• Berlin-Fragebogen mit Kabarettist Frank Lüdecke: „Berlins Dysfunktionalität muss erhalten bleiben“
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/kabarettist-frank-luedecke-berlins-dysfunktionalitaet-muss-dringend

    Abgeklärte Sicht aus Kleinmachnow. Wer da gelandet ist hat das echte Berlin verlassen. Die dargestellte Haltung ist geblieben, nur blasierter ist sie geworden. Charlottenburg potenziert. Man merkt die innerliche Annäherung an Restdeutschland, die Voraussetzung jeden Erfolgs seit Berlin Bonn implantiert wurde.

    5.2.2024 von Anne Vorbringer - Berlin hat rund 3,8 Millionen Einwohner, und jeder hat seinen eigenen Blick auf die Stadt. Was macht Berlin aus, wieso lebt man hier – und tut man es überhaupt gern?

    In unserer Rubrik „Fragebogen Berlin“ fragen wir bekannte Hauptstädterinnen und Hauptstädter nach ihren Lieblingsorten und nach Plätzen, die sie eher meiden. Sie verraten, wo sie gern essen, einkaufen oder spazieren gehen. Aber auch, was sie an Berlin nervt und was man hier auf keinen Fall tun sollte.

    Diesmal hat der politische Kabarettist, Autor und Kolumnist Frank Lüdecke unsere Fragen beantwortet, der mit seinen Programmen seit vielen Jahren die hauptstädtische Kleinkunstszene prägt und auch im Fernsehen gern einen satirischen Blick auf die Stadt wirft. So bemerkte er unlängst bei „Nuhr im Ersten“, dass ihm Berlin in letzter Zeit in der öffentlichen Wahrnehmung zu schlecht wegkäme: „Es geht mir ziemlich auf den Senkel, wie manche hier über meine Heimatstadt sprechen, vor allem Zugereiste aus den ländlichen Gebieten wie Köln oder so.“

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    Auch in unserem Fragebogen kommen persönliche Eindrücke nicht zu kurz, immerhin hat der 62-Jährige die Stadt kaum je länger verlassen, auch wenn er seit geraumer Zeit etwas über den Rand gerückt ist und mit seiner Familie in Kleinmachnow lebt. Arbeitsort ist aber immer noch die City West: Seit fünf Jahren leiten Frank Lüdecke und seine Frau das Kabarett-Theater Die Stachelschweine in der Tauentzienstraße, dessen Programme wie „Steglitz, wir haben ein Problem!“ Presse und Publikum gleichermaßen überzeugen.

    Am 30. März hat Lüdeckes neues Soloprogramm „Träumt weiter!“ in den Wühlmäusen Premiere. Und während der Fußball-Europameisterschaft wird es bei den Stachelschweinen das satirische EM-Spektakel „Pfostenbruch“ geben, mit bekannten Kabarettisten, Comedians, Schauspielern und Sportlern.
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    1. Herr Lüdecke, seit wann sind Sie schon in der Stadt?

    Ich bin schon sehr lange in der Stadt. Ich glaube, einer der Hauptgründe muss wohl gewesen sein, dass mich meine Mutter in Charlottenburg zur Welt gebracht hat. So was prägt enorm. Dann, dass ich in Charlottenburg zur Schule gegangen bin und schließlich in Zehlendorf studiert habe. An einer Elite-Uni, die damals aber noch „Rostlaube“ hieß und einen total verfleckten Teppich hatte.

    Ich bin in dem Sinne kein Weitgereister. Ich war mal vier Jahre im Rheinland. Wir haben immer gesagt, wir leben jetzt zwischen Düsseldorf und Köln. Um nicht „Neuss“ sagen zu müssen. Dadurch habe ich Berlin wieder richtig schätzen gelernt.

    2. Welcher ist Ihr Lieblingsort in Berlin?

    Der Teufelsberg mit der Blickrichtung Grunewald/Spandau im Herbst.

