• Es drohen Hunger und Obdachlosigkeit : Menschen im Dublin-Verfahren sollen systematisch verelenden - Tacheles Sozialhilfe e.V.
    https://tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/archiv/es-drohen-hunger-und-obdachlosigkeit-menschen-im-dublin-verfahr


    Une proposition de loi du gouvernement allemand pour limiter l’afflux de réfugiés est inhumaine, anticonstitutionnelle et simplement insupportable. Les social-démocrates et verts mettent en place une politique digne des fascistes AfD.

    11.09.2024

    Das, was bisher undenkbar war, ist jetzt Teil eines Gesetzentwurfs: Menschen, für deren Asylverfahren nach den Dublin-Regelungen ein anderer EU-Staat zuständig ist, sollen in Deutschland systematisch verelenden. Ein Ausschluss von sämtlichen Leistungen des AsylbLG soll dazu führen, dass selbst existenziellste Grundbedürfnisse wie Unterkunft, Verpflegung und medizinische Behandlung normalerweise gar nicht mehr, sondern nur noch in außergewöhnlichen Ausnahmefällen sichergestellt werden. Dabei wird auch keine Rücksicht darauf genommen, ob es sich um besonders schutzbedürftige Personen handelt, die besondere Bedürfnisse haben – wie etwa Menschen mit Behinderung, schweren Erkrankungen oder alte Menschen. Man nimmt allen Ernstes in Kauf, dass Menschen nach zwei Wochen aus den Unterkünften in die Straßenobdachlosigkeit und extreme Armut gezwungen werden.

    Dass der Gesetzentwurf offensichtlich weder mit Unionsrecht noch mit der Verfassung zu vereinbaren ist, stört dabei nicht. Es scheint zur politischen Strategie geworden zu sein, Regelungen zu beschließen, die später absehbar für rechtswidrig erklärt werden. Das dauert aber einige Zeit, und zumindest so lange kann man die (menschen-)rechtswidrige Praxis schon mal umsetzen.

    Wer soll von Leistungen ausgeschlossen werden?

    Der Gesetzentwurf sieht in § 1 Abs. 4 AsylbLG neu vor, vollziehbar ausreisepflichtige Personen, für deren Asylverfahren ein anderer Dublin-Staat zuständig ist, nur noch für zwei Wochen Leistungen für das physische Existenzminimum zu gewähren und sie danach von sämtlichen Leistungen auszuschließen. Dies gilt, wenn

    das BAMF eine Unzulässigkeitsentscheidung und

    eine Abschiebungsanordnung erlassen hat und

    die Person vollziehbar ausreisepflichtig ist, sie aber keine Duldung hat.

    Dies gilt schon dann, wenn die Unzulässigkeitsentscheidung noch nicht unanfechtbar ist. Betroffen davon sind Personen, denen keine Duldung erteilt wird. In einigen Bundesländern bzw. bei einigen Ausländerbehörden wird nach der Unzulässigkeitsentscheidung und Eintreten der vollziehbaren Ausreisepflicht keine Duldung erteilt, obwohl die Überstellung nicht unmittelbar erfolgen kann. Dies dürfte zwar rechtswidrig sein, weil „die Systematik des Ausländergesetzes […] grundsätzlich keinen Raum für einen derartig ungeregelten Aufenthalt“ kennt (vgl.: Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6.3.2003; 2 BvR 397/02). Aber die Praxiserfahrung zeigt, dass zunehmend die Duldung verweigert und stattdessen aufenthaltsrechtlich nicht vorgesehene Fantasiepapiere ausgestellt werden. Daher ist zu befürchten, dass eine größer werdende Zahl von Menschen unter den neuen Ausschluss fallen würde.

    Zweiwöchige Überbrückungsleistungen nur für das physische Überleben

    Personen, die dem neuen Leistungsausschluss unterliegen, haben nur noch einen Anspruch auf „Überbrückungsleistungen“ – einmalig innerhalb von zwei Jahren. Diese „Überbrückungsleistungen“ werden bis zur Ausreise, längstens aber für zwei Wochen gewährt. Der Umfang entspricht den Leistungen nach § 1a Abs. 1 sowie § 4 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 AsylbLG. Das bedeutet, dass in den zwei Wochen ausschließlich folgende Leistungen gewährt werden:

    Leistungen des rein physischen Existenzminimums für „Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege“. Nur in Ausnahmefällen besteht zusätzlich Anspruch auf Kleidung und Hausrat (§ 1a Abs. 1 AsylbLG).

    Notfall-Gesundheitsversorgung bei akuten Erkrankungen oder Schmerzzuständen (ohne Vorsorgeuntersuchungen oder Impfungen!) sowie medizinische Leistungen bei Schwangerschaft und Geburt (§ 4 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 AsylbLG).

    Die Gewährung von Geldleistungen soll dabei gesetzlich ausgeschlossen werden.

    Kategorisch und auch in Härtefällen ausgeschlossen sind nach dem Gesetzentwurf demnach auch in den zwei Wochen künftig:

    sämtliche Leistungen des sozialen Existenzminimums (z. B. Mobilität, Telekommunikation),

    die Behandlung chronischer Erkrankungen,

    Teilhabeleistungen nach § 6 AsylbLG für Menschen mit Behinderung,

    Leistungen für Pflegebedürftige, z. B. Pflegesachleistungen

    Zusatzbedarfe für Schwangere (jenseits medizinischer Bedarfe)

    Leistungen zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht (z. B. Passbeschaffung, Kosten der freiwilligen Ausreise)

    usw.

    Nach den zwei Wochen: Das physisches Überleben darf nur noch bei „außergewöhnlicher Härte“ gesichert werden, das soziale Überleben keinesfalls

    Der Gesetzentwurf sieht zusätzlich eine so genannte „Härtefallregelung“ vor. Diese bezieht sich auf zwei Konstellationen:

    Die Überbrückungsleistungen in den zwei Wochen müssen im Falle einer „außergewöhnlichen Härte“ einige wenige zusätzliche Leistungen

    Nach den zwei Wochen müssen Leistungen nur im Falle einer „außergewöhnlichen Härte“ überhaupt noch gewährt werden – allerdings nur die Leistungen für das physische Überleben. Die Leistungen für das soziale Überleben sind auch dann kategorisch ausgeschlossen.

