• Hindernisse für Rettungswagen: Berlins Innensenatorin fordert Entfernung der Straßenpoller
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/hindernisse-fuer-rettungswagen-berlins-innensenatorin-fordert-entfe

    Dank Dir, Feuerwehr !

    9.9.2024 von Andreas Kopietz - Feuerwehrleute und Polizisten sehen einige Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung als Problem. Nun gibt es auch eine offizielle Kritik der Poller.

    Poller auf der Fahrbahn oder Blumenkästen aus Stein sollen den Autoverkehr aus den Kiezen heraushalten. Vor allem in grün regierten Bezirken wie Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg stehen nicht nur private Pkw und Lieferwagen plötzlich vor den Hindernissen, sondern auch Rettungswagen, Löschfahrzeuge und Polizeiwagen. Feuerwehrleute und einzelne Polizeibeamte kritisieren diese Zustände seit längerem. Denn wenn Rettungswagen oder Löschfahrzeuge in einen dieser verkehrsberuhigten Kieze gerufen werden, müssen die Retter erst aussteigen und mit einem Schlüssel den vom Bezirksamt aufgestellten Poller aufschließen, um ihn zu entfernen.

    Erstmals wird nun auch amtliche Kritik zur Poller-Politik einzelner Bezirke laut. „Der Umbau des Verkehrsraums hat Auswirkungen auf das schnelle Erreichen von Einsatzorten durch Polizei und Feuerwehr“, sagte Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Sie forderte, die betroffenen Sicherheitsbehörden bei der Planung und Umgestaltung des Verkehrsraums früh zu beteiligen, um die schnelle Erreichbarkeit durch Helfer zu gewährleisten.

    Ohne bestimmte Bezirke zu nennen, sagte Spranger: „Es geht nicht, dass Bezirksverordnetenversammlungen und dann auch Bezirksämter unter Umständen das Leben von Menschen gefährden, weil wir wegen der Poller nicht mehr an die Einsatzorte so kommen, wie wir sie brauchen. Das Agieren einiger Bezirke ist nicht richtig. Da muss etwas passieren, dass das rückgängig gemacht wird.“ Im Klartext: Spranger fordert nichts anderes als die Entfernung von Pollern.
    Großfahrzeuge der Berliner Feuerwehr kommen nicht um Kurven

    Berlins Feuerwehrchef Karsten Homrighausen wies darauf hin, dass Verkehrsfläche auch Stellfläche für Hub- und Rettungsgeräte ist. „Die Tatsache, dass es Einschränkungen gibt, führt dazu, dass wir entsprechend Zeit benötigen, um Poller zu entfernen“, sagte der Landesbranddirektor. „Das kann Auswirkungen haben auf die Eintreffzeiten. Wir müssen ständig alternative Anfahrtswege prüfen.“ Die Feuerwehr werbe dafür, dass sie immer frühzeitig beteiligt wird: Zum Beispiel gelte es zu beachten, dass verkehrsbeschränkende Maßnahmen nicht für Kurven geplant werden, sondern auf gerader Fläche, da Großfahrzeuge der Feuerwehr eventuell Probleme bekämen, um Kurven zu kommen. Tatsächlich hatten sich auch andere Feuerwehrleute gegenüber dieser Zeitung beklagt, dass es zum Teil schwierig sei, wegen der Sperrungen mit einer Drehleiter um Kurven zu kommen.

    Mit der Beteiligung beim Thema Poller oder Fahrradstreifen hielten es die Bezirke „durchaus unterschiedlich“, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik. „Das macht es uns wirklich schwer.“ Die Polizei werde häufig angehört. „Allerdings wird unseren Hinweisen auch nicht immer gefolgt.“ Während es bei Pollern als Verkehrseinrichtungen nach der Straßenverkehrsordnung noch eine Beteiligung der Polizei gebe, geschehe dies bei anderen Hindernissen nicht – etwa bei fest betonierten Pollern oder Steinen.

    Eine Sprecherin des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg hatte in einem Bericht der Berliner Zeitung in der vergangenen Woche solchen Vorwürfen widersprochen und mitgeteilt: „Im Prozess der verkehrsrechtlichen Anordnung von Pollern im Fahrbahnbereich erfolgt immer eine Beteiligung der Berliner Polizei.“

    Die Gewerkschaft der Polizei forderte am Montag vom Senat gesetzliche Regelungen, dass die Bezirke bei jeder baulichen Veränderung im öffentlichen Straßenland vorab Polizei und Feuerwehr zu beteiligen haben. „Wenn Ideologie Menschenleben gefährdet, ist die Grenze überschritten“, erklärte die GdP. „Es kann nicht sein, dass Polizei und Feuerwehr von derartigen Umbauten erst erfahren, wenn sie bei der Fahrt zu Menschen in Not durch ein Hindernis aufgehalten werden.“

    #Berlin #Verkehr #Pollerbü

  • Informationen für Anwohner in Charlottenburg-Wilmersdorf: In diesen Kiezen kostet Parken bald Geld
    https://www.berliner-zeitung.de/news/informationen-fuer-anwohnerin-charlottenburg-wilmersdorf-in-diesen-

    Noch eine dieser sinnlosen und teuren Zonen wird die Verkehrs- und Parkprobleme nicht lösen. Wir brauchen ein Zufahrtsverbot für alle motorgetriebenen PKW und LKW für den Teil Berlins innerhalb des S-Bahn Rings. Dazu Ausnahmegenehmigungen für Behinderte, Polizei, Feuerwehr und Ambulanzen,. Alle anderen sollten eine sehr hohe Tagesmaut von mindestens 50 bis 100 Euro bezahlen müssen.

    9.9.2024 - In Charlottenburg soll die Parksituation für Anwohner und Gewerbetreibende verbessert werden. Für andere wird das Parken dann kostenpflichtig.

    In ausgewählten Kiezen in Charlottenburg und Charlottenburg-Nord soll ab dem 1. Dezember eine Parkraumbewirtschaftung eingeführt werden. Wie das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf mitteilte, wird es dazu verschiedene Informationsveranstaltungen für Anwohnerinnen und Anwohner geben.

    Zur Information der Anwohnerinnen und Anwohner in Charlottenburg wird es vier Veranstaltungen geben:

    1. Zone 137 (Alt-Lietzow)

    Zeit: Donnerstag, 19. September, von 19 bis 20 Uhr
    Ort: Aula (im Mobilitätscampus – Neubau) im Oberstufenzentrum Kraftfahrzeugtechnik Berlin, Kaiser-Friedrich-Straße 96, 10585 Berlin

    Die Zone 137 erstreckt sich von der Cauerstraße bis zum Luisenplatz und von der Otto-Suhr-Allee bis zum Charlottenburger beziehungsweise Iburger Ufer (bis Dovebrücke). Der Bereich Wintersteinstraße (bis Caprivibrücke), Alt-Lietzow und Guerickestraße ist eingeschlossen.
    2. Zone 138 (Richard-Wagner-Straße)

    Zeit: Freitag, 20. September, von 18 bis 19 Uhr
    Ort: Aula (im Mobilitätscampus – Neubau) im Oberstufenzentrum Kraftfahrzeugtechnik Berlin, Kaiser-Friedrich-Straße 96, 10585 Berlin

    Die Zone 138 umfasst das Gebiet zwischen Bismarckstraße (Ecke Kaiser-Friedrich-Straße bis Leibnitzstraße) und Otto-Suhr-Allee (von Kaiser-Friedrich-Straße bis Leibnitzstraße) und schließt damit Zillestraße, Richard-Wagner-Straße und Gierkeplatz ein.
    3. Zonen 135 und 136 (Tegeler Weg und Kaiserin-Augusta-Allee)

    Zeit: Mittwoch, 25. September, von 18 bis 19 Uhr
    Ort: Aula (im Mobilitätscampus – Neubau) im Oberstufenzentrum Kraftfahrzeugtechnik Berlin, Kaiser-Friedrich-Straße 96, 10585 Berlin

    Diese Zonen umfassen die Mierendorff-Insel zwischen Tegeler Weg und Goslarer Ufer und vom Westhafenkanal bis Am Spreebord, einschließlich Sömmeringstraße, Kaiserin-Augusta-Allee, Mierendorffstraße (bis Schloßbrücke), Mierendorffplatz, Max-Dorhn-Straße, Obersstraße und Gaußstraße.
    4. Zonen 132, 133 und 134 (Schloßstraße, Klausenerplatz und Schloßgarten)

    Zeit: Freitag, 27. September, von 18 bis 19 Uhr
    Ort: Aula des Gottfried-Keller-Gymnasiums, Olbersstraße 38, 10589 Berlin

    Diese Zonen erstrecken sich zwischen Kaiserdamm (ab Ecke Saldernstraße) und Bismarckstraße (bis Kaiser-Friedrich-Straße), Spandauer Damm (ab Spandauer-Damm-Brücke bis Luisenplatz) sowie westlich des Schlossparks mit Sophie-Charlotte-Straße, Pulsstraße, Heubnerweg, Mollwitzstraße und Ernst-Bumm-Weg.