    3. Wo zieht es Sie hin, wenn Sie entspannen wollen?

    In ein nahegelegenes europäisches Ausland, wo sehr viele Menschen Italienisch sprechen. In Berlin kann ich nicht so entspannen. Überall Termine, Spielplanänderungen, Proben, Leute, die was wollen und dieser blöde Fitnessclub, der monatlich abbucht.

    4. Welche Ecken der Stadt meiden Sie?

    Eigentlich nur den Hauptbahnhof. Ich mag den nicht. Vielleicht, weil mir da mal mein Computer gestohlen wurde. Die Gleise unten machen mich depressiv. Ich steige lieber in Spandau ein oder am Südkreuz.

    5. Ihr ultimativer Gastro-Geheimtipp?

    Ein veganes Restaurant in der Kantstraße: Bodhicitta Vegan Bowl, Kantstraße 139. Familienbetrieb. Und ich bin kein Veganer, überhaupt nicht. Also das will schon was heißen. Dann noch ein anderes, wo wir eigentlich noch öfter hingehen. Ich hab etwas Angst, dass es dann total überlaufen ist, wenn ich es jetzt hier empfehle. Aber egal. Es befindet sich ziemlich direkt am S-Bahnhof, wenn Sie den hinteren Ausgang nehmen. Direkt auf der anderen Straßenseite sehen Sie es schon. Ich kann es nicht besser beschreiben.

    6. Ihr ultimativer Shopping-Geheimtipp?

    Das ist lustig. Sie könnten mich auch nach meinen schönsten Ballett-Erfahrungen befragen. Ich bin nicht so der Einkaufstyp. Ich laufe immer nur hinterher und trage die Tüten. Die schönsten Geschäfte sind für mich die, die eine Sitzgruppe haben, zum Warten. Wo ich gerne hingehe, sind Gitarrenläden. Just Music am Moritzplatz zum Beispiel. Geht gerade pleite, lese ich. Das KaDeWe ist auch sehr schön. Viele Sitzgelegenheiten. Geht auch pleite, liest man. Empfehlen kann ich die sechste Etage mit vielen sogenannten „Food-Countern“. Das Preis-Leistungs-Verhältnis sucht seinesgleichen in der Stadt, wenn Sie verstehen, was ich meine.

    7. Der beste Stadtteil Berlins ist …

    Charlottenburg? Mitte? Friedrichshain? Schöneberg? Die Meinungen der Experten gehen auseinander. Gatow ist es – glaube ich – nicht. Obwohl die Rieselfelder auch was haben.

    8. Das nervt mich am meisten an der Stadt:

    In den 2000ern Zugereiste, die mir erklären, wie cool die Achtzigerjahre in Berlin waren. Und Türken, die seit 30 Jahren in der Stadt leben und hupend über den Kudamm fahren, weil Erdogan die Wahl gewonnen hat.

    9. Was muss sich dringend ändern, damit Berlin lebenswert bleibt?

    Die Dysfunktionalität muss erhalten bleiben. Dringend. Worüber sollen wir uns aufregen, wenn es keinen „Schienenersatzverkehr“ gibt? Berlin ist die einzige Stadt der Welt, die einen Eintrag bei der Schufa hat! Die Stadt, wo selbst die weltbesten Architekten ihre langweiligsten Projekte realisiert haben. Das muss doch einen Grund haben!

    Stellen Sie sich vor, wir hätten weltläufige Politiker! Wozu? Ich bin ja selbst über Charlottenburg kaum hinausgekommen. Nein, es ist alles gut so, wie es ist. Hier schreibt jeder an einem Drehbuch oder bringt demnächst eine EP heraus oder hat ein fantastisches Filmangebot. In Aussicht. Neulich hab ich einen kennengelernt, der hat keinen Podcast! Gibt’s auch, aber selten.