    Für beide Öffnungen soll künftig eine „außergewöhnlichen Härte“ Voraussetzung. Dies ist eine extrem hohe Hürde, es handelt sich um die härteste Härte, die das Gesetz kennt. Sie ist wesentlich schwerer zu erfüllen als eine „besondere Härte“, die aktuell schon für eine andere Gruppe im Gesetz steht (das sind bislang in bestimmten Fällen Personen, die in einem anderen EU-Staat einen Schutzstatus haben oder auch bestimmte nicht-erwerbstätige Unionsbürger*innen). Eine drastische Verschärfung!

    Bislang war es für ausgeschlossene Menschen möglich, in besonderen Härtefällen auch die Leistungen des sozialen Existenzminimums sowie die zusätzlichen Leistungen des § 6 AsylbLG beanspruchen zu können – sowohl innerhalb der zwei Wochen als auch danach.

    Dies wird nun weitestgehend ausgeschlossen: Denn selbst im Falle einer „außergewöhnlichen Härte“ dürfen neben dem rein physischen Überleben zusätzlich ausschließlich

    Schutzimpfungen und Vorsorgeuntersuchungen (§ 4 Abs. 1 S. 2)

    sowie in unaufschiebbaren Fällen Zahnersatz geleistet werden (§ 4 Abs. 1 S. 3 AsylbLG).

    Für Kinder besteht ein neu vorgesehener zusätzlicher Anspruch auf Leistungen „zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern“ – vom Wortlaut her aber auch nur bei der berüchtigten „außergewöhnlichen Härte“. Das ist erbärmlich! Aufgrund des Vorrangs des Kindeswohls wäre zwingend gewesen, zumindest Minderjährige von sämtlichen Kürzungen oder gar Streichungen von vornherein auszunehmen!

    Diese so genannten „Härtefallleistungen“ sind sowohl während der zweiwöchigen Überbrückungsleistungen vorgesehen, als auch danach, sofern „dies im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer außergewöhnlichen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage unabweisbar geboten ist, insbesondere bei amtsärztlich festgestellter Reiseunfähigkeit“.

    Welch ein Menschenbild, welches Verständnis von Menschenwürde steht dahinter, wenn selbst die Befriedigung eines Grundbedürfnisses wie Essen oder Unterkunft von einer „außergewöhnlichen Härte“ abhängig gemacht wird und nur im Ausnahmefall erlaubt sein soll? Der Normalfall soll aus Sicht der Koalition hingegen sein, Menschen in die Obdachlosigkeit und in Hunger zu zwingen.

    Die Leistungen des sozialen Existenzminimums sowie erforderliche Leistungen für besonders schutzbedürftige Personen sind hingegen nach dem Gesetzentwurf selbst im Falle einer außergewöhnlichen Härte kategorisch ausgeschlossen. Hierbei handelt es sich um eine deutliche Verschärfung gegenüber der aktuellen Rechtslage, die darüber hinaus von den Gerichten in der Luft zerrissen werden dürfte.

    Der Ausschluss ist verfassungswidrig

    Es ist offensichtlich, dass diese Neuregelung verfassungswidrig ist – und zwar mindestens aus zwei Gründen:

    Die Betroffenen haben es nicht selbst in der Hand, wann und wie sie ausreisen. Damit kann jedoch die Ausreise auch nicht als „Selbsthilfeobliegenheit“ konstruiert werden (vgl.: BVerfG, Urteil vom 5. November 2019; 1 BvL 7/16 sowie BSG, Urteil vom 29. März 2022, B 4 AS 2/21). In Dublin-Fällen ist die freiwillige Ausreise momentan „aus Sicherheitsgründen“ normalerweise nicht möglich (vgl.: BAMF: Dienstanweisung Dublin, S. 168). Selbst wenn das BAMF in Ausnahmefällen einer freiwilligen Ausreise zustimmen sollte, ist ein zeitaufwändiges bürokratisches Verfahren erforderlich, auf das die Betroffenen keinerlei Einfluss haben. Denn anders als EU-Bürger*innen oder Personen mit einem Aufenthaltstitel können Asylsuchende nicht einfach innerhalb der EU reisen. Hierfür müssen Papiere ausgestellt werden, die Durchreise durch andere Staaten ist nicht erlaubt usw. Somit haben es Menschen im Dublin-Verfahren nicht in der Hand, wann und wie sie in den zuständigen Mitgliedsstaat ausreisen – selbst wenn sie wollten. In der Folge kann von ihnen die gar nicht ohne weiteres mögliche Ausreise logischerweise auch nicht als „Selbsthilfeobliegenheit“ erwartet werden. Eine Leistungsstreichung ist aus diesem Grund eine unzulässige „rein repressive Sanktion“ und verfassungswidrig.

    Beispiel Italien: Seit fast zwei Jahren nimmt Italien keine Menschen im Dublin-Verfahren zurück. Dennoch erlässt das BAMF eine Unzulässigkeitsentscheidung und eine Abschiebungsanordnung. Die Betroffenen würden daher – sofern sie keine Duldung erhalten – dem Leistungsausschluss unterliegen. Sie können aber weder zwangsweise überstellt werden, noch können sie nach Italien ausreisen. Die Bundesregierung plant sie nun auszuhungern, obwohl sie die Situation nicht beeinflussen können. Es liegt auf der Hand, dass dies verfassungswidrig ist.

    Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen sowohl das physische als auch das soziale Existenzminimum stets und zu jeder Zeit sichergestellt werden: „Die Gewährleistung lässt sich nicht in einen „Kernbereich“ der physischen und einen „Randbereich“ der sozialen Existenz aufspalten, denn die physische und soziokulturelle Existenz werden durch Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG einheitlich geschützt“ (BVerfG, Urteil vom 12. Mai 2021 (1 BvR 2682/17). Dass nach der Gesetzesänderung das physische Überleben von einer „außergewöhnlichen Härte“ abhängig gemacht wird und das soziale Existenzminimum kategorisch ausgeschlossen werden soll, ist somit nicht verfassungskonform. Im Gegensatz zur aktuellen Rechtslage etwa bei EU-Bürger*innen sieht die Gesetzesänderung auch keinen Spielraum für eine verfassungskonforme Auslegung zu.

    Abgesehen davon ist es auch aus anderen Gründen offenkundig verfassungswidrig, Menschen in die Straßenobdachlosigkeit zu zwingen oder noch nicht einmal die Ernährung sicherzustellen.

    Der Ausschluss ist unionsrechtswidrig

    Die Ausschlüsse sind weder mit der aktuell geltenden Aufnahmerichtlinie zu vereinbaren, noch mit der ab Mai 20206 umzusetzenden neuen Aufnahmerichtlinie.

    Die aktuelle Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/EU), die auch für Personen während des Dublin-Verfahrens gilt, schließt eine pauschale Kürzung für bestimmte Personengruppen aus. Es muss stets eine begründete Einzelfallentscheidung unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit getroffen werden. Dabei müssen auch im unzuständigen Mitgliedsstaat Leistungen erbracht werden, die „ein menschenwürdiges Leben ermöglichen und vergleichbare Lebensbedingungen in allen Mitgliedstaaten gewährleisten“ (Erwägungsgrund Nr. 11 RL 2013/33/EU). Aus dem Begriff „angemessener Lebensstandard“ ergibt sich, dass die Leistungen wohl kaum auf die Sicherung der rein physischen Existenz reduziert werden dürfen. „Bett, Brot, Seife“ haben mit einem angemessenen Lebensstandard erkennbar nichts zu tun, sondern sind das absolute Minimum, das auch bei Sanktionen eingehalten werden müsste. Die medizinische Versorgung muss gem. Art. 19 mindestens die „unbedingt erforderliche Behandlung“, bei Personen mit besonderen Bedürfnissen die „erforderliche medizinische und sonstige Hilfe“ umfassen. Auch dies ist im Falle eines Ausschlusses von § 6 AsylbLG nicht gewährleistet.

    Die neue Aufnahmerichtlinie (RL (EU) 2024/1346) sieht in Art. 21 vor, dass Betroffene ab der Zustellung der Überstellungs-Entscheidung „keinen Anspruch auf die im Rahmen der Aufnahme gewährten Vorteile gemäß den Artikeln 17 bis 20“ im unzuständigen Mitgliedsstaat mehr haben. Darunter fallen der Zugang zum Arbeitsmarkt (Art. 17), der neu eingeführte Zugang zu Sprachkursen (Art. 18) und der Anspruch auf materielle Leistungen (Art. 19 und 20). Allein der Anspruch auf Gesundheitsversorgung bleibt unabhängig davon aufrechterhalten (Art. 22). Diese kann auf eine Notversorgung beschränkt bleiben. Neu ist jedoch, dass Minderjährige immer einen Anspruch auf eine uneingeschränkte Gesundheitsversorgung haben, ebenso wie Antragstellende mit besonderen Bedürfnissen. Letzteres ist nach der vorgeschlagenen Gesetzesänderung aufgrund des Verbots, Leistungen nach § 6 AsylbLG zu gewähren, nicht erfüllt. Darüber hinaus schreibt Art. 21 S. 2 die Pflicht vor, „einen Lebensstandard im Einklang mit dem Unionsrecht, einschließlich der Charta, und internationalen Verpflichtungen sicherzustellen.“ Dies bedeutet, dass insbesondere die EU-Grundrechtecharta (GRCh) stets berücksichtigt werden muss. Demnach muss zumindest gewährleistet sein, die „elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden“. Es darf keine Situation entstehen, die die „physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre“. (vgl.: EuGH, u.a. Urteil vom 19. März 2019; C-163/17). Dieser „Standard“ wird gelegentlich zynisch als „Bett, Brot, Seife“ bezeichnet, was in Deutschland jedoch prinzipiell dem rein physischen Existenzminimum entsprechen dürfte.

    Ein vollständiger Leistungsausschluss ist somit auch nach neuem EU-Recht unzulässig. Im Falle eines Leistungsausschlusses gem. § 1 Abs. 4 AsylbLG würde im Rahmen einer unionsrechtskonformen Auslegung über die Härtefallregelung mindestens ein Anspruch auf Ernährung, Unterkunft, Kleidung und Gesundheitsversorgung über zwei Wochen hinaus bis zur tatsächlichen Ausreise bestehen. Es liegt also gleichsam immer eine außergewöhnliche Härte vor.

    Für Kinder (Vorrang des Kindeswohls) und andere schutzbedürftige Personen mit besonderen Bedürfnisse wäre die pauschale Kürzung per se unzulässig. Die Gesundheitsversorgung darf für Kinder und schutzbedürftige Personen nicht eingeschränkt werden (Art. 22 Richtlinie (EU) 2024/1346). § 1 Abs. 4 AsylbLG sieht jedoch nur vor, dass besondere Bedürfnisse von Kindern abgedeckt werden müssen - aber wiederum nur im Falle einer außergewöhnlichen Härte. Ein Rückgriff auf § 6 AsylbLG ist ansonsten ausgeschlossen – etwa für Menschen mit Behinderungen, bei Pflegebedürftigkeit, schweren Erkrankungen, Schwangerschaft usw. Daher ist die von der Bundesregierung vorgeschlagene Änderung auch in dieser Hinsicht unzulässig.

    Abgesehen von diesen rechtlichen Erwägungen stellt sich die Frage, was in die Parteien gefahren ist, einen solchen Vorschlag zu machen?! Hat die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit der Rechtsradikalen und der Rassist*innen mittlerweile eine so starke Wirkmacht, dass selbst die bürgerliche Mitte glaubt, diese in Gesetzesform gießen zu müssen?