    Neue kostenpflichtige Parkzonen in Charlottenburg

    Das Parken in diesen Bereichen wird kostenpflichtig und ist dann nur noch mit einem Bewohnerparkausweis, einem gebührenpflichtigen Parkschein oder einer Ausnahmegenehmigung erlaubt. Diese Maßnahme wurde vom Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf auf Grundlage der Ergebnisse einer Studie zur Erweiterung der Parkraumbewirtschaftung und des bestätigten hohen Parkdrucks in diesen Gebieten beschlossen.

    Das Ziel der neuen Regelung ist es, die Parksituation für die Anwohnerinnen und Anwohner sowie die ortsansässigen Gewerbetreibenden zu verbessern. Die neuen Parkzonen umfassen die Bereiche 132 bis 138.

    Weitere Informationen zu den einzelnen Parkraumzonen sind auf der Webseite des Bezirksamts Charlottenburg-Wilmersdorf verfügbar.

    Quelle: Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf

    Bei der Erstellung des Artikels wurden KI-Technologien eingesetzt.

    #Berlin #Charlittenburg #Verkehr #Parkraumbewirtschaftung

  • Sparen, bis es quietscht! Die große Streichliste des Berliner Senats
    https://www.berliner-kurier.de/berlin/sparen-bis-es-quietscht-die-grosse-streichliste-des-berliner-senats-

    Vermutlich unterschlägt der Artikel etliche Sparmaßnahmen im sozialen Bereich und führt nur die auf, an denen die BZ imteresdiert ist.

    9.9.2024 - Berlin muss bis zu vier Milliarden Euro einsparen. Wo, das zeigt diese Liste. Der Verkehr ist von der möglichen Streichliste am meisten betroffen.

    Sparen, sparen, sparen! Die Berliner Politik steht vor einer gewaltigen Herausforderung: Im kommenden Jahr müssen bis zu 4 Milliarden Euro im Haushalt eingespart werden. Die Köpfe der Finanzexperten der CDU/SPD-Koalition rauchen bereits – während sie sich durch eine lange Liste an möglichen Sparmaßnahmen arbeiten. Berlins Finanzsenator Stefan Evers hat sie auf dem Tisch liegen. Und die B.Z. hat exklusiven Einblick in diese Liste erhalten. Zurzeit wird intensiv geprüft, welche Einschnitte wirklich durchgesetzt werden können.

    Nach den Herbstferien soll Klarheit herrschen. Eins ist schon jetzt klar, beim Verkehr soll offenbar am meisten gespart werden. Unter den Vorschlägen finden sich diese brisanten Punkte:
    Verkehr

    29-Euro-Ticket: Ein Verkaufsstopp für das Berlin-Abo zum 1. November oder 1. Dezember steht im Raum. Sogar ein Ausstieg aus dem 49-Euro-Deutschland-Ticket wird in Erwägung gezogen.

    Schülerticket: Das kostenlose Fahren für Schüler könnte auf der Kippe stehen. Bis 2019 zahlten 90.000 Kinder 21,80 Euro monatlich für das Ticket, seitdem übernimmt das Land Berlin die Kosten. Jetzt wird überlegt, diese Regelung zurückzunehmen.

    Tram-Neubau: Neue Strecken könnten vorerst auf Eis gelegt werden, darunter auch die Verlängerung der Linie M10, die ursprünglich ab Herbst 2026 von Moabit nach Jungfernheide führen sollte und ebenfalls die umstrittene Tram 21 zum Ostkreuz.

    E-Busse: Die Anschaffung neuer E-Busse könnte pausieren, bis diese nicht mehr teurer sind als Dieselbusse – mit Ausnahme von 50 Bussen, die 2025 noch geliefert werden sollen.

    Fahrrad-Mobilität: Planungsstopps für Radschnellwege und Fahrradparkhäuser werden intensiv geprüft.

    Anwohner-Parken: Die Gebühr von derzeit 10,20 Euro pro Jahr könnte verdoppelt oder sogar auf bis zu 300 Euro angehoben werden.

    Parkzonen: Eine Ausweitung der Parkzonen sowohl geografisch als auch preislich wird in Erwägung gezogen, basierend auf Vergleichen mit Hamburg und München.
    Kultur

    Komische Oper: Die geplante 478-Millionen-Euro-Sanierung Unter den Linden könnte gestrichen werden, indem die Oper dauerhaft im Schillertheater verbleibt.

    700 Kinder weg! Eltern kündigen Kita-Verträge, weil Erzieher ständig streiken

    Nächste Hauptstadt verbietet E-Roller komplett!

    Kulturcent: Ein Aufschlag von 50 Cent auf Tickets für Theater, Museen und Konzerte könnte eingeführt werden.
    Wohnen

    Zweitwohnungssteuer: Eine Erhöhung um 2 bis 5 Prozent der Nettokaltmiete steht zur Debatte, was zusätzliche Einnahmen generieren könnte. Bisher, so die B.Z., bringen 20.529 Betroffene 15,5 Mio. Euro im Jahr.

    Grunderwerbsteuer: Immobilienkäufer könnten bald 6,5 Prozent auf den Kaufpreis zahlen müssen, wie es bereits in Brandenburg der Fall ist. Das wären 0,5 Prozent mehr.

    Wohnsitz-Abmeldung: Eine Prämie von 100 Euro für die Abmeldung des Wohnsitzes könnte das Melde-Register bereinigen.

    Spielbank-Abgabe: Eine Erhöhung um 5 Prozent könnte zusätzliche Einnahmen bringen.

    Auch in Schulen soll gespart werden, vor allem an der Raumgröße.

    Auch in Schulen soll gespart werden, vor allem an der Raumgröße.Serienlicht/imago
    Schulen, Kitas, Bildung

    Schulraum: Die Berliner Schüler könnten künftig in kleineren Räumen untergebracht werden, denn die Frage, ob Berliner Schulen im Vergleich zu groß gebaut werden, steht im Raum.

    Schulessen: Eine soziale Staffelung bei der Finanzierung des Schulessens könnte dazu führen, dass nicht mehr jedes Kind kostenlos versorgt wird.

    Gratis-Kita: Auch die beitragsfreie Kita könnte auf den Prüfstand kommen. Eine Rückkehr zu einem gestaffelten Beitragssystem, wie es bis 2007 existierte, ist möglich.

    Tegel-Uni: Der geplante Umbau des ehemaligen TXL-Terminals für die Hochschule für Technik könnte auf den Prüfstand kommen.
    Sicherheit

    Polizeifahrzeuge: Eine Umstellung auf Leasing könnte bei Polizei und Feuerwehr Kosten senken.

    Objektschutz: Der Schutz von Gebäuden, die nicht dem Land Berlin gehören, könnte aus Kostengründen eingestellt werden.
    Freizeit und Vergnügen

    Vergnügungssteuer: Auch hier wird eine Erhöhung um 5 Prozent in Betracht gezogen, was z.B. die Kosten für einen Spielautomaten auf 306 Euro pro Monat ansteigen lassen könnte.

    168 Mio. Euro! Neubau des Berliner Jahnstadions wird 70 Prozent teurer

    City-Tax: Eine Erhöhung der Bettensteuer um zwei Prozent für alle Reisenden könnte zusätzliche Einnahmen bringen.
    Konsum

    Verpackungssteuer: Eine Abgabe wie in Tübingen (1,50 Euro) wird geprüft, allerdings steht noch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus.

    All diese Maßnahmen werden derzeit sorgfältig abgewogen, um zu entscheiden, welche Opfer Berlin bringen muss, um die Finanzen zu stabilisieren. Die geplanten Einsparungen im Haushalt bezeichnete Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) zuletzt als notwendig. „Die Vorgängersenate haben viel zu viel Geld ausgegeben“, begründete er das und verwies darauf, dass das jährliche Haushaltsvolumen von 2016 bis 2024 von 25 auf rund 40 Milliarden Euro angewachsen sei. Zwar seien bestimmte zusätzliche Ausgaben in der Corona-Pandemie richtig gewesen, aber: „Das Ziel muss jetzt sein, auf Vorkrisenniveau zu kommen“.

    #Berlin #Sparmaßnahmen #Politik

  • Unterversorgt : Geschäfte mit Flüchtlingsunterkünften

    Die Unterbringung von Asylsuchenden ist ein lukratives Geschäft, das längst private Unternehmen für sich entdeckt haben. Mit Niedrigpreisen gewinnen sie Ausschreibungen für das Betreiben der Unterkünfte und machen doch gute Gewinne. MONITOR-Recherchen zeigen, wie im Betrieb und beim Personal gespart wird – und wie Geflüchtete sich selbst überlassen werden.

