Comprution immédiate pour jeunes révoltés et un million d’Euros pour un policier tueur en France, condamnations par la justice et razzias contre les militants paisibles du groupe Dernière Génération en Allemagne, l’état aiguise ses armes contre toute mise en cause du statut quo.
L’article étudie la question si le groupe Dernière Génération peut être considéré comme association de malfaiteurs selon le § 129 StGB du code pénal allemand.
4.7.2023 von Pauline Engels - Für die Einstufung müssen mehrere Kriterien erfüllt sein. Auch eine Verwerflichkeitsprüfung ist nötig. Warum die Ermittlungsmaßnahmen gegen Klimaaktivisten ein Problem sind.
Am Anfang war die Angst – die Angst einer Gruppe Menschen vor der globalen Erwärmung. Davor, was die Folge von unserem ausbeuterischen Umgang mit natürlichen Ressourcen sein, wie unsere Welt aussehen könnte, wenn wir der fortschreitenden Überhitzung dieses Planeten nicht mit einem radikalen Umdenken unserer Lebensweise begegnen. Davor, dass diese Erde in absehbarer Zeit schlicht kein lebenswerter Ort mehr sein könnte.
Nun ist da eine politische Bewegung, an der sich die Geister scheiden: die „Letzte Generation“. Die Gruppierung bekämpft ihre Angst vor der globalen Erwärmung mit Aktionismus. Sie kämpft dafür, dass die Regierung den Klimaschutz ernst nimmt und folgerichtig effektivere Maßnahmen zur Eindämmung der globalen Erwärmung trifft.
So weit, so bekannt: schon die Organisation Greenpeace und die Gruppe Fridays for Future hatten mit ihren Protestaktionen große Menschengruppen mobilisiert, die in ganz Deutschland, schließlich auch im Berliner Regierungsviertel dem Wunsch nach mehr Klimaschutz Gehör verschafften. Die Letzte Generation aber beschränkt sich bei ihrem Kampf nicht mehr auf Mittel, die man je nach Gusto auch ignorieren kann.
Sie stört – und zwar vor allem Menschen, die sie durch die Aktionen in ihrem Alltag unterbricht. Insbesondere die Straßenblockaden durch die Letzte Generation, bei denen sich die Mitglieder mit Sekundenkleber auf dem Asphalt festklebten, führten zu diesen Hindernissen.
Razzien und Gerichtsurteile
Bereits seit einiger Zeit haben auch die Strafverfolgungsbehörden ein Auge auf die Gruppe geworfen. Schon im Dezember 2022 gab es erste Hausdurchsuchungen bei Mitgliedern der „Letzten Generation“. Carla Hinrichs, Sprecherin der Gruppe, wurde bereits zu zwei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Bewährungszeit: drei Jahre. Hinrichs setzte danach ihre Aktionen mit der „Letzten Generation“ fort. Das blieb folgenlos, denn es war kein Bewährungsverstoß: Die Entscheidung über die Strafaussetzung war noch nicht rechtskräftig.
Dann, im Mai 2023, wurden erneut sieben Mitglieder der Bewegung zuhause von Polizeibeamten überrascht, die erneute Razzien gegen die Gruppe durchführten. Sogar die Website der Gruppe wurde kurzerhand vom Bayerischen Landeskriminalamt gekapert und Besucher auf deren Online-Präsenz umgeleitet (hierbei fehlten der Behörde aber wohl die notwendigen vertieften technischen Kenntnisse, denn die Gruppe konnte binnen kurzer Zeit die Gewalt über ihre Website zurückgewinnen).
Grundlage dieser eingriffsintensiven Maßnahmen durch die Polizei: der Anfangsverdacht der Staatsanwaltschaft München I, bei der Letzten Generation handele es sich um eine kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 StGB. Weil die betroffenen Mitglieder eine Spendenaktion zugunsten der Bewegung organisiert hatten, wurde ihnen die Unterstützung und/oder Mitgliedschaft bei einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen.
Man kann sich nun freilich mitreißen lassen von dem Impuls, der Letzten Generation auf Grundlage dieses Vorwurfs kriminelles Verhalten zu unterstellen, das mit der von § 129 StGB vorgesehenen Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren sanktioniert werden sollte. Aus einem juristischen Blickwinkel stellt sich aber durchaus die Frage, ob das Vorgehen der Gruppe nicht auch anders bewertet werden könnte.