    Fließend Wasser in Grundschultoiletten wäre natürlich schon wünschenswert. Viele Turnhallen verfügen ja noch über Baumängel aus der Weimarer Republik. Wer die Stadt verstehen will, dem empfehle ich zwei Dinge. Zum einen die Geschichte von Hertha BSC. Und zum anderen eine kleine Anekdote, die ich Ihnen hiermit wiedergebe. Ich habe sie selbst erlebt und sie ist wahr. Am Tag des 9. November 1989 stand ich abends am Grenzübergang Invalidenstraße. Die Mauer war gerade gefallen. Plötzlich kommt Walter Momper, der Regierende Bürgermeister mit seinem roten Schal. Er steigt auf eine Art Mülltonne. Ich denke, was wird er uns mitteilen, zum welthistorischen Ereignis? Heute, da die ganze Welt auf uns schaut? Er breitet die Arme aus und sagt: „Liebe Berliner und Berlinerinnen! Dies ist der glücklichste Tag in unserer Geschichte! Aber wir dürfen eines nicht vergessen: Die Zufahrtswege müssen frei bleiben!“

    10. Ihr Tipp an Unentschlossene: Nach Berlin ziehen oder es lieber bleiben lassen?

    Bleiben lassen. Und versuchen, den Podcast in Bad Ems zu etablieren.

    11. Cooler als Berlin ist nur noch …

    … ein sehr kleiner Ort in Italien, dessen Name mir gerade entfallen ist.

    Zur Person

    Frank Lüdecke kam 1961 in Berlin-Charlottenburg zur Welt. Zur Abiturfeier gründete er die Kabarettgruppe „Phrasenmäher“, die er während seines Germanistik- und Geschichtsstudiums an der Freien Universität weiterführte.

    Seine Solokarriere als politischer Kabarettist begann 1997 mit dem Programm „Verteidigung der Sittsamkeit“. Lüdecke gastierte mit seinen Soloprogrammen auch häufig in Dänemark, der Schweiz und Italien sowie in Berlin in der Distel, im Schlossparktheater und den Wühlmäusen. Er wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Deutschen Kabarett-Preis.

    Ab 2004 war Lüdecke Stammgast in der ARD-Sendung „Scheibenwischer“, später auch im ZDF-Format „Die Anstalt“. Auch bei „Nuhr im Ersten“ tritt er regelmäßig auf. 2019 übernahm er die künstlerische Leitung des Kabaretts Die Stachelschweine im Europa-Center, seine Frau Caroline ist die Geschäftsführerin (Foto).

    #Berlin #Kabarett #Anekdoten

  • Jahreswechsel: Wie ein Taxifahrer die Silvesternacht in Berlin erlebt - Berlin - Tagesspiegel
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/jahreswechsel-wie-ein-taxifahrer-die-silvesternacht-in-berlin-erlebt/23808302.html

    1.1.2019 von Robert Klages - Wenn sich Fahrgäste vor den Wagen schmeißen und auf der Rückbank würgen, dann muss Silvester sein in Berlin. Und Christian Schmitz sitzt hinterm Steuer.

    Silvester, die Nacht ohne freie Taxis. Das erfahren jährlich zahlreiche Berliner, wenn sie in der Nacht des Jahreswechsels versuchen, eines der hellelfenbeingelben Autos zu bekommen. Man steht am Straßenrand und winkt und winkt, keine Taxe hält an. Man ruft die Hotline an: entweder besetzt oder eine Wartezeit von mehr als einer Stunde. Ja, arbeitet denn keiner mehr?

    Wir ändern die Perspektive: Für Taxifahrer ist es die Nacht ohne Pause. Christian Schmitz fährt Nachtdienst, seine Schicht geht von 16 Uhr bis open end. „Silvester ist natürlich einer der wichtigsten Tage, da kann man das Dreifache des sonstigen Umsatzes machen“, erzählt er bei einem Kaffee an einer Schöneberger Tankstelle, wo seine Schicht beginnt und er den Wagen eines Kollegen übernimmt.