    Georg Restle: „Der Anschlag in Solingen hat zu einem regelrechten Überbietungswettbewerb der Parteien geführt, bei der inneren Sicherheit und klar, auch in der Migrationspolitik. Heute hat die Bundesregierung eine Ausweitung bei Messerverboten beschlossen und Kürzungen bei den Leistungen für Asylbewerber, die über andere EU-Staaten eingereist sind. Ein Thema spielt bei alledem erstaunlicherweise überhaupt keine Rolle: Die Flüchtlingsunterkünfte nämlich, wo vor allem junge Männer regelmäßig sich selbst überlassen werden. Wo sich oft genug niemand wirklich kümmert, niemand wirklich hinschaut – wie in dieser Flüchtlingsunterkunft. Wochenlang lag hier die Leiche eines jungen Geflüchteten in seinem Zimmer, ohne das sein Tod irgendjemandem aufgefallen wäre. Und nein, das Schicksal dieses Mannes ist kein bedauerlicher Einzelfall, sondern das bittere Resultat eines systematischen Versagens. Eine gemeinsame Recherche von MONITOR und Süddeutscher Zeitung – Andreas Maus und Till Uebelacker.“

    Ein unscheinbares Grab in Berlin-Pankow – zugewuchert, das Namensschild von der Friedhofsverwaltung. Sanoussy Barry kannte den Verstorbenen kaum. Aber er hat sich um seine Beerdigung gekümmert.

    Sanoussy Barry: „Ist ein junger Asylant aus Guinea. Diallo ist gestorben in seinem Asylheim. Nach vier Wochen erst hat man festgestellt, dass er gestorben ist. Sehr tragischer Fall. Sehr traurig.“

    Vier Wochen unentdeckt, tot in einer Flüchtlingsunterkunft? Wie kann das sein? Unsere Recherchen beginnen hier, in Berlin Steglitz-Zehlendorf. Irgendwo in dieser Flüchtlingsunterkunft lebte Mamadou Diallo. Im Oktober letzten Jahres muss er hier in seinem Zimmer gestorben sein. Geblieben sind zwei Fotos des 24-jährigen. Spurensuche.

    Reporter: "Du kannst Dich jetzt nicht erinnern, ihn gesehen zu haben?

    Junger Mann: „Ich weiß nicht. Also es gibt mal Familie … hat einen Teil der Familie hier, aber hn habe ich nicht gesehen.“

    Entdeckt wurde Mamadou Diallo erst nach etwa vier Wochen – sein Leichnam war da schon stark verwest. Wie es dazu kommen konnte, fragen wir Sebastian Büchner von der Berliner Staatsanwaltschaft, die hat den Todesfall untersucht.

    Sebastian Büchner, Staatsanwaltschaft Berlin: „Es ist keine Vermisstenanzeige erstattet worden. Es gab auch keine Meldung, dass da irgendwie jemand nicht im Zimmer sich befinden könnte. Es scheint auch offensichtlich in diesem verbliebenen Monat – zwischen dem letzten Mal sehen und dem Auffinden – jetzt niemand großartig danach geguckt zu haben, was mit ihm passiert ist.“

    Keine Vermisstenanzeige – keine Meldung. Könnte Mamadou Diallo noch leben, wenn Mitarbeiter der Unterkunft nach ihm geschaut hätten? Wer war für die Berliner Flüchtlingsunterkunft zuständig? Die Betreiber-Firma damals war ORS. Ein privates Unternehmen. Flüchtlingsunterkünfte werden längst nicht immer von Ländern oder Kommunen selbst geführt, meist wird der Betrieb ganz oder teilweise ausgeschrieben, oft bekommt der günstigste Bieter den Zuschlag – Bieter wie ORS. Hinter ORS steht ein milliardenschwerer Konzern – die Serco Group. Das britische Unternehmen gehört unter anderem Vermögensverwaltern wie Blackrock und macht weltweit über 5 Milliarden Pfund Umsatz – als Dienstleister für Militärs, Raumfahrt, Grenzschutz – als Betreiber von Gefängnissen und – Flüchtlingsunterkünften. Laut Selbstdarstellung bietet die Serco-Tochter ORS „beste Betreuungsdienstleistungen im Asylwesen.“ Ein großes Versprechen. Warum wurde dann Mamadou Diallos Leichnam über Wochen hier nicht entdeckt? Dienstleister wie ORS sind verpflichtet, den Aufenthalt von Geflüchteten regelmäßig zu dokumentieren. Wir bekommen Kontakt zu einer Bewohnerin – in der Unterkunft. Sie möchte unerkannt bleiben. An Mamadou kann sie sich nicht erinnern, aber an ORS. Deren Mitarbeiter seien oft gar nicht anwesend gewesen, sagt sie.

    Bewohnerin der Unterkunft: „Bei denen war das Büro immer geschlossen, die Fenster, die Jalousien waren immer runter. Es waren sehr wenig Betreuer da und so, was Familien angeht, die halt auch sehr viel Probleme mit der Sprache haben. Die haben auch nicht so geholfen halt, so papierkrammäßig.“

    Zu wenig Personal, mangelnde Betreuung in der Sozialarbeit? Serco weist diese Vorwürfe zurück. Dem Personal sei es vertraglich nicht gestattet, ohne Zustimmung der Bewohner eine Wohnung zu betreten, schreibt man uns. Mitbewohner hätten gesagt, es sei alles in Ordnung. Sozialarbeit oder eine Beaufsichtigung der Bewohner habe nicht zu den vertraglichen Pflichten des Unternehmens gehört. Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) in Berlin teilt hingegen mit, zu den Aufgaben der Betreiber gehöre grundsätzlich auch „die Betreuung der Bewohner durch qualifizierte Sozialarbeiter und Sozialassistenten.“ Und wie sieht es in anderen ORS-Unterkünften aus? Wir fragen nach bei Behörden in anderen Bundesländern, wo ORS tätig ist. Und erfahren, auch hier setzte das Unternehmen in etlichen Unterkünften zu wenig Personal ein: zwei Regierungspräsidien – in Baden-Württemberg etwa – verhängten in den zurückliegenden Jahren deswegen insgesamt 35 Vertragsstrafen gegen ORS. Dann meldet sich ein ehemaliger Mitarbeiter von ORS. Er war Führungskraft in einer Unterkunft in Deutschland.

    Ehemaliger Mitarbeiter ORS: „Wir haben die Anzahl, die erfordert wurde oder die vertraglich festgehaltene Anzahl der Mitarbeiter nie erreicht. Sei es in der Kinderbetreuung, in der Hausbetreuung selber oder Freizeitgestaltung, was auch gefordert wurde Die Unterbesetzung war schon 50 Prozent, teilweise auch drunter. Vor allem in den Nachtschichten war es extrem.“

    Seine Schilderungen decken sich mit internen Dokumenten aus dem Unternehmen, die MONITOR und der Süddeutschen Zeitung vorliegen. Diese Tabelle zeigt, dass ORS hohe Summen abgezogen wurden – offenbar wegen zu wenig Personal in mehr als zehn Unterkünften. Die Summe der Abzüge betrug allein in den ersten drei Monaten des vergangenen Jahres über 760.000,- Euro. Auf unsere Nachfrage erklärt ORS die Unterbesetzung mit dem allgemeinen Fachkräftemangel in Deutschland. Weniger Betreuung in der Unterkunft? Weniger Angebote? Die Bewohner häufig auf sich allein gestellt? Die Stadt Berlin hat im März die Reißleine gezogen und den Vertrag mit ORS für drei Unterkünfte außerordentlich gekündigt. Man habe "gravierende Mängel” und "umfangreiche strukturelle Probleme” festgestellt. ORS weist auch das zurück. Es habe zuvor keine Beanstandungen gegeben, die die Kündigung rechtfertigen würden. Anderswo in Deutschland boomt das Geschäft mit den Unterkünften weiter. Der britische Konzern Serco kaufte nach der Übernahme von ORS letztes Jahr auch den deutschen Betreuungsdienstleister European Homecare (EHC). Damit ist Serco mit rund 130 Einrichtungen jetzt der größte private Anbieter in diesem Bereich. Eine Entwicklung, die der Betriebswissenschaftler Werner Nienhüser mit Sorge betrachtet. Seit Jahren beschäftigt er sich mit der Privatisierung von Flüchtlingsunterkünften und den Folgen.

    Prof. Werner Nienhüser, Universität Duisburg-Essen: „In erster Linie geht es darum, Gewinne zu erzielen, gute Renditen zu erzielen und sichere Renditen zu erzielen. Wenn ich Dienstleistungen anbiete, wo der Kunde letztlich der Staat ist, habe ich immer einen sicheren Kunden, einen zahlungskräftigen Kunden. Und die Renditen in diesem Bereich sind außerordentlich hoch. Und darum geht es.“

    Serco weist den Vorwurf zurück. Die Gewinnmarge liege nur im einstelligen Bereich, das Hauptaugenmerk liege auf dem Wohlbefinden der anvertrauten Menschen und der Mitarbeiter. Sanoussy Barry sieht das anders. Der Tod von Mamadou Diallo, sagt er, sollte ein Weckruf sein.