Rechtliche Grundlage des Vorwurfs: § 129 StGB
Der § 129 im Strafgesetzbuch (StGB) blickt auf eine längere Normhistorie zurück: Schon im Reichsstrafgesetzbuch (RStGB) fanden sich Vorschriften gegen sogenannte Geheimgesellschaften, an die die Norm bis heute angelehnt ist. Der heutige § 129 StGB wurde bislang vor allem auf einzelne spezifische Milieus angewendet, in denen sich organisierte kriminelle Strukturen fanden – darunter Rockerbanden oder Zuhältergruppen.
Erst in den 1970er-Jahren begann man, den Paragraphen auch auf politische Vereinigungen anzuwenden – und gab dem Normzweck damit noch einmal eine neue Richtung. Heute wird die Norm in gern kritisch als „Türöffner-Paragraph“ bezeichnet - und das nicht ohne Grund.
Denn sie knüpft auf Tatbestandsseite zunächst einmal an Taten an, die „im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind“. Darunter fallen durchaus auch Taten, die nicht in den Bereich der Schwerst-, sondern der einfachen Kriminalität fallen, wie etwa Sachbeschädigung oder Unterschlagung.
Auf Rechtsfolgenseite eröffnet sie hingegen intensivste staatliche Eingriffsmöglichkeiten im Bereich der Paragraphen 100a bis 100c der Strafprozessordnung (StPO). Unter diese invasiven Maßnahmen fallen etwa der Einsatz von V-Leuten, diverse Abhörmaßnahmen und andere heimliche Maßnahmen, die eine massive Beeinträchtigung der Privatsphäre Betroffener zur Folge haben.
Schon aufgrund von Taten mit vergleichsweise geringer Strafandrohung werden mit § 129 StGB also sehr eingriffsintensive Ermittlungsmaßnahmen legitimiert. Dieses (instinktiv empfundene) Missverhältnis rechtfertigt sich dadurch, dass die Straftaten im Rahmen einer Vereinigung stattgefunden haben.
Ob diese Rechtsfolgen im Falle der „Letzten Generation“ tatsächlich zu rechtfertigen sind, lässt sich nur beurteilen, nachdem man festgestellt hat, ob es sich bei der Gruppe auch tatsächlich um eine kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 StGB handeln könnte.
Die Tatbestandsmerkmale
Kaum Diskussionsbedarf besteht bei der Frage, ob es sich bei der „Letzten Generation“ um eine Vereinigung handelt. In § 129 Abs. 2 StGB wird die Vereinigung als „ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses“ definiert.
Ohne Zweifel besteht mit der „Letzten Generation“ ein dauerhafter Personenzusammenschluss von mehr als zwei Personen, die ein übergeordnetes Interesse verfolgen. Auch die interne Organisation der Gruppe, die Mitgliederzuordnung in Arbeitsgruppen und das übergeordnete Unterstützernetzwerk deutet auf ein System mit einer übergeordneten Regelungsstruktur und damit auf eine Vereinigung hin.
Für die Beteiligung an der Vereinigung reicht schon ihre regelmäßige Unterstützung, auch in Form von mehreren oder einzelnen größeren Spenden, aus. Damit fällt auch das Organisieren einer Spendenaktion in den Tatbestand des § 129 StGB.
Fraglich ist allerdings, ob Zweck oder Tätigkeit der Gruppe auch auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist. Zumindest hinsichtlich des Zwecks scheint das nur schwer vertretbar. Denn der eigentliche Zweck, für den sich die Mitglieder der „Letzten Generation“ zusammengeschlossen haben, ist die Bekämpfung der Klimakrise. Straftaten mögen zwar als Mittel von der Gruppe eingesetzt werden, um diesen Zweck zu erreichen und damit gegebenenfalls notwendiges Zwischenziel der Gruppe sein. Ihr originärer Zweck jedoch ist ein anderer.
In Betracht kommt jedoch, dass die Tätigkeit der Vereinigung „Letzte Generation“ auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist. Betrachtet man die meistkommentierte Aktionsform der Gruppe in den vergangenen Monaten, das Festkleben auf und Blockieren von Straßen, kann man eine strafbare Tätigkeit zumindest nicht ausschließen.
Abwägung zwischen Grundrechten
Denn das Blockieren der Straße und damit ein Verhalten, dass Autofahrer zur Duldung der Blockade zwingt, könnte eine Nötigung gemäß § 240 StGB darstellen. Die Aktionen sind zunächst Gewalt im Sinne der Norm. Zu der Prüfung, ob eine Nötigung vorliegt, gehört jedoch immer auch eine Verwerflichkeitsprüfung – das heißt, sie muss „zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen“ sein.