    Claudius Voigt (Pronomen: er)

    Projekt Q – Büro zur Qualifizierung der Flüchtlings- und Migrationsberatung

    #Allemagne #asile_politique #réfugiés

  • Abschiebungen erleichtern : Berliner Polizisten verlangen Abschaltung des „Frühwarnsystems“
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/wenige-abschiebungen-berliner-polizisten-verlangen-abschaltung-des-

    Quand la police veut faire disparaitre des sources d’information sur les règles et droits en vigeur pour citoyens
    Handbook Germany s’adresse aux étrangers vivant en Allemagne. La base financière de son actualisation est désormais menacée.

    Asylantrag abgelehnt | Handbook Germany
    https://handbookgermany.de/de/rejected-asylum

    5.9.2024 von Andreas Kopietz - Die Bundesregierung verspricht, die Asylpolitik zu verschärfen – und finanziert Tipps, wie sich abgelehnte Migranten einer Abschiebung entziehen können.

    Nancy Faeser, die Bundesinnenministerin, Olaf Scholz, der Bundeskanzler, und sogar Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier fordern Verschärfungen im Aufenthalts- und Asylrecht. Das ist eine Reaktion auf den islamistischen Messeranschlag in Solingen am 23. August durch einen abgelehnten Asylbewerber.

    Mehr Abschiebungen hatte Bundeskanzler Scholz schon im vergangenen Herbst gefordert. Doch die Praxis ist ein Desaster. Zu diesem Schluss kommt die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Laut dem Berliner Landesvorsitzenden Stefan Weh scheitern „unglaublich viele“ geplante Abschiebungen, weil Polizisten die Personen nicht an den bekannten Aufenthaltsorten antreffen. Sie seien vorher im Internet, auf Social-Media-Kanälen und über Messenger gewarnt worden. „Wenn wir dieses Frühwarnsystem nicht abschalten, wird es nicht mehr Abschiebungen geben“, sagt Weh. Dieses Frühwarnsystem wird aber zum Teil von der Bundesregierung selbst finanziert.

    So gibt etwa die Internetseite „Handbook Germany“ Tipps, wie abgelehnte Asylbewerber ihre Abschiebung verhindern können. Auf der Seite, über die das Online-Magazin Apollo News zuerst berichtete, heißt es in einem Eintrag vom Februar 2023 unter anderem: „Bitte beachten Sie: Eltern dürfen nur gemeinsam mit ihren Kindern abgeschoben werden. Wenn zum Beispiel ein minderjähriges Kind zum Zeitpunkt der Abschiebung vermisst wird, darf der Rest der Familie nicht abgeschoben werden.“ Dies kann man als Tipp verstehen, wie man eine Abschiebung blockiert.

    Werde der Asylantrag abgelehnt, könne man, so die Empfehlung, einen Asylfolgeantrag stellen, „wenn Sie unter einer schweren Kriegstraumatisierung leiden, die bislang nicht erkannt wurde“.

    Zudem werden detailliert die Klagewege erläutert – legitime Rechte eines jeden, die aber juristische Schlupflöcher bieten. Bei Asylanträgen, die nach der Dublin-Regelung als unzulässig eingestuft wurden, beginne die sechsmonatige Überstellungsfrist erneut, sobald ein Asylbewerber einen Eilantrag einreiche, heißt es etwa. Dies hatte auch der islamistische Messerstecher von Solingen ausgenutzt, der gar nicht in Deutschland hätte sein dürfen. Der abgelehnte syrische Asylbewerber tötete drei Menschen und verletzte acht.
    Weiterleitung auf linksradikale Webseite

    Unter dem Punkt „Was kann ich tun, wenn ich abgeschoben werde?“ empfehlen die Autoren, bei „Abschiebungsbeobachter*innen“ um Hilfe zu bitten und leiten auf eine linke Webseite weiter. Darauf werden handfeste Tipps gegeben, wie man seine Abschiebung verhindern kann – etwa indem man sich im Flugzeug auf den Boden legt: „Menschen können sich selbst gegen ihre Abschiebung wehren, indem sie sich im Flugzeug nicht hinsetzen und klarmachen, dass sie nicht freiwillig fliegen. Immer wieder bricht der oder die Pilot*in daraufhin die Abschiebung ab, damit das Flugzeug starten kann.“ Das ist eine Aufforderung zum Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, eine Straftat.

    Das „Handbook Germany“ wird vom Bundesinnenministerium und der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung gefördert sowie von der EU und dem International Rescue Committee kofinanziert. Es ist ein Projekt des Vereins „Neue deutsche Medienmacher*innen“.

    Wie passt die staatliche Förderung mit dem erklärten Ziel der Bundesregierung zusammen, Personen schneller abzuschieben, die hier nicht aufenthaltsberechtigt sind?

    „Die Formulierungen des Zuwendungsempfängers Handbook Germany sind darauf ausgerichtet, Betroffene über ihre rechtlichen Möglichkeiten aufzuklären“, teilt eine Sprecherin der Integrationsbeauftragten mit. „Das ist in einem Rechtsstaat selbstverständlich.“

    Zu dem Link auf die linksradikale Webseite sagt sie: Der angeführte Link öffne eine Übersicht auf einer Webseite, die Telefonnummern, Mobiltelefonnummern und Mailadressen aufführe. „Für die Inhalte der Seiten ist Handbook Germany verantwortlich, nicht der Zuwendungsgeber.“

    Eine Anfrage dieser Zeitung an Nancy Faesers Innenministerium ließ das BMI unbeantwortet.
    Weisung an die Bundespolizei: Wer sich widersetzt, ist wieder frei

    Tatsächlich scheinen die mit Steuergeld finanzierten Empfehlungen von Erfolg gekrönt, wie ein Schreiben der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen an die Bundespolizei vom 26. Juli zeigt, das der Berliner Zeitung vorliegt. Darin heißt es unter anderem: „Wenn sich der Betroffene weigert, in das Flugzeug zu steigen bzw. auf eine andere Art versucht, sich der Abschiebung zu widersetzen (aktiver/passiver Widerstand), kann dieser auf freien Fuß gesetzt werden und eigenständig zu der im zugewiesenen Unterkunft zurückreisen. Der Betroffene hat sich umgehend bei der für ihn zuständigen Ausländerbehörde zu melden.“

    Die Aufnahmebehörde beruft sich auf den Paragraf 71.3.1.3.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009, wonach bei einem Scheitern der Abschiebung, die zuständige Behörde das weitere Verfahren regelt.