    Silvester kann er sich vor Kunden kaum retten. Schmitz berichtet vom vergangenen Jahr: Die Taxisuchenden hätten ihm sogar den Kofferraum aufgerissen und versucht, hineinzuklettern, obwohl der Wagen bereits voll war. Es verginge keine Minute ohne Auftrag und die „Winker“ verteilten sich entlang der größeren Straßen. Winker, das ist Taxifahrerjargon für Kunden, die vom Straßenrand aus versuchen, einen Wagen zu bekommen. Silvester jedoch würden diese Winker zu Springern, da sie sich teilweise sogar auf die Motorhauben der an Ampeln wartenden Taxen werfen, in der Hoffnung, mitgenommen zu werden. „Aber ich kann nur vier Leute mitnehmen“, sagt Schmitz und lacht. „Mehr geht nicht.“

    „Bitte... bitte, ich suche schon seit Ewigkeiten“
    In der letzten Silvesternacht habe er versucht, eine Pause zu machen. Er fuhr in eine dunkle Straße und stellte die Scheinwerfer, die Innenbeleuchtung und die Fackel, also das Taxilicht auf dem Dach, aus. Schmitz wühlte sein Pausenbrot heraus und wollte soeben abbeißen, da klopfte es an der Scheibe. Ein Mann lallte, er müsse nach Kreuzberg. Schmitz rührte sich nicht, vielleicht würde ihn der Mann durch die verdunkelte Scheibe nicht sehen. Doch es klopfte erneut. „Hallo. Halloooo! Ich muss nach Kreuzberg.“

    Schmitz schaute ihm direkt in die Augen. „Bitte… bitte, ich suche schon seit Ewigkeiten“, winselte der Mann und sackte zusammen, seine Hand glitt an der Scheibe herunter. Schmitz stellte das Licht an und öffnete die Tür, der Mann fiel ihm um den Hals und nur wenige Sekunden nach Start des Motors in einen komatösen Schlaf. „Das war knapp“, dachte sich Schmitz.

    Als Nachtfahrer hat er es öfter mit Betrunkenen zu tun. In seinem Buch „Der Fuchsflüsterer vom Zeltinger Platz“ erzählt er humorvoll davon. Der 57-Jährige hat 1983 seinen Taxischein gemacht, ist aber eigentlich Historiker. An der Freien Universität hat er zu Berliner Bürgermeistern im 17. Jahrhundert geforscht. Taxi gefahren ist er schon als Studierender, das sei damals so üblich gewesen.

    Im vergangenen Jahr hat Christian Schmitz seine Taxi-Geschichten auf diversen Berliner Lesebühnen präsentiert, wie „LSD – Liebe Statt Drogen“ oder der „Reformbühne Heim und Welt“. Sein Buch verkauft er natürlich auch im Taxi, im Schnitt eins pro Woche. Er ist nicht der erste Taxifahrer, der ein Buch schreibt. Das wohl bekannteste heißt „Rauchender Hund zur Nolle 17“ von Stefan Buchenau, erschienen 1984. Die Interaktionen zwischen Menschen, die von A nach B gebracht werden wollen, und denen, die sie von A nach B bringen, liefern immer neue Geschichten.

    Bei Betrunkenen gilt: Heizung aus, Fenster öffnen
    Silvester 2017/2018, Bahnhof Spandau, kurz nach Mitternacht. „Ein Pärchen, beide rotzevoll. Sie wollen nach Falkensee gefahren werden.“ Schmitz erzählt das mit tiefer, ruhiger Stimme. Das Wichtigste bei Betrunkenen sei: Heizung aus und das Fenster einen Spaltbreit runter. „Und dann ist denen immer noch zu warm.“ Und man müsse den Moment erkennen können, ob sich jemand wirklich übergeben muss oder nur besoffen ist. So auch diesmal: die Frau würgt, Schmitz hält, die Frau spuckt aus dem Wagen. Und wieder: „Das war knapp.“

    Ein paar Tipps für Taxikunden hat Christian Schmitz auch: Die Kurzstrecke, eine Eigentümlichkeit der Hauptstadt – maximal zwei Kilometer für fünf Euro. Ein Kollege aus Hamburg berichtete, dass sich immer wieder Kunden zu ihm in den Wagen setzen und „einmal Kurzstrecke“ wünschen. „Ah, Sie kommen aus Berlin“, weiß der Kollege dann sofort.

