• Ukraine: Die von der EU subventionierte Ökonomie wird zum Problem für Polen
    https://www.freitag.de/autoren/jan-opielka/ukraine-die-von-der-eu-subventionierte-oekonomie-wird-zum-problem-fuer-polen

    Die Fehlfarben waren eine visionäre Band der 1980er. Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran. So lautete die erste Trophe des Sings Ein Jahr (Es geht voran) und so läuft es. Die Ukraine hat einen historischen Auftrag zu erlefigen. Dahinter müssen alle anderen zurückstehen.

    Die Ironie der Geschichte besteht darin, dass nun die polnischen, slowakischen und anderen Lohndumping-Ausbeuter im Fuhrgewerbe kaputtbemacht werden, nachdem die selbst aus stolzen deutschen LKW-Fahrern Hungerlöhner gemacht haben. Dazu hatten sie bereits Fahrer von den Philippinen geholt, um noch weniger zshlen zu können, als ein Angestellter aus dem eigenen Land zum Überleben braucht.

    Das ähnelt den Uber-Methoden zur Zerschlagung des Taxigewerbes.

    Von Jan Opielka - Konkurrenz: Ukrainische Spediteure müssen nicht mehr – wie noch vor dem Krieg – Transportgenehmigungen einholen, um den EU-Markt zu bedienen. Dadurch könnten sie polnischen Transportfirmen Konkurrenz machen und die Preise stutzen

    Als sich im Frühjahr die Proteste polnischer Bauern gegen ukrainische Getreideexporte zu einem handfesten Konflikt zwischen der EU und Warschau auswuchsen, wirkte das wie ein Vorspiel für künftige, gravierendere Differenzen. Die sind nun da und lassen an Vehemenz nichts zu wünschen übrig. Brüssel und damit letztlich auch Polen räumen der Ukraine auf vielen Feldern Vorteile ein, um das Land zu entlasten. Folglich müssen ukrainische Spediteure nicht mehr – wie noch vor dem Krieg – Transportgenehmigungen einholen, um den EU-Markt zu bedienen. Dadurch können diese Unternehmen polnischen Transportfirmen Konkurrenz machen, indem sie etwa die Preise stutzen.
    Blockaden an der Grenze zur Ukraine

    Laut Infrastrukturministerium in Warschau beliefen sich die Fahrten aus der Ukraine 2023 auf bisher gut 800.000 und wären damit auf das Vierfache gestiegen. Polen verliert demnach Marktanteile in Größenordnungen. Es fällt leicht, polnischen Spediteuren, Fahrern von Trucks und inzwischen auch wieder Landwirten vorzuhalten, sie würden aus Wut die Grenze zur Ukraine blockieren. Doch ist dieser Vorwurf deplatziert, da humanitäre Güter passieren dürfen, obwohl polnische Spediteure beim Verlassen der Ukraine auf massive Meldeprobleme stoßen, die oft zu tagelangem Warten führen.

    Angebrachter wäre es, den Blick auf Brüssel zu richten. Von der EU-Zentrale aus gesehen ist Kiew trotz aller Beistandsrhetorik recht fern, für Polen aber nachbarschaftlich nah. Das Land hat seit Februar 2022 nicht nur die meisten ukrainischen Flüchtenden aufgenommen, es ist in seinem Wirtschaftsgeschehen zugleich am stärksten einer international großzügig subventionierten ukrainischen Ökonomie ausgesetzt. Dass deren Wettbewerber Marktanteile erobern und halten wollen, ist nachvollziehbar.

    Polens Regierung hat dem lange nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt, weil der überbordende Wille das Denken beherrschte, weltweit die Speerspitze unter den Alliierten Kiews zu sein. Aus den vor Monaten aufgeflammten Protesten der eigenen Bauern wurden daher keine Lehren gezogen. Auch jetzt musste die Blockade der Trucker erst eskalieren, damit man sich bewegte oder zumindest so tat: Noch-Regierungschef Mateusz Morawiecki schickte bislang nur den zuständigen Minister an den Ort des Geschehens – und das nach drei Wochen Protest.
    Was das für die nächste Regierung Polens heißt

    Brüssel vermittelt den Eindruck, dass Polens Umgang mit dem Verdrängungskampf der Spediteure nur unverständlicher Kleinkram und Erbsenzählerei sei angesichts der Mammutaufgabe, die Ukraine in die EU zu lotsen und über Russland triumphieren zu lassen. Das Ganze ist auf die Spitze getrieben, wenn Warschau Kompensationsmittel angeboten werden, die aus polnischen Töpfen kommen. Wer so agiert, bürdet der bei den jüngsten Sejm-Wahlen siegreichen pro-europäischen Opposition eine schwere Last auf. Diese kann angesichts der Situation gar nicht anders, als bei der Frage nach der Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Kiew strikt die nationale Flagge zu hissen, auf die Bremse zu treten und den Brüssler Solidaritätskurs auf den Prüfstand zu stellen.

    Denn unverkennbar sinkt dank einer wenig reflektierten EU-Politik in der polnischen Bevölkerung die Akzeptanz für die Ukraine-Hilfen. Auch slowakische Spediteure haben bereits angedroht, ihrerseits an der Grenze zur Ukraine aktiv zu werden. Die EU, tief im Westen, sollte dringend ihren Blick auf den Osten schärfen.

    #Arbeit #Lohndumping #Subventionen #Polen #Ukraine #Europäische_Union

  • Lieferdienst Wolt: Im Nebel der Subunternehmerketten
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1178185.arbeitsverhaeltnisse-lieferdienst-wolt-im-nebel-der-subunternehme


    Nach der Verhandlung am 30.11. bringen Unterstützer*innen ihre Kritik am Lieferdienst Wolt zum Ausdruck.

    Die Kläger waren schlecht vorbereitet. Den Nachweis dafür, davon überzeugt gewesen zu sein nicht für einen Subunternehmer zu arbeiten hätten sie substatiieren können. Davon abgesehen hätten sie auf einem schriftlichen Arbeitsvertrag bestehen müssen.

    39.11.2023 von Christian Lelek - Zunächst fühlt es sich nach einer Niederlage an, die zwei ehemalige Lieferkuriere am Donnerstagmittag einstecken müssen. Sie hatten Klage vor dem Landesarbeitsgericht Berlin eingereicht, um feststellen zu lassen, dass ein Arbeitsvertrag zwischen ihnen und dem Unternehmen Wolt bestanden hatte. Darauf aufbauend forderten sie von Wolt Löhne ein, die ihnen mutmaßlich vorenthalten wurden.

    Die Firma Wolt, die sich durch eine Anwältin vertreten ließ, argumentierte, dass keine Anstellung der sogenannten Rider erfolgt sei. Aber man habe im fraglichen Zeitraum mit dem Subunternehmen GW Trans zusammengearbeitet. Etwaige Schulden aus einem Arbeitsverhältnis hätten die Rider gegenüber GW Trans geltend zu machen.

    Muckefuck: morgens, ungefiltert, links

    nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik - aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin - ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

    Vor Gericht geben die beiden Kläger an, von GW Trans nie etwas gehört zu haben. Stattdessen hätten sie sich über Anzeigen im Internet beworben, die damit geworben hätten, für Wolt einzustellen. Das Einstellungsverfahren sei dann über einen Handyladen in Neukölln gelaufen. Dort hätten sie Arbeitskleidung und Zugang zur Wolt-App bekommen. Für sie sei nicht erkennbar gewesen, dass sie nicht für Wolt direkt arbeiteten.

    Die Verhandlung dauert zwei Stunden lang. Die Kläger hätten versuchen müssen, das Gericht davon zu überzeugen, dass tatsächlich ein Arbeitsverhältnis mit Wolt und nicht mit einem Subunternehmen bestanden habe. Am Ende seien hierfür aber keine Beweise vorgebracht worden, konstatiert der Richter.

    Die klagenden Kuriere und ihr Anwalt plädieren darauf, dass es nicht zum Schaden der Arbeitnehmer sein dürfe, wenn Wolt ein Umfeld schaffe, in dem nicht zu unterscheiden sei, ob die Fahrer für Wolt oder ein Subunternehmen arbeiteten.

    Trotz aller Mühen: Der Richter lässt durchblicken, dass er Wolt keine Teilschuld zuweisen würde. Daher bietet Klägeranwalt Martin Bechert am Ende einen Vergleich an: 1000 Euro statt der geforderten 3000. Die Gegenseite willigt ein. Der Vergleich beinhaltet die bemerkenswerte Feststellung, dass beide Parteien anerkennen, dass für 2022 und 2023 zwischen Wolt und dem Kläger kein Arbeitsverhältnis bestand. »Wir hätten verloren, deshalb ist der Vergleich ein Erfolg«, sagt Bechert.

    Ein richtungsweisendes Urteil bleibt am Donnerstag also aus. Arbeiter*innen werden sich weiterhin nebulösen Subunternehmerketten gegenübersehen, deren System sie nicht verstehen. Im Zweifel bleiben sie die Leidtragenden, die Lohngeprellten, die die Schuld der Unternehmen beweisen müssen.

    Die ehemaligen Rider und ihre Unterstützer*innen ziehen dennoch keine negative Bilanz. »Nach acht Monaten kommt endlich ein Verfahren zu Ende, in dem wir von Wolt 1000 Euro erkämpft haben«, sagt einer, »und das obwohl die nie zahlen wollten.« Es sei ein erster Schritt, um nachzuweisen, dass Wolt für fehlende Löhne und Diskriminierung Verantwortung übernehmen müsse. Man hoffe, dass sich mehr Rider aus der Deckung trauten.

    Der Unterstützerkreis behauptet zudem, dass Wolt gezielt junge, ausländische Studierende mit kurzen oder unsicheren Aufenthalten rekrutiere. »Es geht dabei nicht allein um Wolt«, sagt ein unterstützender Lieferando-Fahrer. »Es ist das deutsche Wirtschaftssystem, das den Unternehmen die Bedingungen für derlei Machenschaften zur Verfügung stellt.«

    Wolt sieht sich durch das Verfahren in seiner Auffassung bestätigt. »Aus unserer Sicht sind pragmatische, endgültige Klärungen langen und teuren Gerichtsverfahren stets vorzuziehen«, sagt eine Sprecherin zu »nd«. Man habe daher den Vergleich angenommen.

    Aus Wettbewerbsgründen wollte sich das Unternehmen nicht dazu äußern, in welchem Ausmaß Subunternehmen zum Einsatz kommen. »Wolt überprüft seine Partner vor und während der Zusammenarbeit regelmäßig und gründlich«. Im Zweifelsfall würden die Beziehungen beendet. »Wolt verhält sich zu jedem Zeitpunkt – auch im Kontext des angesprochenen Verfahrens – rechtskonform«, teilte Wolt »nd« mit.

    #Berlin #Justiz #Arbeit #Ausbeutung #Lieferdienste #Vergleich

  • Schlechte Arbeitsbedingungen in Tesla-Fabriken
    https://www.heise.de/news/Bericht-Schlechte-Arbeitsbedingungen-in-Tesla-Fabriken-9535729.html

    Im Tesla Werk Grünheide ist die Zahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle vier Mal so hoch wie in vergleichbaren Fabriken der Branche. Der Konzern entlohnt dabei seine Arbeiter deutlich schlechter als die Konkurrenz. Das Unternehmen folgt in Deutschland seiner Politik in den USA, sich einen Konkurrenzvorteil durch verschärfte Ausbeutung, Bekämpfung von Gerwerkschaften und Tarifflucht zu verschaffen.

    22.11.2023 von Marie-Claire Koch - Ein neuer Medienbericht deutet auf erschreckende Arbeitsbedingungen in Teslas Gigafactory in Texas hin.

    In Elon Musks Gigafactory in Austin, Texas, sollen sich laut einem Bericht vom Investigativmagazin The Information verschiedene Vorfälle ereignet haben, die auf erhebliche Gefahren am Arbeitsplatz hindeuten. Unter anderem seien Stahlträger, Metallgitter und andere Baumaterialien in der Nähe der Arbeiter zu Boden gestürzt.

    Teilweise stammen die Informationen aus Berichten über die Anzahl und Folgen von Arbeitsunfällen, die Tesla The Verge zufolge an die Occupational Safety and Health Administration (OSHA) übermittelt hatte – einer US-Bundesbehörde zur Durchsetzung des Bundesarbeitssicherheitsgesetzes. Demnach sei im Jahr 2022 jeder 21. Arbeiter verletzt worden.

    Laut Augenzeugenberichten wurde 2021 auch ein Ingenieur verletzt, der sich einem vermeintlich abgeschalteten Roboterarm näherte. Die Maschine habe ihre Bewegungen ausgeführt und den Mitarbeiter gekrallt und an die Wand gedrückt. Danach habe der Ingenieur an Rücken und Armen geblutet.
    Arbeitsunfälle führten zu Verletzungen

    Aus einem Verletzungsbericht geht zwar hervor, dass es einen Vorfall mit Robotern gegeben habe, diese stimmen aber nicht eindeutig mit den Zeugenaussagen überein. Außerdem sei es bei der Person in dem offiziellen Bericht nicht zu Fehlzeiten gekommen. Bei davon unabhängigen Vorfällen im August 2022 wurde der Knöchel eines Arbeiters unter einem Wagen eingeklemmt, was ihn für 127 Tage arbeitsunfähig machte. Tage später erlitt ein anderer Arbeiter eine Kopfverletzung, die ihn für 85 Tage außer Gefecht setzte.

    Aus jüngeren Berichten über Arbeitsunfälle geht hervor, dass mindestens ein Mitarbeiter eine Gehirnerschütterung erlitten habe, nachdem er durch einer Explosion im Metallgussbereich weggeschleudert worden war. Die Explosion habe angeblich Wasser ausgelöst, das in eine Verarbeitungsmaschine für geschmolzenes Aluminium gelangte. Dazu sei auch ein Überwachungsvideo vorhanden. Ob Tesla den Fall der OSHA gemeldet habe, sei unklar. Nachdem ein Arbeiter Mängel bei der Arbeitssicherheit beheben wollte, wurde ihm geantwortet, dass eine Abschaltung die Produktionsleistung verlangsamen würde.
    „Mangelnde Schutzausrüstung“

    Darüber hinaus stürzten Mitarbeiter einer beauftragten Firma, die in der Fabrik Metallgitter für erhöhte Gehwege installieren sollten, aufgrund mangelnder Schutzausrüstung zu Boden, was für Brüche und Verletzungen an der Lunge führten. Diesen Fall untersucht die OSHA nach Angaben von The Verge. In einer weiteren Tesla-Fabrik im kalifornischen Fremont sei es ebenfalls zu schweren Verletzungen von Arbeitern gekommen. Dabei wird Tesla auch vorgeworfen, eine zu geringe Anzahl an Verletzungen offiziell gemeldet zu haben. Kritik gibt es ebenfalls an Tesla-Chef Elon Musk, der sich in der Vergangenheit gegen die Bemühungen seiner Mitarbeiter stellte, sich gewerkschaftlich zu organisieren.

    Hierzulande gibt es ähnliche Beschwerden. Erst kürzlich hatte Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) einen Tariflohn für Tesla-Mitarbeiter gefordert. Zudem beklagten Tesla-Mitarbeiter in Grünheide immer wieder die Arbeitsbedingungen und überzogene Produktionsziele. Ende September 2023 wurden zudem auffallend viele Arbeitsunfälle in Grünheide bekannt. 190 meldepflichtige Fälle zwischen Juni und November 2022 habe Tesla angegeben. Laut der Berufsgenossenschaft Holz und Metall traten 2022 bei Autoherstellern und Zulieferern 16 meldepflichtige Unfälle je 1000 Beschäftigte auf. Für Tesla wären daher 64 meldepflichtige Unfälle normal.

    #Arbeit #Elektromobilität #Ausbeutumg #Unfall

  • Parkraumbewirtschaftung - Berlin.de
    https://www.berlin.de/sen/uvk/mobilitaet-und-verkehr/verkehrsplanung/strassen-und-kfz-verkehr/parkraumbewirtschaftung

    Wer Pause machen will muss zahlen, fast überall. Auf Taxenhalteplätzen dürfen aus gutem Grund nur betriebsbereite Taxen stehen, so dass dort keine Pausen verbracht werden können. Wir brauchen deshalb reservierte Taxi-Pausen-Parkplätze. Da auch so gut wie alle Flächen mit wilder Natur in der Stadt verschwunden sind, benötigen wir weitere Infrastruktur wie Toiletten, Fitness-Geräte und überdachte Sitzplätze zum Einnehmen unserer Mahlzeiten.

    Die Übersichtskarte zeigt den aktuellen Stand der Parkraumbewirtschaftung in Berlin
    https://gdi.berlin.de/viewer/main/?Map/layerIds=basemap_raster_grau,k_alkis_bezirke:1,parkraumbewirt:0&visibility=true,true,true&transparency=0,0,30&Map/center=%5b393077.7,5817624.249999998%5d&Map/zoomLevel=0

    #Berlin #Karte #Parkraumbewirtschaftung #Taxi #Arbeit

  • Taxifahrer-Mörder in Berlin verurteilt – Richter: „Er wird hinter Gittern bleiben“
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/taxifahrer-moerder-in-berlin-verurteilt-richter-er-wird-hinter-gitt

    Ein damné de la terre schlägt um sich, tötet. Die Justiz tut, was sie kann. Sperrt ein, wirft Schlüssel weg.