    Illegale Migration laut BKA um rund ein Drittel gestiegen

    Entsprechendes zeigt sich auch in der Hauptstadt. Der Berliner Landesverband der Gewerkschaft der Polizei veröffentlichte am Mittwoch neue Zahlen zu den in Berlin erfolgten Abschiebungen. Demnach vollzog die Landespolizei in der ersten Hälfte dieses Jahres 516 Abschiebungen. Davon erfolgten 395 durch Festnahmen nach Ersuchen des Landesamtes für Einwanderung (LEA). Im Januar waren es 26, im Februar 11, im März 124, im April 87, im Mai 130 und im Juni 17.

    Im vergangenen Jahr waren es in diesem Zeitraum 635 Abschiebungen nach 487 erfolgreichen Festnahmen. Allerdings war die Zahl der Festnahmeersuchen durch das LEA in beiden Jahren etwa viermal so hoch. Den Rückgang der Abschiebungen um knapp 19 Prozent in diesem Jahr erklärt die Polizei damit, dass im Juni ihre Kapazitäten durch die Fußball-Europameisterschaft gebunden waren.

    Über 16.000 Menschen sind in Berlin ausreisepflichtig

    Laut GdP konnte die Polizei in der vergangenen Woche gerade einmal 42 von 330 geplanten Abschiebungen per Charter nach Moldau vollziehen. In der Nacht zum Mittwoch gelang die Abschiebung nach Georgien bei zehn von 35 Ersuchen. Beide Staaten gelten für Deutschland als „sichere Herkunftsländer“, weil den Menschen dort so gut wie keine politische Verfolgung droht.

    Angesichts der niedrigen Zahlen wirft Berlins GdP-Chef Stefan Weh der Politik „Augenwischerei“ vor: „Wer wirklich etwas an der desaströsen Situation ändern möchte, müsste Maßnahmen ergreifen, anstatt Sachen anzukündigen, die rein rechtlich nicht umsetzbar sind.“

    Weh fordert eine verpflichtende Erfassung der An- und Abwesenheiten in Flüchtlingsunterkünften. Betreiber von Unterkünften sollen verpflichtet werden, bei der Durchführung von Abschiebungen mitzuhelfen. Wichtig sei auch ein Abschiebegewahrsam mit entsprechenden räumlichen und personellen Kapazitäten am Hauptstadtflughafen BER.

    Nach Angaben des LEA sind derzeit 16.209 Menschen in Berlin ausreisepflichtig. Ein Großteil davon wird jedoch geduldet. Laut Senatsinnenverwaltung sind das 13.838 Personen.

    #Allemagne #état_de_droit #asile_politique #expulsion #droit

  • Den Behörden Beine machen: Das EuGH-Urteil zur Familien­zusammen­führung von Flüchtlingen | Verfassungsblog
    https://verfassungsblog.de/den-behoerden-beine-machen-das-eugh-urteil-zur-familienzusammenfuehr

    Der EuGH hat am 12. April 2018 im Urteil A und S den Familiennachzug von Eltern zu unbegleiteten Kindern maßgeblich erleichtert und dabei insbesondere die Frage geklärt, zu welchem Zeitpunkt die Person unter 18 Jahre alt gewesen sein muss. In dogmatisch überzeugender Weise arbeitet der Europäische Gerichtshof (EuGH) heraus, dass auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung abzustellen ist. Ist also die Person unter 18 Jahre alt, wenn sie einen Asylantrag stellt, dann ist sie für die Familienzusammenführung auch dann als minderjährig anzusehen, wenn sie während des Asylverfahrens volljährig wird. Dieses Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf die deutsche Praxis des Familiennachzugs zu unbegleiteten Minderjährigen. Mit der Entscheidung bestätigt der EuGH seine zunehmende grundrechtliche Orientierung in Migrationsfragen.
    Recht auf Familienzusammenführung

    Unbegleitete Minderjährige sind seit Jahren ein wichtiges und wiederkehrendes Thema in der Debatte um das gemeinsame europäische Asylsystem. In der Regel geht es dabei um verschwundene Kinder oder um die Feststellung des Alters einer Person, die angegeben hat minderjährig zu sein. Gleichzeitig ist die Familienzusammenführung für Drittstaatsangehörige ein nicht nur in Deutschland kontrovers diskutiertes Thema. Der europa- und verfassungsrechtlich äußerst bedenkliche komplette Ausschluss der Familienzusammenführung für subsidiär schutzberechtigte Personen in Deutschland seit dem März 2016 ist hier nur eines von vielen rechtlich wie politisch ungeklärten Themen.

    Ein Bereich, der beide Themenkomplexe verbindet, ist der sog. umgekehrte Familiennachzug, also der Nachzug von Eltern zu ihren drittstaatsgehörigen Kindern. Das Europarecht regelt diese Frage in der Familienzusammenführungsrichtlinie (RL 2003/86/EG). Diese sieht vor, dass ein solcher umgekehrter Familiennachzug bei Drittstaatsangehörigen ermöglicht werden muss, wenn das Kind unbegleitet ist und als Flüchtling anerkannt wurde (Art. 10 Abs. 3 Buchst. a) der Richtlinie). Vor der Entscheidung des EuGH war ungeklärt, welcher Zeitpunkt für den Familienzusammenführungsanspruch entscheidend ist. Also anders gesagt: Zu welchem Zeitpunkt muss die Person noch minderjährig sein, um den Anspruch auf eine Familienzusammenführung mit den Eltern zu haben?
    Der vorgelegte Fall

    Das zuständige niederländische Gericht (Rechtbank Den Haag) hatte in diesem Kontext dem Europäischen Gerichtshof eine Frage zu einem Fall vorgelegt, in dem eine während des Asylverfahrens in den Niederlanden volljährig gewordene eritreische Staatsangehörige nach ihrer Anerkennung als Flüchtling beantragt hatte, dass ihre Eltern (A. und S.) sowie ihre drei minderjährigen Brüder im Rahmen der Familienzusammenführung nachziehen dürfen. Der Anspruch auf Nachzug der Eltern hätte unstreitig bestanden, wenn die Tochter von A. und S. noch minderjährig wäre. Da sie aber im Laufe des Asylverfahrens volljährig wurde, war fraglich, zu welchem Zeitpunkt die Minderjährigkeit (noch) vorliegen muss, damit der Anspruch (weiter) besteht.