    Sanoussy Barry: „Die Menschen leiden hier, weil die keinen Ansprechpartner haben in diesen Asyleinrichtungen, habe ich das Gefühl. Ich möchte, also ich wünsche mir von Herzen, dass die Sozialarbeiter – die sind ja vor Ort – mit Menschen zu reden und zu helfen, aber das fehlt. Das fehlt viel in Deutschland momentan.“

    Georg Restle: „Und diese Frage stellt sich dann eben auch, wenn es schon nicht auffällt, dass der Leichnam eines Geflüchteten wochenlang in seinem Zimmer verwest, wie soll es dann irgendjemandem auffallen, wenn junge Männer sich in solchen Unterkünften radikalisieren? Aber klar, mehr Personal kostet eben viel Geld – Messerverbote sind da deutlich billiger.“

    https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/unterversorgt-geschaefte-mit-fluechtlingsunterkuenften-100.html

    #ORS #Allemagne #privatisation #asile #réfugiés #business #hébergement #décès #cimetière #Berlin-Pankow #Steglitz-Zehlendorf #Serco #European_Homecare #profit

    Image du cimetière et de la tombe de #Mamadou_Djoulde_Diallo :

    via @_kg_

    –-

    ajouté à la métaliste sur ORS en Allemagne :
    https://seenthis.net/messages/883653

    elle-même ajoutée à la métaliste sur ORS :
    https://seenthis.net/messages/802341

  • Kinostart für „Ellbogen“: Das tip-Interview zum Berlinale-Liebling
    https://www.tip-berlin.de/kino-stream/filme/ellbogen-interview-asli-oezarslan-fatma-aydemir-melia-kara


    Regisseurin Aslı Özarslan, Romanautorin Fatma Aydemir und Hauptdarstellerin Melia Kara auf dem Cover der tipBerlin-Februarausgabe zur Berlinale 2024. Foto: Harry Schnitger

    Kritik: https://www.film-rezensionen.de/2024/09/ellbogen

    30.8.2024 - Hazal, 17 Jahre alt, aus dem Wedding: Das Coming-of-Age Drama „Ellbogen“ erzählt ihre Geschichte. Der Film, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Fatma Aydemir, feierte bei der Berlinale Premiere. Am 5. September kommt er ins Kino. tipBerlin-Filmredakteurin Marit Blossey sprach mit Regisseurin Aslı Özarslan, Fatma Aydemir und Hauptdarstellerin Melia Kara über Straßencastings, Narrative von Migration und Gewalt und die Zukunft des deutschen Kinos.

    „Ellbogen“-Hauptdarstellerin Melia Kara: „Ich verstehe den Druck, der auf Hazal lastet“

    Hazal ist wütend. Zu viele Türen bleiben der Protagonistin in Aslı Özarslans Coming-of-Age-Drama „Ellbogen“ verschlossen: Morgens steckt sie ohne Perspektive in einem Kurs zur Berufsvorbereitung, mittags jobbt sie lustlos in der Bäckerei ihres Onkels, abends wird sie mit ihren Freundinnen an der Clubtür abgewiesen. Frustriert ziehen die Mädchen weiter, und was eine Party anlässlich Hazals 18. Geburtstags werden sollte, nimmt eine dramatische Wendung, als sich ihre ganze aufgestaute Wut in einer U-Bahn-Station entlädt. Kurz darauf findet Hazal sich in Istanbul wieder. Flucht – oder ein Befreiungsschlag?

    „Ellbogen“ feierte bei der Berlinale in der Sektion Generation 14plus Premiere. Wir haben Regisseurin Aslı Özarslan, Romanautorin Fatma Aydemir und Hauptdarstellerin Melia Kara bereits vor der Premiere im Februar zum Gespräch getroffen.
    Einfach mal loslassen, den Alltag vergessen und sich frei fühlen: Gar nicht so leicht für Hazal. Am Abend ihres 18. Geburtstags werden sie und ihre Freundinnen vom Türsteher eines Berliner Clubs mit dem typischen „Heute nicht“ weggeschickt. Foto: Haydar Tastan, Achtung Panda!
    Coming-of-Age in Berlin-Wedding

    tipBerlin Frau Özarslan, Sie kommen vom Dokumentarfilm, „Ellbogen“ ist Ihr erstes Feature. Wie kamen Sie zu dem Stoff?

    Aslı Özarslan Ich hatte gerade die Arbeit an meinem Dokumentarfilm „Dil Leyla“ beendet und stand in einem Buchladen. Dort blickte mich vom Cover eine selbstbewusste junge Frau an. Ich las den Titel: „Ellbogen“, und dann auch noch den Namen einer deutsch-türkischen Schriftstellerin. Das hat mich direkt interessiert. Also habe ich das Buch gelesen, und es hat mich einfach nicht losgelassen. Bisher war es bei all meinen Filmen so, dass ich, wenn ich meine Protagonistin gesehen habe, ganz tief im Bauch gespürt habe: Darüber muss ich etwas machen. Ich habe mich dann ganz naiv bei Fatma gemeldet und dachte, dass die Filmrechte sicher schon vergeben sind. Es gab tatsächlich schon einige Interessenten, aber Fatma sagte: Ich habe deinen Film gesehen, der hat mir wahnsinnig gut gefallen. Schon allein deshalb möchte ich dich treffen.

    Fatma Aydemir Ich war überrascht, dass es damals schon viel Interesse an den Filmrechten gab, bevor der Roman überhaupt rauskam. Das hat mich natürlich gefreut, aber tatsächlich hat es mir auch ein bisschen Angst gemacht, weil es eine bestimmte Art von kommerziellen Filmen gibt, mit der ich so gar nichts anfangen kann. Es war ein Zufall, dass ich Aslıs Film gerade gesehen hatte und mir deshalb sowohl ihr Name als auch ihr Film noch sehr präsent waren.

    Aslı Özarslan Wir haben uns dann getroffen und ich habe Fatma von meiner Idee erzählt, dass ich die Hauptfigur Hazal und ihre Freundinnen mit Laien besetzen möchte. Jeder Film hat seine eigene Herangehensweise und das erschien mir das Beste für dieses Projekt. Mir war es wichtig, diese ambivalente Figur mit der Protagonistin zusammen zu erzählen, nicht über sie.

    Fatma Aydemir Aslıs Idee hat mich überzeugt: Die Hauptfigur Hazal mit einer Laiendarstellerin zu besetzen, fühlte sich richtig an. Natürlich birgt das wieder andere Risiken, aber für mich war es sehr ausschlaggebend.
    Wie lassen sich Geschichten über migrantische Lebensrealitäten in Deutschland erzählen, ohne die Figuren zu exotisieren?

    tipBerlin Sie haben in Berlin nach Darsteller:innen gesucht und mit Melia Kara die Besetzung für die Hauptrolle der Hazal gefunden. Wie lief der Casting-Prozess für Sie ab, Frau Kara?

    Melia Kara Ich wurde wirklich von der Straße gecastet, als ich mit Freundinnen unterwegs war. Ich habe mich dann gemeldet und bekam eine Einladung zum E-Casting, da habe ich zwei Videos eingesandt und dann erstmal sechs Monate gar nichts gehört. Ich dachte: Okay, das war nichts, und hatte es auch irgendwann nicht mehr im Kopf. Dann kam die E-Mail: Du bist in der nächsten Runde und es ist ein Live-Casting. Ich hatte das vorher noch nie gemacht, es war super aufregend! Irgendwann hieß es, das ist jetzt das letzte Casting, wirklich. Ich glaube, eine Woche später habe ich einen Anruf von Aslı bekommen. Ich war gerade bei der Arbeit, und sie sagte: „Ich will dich gar nicht stören, ich hab nur eine kurze Frage: Nimmst du die Rolle an?“ In meinem Kopf hat es gerattert: Was, was, wirklich? Bei mir kribbelt direkt wieder alles vor Aufregung, wenn ich daran denke.

    tipBerlin Kannten Sie den Roman vorher?

    Melia Kara Nein. Aber ich habe das Buch dann mehrfach gelesen und fand es super. Es ist so authentisch geschrieben und nimmt kein Blatt vor dem Mund, alles ist so greifbar.

    Es gab Momente, in denen ich Hazal bemitleidet habe, und Momente, in denen ich sie unglaublich stark fand. Da dachte ich: Das könnte ich nie und nimmer, ich wäre schon zehnmal zusammengebrochen.
    Melia Kara

    tipBerlin Was haben Sie selbst für eine Beziehung zu Hazal?