    Der Richter verzichtet auf Fanon. Braucht er nicht. Würde er nicht verstehen. Weshalb der Angeklagten morden muss, ohne Belang. Psycho-Diagnose genügt.

    Vielleicht hat der Angeklagte Recht. Es geht nicht ohne Mord. Das klärt die Justiz nicht auf.

    Vielleicht hilft Albert Camus. Vielleicht antwortet der Taxi-Mörder L’étranger . Vielleicht löst Hanekes Caché den Fall. Hat die Kammer nicht interessiert.

    Wahrheitsfindung ist Sache der Gerichte nicht. Es könnten Unantastbare auf der Anklagebank landen.

    Diagnose statt Wahrheit. Keine „Justiz“.
    Überlebenskampf im Dunkeln.
    Ohne Regeln. Alle gegen alle.
    Wie im Taxi.

    15.09.2023 von Laurenz Cushion - Da der 24-jährige Täter selbst gegenüber der Polizei ankündigte, er werde wieder töten, wird er auch nach 14 Jahren Haft nicht freigelassen werden.

    Die Schwester des Opfers weint, als sie im Saal 701 des Berliner Landgerichts über ihren kleinen Bruder spricht. Ihrem neun Jahre jüngeren Bruder habe sie in ihrer Kindheit die Windeln gewechselt, nachts würden sie diese Erinnerungen einholen. Neben ihr sitzen die Frau des Opfers, seine 22-jährige Tochter und sein 15-jähriger Sohn.

    Am Freitagmittag kam das Gericht nach fünf Verhandlungstagen zu seinem Urteil im Fall des am 6. April ermordeten Taxifahrers, der am frühen Morgen des Gründonnerstags schwer verletzt von einem Passanten in Grunewald gefunden worden war und noch am Vormittag im Krankenhaus starb. Der Angeklagte wurde für schuldig befunden, den 49-jährigen Familienvater ermordet und zehn Euro aus dessen Taxi gestohlen zu haben.

    Begonnen hatte der Verhandlungstag in Moabit mit einer Frage des Gerichts an den Angeklagten, der hinter Sicherheitsglas saß. „Verzichten Sie auf die Rückgabe des Messers?“ Es dauert einige Momente, bis er antwortet, doch wie in ähnlichen Situationen zuvor ist die monotone Antwort des Angeklagten einsilbig und kaum vernehmbar. „Ja“, wiederholt der Dolmetscher in Richtung des Gerichts. Damit könne das Messer wieder an die belgischen Strafbehörden zurückgegeben werden, denn dasselbe Messer hatte der Angeklagte bei der Tötung einer Frau in Belgien benutzt, zwei Tage vor dem Mord in Berlin.

    Auf die Tat in Belgien ging die Staatsanwaltschaft in ihrem Schlussvortrag nicht ein. Auch die geforderte Freiheitsstrafe von 14 Jahren empfand Benedikt Lux, Anwalt der Familie des Opfers, als „zu lasch“. Als Vertreter der Nebenkläger hatte er eine lebenslange Freiheitsstrafe gefordert. Dies sei die Verantwortung des Gerichts gegenüber der Gesellschaft und möglichen weiteren Opfern im Falle einer Freilassung. Der Angeklagte hatte zuvor in einem Verhör der Berliner Polizei selbst bestätigt, sollte er freigelassen werden, würde er weiter töten.

    Die Verteidigung, die während des Verfahrens eine sehr passive Rolle einnahm, spricht der Familie des Opfers zu Beginn ihres Plädoyers ihr Beileid aus. „Ich werde mich nicht hier hinstellen und sagen, es ist positiv, was mein Mandant getan hat.“ Ihre Hoffnung sei es, „durch Psychiatrie und Medikamente seine Gefährlichkeit zu minimieren“.

    Bei der Einschätzung der von dem 24-Jährigen ausgehenden Gefahr beruft sich auch das Gericht auf die Aussage des Täters gegenüber der Berliner Polizei. Der Täter hatte unter anderem gesagt: „Töten ist eine gute Sache“ und dass er weiter töten werde, bis er sterbe. Die Frage nach seiner Gefahr für die Allgemeinheit habe er damit „selber beantwortet“. Deshalb sei die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus auch über die 14-jährige Haftstrafe hinaus unbefristet. „So lange er gefährlich ist, wird er hinter Gittern bleiben.“ Denn, so betont das Gericht, das Leid, das der Täter anderen Menschen angetan habe, liege sehr schwer.

    Das Gericht entschied sich für die von der Staatsanwaltschaft geforderten 14 Jahre Freiheitsstrafe. Während dieser Zeit sei er in einem geschlossenen psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Eine bloße Simulation der Symptome, auf deren Grundlage die Sachverständigen zu der Diagnose „Paranoide Schizophrenie“ gekommen waren, meinte das Gericht „sicher ausschließen zu können“. Grund dafür seien die Chat-Verläufe zwischen dem Täter und seiner Mutter, in der beide von Stimmen berichten, die sie hören.

    #Berkin #Taxi #Arbeit #Krminalität #Taximord

  • Schlecht bezahlte Moia-Mitarbeiter
    https://www.taxi-times.com/schlecht-bezahlte-moia-mitarbeiter

    Der zum VW-Konzern gehörige Sammelfahrtanbieter Moia bezahlt nur knapp mehr als den gesetzlichen Mindestlohn. Die Fahrer wollen mehr und drohen mit Warnstreiks.

    Laut einem Bericht des Norddeutschen Rundfunks (NDR) erhalten die Hamburger Fahrer des Sammeldienstes Moia 13 Euro pro Stunde. Der Sender bezieht sich dabei auf Gewerkschaftsangaben. Damit werden innerhalb des Volkswagen-Konzerns, zu dem auch Moia gehört, die geringsten Gehälter bezahlt.

    Dem NDR zufolge fordert die Gewerkschaft für die Hamburger Beschäftigten 5,2 Prozent mehr Lohn und eine Inflationsausgleichsprämie. Laut IG Metall lehne die Unternehmensführung ein konkretes Angebot allerdings ab. Am Rande einer Betriebsversammlung am vergangenen Dienstag habe es daher bereits eine kurze Protestaktion gegeben, wird Thilo Reusch, Verhandlungsführer der IG Metall, im NDR zitiert.

    Sollte Moia bis Ende August kein vernünftiges Angebot vorlegen, ist laut Gewerkschaft mit Warnstreiks zu rechnen. Moia selbst hat dazu gegenüber den Medien noch keine Stellungnahme abgegeben.

    Bei Moia handelt es sich um einen Fahrdienst, der in Hamburg mit 300 von VW eigens konstruierten Elektrofahrzeugen als On-Demand-Dienst tätig ist – genehmigt als eigenwirtschaftlicher Linienbedarfsverkehr. Fahrgäste können die Fahrzeuge über eine App buchen und dann an genau definierten virtuellen Haltestellen zu- und aussteigen. Liegen auf einer Route mehrere Fahrtwünsche vor, werden diese Fahrten zusammengelegt. Der Preis für eine Moia-Fahrt liegt oberhalb eines ÖPNV-Einzeltickets, aber unterhalb des Preises einer Taxifahrt. jh

    Anmerkung der Redaktion: Selbst Moia, hinter dem der finanzstarke VW-Konzern steckt, bezahlt seinen Fahrern nur knapp mehr als den gesetzlichen Mindestlohn. Das beweist, dass bei der aktuellen Kostenstruktur eine individualisierte Personenbeförderung zu fairen Löhnen nicht möglich ist. Das Taxigewerbe lässt grüßen…

    #Mietwagen #Gewerkschaft #Arbeit #Lohn #Mindestlohn

  • Reinigungskräfte am Potsdamer Platz: „Sie sollen sich nicht durch die obere Stadt bewegen“
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/reinigungskraefte-am-potsdamer-platz-sie-sollen-sich-nicht-durch-di

    Da ist er, der „größte Niedriglohnsektor Europas“, auf dessen Durchsetzung Ex-Bundeskanzler Schröder stolz ist. Ab dem Jahr 2003 setzten Grüne und SPD alles daran, der deutschen Wirtschaft Kostenvorteile im weltweiten und vor allem innereuropäischen Konkurrenzkampf durch massive Einkommensverluste großer Teile der Bevölkerung zu verschaffen. Der „Genosse der Bosse“ und seine Spießgesellen waren letztlich sehr erfolgreich darin, viele Familien nicht nur ärmer zu machen sondern die Arbeitsbedingungen derart zu verschlechtern, dass die Lebenszeit einfacher Arbeiterinnen und Arbeiter wieder deutlich verkürzt wurde.

    Dieses Interview erzählt davon, wie und wieso die Betroffenen der Armut trotz Arbeit bei ihrer eigenen Ausbeutung mittun.

    2.7.2023 von Niklas Liebetrau - Mitten in Berlin gibt es eine „Unterwelt“, durch die sich Menschen bewegen, die Dreck beseitigen. Eine Forscherin hat einige von ihnen über Monate dort begleitet.

    Es handelt sich um die größte Handwerksbranche Deutschlands. Eine, die gleichzeitig kaum sichtbar ist: die Gebäudereinigung. 700.000 Menschen putzen täglich Großraumbüros, Treppenhäuser, Einkaufszentren. Und werden dabei meistens gar nicht wahrgenommen. Auch am Potsdamer Platz ist das so. Die Arbeiter dort bewegen sich durch ein unterirdisches Tunnelsystem, fernab von Touristen, Büroangestellten und Anwohnern. Eine Unterwelt.

    Die Berliner Organisationswissenschaftlerin Jana Costas hat über Monate die Reinigungskräfte am Potsdamer Platz bei ihren Schichten begleitet. Herausgekommen ist ihre umfassende und nicht ganz unumstrittene ethnografische Studie „Im Minus-Bereich“. Zum Interview treffen wir die Forscherin in einem kleinen Gemeinschaftsbüro mit unverputzten Wänden und typischem Kreuzberger Charme, mitten im Bergmannkiez.

    Berliner Zeitung: Frau Costas, was hat Sie an Ihrer Studie am meisten überrascht?

    Jana Costas: Vor allem, dass die Reinigungskräfte entgegen gängiger Annahmen auch Freude und Spaß an ihrer Arbeit haben und ein starkes Arbeitsethos zelebrieren. Sie betonen zum Beispiel immer wieder, wie hart ihre Arbeit sei. Ich fand das bemerkenswert und habe mich gefragt, woran das liegt.

    Haben Sie eine Antwort gefunden?

    Trotz aller Unterschiede ist ihnen allen gemein, dass sie sich ihrer Arbeit zuwenden, um Würde zu erlangen. Einige kommen aus Deutschland, andere sind nach Deutschland immigriert, es gibt welche, die haben eine Ausbildung als Gebäudereiniger, andere haben Qualifikationen als Friseurinnen oder Heizungstechniker. Das Leben mancher Reinigungskräfte war durch Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit oder Abhängigkeit geprägt. Aber allen geht es sehr stark darum, sich als arbeitende Menschen zu definieren, die Geld verdienen, eine Struktur haben. So grenzen sie sich von denen ab, die nicht arbeiten.

    Für Ihre Studie haben Sie vier Menschen ins Zentrum gerückt: Luisa, Marcel, Ali und Alex. Wie kamen Sie auf diese vier?

    Sie sind auf unterschiedlichen Wegen zu ihrem Beruf gekommen, und sie üben unterschiedliche Tätigkeiten aus: Zigarettenstummel auf der Straße aufsammeln, das Einkaufszentrum säubern, in Wohn- und Bürohäusern oder Cafés reinigen. Ich habe mich den unterschiedlichen Schichten angeschlossen, um ihre verschiedenen Perspektiven auf die Arbeit kennenzulernen.

    Reinigungskräfte sollen so unsichtbar wie möglich sein.

    Wer sind die vier?

    Alex ist ein 18-Jähriger aus dem Wedding, der, genau wie sein Vater einst, eine Ausbildung zum Gebäudereiniger macht. Für ihn ist das eine ganz normale Arbeit, er möchte nicht im Büro sitzen, sondern körperlich arbeiten. Ali, Ende dreißig, aus Kreuzberg, hat eine Ausbildung zum Maschinenfahrer gemacht und ist dann gewechselt. Bei ihm ist auffällig, wie zuvorkommend er den Kunden gegenübertritt. Luisa, 37, kommt aus Angola, spricht fast kein Deutsch und wurde vom Jobcenter vermittelt. Sie hat einen schweren Stand unter den Reinigungskräften. Und Marcel, 38, aus Eberswalde, ehemals drogenabhängig, der auch mal eine Zeit im Gefängnis saß, sagt, seine Mutter sei mächtig stolz auf ihn, dass er einen solchen Job hat.

    Sie alle arbeiten für die gleiche Firma am Potsdamer Platz in unterschiedlichen Objekten. Was ist das für ein Ort?

    Im Grunde ist das eine Mikrostadt. Es gibt Kinos, Hotels, Restaurants, Supermärkte, Arztpraxen, Büros, Wohnungen, sogar ein Casino. Ein Ort, der hell erstrahlt und sich glamourös darstellt: Sehr viel Glas, sehr viele hohe Gebäude, große Empfangshallen, zum Teil ausgestattet mit edlem Holz oder Marmor. Entworfen von internationalen Stararchitekten.

    Im Minus-Bereich ist es stickig, manchmal stinkt es.

    Aber es gibt auch eine Unterwelt.

    Genau. Die Unterwelt nennen die Reinigungsleute auch den Minus-Bereich. Ein Ort, der bis zu vier Ebenen in die Tiefe geht, ein labyrinthisches Tunnelsystem, über das sie von einem Gebäude zum nächsten kommen. Dort befinden sich ihr Materialraum mit den Reinigungsutensilien und ihre Schließfächer. Einige verbringen hier ihre Frühstückspausen. Im Minus-Bereich ist es mal stickig, an anderen Stellen kalt, manchmal stinkt es. Ab 9 Uhr morgens sollen sie sich mit ihrem Reinigungswagen nicht mehr durch die obere Stadt bewegen. Sie sollen die Touristinnen, Büroangestellten und Bewohner nicht stören und so unsichtbar wie möglich sein.

    Sie thematisieren in Ihrem Buch den Begriff „Dramen der Würde“. Was muss man sich darunter vorstellen?Würde fußt auf zwei Aspekten: Dem Selbstwertgefühl und der Anerkennung durch andere. Bei Reinigungskräften stehen diese Komponenten in einem Spannungsverhältnis. Während sie es zwar schaffen, ein Selbstwertgefühl bei ihrer Arbeit zu entwickeln, erfahren sie in der Begegnung mit anderen gerade wegen dieser Arbeit wenig Respekt.

    Können Sie ein Beispiel nennen?

    Ich habe mit einer Reinigungskraft mal die Lobby eines Apartmenthauses gesäubert. Dort stand ein Tisch mit einer Glasplatte. Diese Reinigungskraft ist sehr gewissenhaft, benutzt nur die besten Reinigungsutensilien, ist sehr höflich, auch zu den Empfangsdamen. Und dann kam der Manager dieses Hauses und hat mitbekommen, dass die Gummimagnete unter der Glasplatte beim Säubern ganz leicht verrutscht waren. Er ist sehr laut geworden und war extrem herabwürdigend. Das Drama wird ersichtlich, wenn die Reinigungskraft danach draußen steht, mit zitternden Händen eine Zigarette raucht und Rachefantasien entwickelt.

    Rachefantasien?

    Er hat dem Manager gewünscht, dass man den mal in die Fankurve von Union Berlin stecken sollte und der dort dann „Ich hasse Union“ rufen solle. Dann könne er mal sehen, was mit ihm geschehe. In solchen Momenten merkt man, wie schwer es für die Reinigungskräfte ist, ihre Würde zu bewahren.

    Wie war das für Sie in dem Moment?

    Schlimm, weil ich auch noch mit daran Schuld hatte, dass die Magnete verrutscht waren. Das ist mir nahegegangen, auch wenn ich mich als Forscherin anders als die Reinigungskraft distanzieren konnte. Bei einer anderen Szene war das schon schwerer.

    Welche war das?

    Da ging es um Luisa, die Frau aus Angola. Sie ist neu in der Gruppe, hat vorher nie als Reinigungskraft gearbeitet. Die anderen sind genervt von ihr. Einer der Vorarbeiter hat ihr empfohlen, zu ihrem Geburtstag einen Kuchen mitzubringen, weil man das ja so mache in Deutschland. Also hat sie eine Torte gebacken und auch noch angolanische Hähnchenbällchen mitgebracht, sie ist nach ihrer Schicht morgens um 9 Uhr länger geblieben und hat alles im Materialraum in Minus Zwei angerichtet. Aber die anderen haben nur ihre eigenen Graubrote gegessen und niemand hat ein Wort gesagt. Als Luisa ihnen ihre Torte angeboten hat, haben die meisten abgelehnt.

