftigen.

    Die Stimmung ist sehr gut. Die beiden Professoren bestätigen die Studierenden, wo sie können. Ich habe die Bewerbungsformulare ins Französische übersetzt, biete mich zur Betreuung von potentiellen Interessenten an, auch von Deutschland aus. Wir werden sehen. Zum Abschluss werden Gruppenfotos geschossen, ein Teil der Studierenden und die Professoren. Danach lädt uns Nzey van Musala auf ein Bier am Stand um die Ecke ein. Wir sitzen unter einem Sonnenschirm im Sand, und Professor Nzey sinniert: Ja, so habe es einst mit Goethe in Kinshasa angefangen. Nun sei Heine an der Reihe, die Rezeption werde jetzt starten. Ich finde es nett, dass er das sagt, glaube aber natürlich nicht daran. Wir verabschieden uns freundlich. »Bis zum nächsten Mal.« Ich habe keine Ahnung, ob ich jemals wieder nach Kinshasa komme, obwohl sich hier so vieles aufgetan hat. Mein Versprechen, Nzey van Musala mit Texten zu versorgen, bekräftige ich und halte es auch.
    Französische Übersetzungen

    Bücher – per Post oder so – kann man leider nicht schicken, sie kämen nie an. Also suche ich verstärkt nach Internetquellen. Französische Übersetzungen gibt es in Hülle und Fülle. Ich beschaffe Professor Nzey einigen Lesestoff, scanne zudem Auszüge aus der Düsseldorfer Heine-Ausgabe. Er ist besonders interessiert an Theaterstücken. Viele hat Heine nicht geschrieben, zu seinen Lebzeiten wurde nur »Almansor« ein einziges Mal aufgeführt, es war ein Riesenmisserfolg. Aber die INA ist nun mal eine Theateruni, so gesehen.

    Wir bleiben in Kontakt. Er berichtet vom Plan, ein »Centre Heinrich Heine« in Kinshasa zu eröffnen. Dann von weiteren Fortschritten auf dem Weg dorthin. Ich kann es nicht fassen, es ist erst einen Monat her, dass ich Kinshasa verlassen habe, da hat er bereits ein Büro im Vorort Kinkolé aufgetan, wo er in Kürze mit jungen Studierenden dieses wahrscheinlich erste afrikanische Heine-Zentrum betreiben möchte. Soviel zu meinen Vorurteilen.

    Das Vorhaben nimmt Formen an. Die offizielle Eröffnung findet am 13. Dezember 2023 statt, Heines Geburtstag. Am 17. Februar 2024, Heines Todestag, will Nzey van Muzala mit der Compagnie Marabout Théâtre, als französischsprachige Uraufführung, Heines Stück »William Ratcliff« auf die Bühne bringen. Es wurde, lange nach Heines Tod, nur sehr vereinzelt in kleineren deutschen Theatern gespielt. Und jetzt das: Heine in Kinshasa, es ist zu verrückt! Ein winziger Stein, große Wellen.

    #Allemagne #Congo #RDC #lettres #culture #bourse

  • Krise der Linkspartei : Alles im Griff
    https://www.jungewelt.de/artikel/463483.krise-der-linkspartei-alles-im-griff.html

    Le parti Die Linke abandonne simultanément son électoriat prolétaire et son identité socialiste. La notion d’une société à l’économie démocratique connue comme socialiste figure encore au programme du parti mais son programme électoral n’en fait plus mention. Le weekend dernier les délégués au congrès du parti ont refuté chaque tentative d’inscrire dans le programme pour les élections européennes de 2024 des revendications comme la socialisation des banques et des producteurs d’énergie.

    Fondé en 2007 comme organisation unifiée des socialistes de l’Est et de l’Ouest d’Allemagne le parti a perdu sa raison d’être initiale sans avoir trouvé une nouvelle mission. L’organisation s’est par exemple révélée incapable d’une modernisation de ses structures suivant l’esprit d’innovation et d’ouverture du parti pirate et n’a su adoper des buts écoligiques qu’une fois son propre déclin faisait s’agripper ses fonctionnaires au moindre élément prometteur voué pourtant à l’échec.

    Après le départ des populistes pragmatiques autour de Wagenknecht Die Linke n’est plus qu’une carcasse à laquelle les vers donnent un semblent de vie en grignotant de grandes bouchées de sa chair. Ça sent la pourriture opportuniste quand ses fonctionnaires nourris par les subventions de l"état capitaliste s’entrainent au concours du meilleur démocrate européen.

    Ils ont fait foirer le projet socialiste qu’ils étaient chargés de populariser. Qu’ils disparaissent enfin pour faire place à une gauche digne de ce nom.

    J’ai des regrets pour les biens appartenant au prolétariat allemand qui seront bientôt bradés dans la contexte de la faillite prévisible du parti. La maison Karl Liebknecht et le siège du journal Neues Deutschland ont survécu la contre-révolution de 1989/1990. Là pendant les deux ou trois périodes législatives à venir sans présence du parti au Bundestag sa situation financière se dégradera au point où on verra leur transformation en copropriété privée ou en espace bureaux hors de prix.

    20.11.2023 von Nico Popp - Ohne Grundsatzkritik und Sozialismus-Begriff: Linke-Parteitag billigt Europawahlprogramm. Schlagabtausch zum Krieg in Nahost

    Die Linkspartei mag sich in einer existentiellen Krise befinden – Parteitage organisieren kann sie immer noch. Der Bundesparteitag in Augsburg rollte ohne große Komplikationen und substantielle inhaltliche Auseinandersetzungen ab; die Parteitagsregie hatte die Lage jederzeit im Griff. Die Frage ist freilich, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen für die Zukunft der Partei ist.