    Melia Kara Ich bin hin- und hergerissen: Es gab Momente, in denen ich Hazal bemitleidet habe, und Momente, in denen ich sie unglaublich stark fand. Da dachte ich: Das könnte ich nie und nimmer, ich wäre schon zehnmal zusammengebrochen. Und dann gab es auch Momente, in denen ich dachte: Oh Hazal, stell dich doch nicht so an. Sie ist manchmal sehr trotzig. Natürlich strahlt sie dadurch auch Stärke aus, aber manchmal sollte sie ein bisschen mehr Hilfe annehmen. Wenn sie ihre harte Schale ein bisschen ablegen würde, dann könnte sie viel weiter kommen, denke ich.

    Aslı Özarslan Total. Aber dieses Privileg hat sie eben nicht immer.
    Verzicht auf Klischees: Mit den Jugendlichen erzählen, statt über sie

    tipBerlin Können Sie nachvollziehen, woher das kommt, dieser Trotz, diese Wut, die Hazal hat?

    Melia Kara Da spielen so viele Komponenten mit rein. Ich verstehe den Druck, der auf ihr lastet und die Familiendynamik, in der sie lebt. Sie ist so jung, rutscht durchs komplette System und keiner fängt sie auf. Natürlich fühlt man sich da hilflos. Sie hat nicht viel Spielraum, mal einen Schritt zurückzutreten und nachzudenken. Sie ist eigentlich die ganze Zeit in einem „fight or flight“-Modus.

    tipBerlin Sie sind selbst in Berlin aufgewachsen. Konnten Sie sich mit Hazals Lebensrealität im Wedding identifizieren?

    Melia Kara Ich war in meinem Leben selten im Wedding, ich komme aus Neukölln. Aber von dem, was ich gehört habe, soll es relativ ähnlich sein. Wobei ich sagen würde, dass Neukölln ein bisschen cooler ist (lacht).

    Aslı Özarslan Ich habe mich aus Prinzip dagegen entschieden, den Fokus darauf zu legen, das Milieu im Wedding als solches darzustellen. Ich wollte lieber Bilder zeigen, die man so vielleicht noch nicht gesehen hat. In erster Linie geht es um Hazal. Das ist das Wichtigste.

    Unsere Kritik zu „Ellbogen“ von der Berlinale lest ihr hier

    tipBerlin Frau Özarslan, haben Sie die Dialoge also zum Teil auch mit den Darsteller:innen gemeinsam erarbeitet?

    Aslı Özarslan Die Dialoge an sich waren gesetzt, aber trotzdem konnten die Darsteller:innen sich innerhalb dessen einbringen. Das ist ganz organisch passiert. Mit Melia und den anderen jungen Darstellerinnen haben wir lange geprobt: So waren sie in jeder Szene sicher und konnten ihre Ideen einfließen lassen. Dadurch entsteht eben keine Exotisierung, weil ich mit den jungen Leuten auf Augenhöhe erzählen konnte. Deshalb sind wir auch so nah an Hazal dran.

    tipBerlin Vielleicht schafft es das deutsche Kino ja auf diese Weise auch mal, neue Zielgruppen zu erreichen und alte Ordnungen aufzubrechen.

    Melia Kara Das ist der Traum!
    Foto: JIP Film und Verleih

    tipBerlin Hazal ist in jeder Szene zu sehen, wir erleben die Handlung durch ihre Augen. Frau Özarslan, warum war Frau Kara die richtige Besetzung für die Rolle?

    Aslı Özarslan Beim Schreiben des Drehbuchs war das die größte Herausforderung: Im Roman erleben wir alles aus Hazals Perspektive. Das mussten wir in Bilder übersetzen. Ich glaube, was mich an Melia fasziniert hat, als ich sie das erste Mal vor der Kamera gesehen habe, war so eine innere Wut, die in ihr gebrodelt hat. Hazal ist eine sehr ambivalente Figur und es war mir unglaublich wichtig, das zeigen zu können. Weil sie in jeder einzelnen Szene zu sehen ist, sollte sie auch etwas Geheimnisvolles haben, damit man sich als Zuschauer:in nicht langweilt. So ist es auch im Roman: Man bleibt die ganze Zeit ganz nah an ihr dran, will mehr wissen, kommt an sie heran und dann doch wieder nicht. Das hat Melia mir schon beim ersten Casting gezeigt. Deshalb hat sie aus Hazal im Endeffekt die Hazal gemacht, die es jetzt geworden ist.
    Menschen, die vielleicht einen ähnlichen Background haben wie Hazal, sollen mit dieser Geschichte etwas anfangen können

    tipBerlin Diese Ambivalenz, von der Sie sprechen, zeichnet die Figur auch im Roman aus. Frau Aydemir, wer ist Hazal für Sie?

    Fatma Aydemir Hazal war für mich immer wie eine beste Freundin und gleichzeitig jemand, den ich hasse. Genau deshalb ist sie so eine tolle Figur, an der man sich abarbeiten kann. Ich hatte beim Schreiben kein bestimmtes Publikum vor meinem inneren Auge, am liebsten will ich natürlich alle erreichen. Aber mein Wunsch war schon, dass Leute, die vielleicht einen ähnlichen Background haben wie Hazal, etwas mit dieser Geschichte anfangen können. Gleichzeitig besteht die Mehrheit des Publikums, das in Deutschland Romane kauft, eher aus weißen Frauen um die 50. Mir war deshalb wichtig, dass ich diese Figur ehrlich gestalte, ohne sie den Leuten zum Fraß vorzuwerfen. Gerade wenn man migrantische Geschichten oder Geschichten aus einer bestimmten Klasse erzählt, bekommt es schnell etwas Voyeuristisches. Ich war deshalb in vielen Streitgesprächen mit mir selbst, und am Ende ging es immer darum: Wie werde ich dieser Figur gerecht? Wie kann sie in all ihrer Ambivalenz und Komplexität in dieser Geschichte bestehen? Wie schaffe ich es, sie aus den Zwängen zu befreien, in denen sie steckt?

    Gerade wenn man migrantische Geschichten oder Geschichten aus einer bestimmten Klasse erzählt, bekommt es schnell etwas Voyeuristisches. Am Ende ging es immer darum: Wie werde ich dieser Figur gerecht? Wie kann sie in all ihrer Ambivalenz und Komplexität in dieser Geschichte bestehen?
    Fatma Aydemir

    tipBerlin Ein Wendepunkt in Ellbogen ist eine krasse Gewaltszene: Am Abend von Hazals 18. Geburtstag gerät sie mit ihren Freundinnen in einer U-Bahn-Station in eine Schlägerei, die dramatisch endet. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

    Fatma Aydemir Es gab diese Zeit, in der U-Bahn-Schlägereien in den Nachrichten sehr präsent waren. Ich weiß gar nicht, ob sie damals so viel häufiger vorgekommen sind als heute, oder ob das Thema einfach krass überrepräsentiert war. Ich fand das natürlich beängstigend und erschreckend, aber gleichzeitig werden solche Geschichten auch immer wieder als Vorwand genutzt, um das Narrativ weiter zu stricken, dass Migration und Gewalt im öffentlichen Raum irgendwie zusammenhängen. Als wäre diese Gewalt importiert und die deutsche Gesellschaft an sich gewaltfrei. Solche Widersprüchlichkeiten, die mit dem, ich nenne es mal „Medienphänomen“ der U-Bahn-Schlägerei zusammenhängen, haben mich schon lange beschäftigt. Die U-Bahn-Gewalteskalation ist deshalb auch ein Stück Zeitgeschichte.
    Von Berlin nach Istanbul: Politisch Verfolgte in Erdoğans Türkei

    tipBerlin Frau Kara, gibt es eine Szene, die Ihnen vom Dreh besonders in Erinnerung geblieben ist?

    Melia Kara Ich habe eine absolute Lieblingsszene. Da war ich so emotional, dass ich gar nicht mehr gemerkt habe, dass ich in einem Film spiele. Es hat sich so angefühlt, als ob mir das gerade selbst passiert. Das ist die Szene, in der wir vor einer Bar in Istanbul sitzen und Mehmet kurz verschwindet. Dann läuft ein wunderschöner Song, der wirklich live gesungen wurde, während wir gedreht haben. Ich habe die Kamera irgendwann gar nicht mehr gesehen, es war nachts, über uns hingen bunte Regenschirme. Irgendwann kommt Mehmet zurück und überreicht Hazal eine einzelne Rose. In meinem Kopf war das ein totaler Bruchmoment, in dem sie gemerkt hat: Vielleicht ist das hier nicht das Leben, das sie sich erhofft hat. Diesen Dreh habe ich auf jeden Fall sehr stark in Erinnerung. Aber auch alle Szenen, die ich mit den anderen Mädels drehen durfte. Das hat immer viel Spaß gemacht.