Im Kontext der Protestaktionen der „Letzten Generation“ geht es vor allem darum, ob die Aktionen noch von der Versammlungsfreiheit gedeckt sind – denn wenn die Gruppenmitglieder mit den Aktionen legitimerweise von ihrem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit Gebrauch machen, ist das verständlicherweise nicht strafbar.
Dann kann die Nötigung nur noch in Ausnahmefällen als verwerflich eingestuft werden, nämlich dann, wenn die eingeschränkten Grundrechte der von der Aktion betroffenen Menschen im Einzelfall schwerer wiegen.
Es kommt also auf die besonderen Umstände der einzelnen Blockadeaktion an – wie lange dauerte die Blockade? Konnten die betroffenen Autofahrer ausweichen, wussten sie von der Aktion? Wurden gar wichtige Transportfahrten aufgehalten und konnten deshalb vielleicht sogar, wie bei einigen Aktionen behauptet, Verletzte nicht rechtzeitig versorgt werden?
Diese Kriterien, die auch bei der Bewertung der einzelnen Aktionen der „Letzten Generation“ zum Tragen kommen dürften, wurden vom Bundesverfassungsgericht für friedliche Blockadeaktionen festgelegt und dienen vor allem dazu, der Versammlungsfreiheit wegen ihres besonderen Gewichts möglichst viel Raum zu geben. Wie das Gericht die einzelnen Fragen angesichts der Umstände bei einzelnen Blockaden entscheiden wird, ist unklar – und damit auch, ob die „Letzte Generation“ bei ihren Aktionen wirklich verwerflich gehandelt hat.
Während also noch nicht ganz klar ist, ob sich die „Letzte Generation“ mit den Straßenblockaden einer Nötigung strafbar gemacht hat, hat sie sich bei anderen Aktionen wohl recht eindeutig strafbar verhalten. So war etwa die Beschädigung von Gemälderahmen eine Sachbeschädigung nach § 303 StGB.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Gruppe sich ausdrücklich dazu bekennt, die Begehung von Straftaten für notwendig zu erachten – wiederholt haben Mitglieder offen zugegeben, ohne strafbare Handlungen keine Erfolgschancen für ihre Aktionen zu sehen. Auch ist bekannt, dass innerhalb der Gruppenhierarchien die Mitglieder als besonders zielstrebig erachtet werden, die bereit sind, besonders weit zu gehen und dabei auch die Grenzen der Strafbarkeit hinter sich zu lassen.
Zuletzt könnte die Strafbarkeit der Gruppe hingegen noch an dem Tatbestandsausschluss nach § 129 Abs. 3 Nr. 2 StGB scheitern – sofern es sich bei den Straftaten der „Letzten Generation“ um solche mit nur „untergeordneter Bedeutung“ handelt. Aus welcher Sicht beurteilt werden muss, ob eine Straftat nur untergeordnete Bedeutung hat, ist umstritten.
In der juristischen Literatur wird zum Teil dafür plädiert, bei der Interpretation dieses weiten Begriffs insbesondere die Rechtsgüter mit einbeziehen muss, die von den Straftaten betroffen wurden.
Eine Straftat, die das Eigentum einer Person betrifft, könnte demnach nur untergeordnete Bedeutung haben. Ungeachtet dessen haben die Taten für die Aktivisten selbst natürlich nicht nur untergeordnete Bedeutung – und ebenso wenig für betroffene Autofahrer und den großen Teil der Bevölkerung, der die Aktionen der „Letzten Generation“ grundsätzlich ablehnt.
Es bleiben damit viele Fragen offen, die zum jetzigen Zeitpunkt noch kein Medium beantworten kann. Hier bleibt abzuwarten, wie sich das Gericht entscheidet. Es gibt allerdings sehr wohl eine Facette an dem Vorwurf gegenüber den Aktivisten, die schon jetzt einer kritischen Betrachtung unterworfen werden sein kann und sollte - und zwar der § 129 StGB selbst.