    Das klingt, als hätten da auch rassistische Motive eine Rolle gespielt.

    Die gab es durchaus. Gleichzeitig ist mir sehr wichtig zu betonen, dass nicht alle Reinigungskräfte Rassisten sind. Und dass sich das auch wandeln kann. Nach dieser Situation gab es eine Intervention durch das Management. Und als Luisa wenig später in eine andere Schicht kam, haben die, die gerade noch schlecht über sie sprachen, gesagt: Die Guten werden immer abgezogen. Verrückt, oder?

    Wie erklären Sie sich das?

    Durch Ausgrenzung versuchen sich die Reinigungskräfte voneinander abzuheben. Es ist ein Beruf ohne Zugangshürden, im Grunde kann den jeder machen. Aber wenn ihn jeder oder jede machen kann, was heißt es dann, eine Reinigungskraft zu sein? Deswegen betonen sie die individuellen Unterschiede: Die ist so faul, aber guck mal, wie toll ich das hier mache. Das kann aber nicht aufrechterhalten werden, weil sie trotzdem alle die Herabwürdigung von außen erfahren.
    Scham bei der Einstellung einer Reinigungskraft

    Woher kommt die Stigmatisierung von Reinigungskräften?

    Schmutz wird in vielen Kulturen abwertend gesehen, das gilt auch für die Arbeit damit. Es gibt die These, dass Reinigungskräfte uns an unsere Unreinheit erinnern. Reinigungskräfte haben außerdem einen Einblick in unsere intimste Privatsphäre und werden deswegen unsichtbar gemacht. Damit sie aus dem Wissen keine Macht über uns entwickeln.

    Mir scheint, viele Menschen, die eine Reinigungskraft beschäftigen, schämen sich dieses Privilegs. Wie sehen Sie das?

    Ich bin mir nicht sicher, ob das in der Breite wirklich der Fall ist. Wenn die Büroangestellte mit zwei Kindern jetzt aus Scham keine Reinigungskraft mehr einstellt und es selbst macht, ist das ja auch eine Unsichtbarmachung dieser Arbeit. Für mich ist die Frage eher: Wie verbessern wir die Arbeitsbedingungen der Reinigungskräfte? Wenn sie gut bezahlt werden und unter anständigen Bedingungen arbeiten, sehe ich weniger ein Problem. Sonst würde sich die Frage stellen: Wer macht es dann?

    Inwiefern hat sich für Sie persönlich der Umgang mit Reinigungskräften verändert?

    Erst mal fühle ich mich bestätigt, dass man die Realitäten dieser Menschen dann am besten verstehen kann, wenn man Teil ihrer Arbeitswelt wird. Und dann ist mir noch mal bewusst geworden, wie schon kleine Gesten der Wertschätzung, etwa eine freundliche Begrüßung, sehr viel ausmachen können. Es ist wichtig für diese Menschen, für ihre Würde.

    Ihre Art des Forschens wurde auch kritisiert. Ihnen wurde vorgeworfen, aus einer privilegierten Haltung auf Probleme zu schauen, die nicht Ihre sind, und dass dadurch die Gefahr bestehe, Verhältnisse durch die eigene Brille zu interpretieren, also zu verzerren. Was entgegnen Sie dem?

    Erst mal kann die Verzerrung bei jeder Form des Forschens stattfinden, bei Statistiken, Umfragen, Interviews. Wenn man sich sechs Monate mit den Menschen beschäftigt, bekommt man einen ganz anderen Zugang, als wenn man sie eine Stunde lang interviewt. Davon abgesehen bin ich mir vollkommen bewusst, dass meine Studie natürlich von meinem Blickwinkel beeinflusst ist. Das ist aber nur dann problematisch, wenn ich dies nicht reflektiere. Das habe ich aber getan. Außerdem muss man sich auch mal die Alternative ansehen: Dann könnte ich ja nur Menschen beforschen, die so sind wie ich. Und die Perspektive der Reinigungskräfte bliebe weiterhin unsichtbar.

    Zur Person

    Jana Costas, 40, ist in Berlin geboren und aufgewachsen. Sie hat in Cambridge und London studiert und seit 2014 den Lehrstuhl in Personal, Arbeit & Management an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) inne.

    Ihr Buch „Im Minus-Bereich: Reinigungskräfte und ihr Kampf um Würde“ ist im Suhrkamp-Verlag erschienen (280 Seiten, 20 Euro).

    Einkommensgruppen | Die soziale Situation in Deutschland | bpb.de
    https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61763/einkommensgruppen

    Der Anteil der Einkommensschwachen erhöhte sich zwischen 1996 und 2016 von 18,4 auf 24,4 Prozent und der Anteil der Einkommensstarken von 16,8 auf 19,6 Prozent.

    Ergo dürfte sich der Anteil der „Normalverdiener“ auch „Mittelschicht“ genannt von 64,8 Prozent auf 56 Prozent verringert haben. Für diese Menschen wurde durch die gesetzlich Verschlechterung ihrer Rechte der soziale Abstieg zur alltäglichen Bedrohung.

    Agenda 2010
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Agenda_2010

    Auch der Euro-Beitritt erfolgte zu einem überhöhten Wechselkurs. Um das Preisniveau zu korrigieren, sei eine Innere Abwertung insbesondere durch Reallohnverluste erforderlich gewesen. Diese notwendige Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit sei aber nicht der Reformpolitik, sondern der Unabhängigkeit der Lohnverhandlungen von der staatlichen Gesetzgebung und dem im internationalen Vergleich einzigartigen Zusammenspiel der deutschen Tarifpartner bei der Entscheidung über Löhne und Tarifverträge mithilfe der Tarifautonomie zuzuschreiben. Die typisch deutschen Arbeitsmarktinstitutionen der Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und Betriebsräte seien die Voraussetzung dafür, dass flexibel auf außergewöhnliche ökonomische Situationen reagiert werden könne, wie sie die Deutsche Wiedervereinigung und die Osterweiterung der EU darstellten. Die Tarifpartner könnten so bei der Lohnfindung auf die konjunkturelle Lage je nach Branche, Region oder sogar innerhalb der Unternehmen selbst Rücksicht nehmen, unabhängig von gesetzlichen Regelungen wie etwa Mindestlöhnen oder den Arbeitszeiten, und sich im gegenseitigen Einvernehmen einigen.

    #Berlin #Arbeit #Niedriglohn #Agenda_2010 #Potsdamer_Platz #Dienstleistung #Soziologie

  • „Die Arbeitgeber schießen sich selbst ins Knie“ – Mindestlohn soll um 41 Cent steigen
    https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/beschaemend-wahnwitzig-nicht-armutsfest-mindestlohn-soll-um-34-cent

    26.6.2023 von Simon Zeise - Gewerkschaft und Ökonomen sind empört über den Alleingang der Mindestlohnkommission: „Beschämend, wahnwitzig, nicht armutsfest“ nennen sie die Erhöhung. Das sind die Reaktionen.

    Es knirschte gehörig in der Mindestlohnkommission. Erst durch das Machtwort der Vorsitzenden, des langjährigen Vorstandsmitglieds der Bundesagentur für Arbeit Christiane Schönefeld, wurde am Montag eine Empfehlung für die staatlich festgesetzte Lohnuntergrenze ausgesprochen. Demnach soll der Mindestlohn zum 1. Januar 2024 von zwölf auf 12,41 Euro und ein Jahr später auf 12,82 Euro steigen.

    Die Arbeitnehmervertreter in dem Gremium tragen den Entschluss nicht mit. DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell, der auch Mitglied der Mindestlohnkommission ist, sagte am Montag in Berlin: „Für eine Anpassung lediglich im Cent-Bereich konnten wir auf keinen Fall unsere Hand reichen.“ Mit dem Beschluss erlitten die fast sechs Millionen Mindestlohnbeschäftigten einen enormen Reallohnverlust. „Um einen Mindestschutz und einen Ausgleich der Inflation zu gewährleisten, hätte der Mindestlohn zumindest auf 13,50 Euro steigen müssen. Die Arbeitgeber und die Vorsitzende der Kommission haben sich dem verweigert“, sagte Körzell.
    DGB: Berechnung der Arbeitgeber ist „Missachtung des Gesetzgebers“

    Die Kommission hält die Entscheidung hingegen für ausgewogen: „Die Beschlussfassung fällt in eine Zeit schwachen Wirtschaftswachstums und anhaltend hoher Inflation in Deutschland, die für Betriebe und Beschäftigte gleichermaßen große Herausforderungen darstellen.“ Die Mehrheit der Kommission halte es im Rahmen einer Gesamtabwägung für vertretbar, den Mindestlohn in diesem Umfang zu erhöhen.

    Bis Ende 2024 muss die EU-Mindestlohnrichtlinie in nationales Recht umgesetzt werden, wonach die Mindestlöhne in der Europäischen Union mindestens 60 Prozent des Medianlohns von Vollzeitbeschäftigten erreichen sollen. Dies würde einem Mindestlohn in Höhe von mindestens 14 Euro entsprechen.
    Meistgelesene Artikel

    Der DGB bezeichnete es als „vollkommen aberwitzig“, dass die Arbeitgeber als Basis für die nächste Erhöhung nicht den aktuell vom Gesetzgeber festgelegten Mindestlohn von zwölf Euro angesetzt haben. Mit dem neu gefassten Beschluss gehen die Arbeitgeber stattdessen vom alten Mindestlohn in Höhe von 10,45 Euro aus. „Das kommt einer Missachtung des Gesetzgebers gleich, der vor dem sprunghaften Anstieg der Inflation die zwölf Euro festgelegt hatte, um den Mindestlohn armutsfest zu gestalten“, teilte der DGB mit. Die Ampel-Regierung hatte den Mindestlohn zuletzt außer der Reihe, ohne Konsultation der Mindestlohnkommission, auf zwölf Euro angehoben.

    Für Thorsten Schulten, dem Leiter des Bereichs Arbeitsmarkt- und Tarifpolitik am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI), ist die Entscheidung ein „Skandal“. Die Kommission sei von ihrer bisherigen Praxis abgewichen, einen Kompromiss zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu finden. Schulten erläuterte im Gespräch mit der Berliner Zeitung: „Die Arbeitgeber schießen sich mit der Entscheidung selbst ins Knie.“ Denn in einigen Branchen dürfte es bei der geringen Lohnerhöhung schwierig werden, Fachpersonal zu finden. Auch gesamtwirtschaftlich gesehen werde weiterer Kaufkraftverlust fortgeschrieben, und das, obwohl sich Deutschland in der Rezession befände und der Konsum deshalb besonders unter Druck stehe. Das bisherige Verfahren scheint an Grenzen zu stoßen. Man werde darüber nachdenken müssen, das Anpassungsverfahren zu reformieren, sagte Schulten, denn strukturelle Erhöhungen des Mindestlohns seien im Rahmen der Kommission offensichtlich nicht möglich.

    Für mehr als elf Millionen Beschäftigte in Deutschland, die im Niedriglohnsektor tätig sind, sei dies „eine bittere Entscheidung“, hob der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hervor. Mit gerade einmal 41 Cent, also 3,4 Prozent mehr, gleiche die Erhöhung nicht einmal die durchschnittliche Inflation von sieben Prozent im Jahr 2022, voraussichtlich sechs Prozent 2023 und wahrscheinlich drei Prozent 2024 aus. Geringverdiener müssten einen größeren Anteil ihres Einkommens für die Dinge ausgeben, die sehr viel teurer geworden sind, allen voran Lebensmittel, die sich in den vergangenen 15 Monaten um weit mehr als 20 Prozent verteuert haben, beklagte Fratzscher.

    Trotz des Konflikts in der Mindestlohnkommission will die Regierung an dem bisherigen Prozedere festhalten. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) teilte mit, den Beschluss der Mindestlohnkommission umzusetzen. Die Alternative wäre keine Erhöhung des Mindestlohns zum 1. Januar, „was angesichts der Inflationsentwicklung nicht verantwortbar ist“, sagte Heil.

    Die Co-Vorsitzende der SPD, Saskia Esken, erklärte, die Anhebung des Mindestlohns trage der Inflation nicht ausreichend Rechnung. Jetzt komme es darauf an, die Tarifbindung auszuweiten, um attraktive Arbeitsbedingungen zu erhalten, gerade in Zeiten des Fachkräftemangels – dieser sei die Achillesferse der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland, sagte Esken. „Der Mindestlohn ist eine Erfolgsgeschichte“, sagte die Co-Vorsitzende der SPD. „Dafür braucht es aber auch konsensuale Entscheidungen.“

    Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter, äußerte sein Bedauern, dass zum ersten Mal in der Kommission ein Beschluss nicht im Konsens gefallen sei. „Wir waren kompromissbereit.“ Die Entscheidung orientiere sich an der tarifpolitischen Entwicklung seit der letzten Entscheidung der Mindestlohnkommission. Die Arbeitgeberseite in der Mindestlohnkommission habe „Zugeständnisse gemacht“.

    #Arbeit #Mindestlohn #Deutschland

  • Warum der gesetzliche Mindestlohn so oft unterlaufen wird
    https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/mindestlohn-umsetzung-branchen-100.html

    23.05.2023 von Barbara Berner + Mindestens zwölf Euro die Stunde für alle: Das ist die Idee des verbindlichen Mindestlohns. Doch die Verbindlichkeit hat ihre Lücken. Arbeitgeber haben ihre Tricks, wie sie Mindestlöhne aushebeln können.

    Dienstagmorgen in Frankfurt: Zivilfahrzeuge des Zolls sind auf dem Weg zu einer der größten Baustellen der Stadt - eine Razzia der Finanzkontrolle Schwarzarbeit. „Wir gehen einem Verdacht nach, gegen den Verstoß von Werksverträgen,“ sagt Arne Niestrath vom Hauptzollamt in Frankfurt. Bei ihm laufen alle Fäden zusammen. Aber es ist nicht der Verdacht allein. 260 Personen werden sie nun kontrollieren müssen, dazu die Bauleitung. Vor Ort heißt es erstmal alle personenbezogen Daten sammeln und Bauunterlagen kontrollieren.

    Später werden die Beamten Tage brauchen, alles auszuwerten. Wenn sie überhaupt alle Personen erfasst haben: Schnell spricht sich die Kontrolle auf der Baustelle herum, und dann „verschwinden auch mal Arbeiter in irgendwelchen Verstecken“, erklärt Niestrath. „Die kennen sich eben besser hier aus als wir.“ Frustration schwingt mit, während er das sagt.
    Beratung für Hilfesuchende

    Einer, der sich auf Baustellen auskennt, ist Antonio (Name von der Redaktion geändert). Wo er überall gearbeitet hat, will er nicht sagen, genauso wenig wie seinen richtigen Namen. Er ist einer der wenigen, die irgendwann mal den Weg zur Beratungsstelle „Faire Mobilität“ fanden.

    Die Beratungsstelle ist für Arbeiter aus Ost- und Mitteleuropa gedacht und dem Deutschen Gewerkschaftsbund angeschlossen. Sie informiert über Arbeitsrechte und unterstützt bei Konflikten. In seiner Muttersprache wird Antonio aufgeklärt; noch weiß er nicht, ob er den Mut aufbringt, seinem Arbeitgeber gegenüber sein Recht einzufordern.

    Der Mindestlohn steigt. mehr
    Eine undurchschaubare Behörde

    Antonio ist noch nie in eine Zollkontrolle geraten. Ob er das gut oder schlecht findet? Er weiß es nicht. Er hat keinen Arbeitsvertrag, keine festen Arbeitszeiten. Und er wird nicht pro Stunde, sondern pro Quadratmeter bezahlt. Hochgerechnet auf seine Arbeitszeit sind das mal 3,50 Euro, mal auch fünf Euro die Stunde. Aber dann räumt er doch ein, dass ihm eine Kontrolle „vielleicht geholfen“ hätte. Aber mit den Kontrollen ging es in den vergangenen zehn Jahren nach unten: deutschlandweit von knapp 63.000 auf knapp 53.000 jährlich. Ein Grund: Es fehlt Personal.

    Doch das ist es nicht allein, kritisiert Frank Buckenhofer, verantwortlich für den Bereich Zoll bei der Gewerkschaft der Polizei. Er spricht von einem „Flickenteppich“ in der Behörde. „Der Zoll hat sich im Wesentlichen als Patchwork organisiert, und - das ist eines der großen Probleme - ohne wirkliche Schlagkraft.“ Er fordert eine übergreifende Finanzpolizei mit entsprechender Befugnis.
    Oft gleich mehrere Gesetzesverstöße

    Der Mindestlohnverstoß kommt selten allein. Steuerhinterziehung, Vorenthaltung von Lohnzahlungen, von Sozialversicherungsabgaben: Bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit müssen sie genau hinschauen. Tage dauert es, bis sie die erfassten Daten auf der Frankfurter Großbaustelle mit anderen Behörden abgeglichen haben.