    In Istanbul findet Hazal Zuflucht bei Mehmet (Doğa Gürer). Doch die Begegnung der beiden verläuft anders als erhofft. Foto: JIP Film und Verleih

    tipBerlin Es gibt zum Beispiel eine ausgelassene Partyszene, es wird getrunken und es läuft „Von Party zu Party“ von SXTN. Haben Sie die Musik selbst ausgewählt?

    Aslı Özarslan Ich habe zu den Mädchen gesagt: Sucht euch doch mal einen Song aus, bei dem ihr denkt, dass ihr euch damit verbunden fühlt und Bock habt, dazu richtig Party zu machen. So haben wir entschieden, genau diesen Song für diese markante Szene zu nehmen, und ich selbst dachte: Ach, cool, der hat immer noch nicht an Aktualität verloren.

    Melia Kara Ja, das hat perfekt gepasst. Der Song hat einfach dieses Motzige und Freche. Er ist immer noch cool.
    Fatma Aydemir: „Mir war von Anfang an am wichtigsten, dass wir Hazal glauben“

    tipBerlin Nun feiert der Film auf der Berlinale seine Premiere. Was ist es für ein Gefühl?

    Melia Kara Ich versuche, keine großen Erwartungen zu haben, dann kann ich auch nicht enttäuscht werden. Am wichtigsten ist, dass solche Geschichten auch mal erzählt werden. Selbst wenn jetzt wirklich etwas Großes daraus werden sollte – das ist immer noch das Coolste daran.

    Aslı Özarslan Mit der Berlinale erfüllt sich für mich ein Traum, weil es eben auch eine Berlin-Geschichte ist. Außerdem ist die Berlinale ein sehr publikumsstarkes Festival und jede Regisseurin wünscht sich natürlich, dass viele, viele Menschen ihren Film sehen werden. Darauf freue ich mich wahnsinnig.

    Fatma Aydemir Ich freue mich total, weil ich den Film schon gesehen habe und weiß, dass er toll ist. Ich sehe die Geschichte, die ich geschrieben habe, in diesem Film, und gleichzeitig sehe ich auch etwas Eigenes darin. Das ist perfekt für eine Adaption, finde ich. Und ich sehe auch den Input, den nicht nur Aslı und Claudia [Claudia Schaefer, Anm. d. Red.] als Drehbuchautorinnen gegeben haben, sondern auch Melia in der Art und Weise, wie sie Hazal verkörpert. Denn das war mir von Anfang an am wichtigsten: dass wir Hazal glauben. Und das ist meiner Meinung nach auf jeden Fall gelungen. Insofern ist es für mich ab jetzt nur noch Party.

    Das Gespräch wurde am 12.1.2024 in Berlin geführt.

    #Berlin #Wedding #Kino #Jugend

  • Ignatz Nacher: Wie die Nazis gegen den jüdischen Bierpionier aus Berlin intrigierten
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/berliner-bierpionier-ignatz-nacher-wie-die-nazis-gegen-den-juedisch

    9.8.2024 von Stephan Porwol0 - Ignatz Nacher gehörte zu den Wirtschaftsgrößen der Weimarer Republik. Er erfand unter anderem das Flaschenpfand. Warum gibt es in Berlin keinen würdigen Gedenkort?

    Ignatz Nacher gehörte als Berliner Unternehmer zu den Wirtschaftsgrößen der Weimarer Republik und schuf als Generaldirektor der Engelhardt-Brauerei das gleichnamige Bier, welches auch heute noch in der Hauptstadt getrunken wird. Der Deutsche Wirtschaftsführer zählt 1929 in einem langen biografischen Eintrag weitere hohe Funktionen Nachers in der deutschen Brauereiwirtschaft auf: vor allem in den profitablen Engelhardt-Holdings, deren Aufsichtsratsvorsitzender er war, der Berliner Malzbierbrauerei Groterjan, der Hofbräu AG zu Bamberg oder der ebenfalls in Berlin gelegenen Borussia-Brauerei. Eine umfangreiche Verbandstätigkeit kam hinzu.

    Überdies ist der Name Engelhardt auch heute noch im Berliner Stadtbild präsent, so in der ehemaligen Brauerei in der Charlottenburger Danckelmannstraße oder dem Stralauer Flaschenkellerturm, einem Bestandteil der Route der Industriekultur. An den Namen Ignatz Nacher erinnert indes nichts mehr in Berlin.
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    Wer war dieser Mann?

    Nacher wurde am 25. Januar 1868 in Österreich-Schlesien in äußerst bescheidenen Verhältnissen geboren und betrieb zunächst ein florierendes Zigarrengeschäft. 1901 gelang es ihm, als Teilhaber und Geschäftsführer in die damals noch recht unbedeutende Engelhardt-Brauerei aufgenommen zu werden, deren Aufstieg damit beginnen sollte.

    Damals lag die Brauerei noch in der Chausseestraße 33 in Berlin-Mitte. 1903 wird die ehemalige Josty-Brauerei in der Bergstraße 22, ebenfalls in Mitte, als erste Brauerei übernommen. Das denkmalgeschützte Gebäude steht heute noch. 1905 wird schließlich eine deutlich größere Braustätte in der heutigen Thulestraße 48-64 in Pankow erworben, modernisiert und ausgebaut.

    Der neue Chef machte sich in jenen Jahren bereits mit der Pasteurisierung (Haltbarmachung) von Bier, der Wiederverwendung von Glasflaschen und dem Marketing von alkoholfreiem Malzbier, das besonders gern von schwangeren Frauen getrunken wurde, einen Namen.

    Nacher wandelte die Brauerei sodann 1907 in eine Aktiengesellschaft um und übernahm selbst die Mehrheit des Kapitals. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges kaufte er vier Berliner Brauereien hinzu, woran sich nach dem Krieg eine weitere Übernahmetätigkeit anschloss.

    Mitte der 1920er residierte das nun zu einem Konzern angewachsene Unternehmen in einem repräsentativen Gebäude am Alexanderplatz, dem sogenannten Engelhardthaus und 1926 verfügte es, neben etlichen Dependancen u.a. in Rathenow, Halle an der Saale oder Breslau, über die drei Berliner Braustätten in Pankow als Hauptbrauort, Charlottenburg und Stralau. Engelhardt war nunmehr zum zweitgrößten deutschen Brauereikonzern aufgestiegen.

    Im selben Jahr geschah zudem etwas Ungewöhnliches. Zum 25-jährigen Berufsjubiläum erschien, gewidmet von Vorstand und Aufsichtsrat der Engelhardt-Brauerei Aktiengesellschaft, eine Festschrift mit aufwändig gestaltetem farbigen Einband – zu Ehren Ignatz Nachers. Nun waren Ehrungen in Zeitungen oder Zeitschriften und Festschriften für Unternehmen durchaus nichts Neues, ein eigens herausgegebenes Buch für einen Firmenlenker hingegen schon. Nicht einmal der Branchenprimus Schultheiss oder große Banken und Versicherungen leisteten sich diesen Luxus. Nacher – und mit ihm Engelhardt – war spätestens jetzt unter den deutschen Wirtschaftsgrößen angekommen. Er gehörte zu den bedeutendsten deutschen Industriellen, wobei seine Erfindung des Flaschenpfandes sicher auch ihren Teil zu beitrug.

    Was geschah nach 1933?

    Weniger bekannt ist hingegen immer noch sein Schicksal nach 1933. Der Deutsche Reichsanzeiger vermeldete am 8. August 1933 lediglich nüchtern, dass Ignatz Nacher aus dem Vorstand der Engelhardt-Brauerei Aktiengesellschaft ausgeschieden sei. Dahinter verbarg sich eine Intrige, die auch in der NS-Zeit ihresgleichen sucht. Wie kam es dazu?

    1929 sollten die Berliner U-Bahn und der Alexanderplatz erweitert werden und das Engelhardthaus am Alex stand dabei im Weg. Für 9 Millionen Reichsmark stimmte Nacher einem Verkauf des Gebäudes an die landeseigene Grundstückgesellschaft Berolina zu. Zudem willigte er nach langem Überlegen noch in eine Zuwendung über 120.000 Mark von seinem Privatkonto an die Berolina ein, handelte es sich doch um ein gemeinnütziges Unternehmen. Nacher war bekannt für großzügige Spenden an Witwen und Waisen der Engelhardt-Brauerei durch seinen Ignatz-Nacher-Fonds. Er unterstützte auch arme Studenten eines Ledigenheims in Charlottenburg.

    Diese Angelegenheit interessierte vier Jahre niemanden, erst 1933 mit der Machtübernahme des Nationalsozialisten tauchen Gerüchte auf. Hatte Nacher – womöglich, um einen hohen Preis für das Engelhardthaus zu bekommen – 120.000 Mark an Schmiergeld gezahlt?