    Die Eltern hatten geltend gemacht, dass es auf die Einreise ankäme, wohingegen die EU-Kommission der Meinung war, dass auf den Zeitpunkt des Antrags für die Familienzusammenführung abzustellen sei. Die polnische Regierung, die in dem Rechtsstreit interveniert hat, brachte vor, es sei auf den Zeitpunkt der Entscheidung über diesen Antrag abzustellen, während die niederländische Regierung mangels expliziter Regelung in der Richtlinie der Meinung war, dass es Sache des jeweiligen Mitgliedstaates sei, diesen Zeitpunkt zu bestimmen. Das vorlegende Gericht war der Meinung, dass grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Einreise abzustellen sei.
    Die Entscheidung des Gerichts

    Wie in vielen anderen Fällen betont der EuGH zuerst, dass eine einheitliche europäische Lösung in der Regel in allen Fällen gefunden werden muss, in denen Richtlinien nicht ausdrücklich auf das nationale Recht verweisen. Der Gerichtshof suchte also für seine Entscheidung nach einer „autonomen und einheitlichen Auslegung“ der fraglichen Bestimmung (Rn. 41), aus der sich ein eindeutiger Zeitpunkt ergibt, zu dem die Minderjährigkeit bestanden haben muss.

    Dieser Zeitpunkt ist nach der Auslegung des Gerichtshofs der Zeitpunkt der Asylantragsstellung des unbegleiteten Kindes. Zu dieser Einschätzung kommt der Gerichtshof aus sehr grundlegenden rechtstaatlichen Erwägungen, die er unter anderem aus dem Gleichheitsgrundsatz ableitet. Überzeugend argumentiert der EuGH, dass es mit den Grundsätzen des Europarechts und insbesondere mit dem besonderen Schutz von Familien und speziell der Familieneinheit von unbegleiteten Minderjährigen nicht vereinbar wäre, wenn in zwei gleich gelagerten Fällen der Anspruch auf Familiennachzug davon abhinge, zu welchem Zeitpunkt die mit der Antragsprüfung befassten nationalen Behörden und Gerichte über den Antrag entscheiden (vgl. dazu insbesondere Rn. 56).

    Darüber hinaus betont der Gerichtshof, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit (als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts) es gebietet, dass für eine antragstellende Person nicht „völlig unvorhersehbar“ sein darf, ob ein Anspruch (hier der Familiennachzugsanspruch) besteht oder nicht (vgl. dazu Rn. 59).

    Aus der weiteren Systematik des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems leitet der Gerichtshof ferner ab, dass es nicht auf den Einreisezeitpunkt ankommen kann, da eine Person, die Flüchtling im völkerrechtlichen Sinne ist, aber keinen Asylantrag stellt, auch keinen europarechtlichen Anspruch auf Familiennachzug hat, da dieser von der Anerkennung als Flüchtling abhängig ist.

    Dass trotzdem nicht auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Asylantrag abzustellen ist, begründet der Gerichtshof überzeugend mit dem deklaratorischen Charakter der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Eine Person ist aus rechtlicher Sicht bereits Flüchtling, bevor sie als solcher anerkannt wird, daher entsteht ein subjektives also individuelles Recht auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach dem Europarecht bereits mit der Asylantragstellung (vgl. dazu Rn. 53f.).

    Gemäß der Entscheidung des EuGH ist der Anspruch davon abhängig, dass die anspruchsberechtigte Person den Anspruch innerhalb einer „angemessenen Frist“ geltend macht. Diese Frist lässt sich nach dem EuGH aus Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie ableiten. Dieser ermöglicht es den Mitgliedstaaten die Familienzusammenführung zu Flüchtlingen von weiteren Bedingungen (wie Krankenversicherungsschutz und Lebensunterhaltssicherung) abhängig zu machen, wenn der Antrag nicht innerhalb von drei Monaten gestellt wird, vgl. dazu Rn. 61).

    Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass eine Person, die zum Asylantragszeitpunkt unbegleitet und minderjährig war und den Anspruch innerhalb von drei Monaten nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beantragt, einen Anspruch auf umgekehrten Familiennachzug hat.
    Folgen der Entscheidung

    Der Grundtenor der Entscheidung des EuGH ist eindeutig: Der Gerichtshof misstraut den Mitgliedstaaten beim Schutz von Minderjährigen. Mehrfach betont der EuGH, dass bei einer anderen Auslegung, den Mitgliedstaaten durch verzögerte Bearbeitung der Anträge faktisch eine Möglichkeit gegeben wäre, die Verpflichtungen aus der Richtlinie zu umgehen. Der Gerichtshof hebt daher auch besonders hervor, dass die Familienzusammenführungsrichtlinie einen Anspruch auf den umgekehrten Familiennachzug für unbegleitete Minderjährige vorsieht, bei dessen Gewährung den Mitgliedstaaten kein Ermessen zukommt. Sie müssen diesen Anspruch gewähren, wenn die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. Dies kann nur rechtsgleich und rechtssicher gewährleistet werden, wenn die Mitgliedstaaten keinen Einfluss auf den relevanten Zeitpunkt haben. Andernfalls könnten – so der EuGH – die Mitgliedstaaten, durch mangelnde Ressourcenzuweisung für die Behörden und Gerichte, durch die nicht vorrangige Behandlung von Asylanträgen von unbegleiteten Kindern oder auch einfach aufgrund äußerer Umstände (wie einer plötzlichen Zunahme von Asylanträgen) daran gehindert sein, ihrer Verpflichtung zum besonderen Schutz der Familieneinheit von unbegleiteten Minderjährigen nachzukommen. Das Misstrauen des EuGH gegenüber Mitgliedstaaten in diesem Bereich ist groß und wohl nicht vollkommen ungerechtfertigt.