    Die vorläufige Bilanz: 179 Verstöße gegen den Mindestlohn, 71 Scheinselbstständige, vier illegal Beschäftigte. Klingt nach großem Erfolg - doch angesichts einer Aufklärungsquote bundesweit von unter 0,5 Prozent wird die Schwäche des Systems klar.
    Bis zu drei Millionen Menschen um ihr Geld betrogen

    Laut einer Erhebung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) werden zwischen 750.000 und mehr als drei Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer um ihr Geld betrogen. „Die Spanne ist so breit, weil illegale Aktivitäten so schwer zu erfassen sind“, sagt Johannes Seebauer vom DIW. Hinzu kommt, dass seit Einführung des Mindestlohns die Zahl der Arbeitsplätze in den Niedriglohnbranchen sogar zugenommen hat. Es trifft Minijobber, Studierende, Rentner sowie Menschen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind.

    Für Antonio bedeuten die Verstöße seitens des Arbeitgebers weniger Rentenbeiträge, weniger Geld im Krankheitsfall, weniger Urlaubsgeld. Zumindest offiziell. Von Urlaubsgeld hat er noch nie gehört, Geld im Krankheitsfall wurde nicht gezahlt. Nun will er sich einen anderen Job auf einer Baustelle suchen. Er will diesmal seine Rechte im Blick haben. Es wird nicht schwer sein, etwas Neues zu finden, denn Arbeiter wie er werden gerade händeringend gesucht.
    Digitale Erfassung könnte helfen

    Eine digitale Erfassung würde Betrug gegen den Mindestlohn zwar nicht unmöglich machen, aber schwieriger. Das zeigen Beispiele wie das eines Brauhauses in Oberursel. Wer Dienstbeginn hat, checkt sich ein - ob Festangestellte oder Aushilfe. Bei insgesamt fast 80 Beschäftigten bringt die digitale Stechuhr für den Wirt, Thomas Studanski, nur Vorteile: „Vorher gab es immer mal Diskussionen, ’ich war so und so lange da, ich habe die und die Zeit gearbeitet’. Das ist weg.“ Und für seinen Betriebsablauf sieht er ebenso einen Vorteil: Er muss keine Stundenzettel mehr umständlich ausfüllen.

    So sollte es eigentlich flächendeckend sein, doch weit gefehlt. Mal so eben zehn Euro bar auf die Hand anstatt zwölf Euro Mindestlohn: Das findet sich nicht nur in der Gastronomie und der Baubranche. Lohndumping ist ein Massenphänomen, und die Liste der betroffenen Branchen ist lang.

    #Arbeit #Mindestlohn

  • Getöteter Taxifahrer in Berlin: Verdächtiger war bereits wegen Tötungsdelikt in Belgien flüchtig
    https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2023/04/schweigeminute-spendensammlung-fuer-getoeteten-taxifahrer-berlin.html

    11.4.2023 von P. Höppner - Im Fall des niedergestochenen Taxifahrers in Berlin-Grunewald gibt es neue Details über den mutmaßlichen Täter: Der 24-Jährige war bereits wegen eines Tötungsdelikts in Belgien auf der Flucht, die belgische Justiz hat seine Auslieferung beantragt.

    Mutmaßlicher Täter war bereits wegen Tötungsdelikt in Belgien auf Flucht
    Spendenaktion für Familie des Taxifahrers bei Film-Premiere
    Schweigeminute abgehalten
    Taxifahrer fahren mit Trauerflor am Fahrzeug

    Der Verdächtige im Fall des getöteten Taxifahrers in Berlin soll bereits wegen eines anderen Tötungsdelikts in Belgien auf der Flucht gewesen sein. Gegen den 24-Jährigen sei bei der Kölner Generalstaatsanwaltschaft ein Auslieferungsverfahren anhängig, sagte ein Behördensprecher am Dienstag.

    Ein 49-jährige Berliner Taxifahrer war am Donnerstagmorgen nach einer Messerattacke im Berliner Villenviertel Grunewald gestorben. Ein Passant hatte ihn gefunden. Zeugen versuchten noch, den Mann zu retten. Der Taxifahrer starb jedoch im Krankenhaus.

    Der Verdächtige befindet sich laut Berliner Staatsanwaltschaft seit vergangenem Samstag in Schleswig-Holstein in Untersuchungshaft. Von der Flensburger Justiz hieß es am Dienstag, der 24-Jährige sei nach einer Anordnung des Amtsgerichts Flensburg festgenommen worden. Dies erfolgte im Zusammenhang mit dem Auslieferungsverfahren, das bei der Kölner Justiz läuft, wie es hieß. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur soll der 24-Jährige am 4. April in Belgien seine Lebensgefährtin umgebracht haben und geflohen sein.
    Tötungsdelikt in Berlin hat Vorrang für deutsche Justiz

    Parallel ist der 24-Jährige von den Ermittlern in Berlin als Verdächtiger im Fall des getöteten Taxifahrers identifiziert worden. Die Staatsanwaltschaft Berlin will nun nach Angaben eines Sprechers einen weiteren Haftbefehl gegen den Mann beantragen, damit er nach Berlin überstellt wird.

    „Unser Verfahren wird dann in den Hintergrund treten“, erklärte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Köln. Zunächst müssten die Vorwürfe der Berliner Staatsanwaltschaft geklärt werden, bevor das Auslieferungsersuchen aus Belgien weiter geprüft werden könne.

    Schweigeminute und Spendenaktion für Taxifahrer

    Am Dienstagabend wurde im Cinema Paris eine schon länger geplante Vorführung des französischen Films „Im Taxi mit Madeleine“ zur Erinnerung an den 49-Jährigen genutzt. Unter anderem gab es eine Schweigeminute. Von Seiten des Kinos hieß es, dass knapp 200 Menschen teilnahmen.

    Es wurde dazu aufgerufen, für die Hinterbliebenen des Getöteten zu spenden. Zugesagt seien bisher 5.000 Euro vom Gustav-Hartmann-Unterstützungsverein und 20.000 Euro von der Taxistiftung-Deutschland. Das Unternehmen Taxi Berlin will nach Angaben des Geschäftsführers 5.400 Euro spenden.

    Zuvor hatte die Berliner Taxi-Innung angekündigt, der Familie des Taxifahrers mit einer Spendenaktion zu helfen. Taxifahrerinnen und Taxifahrer würden auch mit Trauerflor an ihren Fahrzeugen an das Opfer erinnern, sagte der Vorsitzende der Berliner Taxi-Innung, Leszek Nadolski, am Dienstag der rbb24 Abendschau.

    Sendung: rbb24 Inforadio, 11.04.2023, 16:00 Uhr

    #Berlin #Charlottenburg-Wilmersdorf #Grunewald #Brahmsstraße #Kurfürstendamm #Kino #Taxi #Arbeit #Kriminalität

  • Haftbefehl nach tödlicher Messerattacke auf Taxifahrer
    https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2023/04/berlin-taxifahrer-tot-messerattacke-haftbefehl-grunewald.html


    Mitarbeiter der Berliner Polizei steht vor einem Taxi in Berlin-Grunewald in dem es zu einer tödlichen Messerattacke kam

    13.4.2023 von Natascha Gutschmidt - Berlin-Grunewald - Haftbefehl nach tödlicher Messerattacke auf Taxifahrer

    Eine Woche nach der tödlichen Messerattacke auf einen Taxifahrer im Berliner Grunewald hat das Amtsgericht Flensburg Haftbefehl wegen Totschlags gegen einen 24-Jährigen erlassen.

    Das Gericht sei damit dem Antrag der Berliner Staatsanwaltschaft gefolgt, teilte ein Sprecher am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage mit. Der Beschuldigte solle nun nach Berlin überstellt werden. Der Mann war am vergangenen Samstag in Schleswig-Holstein festgenommen worden und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft.

    Verdächtiger war bereits wegen anderem Delikt flüchtig

    Hintergrund war zunächst ein Auslieferungsverfahren wegen eines anderen Tötungsdelikts, das bei der Generalstaatsanwaltschaft Köln anhängig ist. Der Mann soll am 4. April seine Lebensgefährtin in Belgien getötet haben und nach Deutschland geflohen sein. Am 6. April soll er dann in Berlin den 49 Jahre alten Taxifahrer getötet haben.

    Das Opfer war von einem Passanten im Grunewald gefunden worden. Zeugen versuchten noch, den Mann zu retten. Der Taxifahrer starb jedoch im Krankenhaus. Die Familie hat am Donnerstag bei einer Beerdigungszeremonie in der Sehitlik-Moschee in Berlin-Neukölln Abschied von ihm genommen. Bestattet werden soll der Vater eines 14-jährigen Sohnes und einer 22 Jahre alten Tochter in seinem Heimatdorf am Schwarzen Meer, wie seine Nichte sagte.

    Sendung: rbb24 Abendschau, 13.04.2023, 19:30 Uhr

    #Berlin #Charlottenburg-Wilmersdorf #Grunewald #Brahmsstraße #Taxi #Arbeit #Kriminalität

  • Beerdigung eines ermordeten Berliner Taxifahrers am 13.4.2023

    Der Kollege ist am 6. des Monats zu Tode gekommen. (cf. https://seenthis.net/messages/998698). Die Trauerfeier und die anschließende Überführung konnten erst am 13. des Monats geschehen, da zuvor kriminaltechnische Untersuchungen gemacht wurden.

    Zur Trauerfeier nach islamischem Ritus gekommen waren der Botschafter der Türkei, 50 bis 80 Taxikollegen und Mitglieder des Vorstand von zwei Taxiverbänden.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Islamische_Bestattung#Das_Totengebet

    Das Totengebet kann zu jeder Zeit, nur nicht beim Aufgang oder beim Untergang der Sonne gesprochen werden. Dies geschieht nach der abgeschlossenen Herrichtung des Verstorbenen für Allah. Für die Schiiten ist dazu der Erbberechtigte oder ein von ihm Beauftragter verpflichtet. Nach der sunnitischen Tradition kann dies von der verstorbenen Person schon zu Lebzeiten bestimmt worden sein. Das Totengebet kann auch von dem Scheich des Viertels übernommen werden.

    Wer das Totengebet verrichtet, steht an der rechten Seite am Kopfende der Bahre und gibt zunächst seine Absicht bekannt. Die verschiedenen Glaubensrichtungen des Islam kennen unterschiedliche Wortlaute. Die Männer des Trauergefolges stellen sich in Richtung Mekka auf und vollziehen diese Gebete anders als beim fünfmaligen täglichen Pflichtgebet stehend mit.

    Das Islamische Totengebet • Wie schaut das genau aus?
    https://www.islamische-bestattungen-muenchen.de/islamisches-totengebet

    Das islamische Totengebet, auch (arabisch: Salat-ul-Janazah, türkisch: cenaze namazi) genannt, ist eine Pflicht der Muslime gegenüber Ihrem verstorbenen Glaubensbruder bzw. Glaubensschwester, und kann minimum von einer Person verrichtet werden. Es ist erwünschenswert, dass die zuständige muslimische Gemeinschaft so viele betende Muslime wie möglich zur Verrichtung des islamischen Totengebets eingeladen werden, da der Prophet Mohammed (Friede und Segen auf ihm) sagte: "Wenn ein Muslim stirbt, und 40 Leute (oder drei Reihen) am Totengebet teilnehmen,so wird Gott deren Fürsprache und Bittgebete annehmen (Ihm seine Sünden vergeben, und ins Paradies eintreten lassen)."Hierzu listen wir Ihnen die wichtigsten Fragen und Antworten zum islamischen Totengebet bei einer islamischen Bestattung.

    Wann verrichtet man das Totengebet?

    Das islamische Totengebet wird üblicherweise kurz vor der Beerdigung verrichtet.

    Wo findet das islamische Totengebet gewöhnlicherweise statt?

    Gewöhnlicherweise wird das Totengebet in einer nahe liegenden Moschee oder am Grab verrichtet.

    Müssen die Muslime etwas spezielles beachten, um am Totengebet teilzunehmen?

    Wenn ein Muslim an einem islamischen Totengebet teilnehmen möchte, muss dieser sich in einem rituell reinen Zustand befinden. Von daher muss man die Gebetswaschung vorher durchführen.

    Wie läuft eine islamische Totengebet ab?

    Nachdem einige der muslimischen Gemeinschaft mit ihrem Vorbeter, auch (Imam | Hodscha) genannt sich am Gebetsplatz versammelt haben, wird die Verstorbene Person in Richtung Mekka (Qibla genannt) aufgestellt. Der Imam stellt sich in Kopfhöhe vor dem Leichnam und hinter ihm in mehreren Reihen gestellt die muslimischen Teilnehmer.

    Anschließend erinnert der Imam die Teilnehmer an die Bittgebete, und erklärt kurz noch den Gebetsablauf bevor es anfängt.

    Daraufhin wendet sich der Imam dem Leichnam wieder zu , sodass er mit dem Rücken zu den betenden steht, und ruft mit erhobenen Händen als Gebetsanfang „Allahu Akbar“ Gott ist groß. Und dies vier mal im ganzen Totengebet. Das islamische Totengebet besteht auf vier Takbirat (4 Gebetseinheiten), wobei jede Gebetseinheit mit „Allahu Akbar“ anfängt und endet.

    Gebetseinheit: Das rezitieren der eröffneten Sura vom Koran (Surat Al-Fatiha)
    Gebetseinheit: Das rezitieren der Friedens- und Segenswünsche auf den Propheten Abraham und Mohammed.
    Gebetseinheit: Aufrichtige Bittgebete von jedem betenden an den Verstorbenen.
    Gebetseinheit: Der Abschlussgruß rechts dann links. Man sagt: „As-salamu-aleikum-wa-rahmatullah“.

    Daraufhin wird der /die Verstorbene sofort beerdigt, und es werden vom Imam einige Verse vom Koran rezitiert und zum Abschluss eine Grabrede gehalten. Somit ist das islamische Totengebet erfolgreich beendet.

    Der Leichenzug
    https://de.wikipedia.org/wiki/Islamische_Bestattung#Der_Leichenzug

    Der Tote auf der Bahre in seinem Leichentuch kann noch mit einem feinen Teppich bedeckt werden. Die Bahre wird auf den Schultern oder bloß mit den Händen in der Kniehöhe getragen. Es ist im Islam für den Mann Pflicht, sich dem Leichenzug anzuschließen und den Toten sogar ein paar Schritte mitzutragen. Der Leichenzug mit dem Imam geht voran, ihm folgt der Tote. Fortwährend wird die Schahada laut wiederholt.

    Heute wird bei den weiten Entfernungen zwischen den Wohnungen und den Friedhöfen die Bahre auf ein dafür bestimmtes Auto gesetzt. Die Teilnehmer folgen dann im Auto oder auf dem Motorrad.

    Der Gottesdienst und das Begräbnis
    https://de.wikipedia.org/wiki/Islamische_Bestattung#Der_Gottesdienst_und_das_Begr%C3%A4bnis

    Der Tote soll innerhalb eines Tages begraben werden. Heute werden dafür meistens hygienische Gründe genannt. Der ursprüngliche Sinn für diese Eile liegt darin, dass der Todesengel die Seele nach dem Tode zum Himmel geleitet, damit sie dort eine Art Zwischengericht erfahren und anschließend wieder zum Körper ins Grab zurückzukehren kann. Tritt der Tod am Abend oder in der Nacht ein, soll das Begräbnis am kommenden Morgen erfolgen. In muslimischen Ländern wird der Verstorbene nach dem Anlegen des Totengewandes in die Moschee gebracht oder vor der Moschee aufgebahrt.

    In den Moschusduft oder in den von Kampfer oder Rosenöl mischt sich der Weihrauch durch das Abbrennen von Räucherstäbchen. Mitunter wird über den Toten noch eine kostbare Decke gelegt, die allerdings nicht ins Grab gegeben wird.

    Dann spricht der Imam, der islamische Geistliche, viermal aus der Sure 17 den Vers 111. Das ist der Beginn des täglichen Pflichtgebetes. Die üblichen Verbeugungen unterbleiben, die Anwesenden bleiben stehen. Diese Sure erinnert an die Nachtreise Mohammeds von der Kaaba nach Jerusalem, an seine Himmelsreise. Die Rezitation wird durch das persönliche Gebet „O Gott vergib ihm, sei ihm gnädig“ bzw. „O Gott vergib ihr und sei ihr gnädig“ unterbrochen. Für kleine Kinder, die als noch nicht für ihr Tun verantwortlich gelten, enthält das Totengebet keine Bitte um Sündenvergebung.

    Nach einem kurzen Trauergottesdienst begleitet der Imam die vier Männer, die den Verstorbenen auf einer Bahre gewöhnlich auf der Schulter tragen, und diejenigen, die ihm das Geleit geben, zum Grab. Wird eine Frau zu Grabe getragen, nehmen an ihrem Begräbnis nur Männer teil. Eine öffentliche Totenklage der Frauen ist nach der Scharia, dem islamischen Recht, nicht zulässig.