    Ein Insider, der ehemalige Engelhardt-Finanzchef Richard Köster, mit dem Nacher sich überworfen hatte, brachte den Stein ins Rollen. Köster, der vier Jahre zuvor die Auszahlung von Nachers Konto vorzunehmen hatte, wandte sich im Frühjahr 1933 an den Berliner Staatskommissar und Goebbels-Vertrauten Julius Lippert. Der bestellte Nacher am 19. Mai zu sich. Eingeschüchtert willigte Nacher ein, die Leitung des Unternehmens in „arische Hände“ zu übergeben und 2,5 Millionen Reichsmark als „Entschädigung“ für den angeblich überhöhten Kaufpreis zu entrichten. Der sogenannte Judenboykott vom 1. April, samt dem Ausspruch „Deutsche! Wehrt Euch! Kauft nicht bei Juden!“, hatte Nacher wohl verunsichert. Im Aufsichtsrat nahmen zügig Vertreter der Dresdner Bank Platz und Richard Köster rückte wieder in den Engelhardt-Vorstand in Berlin auf. Nacher hatte ihn zuvor von Berlin in die Provinz versetzt.

    Da Nacher aber immer noch über bedeutende Aktienanteile verfügte, versuchte man ihn nun vollends zugrunde zu richten. Man verhaftete ihn kurzzeitig im November 1933 und dann nochmals im Sommer 1934. Nacher erlitt mehrere gesundheitliche Zusammenbrüche und sah sich nun gezwungen seine Aktien weit unter Wert an die Dresdner Bank zu veräußern. Im Endeffekt ging damit auch die Brauerei in den Besitz der Bank über.

    Damit noch nicht genug, sicherte sich Friedrich Flick auch noch Nachers bayrisches Landgut Sauersberg, das dieser, nun finanziell in Not geraten, im Jahre 1937 verkaufen musste. Nachlesen kann man diese skandalösen Vorgänge im gut recherchierten und breit rezipierten Buch „Braunes Erbe“ von David de Jong aus dem Jahr 2022. Nachher konnte damit zumindest vorläufig den Weg in die völlige Mittellosigkeit verhindern, sein Lebenswerk aber war zerstört.

    Kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges entkam Nacher, gesundheitlich schwer angeschlagen, in die Schweiz. Er starb verarmt am 15. September 1939 mit 70 Jahren. Man hatte ihm, bevor er seine Ausreisepapiere erhielt, noch mehrere 100.000 Reichsmark „Judenvermögensabgabe“ abgepresst.

    Bis heute gibt es keinen würdigen Gedenkort für Ignatz Nacher. Seine große Wohnung in der Kurfürstenstraße 129 in Berlin-Mitte scheidet als Erinnerungsort wohl aus. Sie wurde durch den Bombenkrieg zerstört und durch einen Nachkriegsbau ersetzt. In der Charlottenburger Danckelmannstraße oder in Stralau stehen indes noch Gebäude, die mit seinem Wirken in Verbindung stehen und dafür fraglos geeignet wären.

    Stephan Porwol ist Lehrer für Geschichte und Englisch und publiziert zur Sport- und Berliner Stadtgeschichte

    #Berlin #Charlottenburg #Danckelmannstraße
    #Geschichte #Brsaerei #Bier #Antisemitismus #Emigration

  • Filmabend „Konfuzius“
    https://c-k-b.eu/index.php?pid=2024/09/13

    Freitag, 13. September 2024, 18:30 Uhr, Chinesisches Kulturzentrum Berlin,
    10785 Klingelhöferstraße 21

    Der Eintritt ist kostenlos. Eine vorherige Anmeldung ist nicht erforderlich.

    Regie: Hu Mei
    Länge: 125 Min.
    Sprache: Chinesisch, deutsche Untertitel

    Konfuzius (551 v. Chr. - 479 v. Chr.), auch Qiu (丘) oder Zhongni (仲尼) genannt, entstammte ursprünglich der Stadt Zuoyi, heute im Gebiet der Stadt Qufu in der Provinz Shandong gelegen, im altchinesischen Staat Lu zu Zeiten der Frühlings- und Herbstannalen (722 v. Chr. bis 481 v. Chr.). Er war ein Denker, Politiker und Pädagoge des chinesischen Altertums sowie Begründer der Schule des Konfuzianismus. Im ersten Jahrhundert v. Chr. wurde der Konfuzianismus von den chinesischen Herrschern als vorherrschende Ideologie und Grundlage staatlichen Handelns etabliert und beeinflusst somit die chinesische Gesellschaft tiefgreifend mehr oder weniger durchgängig seit über zweitausend Jahren. Die Region der heutigen Provinz Shandong ist als Heimat des Konfuzius und Geburtsort der konfuzianischen Kultur weltweit berühmt, man bezeichnet sie oft als „Heimat der zwei Gelehrten, Konfuzius und Menzius“. Vom 9. September bis zum 9. Oktober präsentieren das Chinesische Kulturzentrum Berlin und das Amt für Kultur und Tourismus der Provinz Shandong, in der gemeinsam durchgeführten Ausstellung chinesischer Trachten „Konfuzius‘ Heimat – Gastliches Shandong“, traditionelle chinesische Kleidungsstücke der Ming-Zeit, die in der langen Tradition konfuzianischer Trachtenkultur stehen.

    Während dieser Zeit, am 13. September, widmet sich auch der chinesische Filmabend im Chinesischen Kulturzentrum dem Leben des Gelehrten und zeigt den Film „Konfuzius“. Unter der Regie von Hu Mei stellen bekannte Schauspieler, wie Chow Yun-Fat, Zhou Xun und Chen Jianbin, die Zeit der späten Frühlings- und Herbstannalen und das Leben des großen Meisters nach. Während mächtige Fürsten einander bekriegen reist ein Gelehrter einsam zwischen den chinesischen Staaten hin und her und steht dabei für seine Ideale ein. Er kämpft gegen die Missstände einer ganzen Epoche und beeinflusst somit den Lauf der Geschichte mit seinen Gedanken und seiner Weisheit. Viele Male wird Konfuzius von Gegnern belagert und findet sich in ausweglosen Situationen wieder, wird in politische Intrigen verwickelt und von Zeitgenossen missverstanden.

    Nach seiner Rückkehr in die Heimat viele Jahre später, widmet sich Konfuzius dem Studium und der Lehre. Seine Schüler bildet er ohne Rücksichtnahme auf sich selbst aus, sammelt, dokumentiert und archiviert wissenschaftliche Literatur seiner Zeit und wird schließlich zum Vorbild für Folgegenerationen. Auch noch lange nach seinem Tod hallen seine Worte nach, und werden seine Taten und Gedanken geschätzt, geachtet und verehrt. Konfuzius und seine Gedankenwelt sind zu einem wichtigen Teil der Seele Chinas und seiner Menschen geworden. Sie entfalten bis heute ihre Wirkung in China und in die ganze Welt.

    Handlung:

    Zu Ende der Zeit während der Frühlings- und Herbstannalen im 6. Jahrhundert v. Chr. war das Land zwischen vielen Fürsten gespalten und die vielen Staaten befanden sich in nicht endenden Kriegen. Währenddessen betraut der Herrscher des Staates Lu den hochgeschätzten Gelehrten Konfuzius mit einer wichtigen Aufgabe: Er solle seine Regierungsphilosophie „Den Staat durch Rituale zu regieren“ weiterentwickeln und umsetzen. Die Vorherrschaft dreier Adelsclans (San Huan), Jisun, Shusun und Mengsun, im Staate Lu, lässt Konfuzius jedoch auf großen Widerstand stoßen. Als Konfuzius den König von Lu zum Staatsbesuch nach Qi begleitet, um ein Bündnis zwischen den Staaten den beiden Staaten zu verhandeln, erweisen sich seine Verhandlungstechniken als so geschickt, dass er wie nie ein Mensch zuvor die Interessen von Lu verteidigt und zur Belohnung seiner Leistungen zum stellvertretenden Staatsminister ernannt wird. Mit seinem Vorschlag der Abschaffung von privatem Großgrundbesitz mächtiger Beamter, schwächt er deren Macht, was jedoch zu einem Putsch des intriganten Beamtentums gegen den Herrscher von Lu führt. Nach der Wiederherstellung der Kontrolle über das Land, übermittelt Ji Huanzi ein gefälschtes kaiserliches Dekret an Konfuzius, der dadurch seinen Beamtenstatus verliert und von da an mit seinen Schülern Yan Hui, Zi Lu und weiteren durch das weite Land reist.

    https://fr.m.wikipedia.org/wiki/Confucius_(film,_2010)
    https://de.wikipedia.org/wiki/Konfuzius_(Film)

    #Berlin #Chine #cinéma #philosophie #histoire #confucianisme #儒家 (rújiā) #儒学 (rúxué)

  • Lichtenberg : Ex-Partner tötet 28-jährige Frau mit dem Messer – neue Details
    https://www.berliner-zeitung.de/news/berlin-lichtenberg-erneut-frau-bei-messerattacke-getoetet-mann-fest

    A Berlin la dernière semaine avant la rentrée scolaire était la semaine des fémicides. L’arme préférée des assaillants : le couteau. Heureusement les armes à feu sont peu répandues.
    https://www.berlin.de/sen/bjf/service/kalender/ferien/termine/#headline_1_45

    31.8.2024 von Christian Gehrke - In Berlin wird am späten Freitagabend wieder eine Frau von ihrem Ex-Partner erstochen. Es ist der dritte Fall innerhalb weniger Tage. Was bisher alles bekannt ist.