    Kurzstrecke gibt es nur bei einer Taxe aus freier Fahrt. Und die Kunden sollten darauf bestehen, meint Schmitz. Es gebe durchaus Taxifahrer, die so täten, als gäbe es den Tarif nicht. Übrigens sei es in Berlin üblich geworden, hinten einzusteigen. Man könne auch vorne einsteigen, betont Schmitz. Würde aber kaum jemand machen. Auch am Halteplatz: Man müsse nicht den ersten Wagen nehmen, wenn dieser nicht gefällt, weil etwa der Fahrer schläft oder das Auto zu dreckig ist.

    Nicht jeder Taxifahrer kennt sich mit Fußball aus
    Was aber, wenn der Taxikunde dem Fahrer nicht gefällt? Schmitz mag keine ausländerfeindlichen Fahrgäste. Letztens sei einer mit den Worten „Oh, mal ein deutscher Fahrer“ eingestiegen. Schmitz fuhr auch diesen Mann an sein Ziel, er fühlte sich schlecht hinterher, betrübt und traurig. „Ich hätte sagen sollen: oh, mal wieder ein ausländerfeindlicher Fahrgast.“

    Nicht ganz so schlimm, aber ungünstig fürs Gespräch ist es, wenn die Kunden mit Schmitz über Fußball reden wollen. „Von einem Berliner Taxifahrer wird anscheinend erwartet, dass er sich wie selbstverständlich für Fußball interessiert.“ Wenn von hinten die Frage kommt: „Wie haben sie denn gespielt?“, weiß Schmitz das nicht. Er stellt dann meistens das Radio an.

    In seinen Kurzgeschichten erzählt er auch davon, wie sich manche Leute von ihm durch Berlin kutschieren lassen – nur, um zu quatschen. Dem Taxifahrer, dem kann man es ja erzählen, so anonym in der Nacht. Schmitz hat eine Regel: „Die Unterhaltung muss immer vom Fahrgast ausgehen.“ Und klar: Die Gespräche wiederholen sich. So zum Beispiel der alte Witz auf die Frage, wo es denn hingehen soll: „Nach Hause“. Da lacht Schmitz nicht mehr, sondern drückt aufs Gas.

    „Aber im Grunde macht es Spaß, Silvester zu fahren. Die Leute sind gut drauf“, sagt er. Der Kaffee ist leer, seine Schicht beginnt. In diesem Jahr bleibt Schmitz zum Jahreswechsel allerdings zu Hause. Er will mit seiner Familie feiern.

    Wer Christian Schmitz und seine Texte ohne Taxe live erleben möchte: Am 10. Januar ist er um 20.30 Uhr bei den „Brauseboys“ zu Gast, der Lesebühne in Wedding im „La Luz“ in den Osramhöfen, Oudenarder Straße 16-20. Eintritt 8 Euro, ermäßigt fünf Euro. „Der Fuchsflüsterer vom Zeltinger Platz“ ist beim Periplaneta-Verlag erschienen, 144 Seiten, 12 Euro.

    #Taxi #Berlin #Anekdoten #Arbeit #Party

  • Uli Hannemann: Tagebuch eines Dieseljunkies - Stadtleben - Berlin - Tagesspiegel
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/stadtleben/uli-hannemann-tagebuch-eines-dieseljunkies/1505446.html

    07.05.2009, - von G. und A. Bartels - Von Neukölln ins Taxi: Autor Uli Hannemann hat Klischees zu einem lustigen Buch verarbeitet..