    #Taxi #Berlin #Arbeit #Beerdigung #Islam

  • Schweigeminute und Spendenaktion für getöteten Taxifahrer - dpa - FAZ
    https://www.faz.net/agenturmeldungen/dpa/schweigeminute-und-spendenaktion-fuer-getoeteten-taxifahrer-18813072.html

    11.4.2023 - Die Berliner Taxi-Innung gedenkt des getöteten Taxifahrers und will dessen Familie mit einer Spendenaktion helfen. Taxifahrerinnen und Taxifahrer würden mit Trauerflor an ihren Fahrzeugen an das Opfer erinnern, sagte der Vorsitzende der Innung, Leszek Nadolski, am Dienstag. Bei einer Veranstaltung am Abend sei eine Schweigeminute geplant. Zuvor hatte die «Berliner Zeitung» berichtet. Der Gustav-Hartmann-Unterstützungsverein werde Spenden sammeln, sagte Nadolski. Er habe die Zusage, dass auch die Taxistiftung helfen wolle. Die Organisationen helfen Taxifahrern, die Opfer einer Straftat geworden sind.

    Den Aufruf zum Spenden will der Chef der Taxi-Innung bei der Preview des französischen Kinofilms «Im Taxi mit Madeleine» im Cinema Paris bekanntgeben. Die Veranstaltung ist laut Nadolski seit längerem geplant. Nun werde das Treffen, zu dem auch Politiker erwartet würden, genutzt zur Erinnerung an den getöteten Kollegen. Der 49-Jährige sei kein Innungsmitglied gewesen und nach seiner Kenntnis erst seit zwei bis drei Monaten Taxi gefahren in Berlin.

    Der Mann war am Donnerstagmorgen nach einer Messerattacke im Berliner Villenviertel Grunewald gestorben. Ein Passant hatte ihn zuvor gefunden. Zeugen versuchten noch, den Mann zu retten. Der Taxifahrer starb jedoch im Krankenhaus. Der mutmaßliche Täter befindet sich in Schleswig-Holstein in Untersuchungshaft. Nach Angaben der Berliner Staatsanwaltschaft wurde der 24-Jährige am Sonntag in Norddeutschland festgenommen. Gegen ihn habe bereits ein Haftbefehl vorgelegen. Die Staatsanwaltschaft will nun einen weiteren Haftbefehl gegen ihn beantragen, damit er nach Berlin überstellt wird.

    #Berlin #Taxi #Arbeit #Kriminalität #Taximord

  • Getöteter Taxifahrer: Verdächtiger soll auch Partnerin umgebracht haben
    https://www.berliner-zeitung.de/news/berlin-grunewald-getoeteter-taxifahrer-verdaechtiger-soll-auch-part

    11.04.2023 - Der 24-Jährige soll am 4. April in Belgien seine Lebensgefährtin getötet haben und geflohen sein. Er war bereits zur Fahndung ausgeschrieben.

    Der Verdächtige im Fall des getöteten Taxifahrers in Berlin soll nach einem anderen Tötungsdelikt in Belgien auf der Flucht gewesen sein. Gegen den 24-Jährigen sei bei der Kölner Generalstaatsanwaltschaft ein Auslieferungsverfahren anhängig, sagte ein Behördensprecher am Dienstag auf Anfrage. Es gehe um den Vorwurf eines Tötungsdelikts. Weitere Angaben wollte der Sprecher mit Verweis auf die zuständige Justiz in Brüssel nicht machen.

    Nach dpa-Informationen soll der 24-Jährige am 4. April in Belgien seine Lebensgefährtin umgebracht haben und geflohen sein. Seit dem 5. April war er zur Fahndung ausgeschrieben. Am 6. April soll er dann in Berlin den Taxifahrer getötet haben.

    Neues zum Grunewalder Taximörder: Was wir über Tat und Täter wissen

    Der 49-Jährige war am Donnerstagmorgen nach einer Messerattacke im Berliner Villenviertel Grunewald gestorben. Ein Passant hatte ihn gefunden. Zeugen versuchten noch, den Mann zu retten. Der Taxifahrer starb jedoch im Krankenhaus.

    Verdächtiger in Schleswig-Holstein U-Haft

    Der Verdächtige befindet sich laut Berliner Staatsanwaltschaft seit vergangenem Samstag in Schleswig-Holstein in Untersuchungshaft. Von der Flensburger Justiz hieß es am Dienstag, der 24-Jährige sei nach einer Anordnung des Amtsgerichts Flensburg festgenommen worden. Dies erfolgte im Zusammenhang mit dem Auslieferungsverfahren, das bei der Kölner Justiz läuft, wie es hieß.

    Parallel ist der 24-Jährige von den Ermittlern in Berlin als Verdächtiger im Fall des getöteten Taxifahrers identifiziert worden. Die Staatsanwaltschaft Berlin will nun nach Angaben eines Sprechers einen weiteren Haftbefehl gegen den in Tunesien geborenen Mann beantragen, damit er nach Berlin überstellt wird.

    „Unser Verfahren wird dann in den Hintergrund treten“, erklärte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Köln. Zunächst müssten die Vorwürfe der Berliner Staatsanwaltschaft geklärt werden, bevor das Auslieferungsersuchen aus Belgien weiter geprüft werden könne.
    Taxi-Innung in Berlin gedenkt ihres getöteten Kollegen

    In Berlin gedenkt unterdessen die Taxi-Innung des getöteten Kollegen und will dessen Familie mit einer Spendenaktion helfen. Taxifahrer und Taxifahrerinnen würden mit Trauerflor an ihren Fahrzeugen an das Opfer erinnern, sagte der Vorsitzende der Innung, Leszek Nadolski, am Dienstag. Bei einer Veranstaltung am Abend sei eine Schweigeminute geplant.

    Der Gustav-Hartmann-Unterstützungsverein werde Spenden sammeln, sagte Nadolski. Er habe die Zusage, dass auch die Taxistiftung helfen wolle. Die Organisationen helfen Taxifahrern, die Opfer einer Straftat geworden sind.

    Den Aufruf zum Spenden will der Chef der Taxi-Innung bei der Preview des französischen Kinofilms „Im Taxi mit Madeleine“ im Cinema Paris bekanntgeben. Die Veranstaltung ist laut Nadolski seit längerem geplant. Nun werde das Treffen, zu dem auch Politiker erwartet würden, genutzt zur Erinnerung an den getöteten Kollegen. Der 49-Jährige sei kein Innungsmitglied gewesen und nach seiner Kenntnis erst seit zwei bis drei Monaten Taxi gefahren in Berlin.

    #Berlin #Taxi #Arbeit #Kriminalität #Taximord

  • Neues zum Grunewalder Taximörder: Was wir über Tat und Täter wissen

    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/neues-zum-taximoerder-was-wir-ueber-den-mord-in-grunewald-und-den-t

    10.4.2023 von Katrin Bischoff - Gegen den mutmaßlichen Mörder des in Grunewald getöteten Mannes soll Haftbefehl beantragt werden. Es geht um Heimtücke-Mord. Was mittlerweile bekannt ist.

    Die Brahmsstraße in Grunewald liegt in einem ruhigen Villenviertel. An diesem Montagvormittag sind nur wenige Passanten auf den Gehwegen unterwegs, obwohl die Sonne scheint. Meist sind es Hundebesitzer, die mit ihren Tieren Gassi gehen. Oder Gäste des Schlosshotels by Patrick Hellmann, das sich in dieser Straße befindet.

    Auf dem Bürgersteig gegenüber der Fünf-Sterne-Herberge liegen Gerbera, Tulpen und weiße Rosen neben drei Grablichtern. Darüber hängt an einem Laternenpfahl ein in Druckbuchstaben verfasstes Schreiben: „An dieser Stelle starb am 06.04.2023 mein Onkel“, ist dort zu lesen. Er sei ein lustiger, weltoffener und liebevoller Mensch gewesen, schreibt offenbar seine Nichte. Nusstorte habe er geliebt und ihr keine Bitte abgeschlagen.

    Eine ältere Frau mit Hund bleibt stehen, sie liest das zwei Seiten lange Schreiben. „Furchtbar“, sagt sie und fügt hinzu, dass das hier eigentlich eine ruhige Gegend sei. Am Donnerstag jedoch war die Brahmsstraße abgesperrt, machten sich Polizisten und Spürhunde auf Spurensuche.

    Denn dort, wo die Blumen liegen, wurde am vergangenen Donnerstag gegen 8.30 Uhr ein 49-jähriger Taxifahrer in seinem Fahrzeug offenbar mit einem Messerstich in den Hals lebensgefährlich verletzt. Ein Passant fand den Mann. Er alarmierte Polizei und Feuerwehr. Trotz sofort eingeleiteter Rettungsmaßnahmen und einer Notoperation verstarb der Taxifahrer in einer Klinik. Das Taxi wurde zur Untersuchung auf Spuren sichergestellt.

    Sehr schnell konnten die Ermittler der 2. Mordkommission den Tatverdächtigen ausmachen. Er war offenbar am Bahnhof Südkreuz in das Taxi gestiegen und hatte sich in die neun Kilometer weit entfernte Brahmsstraße fahren lassen. Nach der Messerattacke soll er zum Bahnhof Südkreuz zurückgekehrt sein.

    Der Mann sei durch Spezialbeamte der Polizei, sogenannte Super-Recognizer, identifiziert worden, so berichtete es die BZ. Die Beamten haben besondere Fähigkeiten, Gesichter zum Beispiel auf Videomaterial wiederzuerkennen. Sie wurden auch bei den Ermittlungen zu den Silvesterkrawallen eingesetzt.

    Bei dem mutmaßlichen Mörder des Taxifahrers handelt es sich nach Angaben der Berliner Generalstaatsanwaltschaft um einen 24-jährigen Mann. Der Tatverdächtige sei zwei Tage nach der Tat in Flensburg wegen eines bereits bestehenden Haftbefehls in anderer Sache festgenommen und dort einem Ermittlungsrichter vorgeführt worden, sagt Sebastian Büchner, der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft, am Montag.

    Derzeit sitzt der Mann in Untersuchungshaft. Warum der Tatverdächtige den Taxifahrer angegriffen habe, sei noch völlig unklar, erklärt Büchner. Dass sich der Geschädigte und sein Fahrgast um die Höhe des zu zahlenden Beförderungsgeldes gestritten hätten, könne er nicht bestätigen. „Das sind wilde Spekulationen“, sagt Büchner zu entsprechenden Medienberichten. Bisher sei ihm zu den Tatvorwürfen aus Berlin noch kein rechtliches Gehör gewährt worden.

    Indes sorgt die Bluttat für Trauer und Entsetzen unter den Kollegen des getöteten Taxifahrers. Von einer Tragödie spricht Leszek Nadolski, der Vorsitzende der Berliner Taxi-Innung. Einmal mehr habe sich gezeigt, wie gefährlich die Arbeit der Taxifahrer sei, sagt er. Immer wieder komme es vor, dass Kolleginnen oder Kollegen überfallen werden. „Aber ein Tötungsdelikt, mit solcher Brutalität ausgeführt, gab es in Berlin lange nicht mehr“, sagt Nadolski der Berliner Zeitung.

    Bei dem getöteten Taxifahrer handelt es sich nach seinen Informationen um den Vater zweier Kinder – 19 und 20 Jahre alt. „Wir werden die Familie unseres Kollegen unterstützen“, sagt Nadolski. Dafür werde der Gustav-Hartmann-Unterstützungsverein Spenden sammeln. Der Verein hilft Taxifahrerinnen und Taxifahrern, die Opfer einer Straftat geworden sind. „Ich rechne damit, dass wir 4000 bis 5000 Euro an Spenden zusammenbekommen“, erklärt der Chef der Taxi-Innung.

    Den Aufruf zum Spenden wird Nadolski am Dienstagabend bekannt geben – zur Preview des französischen Kinofilms „Im Taxi mit Madeleine“ im Cinema Paris. „80 bis 100 Taxifahrer werden bei der Veranstaltung dabei sein und Leute aus der Politik. Wir werden dabei auch eine Schweigeminute für unseren getöteten Kollegen einlegen“, sagt Nadolski. Taxifahrerinnen und Taxifahrer würden zudem mit Trauerflor an den Fahrzeugen an das Opfer erinnern.

    Bessere Sicherheitsvorkehrungen wie etwa Trennscheiben, die den Fahrer gegen hinten sitzende Fahrgäste abschirmen könnten, nennt Nadolski keine gute Lösung. „So eine Scheibe ist für Fahrgäste, die hinten nicht angeschnallt sind, bei Vollbremsungen gefährlich“, erklärt er.

    Und der Tatverdächtige? „Wir werden im Laufe der Woche Haftbefehl gegen den 24-Jährigen beantragen“, sagt Sebastian Büchner. Wegen eines Heimtücke-Mordes. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der mutmaßliche Täter frühestens Ende dieser Woche von Flensburg nach Berlin überstellt wird.

    Am Tatort hat eine junge Frau ein Grablicht angezündet. Dann studiert sie den Brief, der mit „Deine Nichte“ unterzeichnet ist. Ihr Onkel sei IT-Mann gewesen, ist über den Toten zu lesen. Jede Woche habe er eine neue Idee gehabt, „was man arbeiten könnte, was man lernen könnte, was man leben könnte. Er entschied sich, Taxi zu fahren nebenbei. Das wurde ihm zum Verhängnis.“

    #Berlin #Taxi #Arbeit #Kriminalität #Taximord

  • Waldorf Astoria Berlin: Der Chefconcierge zeigt uns das Luxushotel am Bahnhof Zoo
    https://www.berliner-zeitung.de/stil-individualitaet/waldorf-astoria-berlin-chefconcierge-christoph-hundehege-nimmt-uns-

    Ein Bericht über das Hotel, in dem man nicht aufs Klo darf - als Taxifahrer. Da haben sich Kollegen derart daneben benommen, dass die ganze Zunft Kloverbot hat

    Da.
    https://www.openstreetmap.org/node/3683945001

    9.4.2023 von Manuel Almeida Vergara - „Meet me at the clock“, sagt der New Yorker – und sein Gegenüber weiß sofort, was damit gemeint ist. Schließlich ist die mit bronzenen Relieffiguren dekorierte Standuhr im Waldorf Astoria, dem 1931 gegründeten Luxushotel, seit Jahrzehnten ein beliebter Treffpunkt. So beliebt, dass „meet me by the clock“ in New York zum geflügelten Wort geworden ist.

    „Wir treffen uns an der Uhr“ – diese Aufforderung kennt auch der Berliner, wenngleich sie ihn – ein bisschen weniger glamourös – nolens volens zur Weltzeituhr führt. Dabei hat auch Berlin seit genau zehn Jahren ein Waldorf Astoria. Und auch das Waldorf Astoria Berlin hat eine hübsche Standuhr in der Lobby.

    Christoph Hundehege plädiert ohnehin dafür, dass sich Berlinerinnen und Berliner öfter mal in das Fünf-Sterne-Hotel am Bahnhof Zoo verirren sollten. Und zwar nicht nur, um sich bei der Lobby-Uhr zu treffen: Vom Spa über die Bar bis zum Restaurant; von den weltberühmten „Eggs Benedict“ zum Frühstück über ein Stück „Red Velvet Cake“ am Nachmittag bis zum abendlichen Drink in der Hotelbar habe das Haus doch einiges zu bieten, das nicht nur Touristinnen und Touristen gefallen dürfte.

    Was in New York, London oder Paris ganz üblich ist – nämlich, auch als Einheimische die Vorzüge der besten Hotels der Stadt zu genießen – sollte sich bei uns genauso durchsetzen, findet Hundehege. Seit der Hoteleröffnung 2013 ist er Chefconcierge des Hauses, seit vergangenem Jahr außerdem Deutschland-Präsident von „Les Clefs d’Or“, einer renommierten weltweiten Concierge-Vereinigung.

    Wir treffen Christoph Hundehege im 30. Stock. Er wartet schon in einer großzügigen Ambassador-Suite auf uns, über der nur die noch großzügigere Präsidentensuite liegt. Und auch wenn sein Metier zur Verschwiegenheit verpflichtet: Ein paar Einblicke in seinen Berufsalltag will uns der Chefconcierge doch gewähren.

    Herr Hundehege, mir fällt gleich das goldene Emblem auf, das mir von Ihrem Revers entgegenfunkelt. Sieht ganz so aus, als seien Sie hochdekotiert – zumindest in Ihrem Berufsfeld.

    Das ist jedenfalls kein Militärabzeichen oder ein Sheriffstern. Wie der Name schon sagt, sind die goldenen Schlüssel das Symbol von „Les Clefs d’Or“, einer internationalen Vereinigung von Hotelconcierges. Weltweit haben wir fast 4000 Mitglieder, 200 davon arbeiten allein in Luxushäusern in Deutschland. Wir nutzen dieses Netzwerk gerne, weil wir unsere Gäste auf ihren Reisen begleiten wollen, auch über ihren Aufenthalt bei uns hinaus. Bevor sie in eine andere Stadt und ein anderes Hotel weiterziehen, telefonieren wir oft mit den Concierges dort, um sie schon mal über besondere Wünsche oder Vorlieben zu informieren. Das machen wir übrigens markenübergreifend.

    Da ruft dann also ein Concierge aus dem Waldorf Astoria Berlin beim Four Seasons in Miami oder Kempinski in Istanbul an, um die Leute dort auf ihre Gäste vorzubereiten?