    Für den deutschen Kontext bedeutet die Entscheidung, dass die bisherige Praxis, die von einem Erlöschen des Anspruchs auf Familiennachzug mit Erreichen der Volljährigkeit ausgeht, komplett geändert werden muss. Bislang musste die Einreise der nachziehenden Person(en) erfolgt sein, solange die Person noch minderjährig ist. Interessanterweise ist dieser Zeitpunkt lediglich in Ansätzen von der niederländischen Regierung vorgebracht worden, die die Bestimmung des Zeitpunkts den Mitgliedstaaten überlassen wollte. Aus rechtspolitischer Sicht ist zumindest nicht leicht nachvollziehbar, warum die Bundesregierung in diesem Fall nicht ebenfalls interveniert hat.

    Die europarechtswidrige Praxis der Behörden muss nunmehr entsprechend korrigiert werden. Diese Korrektur muss praktisch wirksam sein. In vielen Fällen wird dabei eine Rücknahme des rechtswidrigen Bescheids allein nicht ausreichen. Für behördlich zu Unrecht verweigerte Nachzüge könnte die Frage des Zeitpunkts der Stellung des Antrags auf Familiennachzug relevant sein, da der EuGH dafür drei Monate nach Zuerkennung des Schutzstatus für angemessen hält, ohne dass dies sich direkt aus der Richtlinie ergeben würde. Rechtlich interessant sind auch die Konstellationen, in denen eine Person während des Asylverfahrens volljährig wurde und wegen der deutschen Praxis auf einen Familiennachzugsantrag verzichtet hat. Hier könnte beispielsweise an eine Übergangsfrist zur nachträglichen Beantragung des Familiennachzugs gedacht werden, die verfahrensrechtlich so ausgestaltet sein müsste, dass der Familiennachzug tatsächlich ermöglicht wird. Das bedeutet, dass die Person beantragen sollte, so gestellt zu werden als ob ihr gerade erst die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden wäre und daher der Nachzugsantrag noch rechtzeitig gestellt werden kann.

    In der Sache begnügt sich der EuGH nicht allein damit, den Mitgliedstaaten die Entscheidung über den relevanten Zeitpunkt, zu dem die Minderjährigkeit bestehen muss, zu entziehen, um so den Rechtsverlust durch eine verzögerte Bearbeitung von Asyl- und/oder Familiennachzugsanträgen zu verhindern. Er betont darüber hinaus eines der wichtigsten Grundprinzipien des Schutzes unbegleiteter Minderjähriger: Die Asylanträge von Kindern sind vorrangig zu prüfen. Daher müssen die Behörden die Asylverfahren in diesen Fällen besonders schnell und effizient durchführen.

    Insgesamt folgt der EuGH seiner Tendenz, die europarechtlichen Spielräume der Mitgliedstaaten im Migrationsbereich durch eine grundrechtskonforme und grundrechtssensible Auslegung der Bestimmungen von Richtlinien und Verordnungen Rechnung zu tragen. Durch die Betonung des vorrangig zu beachtenden Kindeswohls zeigt der EuGH zum wiederholten Male den Mitgliedstaaten die grundrechtlichen Grenzen ihrer Möglichkeiten zur restriktiven Auslegung der europarechtlichen Regelungen zu Migration und Asyl auf. Diese Entwicklung hin zu einer einheitlichen, an den Grundrechten orientierten Auslegung, die spätestens seit der Entscheidung C.K. im Asylbereich klar feststellbar ist, kann als Fortschritt auf dem Weg zu einem grundrechtlich unterfütterten Migrationsregime in Europa angesehen werden. Die Entscheidung steht damit auch gegen den Trend zu einer immer restriktiveren Politik gegenüber international Schutzberechtigten, die sich aktuell insbesondere in den nationalen Debatten in den Mitgliedstaaten und in den Diskussionen um die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems zeigt.

    #Europe #asile_politique #réfugiés #droit

  • A Paris, les militants de #LREM se divisent sur la politique migratoire du gouvernement
    https://www.mediapart.fr/journal/france/060318/paris-les-militants-de-lrem-se-divisent-sur-la-politique-migratoire-du-gou

    Les députés LREM Pierre Person, Pacôme Rupin et Aurélien Taché lors d’une soirée consacrée à la politique migratoire du gouvernement, le 5 mars 2017 à Paris. © LREM Paris XIe Dans le XIe arrondissement, plus d’une centaine de militants ont questionné lundi 5 mars trois députés sur la politique de l’exécutif en matière d’asile et d’immigration. Les lignes de fractures sont manifestes face au projet polémique de #Gérard_Collomb.

    #France #asile_politique #immigration #intégration #réfugiés

  • Nouvelle disparition gênante pour Pékin - Libération
    http://www.liberation.fr/planete/2016/01/26/nouvelle-disparition-genante-pour-pekin_1428956

    Elle a décidé de briser le silence pour alerter sur le sort de son mari porté disparu depuis le 11 janvier. He Fangmei a indiqué qu’elle était sans nouvelle de #Li_Xin depuis cette date, redoutant que ce journaliste chinois en quête d’#asile_politique ait été kidnappé par des agents de Pékin. Le 10 janvier, alors qu’il allait prendre un train de Bangkok à Nong Khai, dans le nord thaïlandais, près de la frontière avec le Laos, Li Xin avait eu l’occasion de parler avec sa femme. « Je quitte le train et me dirige vers la frontière », lui écrivait-il quelques heures plus tard dans un SMS alors qu’elle dormait.