    Der Austritt der zehn Bundestagsabgeordneten um Sahra Wagenknecht und die bevorstehende Gründung einer Konkurrenzpartei spielten in den Reden und Debatten allenfalls am Rande eine Rolle. Fraktionschef Dietmar Bartsch, der lange als »Verbündeter« Wagenknechts galt, ritt am Sonnabend noch die heftigsten Attacken gegen die ehemaligen Genossinnen und Genossen.

    Die Parteispitze war bemüht, Aufbruchstimmung zu vermitteln. Die beiden Parteivorsitzenden stellten am Sonnabend eine Kampagne zur »Erneuerung« der Partei vor, die unter dem Motto »Eine Linke für alle« steht. Die Kovorsitzende Janine Wissler verwies auf 700 neu eingetretene Mitglieder in den vergangenen Wochen.

    Noch mehr als der Parteitag in Erfurt im Juni vergangenen Jahres trug der in Augsburg über weite Strecken Züge eines Selbstgesprächs von Funktionären, Mitgliedern der Vorstände und Mandatsträgern aller Ebenen. Die Funktionäre dominierten auch die Generaldebatte, die bereits am Freitag mit Verweis auf den aus den Fugen geratenen Zeitplan von 120 auf 90 Minuten bei gleichzeitiger Beschränkung der Redezeit auf zweieinhalb Minuten eingedampft wurde. Ein Einspruch von Ellen Brombacher (Kommunistische Plattform) wurde von der Mehrheit der Delegierten zurückgewiesen.

    Immer wieder wurden in der General- und Antragsdebatte dennoch kritische Stimmen hörbar. Festgestellt wurde etwa, dass im Entwurf des Europawahlprogramms, der über 80 Seiten lang ist, das Wort Sozialismus nicht ein einziges Mal vorkommt. Kritisiert wurde auch, dass eine stundenlange Debatte über Detailfragen geführt wurde, ohne wenigstens kurz über den Charakter der Europäischen Union zu diskutieren.

    Hitzig wurde die Debatte aber nur am späten Freitag abend, als über den Krieg im Nahen Osten geredet wurde. Dazu hatte die ehemalige Bundestagsabgeordnete Christine Buchholz zuvor bereits in der Generaldebatte Position bezogen. Ihre Kritik am Vorgehen der israelischen Regierung wurde eher kühl aufgenommen. Als dann gegen Mitternacht gesondert über das Thema diskutiert wurde und der Delegierte Nick Papak Amoozegar von »ethnischen Säuberungen« und einem »Genozid« im Gazastreifen sprach, reagierten mehrere Delegierte mit Gebrüll.

    Der ehemalige Berliner Kultursenator Klaus Lederer nannte umgekehrt die Massaker an israelischen Zivilisten einen »Akt eliminatorischer Enthemmung« und eine »genozidale Gewaltorgie«. Am 7. Oktober sei etwas geschehen, was »seit 1945 so nicht mehr stattgefunden hat«. Gegen die gedankliche Verbindung der Gewalt der islamistischen Hamas mit den Naziverbrechen erhob sich kein hörbarer Protest. Auch Parteichef Martin Schirdewan wurde von Lederer angegriffen: Er, Lederer, habe »sich geschämt«, dass Schirdewan »offen antisemitische Äußerungen« eines spanischen linken Europaabgeordneten in seiner Rede »unwidersprochen« gelassen habe. Angenommen wurde mit großer Mehrheit schließlich ein vorab ausgehandelter »Kompromissantrag«.

    In der Debatte zum Wahlprogramm hatten die vom Parteivorstand aufgebotenen Gegenredner keine Schwierigkeiten, politisch nicht erwünschte Änderungsanträge abschmettern zu lassen. Anträge, die auf Korrekturen hinausliefen, ohne dabei den verdünnten Reformismus des Programms zu konterkarieren, wurden dagegen zum Teil übernommen bzw. mit Mehrheit gebilligt, darunter die Erhöhung der Mindestlohnforderung von 14 auf 15 Euro und die Koppelung des Mindestlohns an einen jährlichen Inflationsausgleich. Aber sogar dafür fand sich ein Gegenredner, der vor einer »Lohn-Preis-Spirale« warnte.

    Aufklärung über den politischen Standort der Delegiertenmehrheit brachte ein Änderungsantrag, dessen Einbringer die Forderung nach der Überführung aller Konzerne im Energiebereich in öffentliches Eigentum in das Programm einfügen wollten. Dagegen sprach für den Vorstand Bundesschatzmeister Harald Wolf. Er wolle »wegkommen von diesem Schlagwortsozialismus«. Dabei folgte ihm die Mehrheit der Delegierten: 172 stimmten für, 195 gegen den Änderungsantrag.

    Das Wahlprogramm, in dem sich keine Grundsatzkritik an der EU findet, wurde schließlich ohne wesentliche Änderungen mit großer Mehrheit beschlossen.

    Der Delegierte Thomas Kachel kritisierte anschließend die Inhalte und das Verfahren in einer persönlichen Erklärung. Er sprach von einer »friedenspolitischen Hypothek« und einem »autoritären Durchregieren« des Parteivorstandes. In dem Wahlprogramm gebe es einmal mehr »verordnete Einseitigkeit in Sachen Ukraine und Agieren der NATO« und eine Zustimmung zu Sanktionen »sogar gegen unseren eigenen Beschluss in Erfurt«. Die sichtbar wütende ehemalige Berliner Landesvorsitzende Katina Schubert, die in der Tagungsleitung saß, schnitt Kachel schließlich das Wort ab.

    #gauche #Die_Linke #Allemagne #hybris