    Sicher, wenn es doch dem Genuss unserer Gäste dient! Vielleicht gibt es beim nächsten Reiseziel ja ein tolles Restaurant, das schon mal reserviert werden soll, oder ein Konzert, für das es noch Karten braucht. Oder jemand hat eine Nussallergie, ist Pescetarier oder mag abends gern ein warmes Kirschkernkissen ans Bett. Jeder Hinweis hilft. Also arbeiten wir innerhalb dieser Concierge-Vereinigung wirklich eng zusammen.

    Was muss ein Concierge tun, um Mitglied bei „Les Clefs d’Or“ werden zu können?

    Theoretisch kann jeder und jede Concierge Teil unserer Vereinigung werden, wenngleich unsere Mitglieder vor allem in den Luxushäusern dieser Welt zu finden sind. Auf jeden Fall müssen sie schon eine bestimmte Anzahl an Jahren in diesem Beruf gearbeitet und auch mindestens zwei Paten innerhalb der Vereinigung haben, die für sie bürgen.

    Und was müsste man tun, um wieder rauszufliegen?

    Da gibt es bestimmt etwas. Wir haben ja ethische und moralische Vorsätze, an denen wir alle uns orientieren.

    Ich stelle mir gerade einen totalen Männerverein vor, ähnlich wie bei den traditionsreichen Butler-Vereinigungen Großbritanniens. Liege ich richtig?

    Überhaupt nicht! Ich kenne zwar den genauen prozentualen Anteil nicht, aber in der Hotellerie und Gastronomie sind ja ohnehin sehr viele Frauen tätig und so auch als Concierges. Das war sicherlich mal anders, auch, wenn wir nur ein oder zwei Dekaden zurückblicken. Aber das gleicht sich immer mehr aus, und das ist auch von unbedingter Wichtigkeit. Die Mischung macht’s, und so bin ich sehr froh, dass ich bei uns ein ganz ausgewogenes Team überblicke, das genau zur Hälfte aus Frauen und zur anderen aus Männern besteht.

    Eine Prämisse, der Sie sich als Chefconcierge des Waldorf Astoria Berlin und überdies als Präsident von „Les Clefs d’Or“ verschreiben, ist der Grundsatz der Verschwiegenheit. Dabei erleben Sie in ihrem Arbeitsalltag bestimmt einige kuriose Dinge. Fällt es Ihnen schwer, manchmal nicht doch aus dem Nähkästchen zu plaudern?

    Das fällt natürlich hin und wieder schwer. Ich würde lügen, wenn ich etwas anderes behauptete. Aber da muss ich – da müssen wir – uns eben kontrollieren, weil wir ja nicht selten mit hochrangigen und berühmten Gästen umgehen, denen wir eine Privatsphäre ermöglichen wollen. Also haben Details und Geschichtchen in Gesprächen außerhalb unseres Hauses nichts verloren.

    Glücklicherweise befinden wir uns ja gerade innerhalb Ihres Hauses, also versuche ich es einfach mal: Welche Begegnung mit einem Gast, welcher spezielle Wunsch ist Ihnen in zehn Jahren Waldorf Astoria Berlin besonders im Gedächtnis geblieben?

    Da gibt es wirklich viele Momente. Spontan muss ich an eine Situation denken, die sich im Rahmen des Champions-League-Finales zwischen Juventus Turin und FC Barcelona 2015 hier in Berlin abgespielt hat. Wir hatten einen Gast, der sich die ganze Woche auf dieses Finalspiel gefreut hatte. Zweieinhalb Stunden vor Anpfiff hatte er aber noch immer kein Ticket bekommen. Also stand er vor unserem Concierge-Desk mit der Bitte, ihm doch eines zu besorgen. Das war sicherlich ein Wunsch, der bei mir hängengeblieben ist, weil seine Erfüllung so schwierig war. Und um Ihre nächste Frage gleich vorwegzunehmen: Ja, wir konnten ihm sein Ticket besorgen, auch wenn das ein bisschen mehr Anstrengungen gekostet hat als eine einfache Restaurantreservierung.

    Dann also eine andere nächste Frage: Wen muss man anrufen, und was muss man sagen, wenn man zwei Stunden vor Anpfiff noch ein Ticket fürs Champions-League-Finale will?

    Da wären wir jetzt beim Nähkästchen, das ich lieber geschlossen halte. Wenn ich Ihnen jetzt erzählen würde, wie das funktioniert hat, dann könnte das ja am Ende jeder leisten.

    Steigen die Ansprüche eines Gastes parallel zu seiner Bedeutung? Oder anders: Kann sich eine berühmte Persönlichkeit bei Ihnen nochmal ganz andere Dinge wünschen als jemand gänzlich Unbekanntes?

    Wir haben grundsätzlich den Anspruch, jeden Gast gleich zu behandeln. Aber natürlich gibt es den einen oder die andere, die vielleicht ein paar mehr Anforderungen mit sich bringt. Wenn Sie zum Beispiel an einen Künstler denken, der gerade eine Welttournee macht und währenddessen in 100 Hotels übernachtet, dann tun wir gut daran, hier das gewünschte Umfeld zu schaffen, damit auf dieser Tour nichts ins Holpern gerät. Aber generell bemühen wir uns, niemanden seiner oder ihrer Popularität wegen zu bevorzugen.

    Ist das überhaupt möglich? Sie werden ja auch ganz persönliche Vorlieben haben, Stars, die Sie ganz toll finden und andere, mit denen Sie nichts anfangen können.

    Natürlich gibt es zum Beispiel Künstler, die ich persönlich musikalisch oder schauspielerisch besser finde als andere. Oder Staatsbesuche, auf die ich mich mehr freue als auf andere. Aber da muss ich eben ganz die professionelle Distanz wahren. Das wird von unserem Haus erwartet. Stellen Sie sich mal vor, ich würde einen Gast nach Karten für seine nächste Show, einem Autogramm oder einem Selfie fragen. Das wäre undenkbar! Und genauso undenkbar wäre es, dass ich einen Gast mit seinen Wünschen links liegen lasse, nur weil er nicht berühmt ist.

    Also darf ich Sie auch als ganz normaler Gast um Champions-League-Tickets bitten?

    Sicher, das dürfen Sie. Dafür sind wir letzten Endes da. Es muss ja auch nicht unbedingt das begehrte Fußballticket sein, es können auch Karten für ein Opernstück sein, für das Sie sich kurzfristig entschieden haben, oder einfach nur Tickets für den Zoo. Oder wir helfen Gästen dabei, sich ein Tagesticket von der BVG zu ziehen, einfach, weil sie das vorher noch nie gemacht haben. Alles ist möglich.

    Kommt es trotzdem mal vor, dass Sie Ihren Gästen sagen müssen: „Sorry, geht nicht“?

    Ich würde lügen, wenn ich sagte, es klappt immer alles völlig problemlos. Letzten Endes geht es darum, für den Gast gute Lösungen zu finden. Wenn es zum Beispiel in der Philharmonie spontan nicht mehr, wie gewünscht, fünf Plätze nebeneinander gibt, dann sorgen wir eben in Absprache mit dem Gast dafür, dass die Gruppe aufgeteilt wird und jeder einen guten Platz findet. Lösungen suchen und Lösungen finden – ich glaube, das beschreibt unsere Aufgabe als Concierges ganz gut.

    Interessant, dass Sie bis jetzt nur Beispiele außerhalb Ihres Hauses gewählt haben. Wünsche, die in der Oper, im Konzerthaus oder eben im Fußballstadion erfüllt werden sollen. Spannend wird es doch gerade dann, wenn jemand vor Ort zum Beispiel nicht mit seinem Zimmer einverstanden ist. Man hört ja gelegentlich von Stars, die etwa vorab ihre Suite neu streichen lassen, weil ihnen die Wandfarbe nicht gefällt. Oder sind das nur Hollywood-Mythen?

    Nein, das sind keine Fantastereien. So etwas gibt es. Wir haben durchaus Gäste, und das müssen gar keine Hollywoodstars sein, denen das ein oder andere Bild im Hotelzimmer nicht gefällt. Natürlich machen wir auch das dann möglich und tauschen die Kunst aus. Oder es gibt Gäste, die ihr Schlafzimmer durchgehend abgedunkelt haben wollen, sodass kein Tageslicht reinkommt. Auch das machen wir möglich. Wir versuchen, dem Ganzen keine Grenzen zu setzen.

    Klingt so, als sei Geduld Ihre wichtigste Eigenschaft. Was muss man noch mitbringen, um Ihren Job machen zu können?

    Geduld ist ganz wichtig, das stimmt. Außerdem würde ich sagen, man muss ein übergeordnetes Interesse an vielerlei Dingen mitbringen. Wir wollen unseren Gästen Empfehlungen authentisch geben können, müssen also wissen, wie es in bestimmten Restaurants so schmeckt, welcher Gang besonders zu empfehlen ist. Oder in welchen Galerien und Museen, aber auch in welchen Kiezen es gerade besonders spannend ist. Und weil sich unsere Stadt und ihre Stadtteile ja rasend schnell verändern, gehören zu meinem Beruf auch große Investitionen an privater Zeit. Wir wollen und müssen immer auf dem Laufenden sein. Man kennt das ja aus dem Privaten: Wenn Freunde Sie nach einem Restaurant fragen, dann ist es immer besonders schön, wenn Sie ganz authentisch davon erzählen können, weil Sie selbst schon mal da waren.

    Wenn wir über die Veränderungen in unserer Stadt sprechen, muss ich gleich an die Neuentwicklung der City West denken. An den Wunsch, aus der Gegend um den Bahnhof Zoo, wo 2013 auch das Waldorf Astoria eröffnet hat, eine elegante, mondäne Innenstadtlage zu machen. Spielt Ihr Haus bei diesem Vorhaben eine wichtige Rolle?

    Ja, das glaube ich durchaus. Ich würde jetzt nicht so weit gehen zu sagen, dass die Eröffnung des Waldorf Astoria Berlin der Schlüssel dazu war, die City West auf diese Weise zu entwickeln. Aber ich würde schon sagen, dass auch unsere Eröffnung dazu geführt hat, dass viele luxuriöse Boutiquen auf den Kurfürstendamm zurückgekommen sind und auch andere entsprechende Bauvorhaben umgesetzt wurden.

    Also passt Waldorf Astoria als Marke zu Berlin? Es gibt in der Stadt sicherlich einige Menschen, die das anders sehen.

    Berlin muss sich meines Erachtens vor keiner Metropole der Welt verstecken. Ganz im Gegenteil. Wenn ein Waldorf Astoria nach New York oder Amsterdam oder London passt, warum soll es nicht auch nach Berlin passen? Es gehört zu jeder Metropole dazu, dass auch diese Art von Hotellerie betrieben wird. Und die Nachfrage bestärkt uns ja darin. Luxus-Sternehotels funktionieren – auch in Berlin.

    Ist es also an der Zeit, dass wir uns endlich von Wowereits Motto „arm, aber sexy“ verabschieden?

    Ich glaube, dieser Satz hat in eine gewisse Zeit gepasst. Aber mittlerweile passt er nicht mehr. Wenn Sie sich nur mal anschauen, wie viele erstklassige Restaurants in den vergangenen Jahren und Monaten eröffnet haben! Wenn Sie sich vornehmen würden, jedes dieser Restaurants zu testen, dann wären Sie in zwei Jahren noch nicht damit durch. Dass solche Restaurants und eben Hotels wie unseres in Berlin so gut funktionieren, spricht doch dafür, dass die Klientel da ist.

    Nur empfangen Sie in Ihrem Haus ja eher Gäste von außerhalb und eben nicht die Berlinerinnen und Berliner, die vielleicht nach wie vor sexy und arm sind.

    Das ist nicht richtig. Uns besuchen auch viele Menschen, die in Berlin leben. Auch wenn das noch nicht in dem Maße geschieht, wie wir uns das wünschen würden. Das ist vielleicht tatsächlich etwas, das sich in Berlin noch nicht so durchgesetzt hat wie etwa in London oder New York: Dort ist es ganz normal, sich abends auch mal in einer Hotelbar oder einem Hotelrestaurant zu treffen, oder das Spa dort zu nutzen. Diese Hemmschwelle, die es in Berlin offenbar immer noch gibt – nämlich an den freundlichen Doormen vorbei in ein Fünf-Sterne-Hotel zu spazieren und die dortigen Angebote zu nutzen – existiert dort nicht. Aber es gibt auch hier in unserem Hotel viele schöne Dinge, die auch Berlinerinnen und Berliner erleben können. Sei es der High Tea in unserer Library im 15. Stock – für mich übrigens der schönste Ort im ganzen Hotel –, ein Tag im Guerlain-Spa oder eine Veranstaltung wie „Champaign & Eggs“ unten im Roca Restaurant.

    Gut gemachte Eier spielen im Waldorf Astoria tatsächlich eine übergeordnete Rolle. Im New Yorker Stammhaus wurden „Eggs Benedict“ erfunden, ein Frühstücksklassiker, der mittlerweile überall auf der Welt gegessen wird. Genau wie der „Red Velvet Cake“, der ebenso im Waldorf Astoria New York erfunden wurde. Hinzu kommen viele weitere, teils dramatische Geschichten, die mit dem Hotel verbunden sind. Etwa jene des Gründers John Jacob Astor IV, der 1912 beim Untergang der Titanic ums Leben gekommen war. In Ihrem Haus erinnert daran zum Beispiel ein Treppengeländer, dessen Metalldetails der Partitur des Liedes entsprechen, das als letztes auf dem sinkenden Schiff gespielt wurde. Prägt diese reiche, turbulente Markengeschichte Waldorf Astorias Sie in Ihrer täglichen Arbeit?

    Ja, das tut sie. Und das muss sie auch. Alle Häuser, die weltweit zum Portfolio von Waldorf Astoria gehören, müssen das in ihrer DNA tragen und auch zeigen. Die Erwartungen, mit denen Gäste zu uns kommen, sind gerade durch das New Yorker Mutterhaus und seine lange, intensive Geschichte sehr groß. Also muss jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter in unserem Haus dazu bereit sein, diese Geschichte weiterzuschreiben. Und ähnlich, wie ich das eben in Bezug auf Berliner Restaurants gesagt habe – nämlich, dass es auf ein authentisches Erzählen aus dem eigenen Erleben heraus ankommt – trifft das auch auf unser Hotel zu. Ich empfehle unseren Kolleginnen und Kollegen immer, wenn sie mal in Amsterdam, Shanghai oder eben New York sind, auch das Waldorf Astoria dort anzuschauen. Einfach, um unsere Marke möglichst gut zu kennen und kommunizieren zu können.

    Spielt diese Geschichte der Marke auch für Ihre Gäste eine Rolle?

    Auch das. Zudem verbinden viele Gäste ganz eigene, private Geschichten mit Waldorf Astoria. In der Tat haben wir eine sehr große amerikanische Gästeklientel, und es gibt viele, für die unser Name mit Erinnerungen verknüpft ist. Gerade vergangene Woche hatten wir hier noch ein Paar zu Gast, das seinen 50. Hochzeitstag bei uns in Berlin, aber seinen 10. Hochzeitstag schon im Waldorf Astoria in New York gefeiert hatte. Solche Gäste haben noch das, was sie früher in einem unserer Hotels erlebt haben, vor Augen, und kommen mit dieser Erwartungshaltung zu uns. Dafür, dass wir sie dann nicht enttäuschen müssen, arbeiten wir jeden Tag.

    Könnten Sie sich überhaupt vorstellen, für ein Hotel zu arbeiten, das nicht auf diesem Niveau angesiedelt ist?

    Ich persönlich könnte mir das nicht vorstellen, nein. Und ich hoffe, das ist auch bei allen meinen Kolleginnen und Kollegen so. Letztlich soll es doch das sein, wofür wir tagtäglich hierherkommen: Die Erwartungen unserer Gäste nicht nur zu erfüllen, sondern sie zu übertreffen. Den besten Service zu bieten, ein Auge fürs noch so kleinste Detail beweisen. Ich finde es unheimlich spannend, dass hier kein Tag dem anderen gleicht. Und dass ich auch nach zehn Jahren Waldorf Astoria Berlin noch von Gästen, ihren Wünschen und den damit einhergehenden Herausforderungen überrascht werde.

    Waldorf Astoria New York

    Das Waldorf Astoria New York, ein im Stile des Art déco entworfenes Wahrzeichen der Stadt, wurde im Jahr 1931 fertiggestellt. Es war aus dem Zusammenschluss zweier Hotels hervorgegangen; eines hatte dem Inverstor William Waldorf Astor, das andere dem Geschäftsmann John Jacob Astor IV gehört. Über die Jahre wurde Waldorf Astoria zu einer der renommiertesten Hotelmarken der Welt, die heute zur Hilton-Gruppe gehört und weltweit Dependancen unterhält.

    #Berlin #Charlottenburg #Hardenbergstraße #Hotel #Gastronomie #Arbeit #Luxus

  • Les expérimentations médicales nazies n’ont pas fini de faire parler de leurs horreurs
    https://fr.timesofisrael.com/les-experimentations-medicales-nazies-nont-pas-fini-de-faire-parle


    Ein glücklich lächelnder Fahrer vor seinem T4-Reisebus an der Krankenanstalt Hartheim (1940). Der Mann lächelt freundlich, weil er nicht an die Front muss, und weil er etwas sinnvolles tut. Er darf dazu beitragen, arme Menschen von ihrem Leid zu erlösen. An seiner Stelle würden wir auch so freundlich dreinschauen. Es genügt, mit seiner Zeit im Einklang zu sein.