Zur Einordnung
Der Rechtsgedanke der Norm ist an sich nachvollziehbar: Vereinigungen, die aktiv kriminelle Strukturen aufgebaut haben und diese nutzen, um (wiederholt) Straftaten zu begehen, sollen verfolgbar sein und auch sanktioniert werden können. Dass dabei zunächst einmal die tatsächliche Tätigkeit der Gruppen im Vordergrund steht, und weniger ihre idealistischen Fernziele wie etwa der Umwelt- und Klimaschutz, ist auch nicht direkt falsch.
Denn würde man die Vereinigungen schon allein wegen ihrer guten Fernziele vom Vorwurf der kriminellen Vereinigung freisprechen, müsste man dabei konsequent vorgehen. Auch rechtsradikale Gruppen könnten dann folgerichtig das Fernziel der „nationalen Sicherheit“ oder der „Wahrung kultureller Errungenschaften“ vorbringen und damit ihre strafbaren Aktivitäten rechtfertigen.
Diese „gleiche“ Bewertung der Aktivitäten der „Letzten Generation“ aber, die von Strafverfolgungsbehörden letztlich auf dieselbe Stufe gestellt wird wie eben jene organisierten kriminellen Strukturen, die sonst aufgrund des § 129 StGB beobachtet werden, hinterlässt einen faden Beigeschmack.
Es fühlt sich schlicht „falsch“ an, weil sich da ja eigentlich nur Menschen gegen alle Widerstände für ein Ziel einsetzen, das auch in Art. 20a GG verankert ist. Mit der Verfolgung der Gruppe aber wird suggeriert, dass es sich bei der „Letzten Generation“ um ein strukturelles Problem und eine Gefahr für die ganze Gesellschaft handelt. Die Entscheidung, das zweifelhafte Potential des § 129 StGB als Türöffner voll auszuschöpfen und eine Gruppe von Klimaschutzaktivisten, die vermeintlich Sachbeschädigungen und Nötigungen begehen, mit der vollen Härte des Rechtsstaats zu überwachen, ist kritikwürdig.
Denn sie lenkt nicht nur die Aufmerksamkeit auf die temporäre Verstimmung einiger Autofahrer und Museumsbesucher, weg von dem Damoklesschwert der globalen Erwärmung. Sie ermöglicht es den Behörden auch, tiefe Einblicke in die Strukturen einer politischen Bewegung zu erlangen, ja, sie auszuspionieren.
Das wiederum wirkt nicht nur auf die Mitglieder dieser Organisation selbst abschreckend, sondern auch auf alle anderen, die Mitglieder einer zivilgesellschaftlich engagierten Gruppierung sind oder eine solche unterstützen (wollen). Hier schlummert die eigentliche Gefahr, die von den Behördenaktivitäten gegen die „Letzte Generation“ ausgeht.
Es kommt zu sogenannten „chillig effects“, einer Entwicklung, bei der Menschen in ihrer Grundrechtsausübung eingeschränkt werden, weil sie von dieser aus Angst vor der potentiellen Strafbarkeit ihres Handelns absehen. Mit anderen Worten: Menschen, die die Geschehnisse rund um die „Letzte Generation“ verfolgen, werden sich zukünftig dreimal mehr überlegen, ob sie wirklich gegen die Ignoranz gegenüber dem Klimawandel aktiv werden und demonstrieren möchten.
Sie werden möglicherweise indirekt auch zur Schwächung der bereits existierenden Aktivistengruppen beitragen, weil sie sich nicht mehr trauen, durch Spenden deren Arbeit zu unterstützen. Und wie könnte man Menschen solche Erwägungen und Schlussfolgerungen verübeln, wenn ihnen suggeriert wird, dass bereits die Spendenzahlung an eine Gruppe von Klimaaktivisten eine Freiheitsstrafe zur Folge haben kann.
Auf die Anwendung des § 129 StGB auf die „Letzte Generation“ folgt also im schlimmsten Fall die strukturelle Behinderung der öffentlichen Meinungsbildung. Das kann in einer demokratischen Gesellschaft kaum gewollt sein.
Und damit nicht genug, denn Konsequenz dieser Entwicklung könnten paradoxerweise abermals kriminelle Aktivitäten sein: während noch nicht aktive Menschen, die sich mehr Maßnahmen zum Klimaschutz wünschen, vielleicht überhaupt nie aktiv werden, könnten bereits aktive Menschen isoliert werden, sich in den Untergrund zurückziehen und tatsächlich radikal und kriminell werden.
Vor diesem Hintergrund scheint die Anwendung des § 129 StGB auf die „Letzte Generation“ also keinesfalls im Einklang mit den Zielen unserer Verfassung zu stehen.