    Treffpunkt ist der Taxistand Gneisenaustraße Ecke Zossener in Kreuzberg. Gibt’s da auch bestimmt wartende Taxen? „Garantiert“, sagt Uli Hannemann sarkastisch und verweist dabei auf seine Erkenntnisse aus der Taxiwarteschlange. Der Autor und Lesebühnenheld hat nach seinem Berlin-Buchhit „Neulich in Neukölln“ jetzt ein weiteres Klischee aufs Korn genommen: „Neulich im Taxi“ (Ullstein). Klar, dass er da auch fürs Foto im Taxi sitzen muss, obwohl seine 17 Kutscherjahre inzwischen dank der Neukölln-Satire Geschichte sind.

    „Ach, da ist ja der Volker“, ruft Hannemann, als er nach vorne gebückt die wartende Taxireihe entlangspäht. Und der grau bezopfte Volker hat gar nichts dagegen, seine beige Karre als Fotokulisse zur Verfügung zu stellen. Wie lange er schon Taxi fährt? „Zu lange!“, brummt Volker. Wetter ist für Taxifahrer sicher ganz o.k. heute, oder? „Grauenhaft“, seufzt Volker, „vier Wochen kaum eine einzige Wolke am Himmel und dann das bisschen Regen.“ Als Taxifahrer stehe er generell nur auf Winter. Und wie geht’s Geschäft? „Schlimm, seit Januar 25 bis 30 Prozent Umsatzrückgang“, stöhnt Volker.

    Könnte glatt in „Neulich im Taxi“ stehen der Dialog. In Uli Hannemanns Taxi- Fibel bearbeitet der 1965 in Braunschweig geborene Satiriker alle sattsam bekannten Droschkenkutschereigenschaften Berlins wie Nölerei, fehlende Ortskunde, chronischer Redeschwall oder Pampigkeit. In kurzen Glossen, die stets mit einer Alltagsszene aus dem „zweitältesten Gewerbe der Welt“ beginnen und dann nach den ersten zehn Sätzen grotesk zugespitzt überdrehen. So, wie die über die kettenrauchende Moabiterin, die ob der dicken Luft in der Taxe mosert, „Haste keene Klimaanlare in deine Jurke?“, und schließlich ihren quengelnden Kids Kippen anzündet. Sie ist nur eine von unzähligen Bekloppten, die der Nachtfahrer von Berlins Straßen aufliest.

    Irgendwie setzt sich beim Lesen der Eindruck fest, dass der nette Herr Hannemann im lockeren Studentenlook seine Taxikunden ziemlich gehasst hat. „Nö“, meint er, „nichts hat mir den Job so verleidet wie das sinnlose Rumgestehe.“ Da würde man weder gebraucht noch bezahlt, was schließlich Voraussetzung sei, um einfache Arbeit zu ertragen. Bis zu zweieinhalb Stunden habe er oft auf eine Fuhre gewartet, sagt der „gescheiterte Taxifahrer“, der jahrelang an der FU „die Speisekarte rauf und runter studiert hat“ und seit zehn Jahren Texte schreibt. Der „Gescheiterte“ ist auch Teil seiner Fahrertypologie, die im Buch genauso zu finden ist wie Tipps zum richtigen Taxifahren („Trinkgeld geben adelt, Kurzstrecke fahren ist wie Delfinbrötchen essen“).

    #Berlin #Taxi #Anekdoten #Arbeit

  • Taxifahrten in Berlin: Fahrer Akin kämpft gegen Fischgerüche an | Berliner Zeitung
    https://www.berliner-zeitung.de/berlin/taxifahrten-in-berlin-man-riecht--wenn-vorher-ein-fischhaendler-dri

    Öfter mal saubermachen Kollege, möchte man sagen. Wenns riecht hält man an und putzt das Auto inklusive Sitze und Dachhimmel. Früher war das anders, da stanken die Raucherkutschen nach Tabakqualm und gut war. Andere Gerüche hatten keine Chance, auch nicht der Wunderbaum. Heute putzen wir Scheiben, Innen und Außenseite des Autos beinahe täglich. Die Welt ist halt besser und sauberer geworden, oder ?