    #Arbeit #Medizin #Nazis #vergasen

  • Rauer Wind in der Nische
    https://jungle.world/artikel/2003/27/rauer-wind-der-nische

    Jungle World 2003/27 von Christoph Villinger - Das Kreuzberger Prinzenbad ist auch bei 30 Grad im Schatten leer. Einsam kann man seine Bahnen im großen Becken ziehen. Man muss nur das nötige Kleingeld haben. Denn inzwischen kostet der Eintritt vier Euro, wer Anspruch auf Ermäßigung hat, zahlt immer noch 2,50 Euro. Dauerkarten sind abgeschafft. Nach den Protesten im vergangenen Jahr führten die Berliner Bäderbetriebe immerhin eine Spätschwimmerkarte ein, ab halb sechs Uhr kostet der Eintritt nur noch zwei Euro.

    Doch die ökonomische Krise ist nicht nur im Prinzenbad präsent. Immer weniger BewohnerInnen von Kreuzberg, das nach der Bezirksreform zum Ost-West-Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gehört, haben genügend Geld. In der Oranienstraße wirbt inzwischen selbst die Edelpizzeria Ossena mit einer Happy Hour von 18 bis 20 Uhr, um Hungrige anzulocken: »Alle Pizzas zum halben Preis.« Die Café-BesitzerInnen klagen über deutliche Umsatzrückgänge, nur am Wochenende sind die Kneipen noch voll. Und wenn man sich mal einen Cappuchino genehmigt, kommen zwei etwa zehnjährige Schulkinder an den Tisch, um selbstgebastelte Kerzen zur Finanzierung ihrer Klassenfahrt zu verkaufen. Man glaubt ihnen, denn sie sehen nicht so aus, als ob sie das Geld an der nächsten Straßenecke in Drogen umsetzen würden.

    Nebenan unterhält man sich über die 100 Euro, die ab Herbst für die Schulbücher der Kinder zu bezahlen sind. Und dass »die beste Freundin nach jahrelangem Suchen endlich einen Job gefunden hat« – in Schwäbisch Hall. Die seit zehn Jahren von den Linken befürchtete »Vertreibung der Armen aus Kreuzberg« ist ausgeblieben, vielmehr »findet ein Prozess der Binnenverarmung« statt, sagt der Kreuzberger Baustadtrat Franz Schulz von den Grünen. So nehme seit wenigen Jahren die Bevölkerung in Kreuzberg sogar wieder zu, insbesondere die deutsche. Das Problem sei der früher gut verdienende Selbstständige, der immer weniger Aufträge erhalte und dessen Geld deshalb knapp werde.

    So hat die auf mittelständische Käuferschichten ausgerichtete Supermarktkette Reichelt ihr Ladenlokal nahe dem Kottbusser Tor schon vor Jahren an den Billigdiscounter Lidl übergeben. Und keine tausend Meter weiter hat Lidl am Oranienplatz vor wenigen Monaten eine weitere Filiale neben dem edel restaurierten AOK-Hochhaus eröffnet. Das steht dafür völlig leer.

    Ebenfalls leer fahren nachts unzählige Taxen auf der Suche nach nicht vorhandenen Fahrgästen durch die Oranienstraße. Ein Kreuzberger Taxikollektiv kann sich inzwischen nur noch gut zwei Drittel des seit 1980 üblichen Stundenlohns von 7,50 Euro auszahlen. Für den Taxifahrer Tilman G. ist sein Job inzwischen »nichts weiter als eine schlecht getarnte Arbeitslosigkeit«.

    Über 30 Prozent beträgt die Arbeitslosenquote in Kreuzberg, 26 000 der etwa 147 000 EinwohnerInnen beziehen Sozialhilfe. Ein Drittel der KreuzbergerInnen hat keinen deutschen Pass. Im SO 36 genannten Teil Kreuzbergs betrug im Jahr 2001 das durchschnittliche Haushaltseinkommen nur 850 Euro, der Berliner Durchschnitt liegt immerhin bei 1 100 Euro. Knapp 3 500 Jugendliche unter 25 Jahren sind im Gesamtbezirk Friedrichshain-Kreuzberg arbeitslos gemeldet, genauere Aufschlüsselungen nach einzelnen Wohngebieten gibt es angeblich nicht. Zumindest wehrt der Sprecher des Landesarbeitsamtes von Berlin-Brandenburg, Olaf Möller, eine entsprechende Anfrage der Jungle World wortreich ab.

    Doch Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer (PDS) berichtet von einzelnen Straßenzügen, »in denen bis zu 60 Prozent der Jugendlichen mit Migrationshintergrund ohne Arbeit oder gar Ausbildungsplatz sind«. Deshalb ist Talibe Suzen vom Immigrantinnenverein Akarsu e.V. so empört, dass das Arbeitsamt Mitte die Mittel für Berufsvorbereitungskurse zusammengestrichen hat. 45 Teilnehmerinnen nicht deutscher Herkunft sollten dort auf einen Beruf vorbereitet werden, um einen Ausbildungsabschluss zu erreichen. Durch spezielle Angebote und muttersprachliches Fachpersonal entwickelten die Migrantinnen in den seit 14 Jahren angebotenen Kursen schnell mehr Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit.

    Noch im vergangenen Jahr wurde der Bildungsträger von Bundespräsident Johannes Rau und der Bertelsmann-Stiftung als eines der zehn besten Projekte unter 1 300 Mitbewerbern in Deutschland ausgezeichnet. Jetzt muss der Verein, um die Insolvenz zu vermeiden, bis Ende August allen Mitarbeiterinnen kündigen, berichtet Talibe Suzen. Falls dann bis Mitte September das Arbeitsamt den von zwölf auf neun Monate verkürzten Kurs doch noch genehmigt, können sie wieder angestellt werden. Aber am 31. Juli des nächsten Jahres müssen sie wieder entlassen werden. »Das ist doch absurd«, empört sich Suzen.

    Auch die Beschäftigungsagentur Stellwerk ist von den Kürzungen betroffen. Hier werden SozialhilfeempfängerInnen Wege zum Job gezeigt. »Wir verlieren damit 350 Förderplätze«, befürchtet Kerstin Bauer (PDS), die Sozialstadträtin des Bezirks. »Mit sehr großer Besorgnis«, formuliert sie diplomatisch, sehe sie »das rein haushaltspolitische Durchsetzen der Politik der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg«. Sie fordert »mehr Sensibilität«.

    Vor Jahren wurden diese Beschäftigungsagenturen von der radikalen Linken noch als Zwangsarbeitsanstalten bekämpft. Inzwischen beugen sich einige dem Widerspruch: Lieber ausgebeutet drin als ganz draußen. Kreuzberg ist in der ganz normalen kapitalistischen Realität angekommen, mit der man in anderen Teilen Deutschlands schon immer konfrontiert war. Sind dort ABM und die anderen Programme des Arbeitsamtes schon seit längerem Fremdwörter, ermöglichten sie in Kreuzberg vielen eine Nischenexistenz, deren Finanzierung nun weggekürzt wird. Zwar sind die Mieten in Kreuzberg im Vergleich zu Stuttgart oder München immer noch niedrig, doch auch hier steigen die Preise. Ein immer höherer Anteil des geringen Einkommens wird für das Wohnen ausgegeben, manchmal machen Miete und Nebenkosten schon weit über 30 Prozent aus.

    Nun soll ausgerechnet die längst verstorbene New Economy den Bezirk retten. Für die Bezirksbürgermeisterin Reinauer hat er »überhaupt nur eine Chance, wenn sich die Medienindustrie im Spreeraum weiter ansiedelt«. Vor einem Jahr zog Universal-Musik von Hamburg an das Friedrichshainer Spreeufer, demnächst will der Musiksender MTV folgen.

    Links und rechts der Spree ist ein riesiges Medienviertel mit 50 000 Arbeitsplätzen geplant. Für viele knüpft sich daran die Hoffnung, dass dort kleinere Kreuzberger Firmen im Dienstleistungssektor einen Markt finden könnten.

    Doch statt von der Teilnahme am unteren Dienstleistungsbereich zu träumen, könnte man sich auch wehren. Am vergangenen Sonntag veranstaltete die Kampagne Berlin-umsonst eine Fahrraddemo von Schwimmbad zu Schwimmbad in Kreuzberg und Mitte »gegen die unbezahlbaren Eintrittspreise«. Wer umsonst ins Prinzenbad kommt, braucht auch vorher den Medienarbeitern nicht die Schuhe zu putzen. Also wurden die Badehosen eingepackt, die Strandbälle aufgepumpt und die Wasserpistolen durchgeladen, um endlich freies Plantschen in den Fluten zu erkämpfen. Immerhin ein Anfang.

    #Berlin #Kreuzberg #Taxi #Arbeit #2003

  • An der falschen Halte
    https://taz.de/Archiv-Suche/!456999

    23.3.2006 - In den 80er-Jahren konnte man mit Taxifahren mehr verdienen als bei einem guten Bürojob. Heute ist es oft nur versteckte Arbeitslosigkeit. Dennoch hat das kurze Kutschieren fremder Menschen seinen Reiz: Für Sigrid Sokoll ist es „pures Abenteuer“

    Statt alle vier Jahre ein neues Taxi zu kaufen, müssen die Wagen heute bis zum Zusammenbruch halten

    von CHRISTOPH VILLINGER

    Warten. Taxifahren heißt warten. Mindestens drei Viertel ihrer Zeit stehen die Berliner TaxifahrerInnen im Schnitt an der „Halte“ – so die allgemeine Erfahrung – und langweilen sich. Lesen Zeitung, lösen Sudoku-Rätsel. Frieren manchmal. Und warten. „Steigt dann nach einer Stunde endlich jemand in die Taxe, geht’s auch nur für 5,40 Euro ins nahe Urban-Krankenhaus“, erzählt Sigrid Sokoll, die an der Halte „Zossen“, Ecke Gneisenaustraße, mitten in Kreuzberg, wartet. „Davon kannst du nicht leben“, sagt die 57-Jährige.

    Einen Stundenlohn von 10 Euro brutto hält sie für ihre Arbeit für angemessen. Ihr Taxikollektiv, die Kreuzberger Taxigenossenschaft (KTG), für die sie seit 1998 fährt, kann ihr gerade noch 6 Euro brutto ausbezahlen – und das mit Mühe. Das entspricht bei den angestellten FahrerInnen etwa 40 Prozent der Tageseinnahmen.

    „Sicher gibt es Ausnahmen“, erzählt ihre Kollegin Christel Janke, die seit 20 Jahren Taxi fährt. An diesem Morgen hatte die 58-Jährige zum Beispiel Glück. „Eine Tour von Kreuzberg nach Hennigsdorf macht 38 Euro.“ Aber am Nachmittag waren es nach acht Stunden Arbeit auch nur 68 Euro Umsatz auf dem Taxameter. „Hast dich eben an die falsche Halte gestellt“, scherzt ihre Freundin.

    An der falschen Halte stehen die über 6.500 Taxen in Berlin viel zu häufig. Wenige Ausnahmetage, wie zurzeit der Berlinale oder der Grünen Woche, lösen das strukturelle Problem des Berliner Taxigewerbes nicht. Die Mehrheit der Bevölkerung hat schlicht und einfach nicht das Geld für „diesen Luxus“. Zudem gebe es rund 1.000 Taxen zu viel in der Stadt, sagt der Taxiverband Deutschland.

    Im alten Westberlin war es kein Problem, in wenigen Stunden 200 Mark Umsatz zu machen und davon als von der Sozialversicherung befreite Studentin sogar über 50 Prozent behalten zu dürfen. Der Stundenlohn der KTG betrug bereits Anfang der 80er-Jahre um die 15 Mark, und trotzdem erwirtschaftete der Betrieb Gewinne.

    Damals hatten die Menschen einfach mehr Geld zum Ausgeben – auch für Taxis. Heute muss jede Fahrerin einen vollen Tag oder eine Nacht arbeiten, um mühsam und mit Glück über 100 Euro Umsatz zusammenzufahren. Die schwierige finanzielle Lage der Branche zeigt sich inzwischen auch an den Autos: Statt alle vier Jahre einen neuen Wagen zu kaufen, müssen sie heute halten bis zum Zusammenbruch. Über 650.000 Kilometer hat das liebevoll nach seiner Funknummer „1432“ genannte Mercedes-Taxi der KTG inzwischen auf dem Buckel.

    „Trotzdem macht mir der Job eigentlich Spaß – damals wie heute“, sagt Christel Janke. 1986 hat sie nach drei Monaten Lernen ihren P-Schein, den Personenbeförderungsschein, gemacht. Janke studierte damals Landschaftsplanung, später stieg sie auf Politikwissenschaft um, aber das Taxifahren wurde immer mehr zum Mittelpunkt des Erwerbslebens. „Nachdem ich eine Weile bei diversen Kleinbetrieben und einem Frauen-Taxi-Kollektiv gefahren bin, hab ich mich 1991 exmatrikuliert und dann selbstständig gemacht“, erzählt Janke. Ihr Wunsch damals: ohne allzu große Aufregung und Stress als Alleinfahrerin den Lebensunterhalt sichern.

    Das ist inzwischen eine Illusion. Auch sie kann von der Fahrerei nicht leben: „Ohne einen finanziellen Zuschuss der Familie würde es nicht gehen.“ Und wegen ihrer Gesundheit darf sie auch nicht endlos in der Taxe sitzen „wie andere Kollegen, die täglich zehn bis zwölf Stunden auf dem Bock hocken und trotzdem ihre Familie nicht ernähren können“. „Eigentlich hätten viele TaxifahrerInnen Anrecht auf ergänzendes Arbeitslosengeld II“, meint sie. Sigrid Sokoll, die vor zwölf Jahren ihren P-Schein gemacht hat, gehört zu dieser Gruppe. Sie fährt noch 15 Stunden die Woche, den fehlenden Rest deckt sie mit „ergänzendem Arbeitslosengeld II“ ab.

    Mit wildfremden Menschen für kurze Zeit in ein intensives Gespräch kommen zu können, das macht für Sokoll den Reiz am Taxifahren aus. Reihenweise Anekdoten kann sie darüber erzählen. Etwa die von dem über 90-jährigen Rentnerpaar, das Sokoll vor einigen Jahren an der Love Parade vorbeifuhr. „Ach, wir haben schon den Rock ’n’ Roll nicht verstanden, was sollen wir uns darüber aufregen“, kommentierten die zwei das Techno-Event. Diese Erlebnisse und die gewisse Anerkennung, die sie immer wieder für ihre Arbeit erfährt, sind Sokoll wichtig.

    Da widerspricht Christel Janke. Sie hat oft das Gefühl, in die „unterste Kaste gesteckt zu werden“. Die scheinbare Bewunderung, wie mutig es sei, als Frau Taxi zu fahren, verletze sie eher. Sie fühlt sich weniger gesellschaftlich anerkannt, „eher verkannt“. Besonders seit die Bundesregierung nach Berlin gezogen sei, spüre sie einen Drang zur Elitenbildung, die am Beruf gemessen werde. „Wie oft werde ich gefragt, was ich vorher gemacht habe – als wäre Taxifahren ein Hilfsarbeiterjob.“ Dabei ist sie heilfroh, nicht in einem Büro sitzen zu müssen – und Pause machen zu können, wann sie will.

    Sigrid Sokoll würde am liebsten viermal pro Monat am Wochenende fahren, „so wäre es das pure Abenteuer“. Doch inzwischen schränkt auch sie ihre Gesundheit ein: Der körperlich sehr belastende Job fordert seinen Tribut. „Ich bin um 6 Uhr morgens bei minus 8 Grad am Innsbrucker Platz gestanden und schwitzte im Hochsommer bei Plus 35 Grad am Ostbahnhof in der Sonne.“

    Die Hoffnung auf einen anderen Job hat Sokoll aufgegeben. „Und ich kann jedem Taxifahrer, der einen anderen Job findet, nur empfehlen, diesen anzunehmen“, sagt Sokoll. Melancholisch erzählt sie von einer anderen Kollegin, die in den 80er-Jahren ihren normalen Beruf hinschmiss, weil sie mit Taxifahren genauso viel verdiente, ja sogar noch etwas für die Rente sparen konnte. „Heute zahlt sie von dem Gesparten ihre Miete. Nichts wird’s mit der Rente.“

    An eine arbeitsfreie Altersruhe glauben beide nicht mehr. „So oder so werde ich arm sein“, meint Sokoll, „und deshalb weiterfahren müssen. Ich habe dann aber wenigstens zwei, drei Tage bezahlte Unterhaltung im Alter.“

    #Taxi #Berlin #2006 #Arbeit #Taxikollektiv

  • Berlin: BVG-Busfahrer gehen unter Polizeischutz auf die Toilette
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/mobilitaet-verkehr-berlin-bvg-busfahrer-gehen-unter-polizeischutz-a

    28.3.2023 von Peter Neumann -Die Treppe hinunter, dann rechts zu einer unscheinbaren Tür und aufschließen. „Machen Sie sich auf etwas gefasst“, sagt der Mann. In der Tat, der Geruch ist nur schwer erträglich. Es riecht dumpf nach alten Leitungen, Verkrustungen, Ablagerungen. Als ob die Luft hier schon seit Jahrzehnten stehen, als ob hier niemals gelüftet würde. Eigentlich möchte man sofort wieder nach draußen. „Trotzdem ist das noch eine der besseren Toilettenanlagen, die es bei uns gibt“, erklärt ein Busfahrer der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Bei dieser Rundfahrt wird sich bald zeigen, dass das stimmt.