    Après, « je n’ai plus entendu un mot de lui, a confié He Fangmei au New York Times, lundi. Maintenant, la #Thaïlande et la #Chine se renvoient la balle et bottent en touche. » Le week-end dernier, la police thaïlandaise n’écartait pas la possibilité de mener une enquête si la femme du journaliste déposait plainte. Mais le ministère des Affaires étrangères a indiqué ce mardi n’avoir aucune information au sujet du journaliste chinois.

    Cette disparition est la dernière en date d’une longue liste d’enlèvements d’activistes, de religieux, d’avocats, de libraires qui alimentent les soupçons d’implication des autorités de Pékin, de plus en plus soucieuses de faire taire les voix critiques. Quand elles ne menacent pas ouvertement les ressortissants étrangers.

    #militantisme #activisme #répression #journalisme

    • C’est plutôt la disparition de l’information dans Libération depuis pas mal d’années qui aurait pu inquiéter, enfin, pas vraiment on a fini par s’y habituer.

      Quand on pense à tous ceux qui n’apparaissent jamais dans les médias en France, on est certain de ne pas les retrouver dans la presse officielle.

  • Snowden critique la Russie, où il n’avait « jamais eu l’intention d’aller »
    http://www.lapresse.ca/international/europe/201509/05/01-4898051-snowden-critique-la-russie-ou-il-navait-jamais-eu-lintention-dal

    L’Américain Edward Snowden a critiqué samedi les limitations à la liberté d’expression en Russie, pays où il est réfugié et où il a expliqué qu’il n’avait « jamais eu l’intention d’aller ».

    #Asile_politique #Edward_Snowden #Russie #Révélations_d'Edward_Snowden #Surveillance_globale

  • Se faire des millions avec le malheur des autres.

    C’est d’un mec qui se pointe à l’administration pénitentiaire berlinoise . Ils ont justement besoin de quelqu’un pour des certificats médicaux et lui filent une commande. C’était il y a prèsque 40 an . Depuis il certifie tout ce qu’on lui demande, les demandeurs d’asile politique réfutés sont systématiquement en bonne santé. Lui, à chaque fois il peut toucher deux fois un honoraire :

    D’abord pour l’attestation et puis pour l’accompagnement des malheureux pendant leur voyage obligatoire.

    L’histoire vient de se savoir parce l’avocat d’une jeune femme à demandé une preuve pour sa qualification de médecin, chose à laquelle on n’avait jamais pensé.

    Le nom du charmant monsieur n’est pas publié.

    Abschiebung : Senat widerspricht Darstellung von « Fakt »-Bericht zu Gutachter - Berlin - Berliner Morgenpost
    http://www.morgenpost.de/berlin/article139060928/Senat-widerspricht-Darstellung-von-Fakt-Bericht-zu-Gutachter.html

    Das Berliner Verwaltungsgericht hat die Abschiebung einer jungen Türkin von Berlin nach Istanbul für nicht rechtmäßig erklärt. Wie das ARD-Magazin „Fakt“ am Dienstagabend berichtete, haben die Berliner Anwälte der Frau ihre Abschiebung angefochten. In „Fakt“ sagte Rechtsanwalt Hans-Georg Lorenz, dass man in diesem Fall auf eine Ungereimtheit gestoßen sei.

    Ende Februar habe das Verwaltungsgericht den Arzt L. gehört, der die Reisefähigkeit der jungen Frau geprüft hat. Er habe angegeben, seit Ende der 70er-Jahre für die Bundespolizei, die Berliner Polizei und die Berliner Ausländerbehörde tätig gewesen zu sein. Niemand habe jedoch überprüft, so Lorenz, ob L. eine Approbation hat. Seit 35 Jahren habe niemand die Zulassung dieses Arztes gesehen, hieß es. Der Mann selbst habe angegeben, seit 1980 in etwa 50.000 Fällen Gutachten zur Reisefähigkeit und „Verwahrbescheinigungen“ ausgestellt zu haben.
    ...
    Es sei deutlich geworden, dass es vielleicht in Zehntausenden von Fällen ähnlich gewesen sei.Rechtsanwalt Lorenz sagte in „Fakt“, der Arzt habe in den vergangenen 20 bis 30 Jahren mindestens zehn Millionen Euro verdient. Der Mann sei offenbar „gezielt eingesetzt worden, um Abschiebungen machen zu können“. Laut „Fakt“ wisse selbst der Staat nichts über seinen Gutachter, kenne weder seine offizielle Meldeadresse noch seine Kontonummer.

    #réfugiés #asile_politique #allemagne

  • Deux poids, deux mesures - l’Allemagne acceuille Mikhaïl Khodorkovski pendant une année et refuse d’accorder l’asile politique à Edward Snowden.

    Le parti Die Linke revendique le droit à l’asile politique pour Edward Snowden.

    23.12.2013 : Linke : Jetzt auch Snowden aufnehmen (neues-deutschland.de)
    http://www.neues-deutschland.de/artikel/918938.linke-jetzt-auch-snowden-aufnehmen.html


    Copyright : http://khodorkovsky.ru

    Nach dem Erteilen eines Visums an den russischen Regierungskritiker Michail Chodorkowskis hat die Linke ihre Forderung bekräftigt, dass Deutschland auch den Ex-US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden aufnehmen soll. Deutschland sei jetzt effektiv Exilland für Chodorkowski geworden, sagte der Linke-Vorsitzende Bernd Riexinger der »Passauer Neuen Presse«. »Lösungen finden sich also, wenn man nur will.« Snowden habe so viel für Deutschland geleistet, dass die Bundesregierung die vorhandenen rechtlichen Spielräume ausnutzen sollte.

    Snowden hatte mit seinen Enthüllungen die NSA-Geheimdienstaffäre ins Rollen gebracht. Er hat in Russland Zuflucht gefunden. Schon die alte schwarz-gelbe Bundesregierung hatte sich geweigert, ihm Asyl zu gewähren. Chodorkowski hatte nach seiner Begnadigung durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin eine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland für ein Jahr erhalten. Er war am Freitag nach Berlin gekommen.

    #allemagne #asile_politique