    Ich fahre gern und viel mit dem Taxi. Man sitzt bequem, hört Musik und kann, wenn man will, ein wenig mit dem Fahrer plaudern. Und es riecht nicht so streng wie in Bussen und Bahnen. Das dachte ich jedenfalls bis vor einigen Tagen.

    Da holte mich Akin von zu Hause ab, ein Mann, den ich bereits kenne. Er ist nicht sehr groß, freundlich und stammt aus der Türkei. Irgendwann war er mit seiner Frau nach Berlin gekommen und geblieben. Er spricht gut Deutsch, sein Stolz sind die Kinder. Die Tochter studiert erfolgreich irgendetwas mit Verwaltung. Ihr jüngerer Bruder geht noch zur Schule. Akin fühlt sich wohl in Berlin, ist glücklich und sagt es auch.

    Sie stieg aus dem Taxi aus, der frische Geruch blieb
    Ich stieg jedenfalls am Vormittag in sein Auto ein und machte es mir auf der Rückbank, soweit das möglich war, bequem. Doch im Fahrzeug roch es anders als sonst. Es war ein Mix aus Parfüm, Haarlack und Frische. Der Geruch war nicht unangenehm. Er glich dem beim Friseur.

    Akin fiel auf, dass mir der Duft gefiel. Er lächelte. Kurz darauf erzählte er, dass er vor meiner Tour von einer älteren Dame geordert worden war. Sie wollte vom Friseur zurück in ihr Hotel gebracht werden. Sie stieg aus, ihr Duft blieb.

    Drei Tage später reagierte Akin auf meine Bestellung über den Taxiruf wieder als erster. Ich kam aus dem Büro und wollte nach Hause. Wir freuten uns, als wir uns sahen und begannen sofort über die Familie zu reden. Aber die Frische im Auto war verflogen. Nun roch es streng, nach Fisch. Akin war es peinlich.

    Die Fischhändler stiegen aus dem Taxi, der miefige Geruch blieb
    Er erzählte, dass er kurz zuvor zwei Fischhändler aus Mecklenburg-Vorpommern chauffiert hatte, die ihre Ware auf einem Markt erfolgreich feil geboten hatten. Geduscht hatten sie nicht. Der Mief stand wie eine Mauer im Auto.

    Ich schlug Akin spaßeshalber vor, dass er doch von nun an einfach nur noch Fischhändler oder Angler mit ihrem Fang kutschieren sollte. Immerhin sind 4000 Angler im Verband Berlin-Brandenburg organisiert.

    Die Idee fand Akin aber doof und wollte sich nicht darauf einlassen. Er überlegte, ob er vielleicht doch noch zu einer Tankstelle fahren wolle, um dort einen kleinen bunten Pappbaum zu erwerben. Eigentlich mag er den industriellen Duft dieser Bäume überhaupt nicht. Aber er sehe keine andere Chance, die Geruchsbelastung zu unterbinden. Er müsse sich wohl im Interesse der Kundschaft fügen.

    Der Taxifahrer will noch keinen Duftbaum, lieber friert er
    Doch dann sah er eine Werbung – und wollte versuchen, das Problem später auf der Fruit Logistica in den Messehallen am Funkturm zu lösen. Die Fachmesse findet noch bis zum Freitag statt. Zur größten europäischen Exponatenschau auf diesem Gebiet werde es wohl Fahrgäste geben, die keinen Fisch, sondern duftendes Obst verkaufen und anschließend dessen Geruch mit sich tragen.

    Bei der nächsten Fahrt war klar zu riechen, dass er noch keinen Fruchthändler erwischt hatte. Fischgeruch hält sich sehr lange. Für Akin heißt es nun weiterhin: Fahren mit offenem Fenster. Denn noch will Akin keinen Duftbaum. Lieber friert er.

    #Berlin #Taxi #Anekdoten