    Willkommen bei dem Berliner Landesunternehmen, das mit mehreren Millionen Fahrgastbeförderungen pro Tag unverzichtbar für das Funktionieren dieser Stadt ist! Willkommen auch bei den Menschen, die dieses Unternehmen und ihre Fahrgäste an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden lang in Bewegung halten. Zwei von ihnen wollen darüber informieren, was sie erleben, wenn sie während der Arbeit auf die Toilette müssen.

    Ein anrüchiges Thema? „Ohne uns würde kein Bus, keine Bahn rollen“, sagt der Fahrer. „Ohne uns könnte sich Berlin keinen Meter in Richtung Verkehrswende mehr bewegen. Wie unsere Toiletten aussehen, hat viel mit Wertschätzung zu tun.“ So gesehen, sehe es mit dieser Wertschätzung nicht gut aus. Auch wenn sich das Unternehmen bemüht.

    „Unsere Leute sind froh, wenn sie hier auf die Toilette können“

    Der BVGler ist in den U-Bahnhof Märkisches Museum gekommen, um zu zeigen, wie die Oberklasse aussehen kann. Wie gesagt, in den Räumen 150–152 riecht es nicht gut. Aber es ist geheizt, Toiletten und Waschbecken glänzen sauber. Toilettenpapier, Seife und Papierhandtücher sind vorhanden. „Unsere Leute sind froh, wenn sie hier auf die Toilette können“, so der BVG-Mitarbeiter. Er meint das Fahrpersonal der Buslinien 165 und 265, die hier, am Rand der östlichen Berliner Innenstadt, ihre Endstation haben.

    An fast 400 Orten können BVG-Mitarbeiter aufs Klo, dazu gehören auch S-Bahnhöfe. Eine interne Liste zählt mehr als hundert Personaltoiletten allein in den Berliner U-Bahnhöfen auf. Wenn ein U-Bahn-Fahrer der Leitstelle die Ziffer 700 übermittelt, wissen die Kollegen in der Zentrale: Da muss jemand austreten. „Wenn eine Bahnhofsaufsicht oder ein Bahnhofsmanager auf dem Bahnsteig sind, passen sie auf den Zug und die Fahrgäste auf. In besonders dringenden Fällen ist es auch möglich, den Fahrschlüssel abzuziehen und schnell aufs Örtchen zu verschwinden“, so die Erläuterung. Auch andere BVG-Beschäftigte dürfen im Untergrund aufs Klo.

    Mit dem Bus 147 geht es nach Friedrichshain zum Ostbahnhof. Auf dem Stralauer Platz geht es nicht so reinlich zu wie in dem Klo in der U-Bahn-Station. Das zeigt schon die Rampe, die von der Bahnhofsvorfahrt hinunterführt: Haufen von Menschenkot säumen den Weg. In der struppigen Grünanlage am Stralauer Platz leben Wohnungslose, die sich offenbar nicht anders zu helfen wissen.
    In den schwarzen Kästen warten Giftköder auf Ratten

    Am Rand des Busparkplatzes ließ die BVG Fertigbauten aufstellen. Der Fahrer nennt sie „Cadolto“ – so heißt die Herstellerfirma in Franken. Ein Container beherbergt einen Pausenraum mit Plastikstühlen und einem Tisch. Karg, aber immerhin geheizt. Daneben zwei Toilettenkabinen. In einer von ihnen hat jemand Toilettenpapier auf dem Boden verteilt. „Nicht jeder Kollege hinterlässt den Ort so wie er sollte“, lautet die Erklärung.

    Hinter den Fertigbauten versperrt ein Drahtzaun den Weg in ein Gebüsch. Unter den Sträuchern erstreckt sich ein Berliner Stillleben: Dönerpapier, Pappbecher, Taschentücher und anderer Abfall. Darüber leuchtet orangerot ein Müllbehälter der BSR, der überquillt. In dem Schmutz fallen schwarze Kunststoffkästen auf. Sie enthalten Giftköder für Ratten, die sich hier vor allem bei Dunkelheit reichlich tummeln. „Ziemlich große Tiere“, sagt eine Busfahrerin. Sie zieht noch einmal an der Zigarette, dann geht sie wieder auf Tour. Die Frau von der BVG scheint froh zu sein, wieder wegfahren zu können.

    Manche Fahrer haben Blasenkrebs, andere einen künstlichen Darmausgang

    Personaltoiletten gehören zur Sozialinfrastruktur. Das hört sich erst mal abstrakt an. Doch ihr Zustand trägt ganz konkret dazu bei, ob jemand bei dem größten deutschen Nahverkehrsunternehmen bleibt – oder wieder das Weite sucht. „Viele Kollegen aus dem Fahrdienst leiden unter Krankheiten des Verdauungstrakts“, erzählt der BVGler. „Einige haben Blasenkrebs, Reizdarm oder einen künstlichen Darmausgang. Aber sie fahren trotzdem Bus, weil sie das Geld brauchen oder ihre Zeit nicht nur zu Hause verbringen möchten.“ Das freut die BVG, bei der im Bus-Fahrdienst rund 180 Arbeitsplätze unbesetzt sind. Und es freut natürlich die Fahrgäste, weil Fahrten nicht ausfallen.

    Aber auch für Fahrerinnen ist es wichtig, dass die Toiletten funktionieren und sauber sind. „Im Moment haben wir im Fahrdienst einen Frauenanteil von rund 25 Prozent“, sagt der BVG-Mann. „Wenn sich die Toilettensituation nicht nachhaltig bessert, könnte es schwierig werden, diesen Prozentsatz deutlich zu steigern.“

    Der Werbefaktor des Klo-Containers an der Michael-Brückner-Straße in Schöneweide dürfte jedenfalls gering sein. Der kleine Fertigbau neben einer Tankstelle, die hier in Treptow-Köpenick natürlich „1. FC Union Zapfstelle“ heißt, ist mit Graffiti beschmiert. „Er ist relativ weit von der Endstelle der Buslinie 160 entfernt, außerdem muss die Straße an einer Ampel überquert werden“, erklärt der BVGler. „Das kostet Zeit.“ Bei wenigen Minuten Pause, wie sie der Dienstplan oft vorsieht, kann es knapp werden. „Früher gab es ein Pausenheim, doch das Gebäude wurde unter Finanzsenator Thilo Sarrazin verkauft.“ Der Container sei eine „Notlösung“, aber einen anderen Ort gebe es nicht.

    Wie unter einem Brennglas zeigt sich bei der Rundfahrt, wie schwer es in Berlin ist, auch kleine Projekte umzusetzen. Die BVG sei darauf angewiesen, dass die Verwaltung Sondernutzungsgenehmigungen des öffentlichen Straßenlands erteile, erläutert BVG-Sprecher Jannes Schwentu. Der Bau von Toilettenanlagen sei komplex. „Planungen müssen erstellt, Genehmigungen vom Bezirksamt eingeholt werden. Oft ist in der Nähe einer WC-Anlage kein Wasser-, Abwasser- oder Elektroanschluss gegeben.“

    Er habe nicht selten den Eindruck, dass manch einem in der Verwaltung das Verständnis fehle, entgegnet der Busfahrer, der die Berliner Zeitung zu der WC-Tour eingeladen hat. „Jeder Bezirk möchte, dass der Autoverkehr reduziert wird und die Menschen den öffentlichen Verkehr nutzen. Aber dann müssen es die Behörden uns auch ermöglichen, unter menschenwürdigen Bedingungen zu arbeiten.“

    Nachts kommen in Müggelheim Füchse zum Bus

    Die Rundfahrt ist am S-Bahnhof Baumschulenweg angelangt. „In der Glanzstraße am Bahndamm wollte die BVG ein Toilettenhäuschen bauen. Doch das Bezirksamt Treptow-Köpenick lehnte ab, weil dafür Straßenbäume gefällt werden müssten. Das Baumwohl steht über dem Wohl der Menschen, die an der Mobilitätswende mitwirken“, so das Resümee. Die BVG musste sich jahrelang mit einer Dixi-Toilette behelfen – in der sich zeitweise ein Wohnungsloser häuslich einrichtete.

    Inzwischen durfte die BVG zumindest einen WC-Anhänger aufstellen, eine von mittlerweile 17 Anlagen dieser Art. Der Anhänger hat Strom, aber kein fließendes Wasser. An der Wand klebt eine Fototapete, die eine Südseeküste zeigt. Allerdings ist der Anhänger nur ein Fortschritt auf Zeit. „Die Genehmigung zur Sondernutzung öffentlichen Straßenlands ist wie alle Erlaubnisse dieser Art befristet“, so der BVGler.

    Er könnte noch andere Beispiele zeigen. Im Cadolto an der Endstelle Odernheimer Straße in Müggelheim kommt das Wasser ebenfalls aus einem Kanister – der schon ziemlich veralgt ist. „Seit 20 Jahren ist das schon so“, berichtet ein anderer Fahrer. In der Nähe des Objekts 326, wie der transportable Bau intern heißt, verlaufen Wasserleitungen, doch es wäre schwierig, die Anlage zu verlegen. Die Haltestelle liegt in einem sensiblen Bereich: Trinkwasserschutzgebiet, private Grundstücke. „An der Endstelle kommen immer wieder Füchse zum Bus, manchmal eine ganze Familie“, erzählt eine Fahrerin. „Wenn wir abends zur Toilette müssen, müssen wir an ihnen vorbei. Das ist nicht jedermanns Sache.“

    Nicht zu vergessen die Linien 296 und 396 in Karlshorst. „Manche Frauen weigern sich, diese Linien zu fahren, weil die Toilettensituation dort besonders prekär ist“, berichtet der Busfahrer. Oder die Endstelle Nöldnerplatz: „Da gibt es eine Wall-Toilette, die aber oft blut- und kotverschmiert ist, als Fixerstübchen oder Wohnstätte missbraucht wird.“ Die BVG-Leute dürfen sich auch in einer benachbarten Polizeidienststelle erleichtern. Doch wenn polizeiliche Maßnahmen laufen, bleibt die Tür verschlossen. „Außerdem müssen die Kollegen zur Toilette begleitet werden. Ein Polizist wartet vor der Tür, bis das Geschäft erledigt ist“, so der Fahrer. „Keine schöne Situation für erwachsene Menschen.“

    Wassergüte mangelhaft – Wasserhähne abgeschraubt

    Eine eigene WC-Anlage ist an dem Standort in Lichtenberg leider nicht möglich, da der gesamte Platz neben der Endhaltestelle unter Denkmalschutz steht, entgegnet BVG-Sprecher Jannes Schwentu. Und was den Standort Ostbahnhof anbelangt: „Hier planen wir noch im ersten Halbjahr 2023 die Erneuerung des WCs und des Pausencontainers. Natürlich werden wir sofort aktiv, sollten Ratten gesichtet werden. Dazu stehen wir auch im Austausch mit dem zuständigen Ordnungsamt.“

    An der Endstelle am früheren Flughafen Schönefeld spitzte sich die Situation im vergangenen Jahr zu. Nachdem eine Probenentnahme ergeben hatte, dass die Wassergüte nicht den Vorgaben entspricht, wurden die Wasserhähne kurzerhand abgeschraubt – mit der Folge, dass sich das Fahrpersonal dort nicht mehr die Hände waschen konnte. Schwentu: „Seit Ende 2022 nutzen wir einen WC-Container am alten Taxispeicher. Darüber liegen unserem Fachbereich keine Beschwerden vor.“

    Für Investitionen in eine moderne und gute soziale Infrastruktur für die Mitarbeitenden stehen seit 2016 für zehn Jahre 20 Millionen Euro bereit. Das Thema habe für die BVG eine sehr hohe Priorität, versichert Schwentu. „Hierzu gehören Kantinen, Pausen- und Ruheräume sowie natürlich Toiletten, selbstverständlich auch und gerade für die Beschäftigten aus dem Fahrdienst.“ So weit die Theorie. Die Praxis sieht oft anders aus.

    Von den fehlenden Toiletten für die Fahrgäste gar nicht zu reden.

    #Berlin #BVG #Arbeit

  • Merci M. le ministre ! Quand Olivier Dussopt protège Uber d’une enquête pour soupçon de travail dissimulé | L’Humanité
    https://www.humanite.fr/social-eco/uber/merci-m-le-ministre-quand-olivier-dussopt-protege-uber-d-une-enquete-pour-s

    In Frankreich verhindert der Minister für Arbeit, Vollbeschäftigung und Integration, Olivier Dussopt, persönlich die Überprüfung von Uber auf Beschäftigung von Scheinselbständigen.

    28.2.2023 von Pierric MarissalDas Arbeitsministerium hat gerade wieder einmal zur Rettung von Uber interveniert, um die inspection du travail daran zu hindern, eine Untersuchung wegen des Verdachts auf Scheinselbständigkeit durchzuführen - mit anderen Worten: Lohnarbeit, die sich hinter dem Status eines Kleinunternehmers bei der Plattform verbirgt.

    Um die Tragweite dieser Entscheidung zu verstehen, müssen wir auf die Mobilisierung von Mietwagenfahrern gegen Uber im Jahr 2019 zurückblicken. Hunderte von Arbeitnehmern, die vor allem wegen ungerechtfertigter Verbindungsabbrüche wütend waren, blockierten damals die Räumlichkeiten des multinationalen Unternehmens. Brahim Ben Ali, nationaler Sekretär der Gewerkschaft INV VTC, die im Zentrum der Mobilisierung steht, wendet sich an die Aufsichtsbehörde inspection du travail .

    Im Juni 2020 lehnte diese den Antrag mit der Begründung ab, dass der Status des Selbstunternehmers selbst einer Inspektion auf der Grundlage des Arbeitsgesetzbuches im Wege stehe...". Damals wurde mir klar gesagt, dass die Inspektoren politisch unter Druck gesetzt werden und dass niemand den Kopf hinhalten will", erinnert sich Brahim Ben Ali.

    „Bevorzugte Behandlung“.

    Der Gewerkschafter wandte sich mit seinem Anwalt an das Verwaltungsgericht, das ihm Ende November 2022 voll und ganz Recht gab, die Argumente der Arbeitsaufsichtsbehörde zurückwies und eine Untersuchung innerhalb von vier Monaten anordnete.

    In einem Schreiben, das wir einsehen konnten, legte das Arbeitsministerium jedoch soeben Berufung ein und forderte das Gericht auf, seine Entscheidung, eine Überprüfung des Unternehmens anzuordnen, zu revidieren. „Deliveroo und andere wurden überprüft und verurteilt, obwohl es sich um genau das gleiche Arbeitsverhältnis handelt“, sagte Brahim Ben Ali. „Uber wird in diesem Land wirklich bevorzugt behandelt“.

    Quelle: https://seenthis.net/messages/992353

    Le ministère du Travail vient, encore une fois, d’intervenir pour sauver Uber, afin d’empêcher l’inspection du travail de mener une enquête pour soupçon de travail dissimulé – autrement dit, du salariat déguisé derrière le statut d’autoentrepreneur auprès de la plateforme.

    Pour comprendre la portée de cette décision, il faut revenir à la mobilisation des chauffeurs VTC contre Uber en 2019. Des centaines de travailleurs en colère, notamment à cause de déconnexions injustifiées, bloquent alors les locaux de la multinationale. Brahim Ben Ali, secrétaire national du syndicat INV VTC, au cœur de la mobilisation, saisit l’inspection du travail.

    En juin 2020, celle-ci rejette la demande au motif que le statut même d’autoentrepreneur fait obstacle à une inspection reposant sur le Code du travail… « On m’a clairement dit à l’époque que les inspecteurs recevaient des pressions politiques, que personne ne voulait se mouiller », se souvient Brahim Ben Ali.

    « Traitement de faveur »

    Le syndicaliste saisit avec son avocat le tribunal administratif, qui, fin novembre 2022, lui donne pleinement raison, rejette les arguments de l’inspection du travail et ordonne une enquête dans les quatre mois.

    Mais, dans un courrier que nous avons pu consulter, le ministère du Travail vient d’interjeter appel, demandant au tribunal de revenir sur sa décision d’ordonner un contrôle de l’entreprise. « Deliveroo et d’autres ont bien été contrôlés et condamnés, alors que c’est exactement la même relation de travail ! s’emporte Brahim Ben Ali. Uber a vraiment un traitement de faveur dans ce pays. »

    #Frankreich #Politik #Arbeit #Uber #Scheinselbständigkeit #Komprador #Disruption