    In Berlin ist es am Freitagabend erneut zu einem tödlichen Messerangriff auf eine Frau gekommen. Im Lichtenberger Ortsteil Friedrichsfelde wurde eine 28-jährige Griechin in einem Hausflur von ihrem ehemaligen Lebensgefährten mit einem Messer so schwer verletzt, dass sie starb. Rettungskräfte und die Polizei wurden gegen 22.30 Uhr zu der Wohnung des Opfers in der Dolgenseestraße gerufen. Nach Angaben der Feuerwehr wies die Frau mehrere schwere Stichverletzungen auf und schwebte in Lebensgefahr.

    Rettungskräfte und ein Notarzt brachten die 28-Jährige unter Reanimationsbedingungen ins Unfallkrankenhaus Marzahn (UKB). Doch für die zweifache Mutter kam jede Hilfe zu spät.

    Tat erinnert an den „Ehrenmord“ in Zehlendorf

    Gegen 23.30 Uhr nahm die Polizei an der Hauptstraße Ecke Schlichtallee einen 45 Jahre alten Mann fest und brachten ihn in einen Polizeigewahrsam. Der Verdächtige stammt aus der Türkei. Er war einst der Lebensgefährte der Frau. Sie hinterlässt zwei Kinder, die zur Tatzeit bei ihrem Vater waren.

    Es ist die zweite schwere Gewalttat gegen eine Frau am Freitagabend in Berlin: In Reinickendorf ging ein Mann aus Ghana auf eine Frau los und verletzte sie schwer. Nur durch das Eingreifen von den beiden Kindern und der Polizei konnte Schlimmeres verhindert werden.

    Bereits am Mittwochabend wurde in Berlin-Zehlendorf eine 36-jährige Libanesin von ihrem Ex-Mann erstochen. Er soll der vierfachen Mutter Nurhan B. vor der Haustür in der Hampsteadstraße aufgelauert haben. Die Ermittler nahmen den 50-jährigen Ex-Mann fest und gehen von einem sogenannten „Ehrenmord“ aus.

    Messerattacke auch in Reinickendorf: Frau aus Ghana schwer verletzt

    Der 50 Jahre alte Mann sitzt mittlerweile in Untersuchungshaft. Laut Generalstaatsanwaltschaft wurde ein Haftbefehl wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen erlassen.

    Vor der jetzigen Tat in Zehlendorf hatte es bereits mehrfach Fälle von häuslicher Gewalt gegen die Frau durch den Mann gegeben. Schließlich habe sich die Frau daraufhin getrennt und auch über ein Gericht eine sogenannte Gewaltschutzverfügung und ein Annäherungsverbot erwirkt. Das heißt, der Ex-Ehemann dufte sich ihr nicht nähern, sie nicht ansprechen, sondern musste einen vorgeschriebenen Abstand halten.

    #Berlin #femicide

  • Nahost in Berlin : Das rote Dreieck in Kreuzberg und Böller in Neukölln
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/nahost-in-berlin-das-rote-dreieck-in-kreuzberg-und-boeller-in-neuko

    Le journal nous informe sur les crimes dites antisemites de la semaine à Berlin. L’auteur ne mentionne pas que ce samedi soir la police a bloqué des rues et la circulation des S-Bahn de manière que d’énormes bouchons et retards de bus et de trains se produisent jusque dans les beaux quartiers de la banlieue sud-ouest Lichterfelde/Zehlendorf . Pour un trajet qui dure normalement 20 minutes on a eu besoin d’une heure de plus. L’article nous apprend que c’était à cause d’un attroupement de jeunes immigrés arabes à Neukölln. Le périmètre des perturbations s’étendait donc à 13 kilomètres du lieu des manifestations. C’est disproportionné et absurde.

    J’anticipe avec inquiétude ce qui se passera lors de véritables problèmes et émeutes. Heureuses seront les personnes qui pourront se déplacer indépendamment des transports en commun et de la circulation automobile.

    31.8.2024 von Andreas Kopietz - In der zurückliegenden Woche ging es in Berlin wieder brutal zu. Unser Crime-Reporter zieht Bilanz. Der kriminelle Wochenrückblick.

    Kriminalität, das sind nicht nur Mord, Messerangriffe oder Handtaschenraub. Die zurückliegende kriminelle Woche wollen wir mal unter einem anderen Aspekt beleuchten – dem der politisch motivierten Kriminalität. Seit dem 7. Oktober, als die Hamas in Israel einen Massenmord verübte und den Krieg auslöste, vergeht auch in europäischen Städten kein Tag ohne antisemitische Attacken: Farbanschläge, Bedrohungen, körperliche Angriffe.

    Sonnabends und mittwochs machen Menschen in Berlin von ihrem Grundrecht Gebrauch, gegen die Politik Israels und deutsche Waffenlieferungen dorthin zu demonstrieren. Wenn es nur dabei bliebe, wäre alles bestens. Bleibt es aber nicht. Samstagabend zogen Hunderte bei einer sogenannten propalästinensischen Demo durch Mitte und brüllten „From the river to the sea“, was als Forderung zur Auslöschung des jüdischen Staates zu verstehen und daher eine verbotene Losung ist. Die Polizei stoppte den Aufzug. Polizisten wurden angegriffen, es gab weitere volksverhetzende Ausrufe. Später, am Herrmannplatz in Neukölln, rottete sich ein Mob aus vornehmlich arabischstämmigen Jugendlichen zusammen und bewarf die Polizei mit Böllern.

    In der Nacht zum Dienstag gab es einen Farbanschlag auf das Gebäude des Tagesspiegels am Askanischen Platz in Kreuzberg. Jemand hatte auf ein Rolltor das rote Hamas-Dreieck und den Spruch „German Media Kills“ gesprüht. Die Hamas markiert mit dem Dreieck ihre Feinde. Man findet es auch an Berliner Wohnhäusern mit jüdischen Bewohnern.

    Am Mittwoch sah eine Frau in der Rosenstraße in Mitte, dass dort das Denkmal beschmiert wurde. Es erinnert an den Protest hunderter Frauen gegen die Verhaftung ihrer jüdischen Ehemänner 1943. Jemand hatte die Parole „Jews are committing genocide“ auf den Sandstein gesprüht, auf Deutsch: „Juden verüben Genozid“.

    Abends gab es am Winterfeldtplatz in Schöneberg wieder eine israelfeindliche Kundgebung. Die üblichen Sprechchöre waren zu hören. Darunter uralt-linke Sprüche wie: „Deutsche Waffen, deutsches Geld, morden mit in aller Welt“ oder: „Hoch die internationale Solidarität!“ Die sind nicht verfassungsfeindlich. Hass und Volksverhetzung gehen derweil im Internet weiter.

    #Berlin #Hermannplatz #Neukölln #Steglitz-Zehlendorf #Lichterfelde #circulation_routière #manifestation #police #philosemitisme #Palestine

  • 38. Kreuzberger Viertelmarathon: Start zur Anmeldung
    https://tib1848ev.de/news/38-kreuzberger-viertelmarathon-start-zur-anmeldungitieren

    Erstellt am 29. Februar 2024

    Am Sonntag, den 1. September 2024 findet wieder unser beliebter Kreuzberger Viertelmarathon statt. Somit geht der Lauf dieses Jahr bereits in die 38. Runde (!) und wir freuen uns schon sehr darauf!

    Um Einsteiger:innen die Teilnahme zu erleichtern wird zusätzlich zu der 10,5 km langen Viertelmarathonstrecke eine 5,25 km Strecke angeboten. Und auch Kinder haben die Möglichkeit auf einer 2,5 km langen Strecke die grüne Hasenheide zu durchlaufen.

    Bunt - laut - schrill wird es auch dieses Jahr wieder! Gestartet wird vom Vereinsgelände der Turngemeinde in Berlin 1848 e.V. und führt durch das quirlige Berlin Kreuzberg. Quer durch angesagte Szeneviertel und vorbei an…

    wunderschönen Altbauten die (könnten sie reden) interessante Geschichten aus der damaligen Besetzerszene und dem einst geteilten Berlin erzählen
    dem Landwehrkanal (auf dem die Berliner:innen auch gerne mal im kalten Winter auf der zugefrorenen Fläche entlangspazieren oder sich es im Sommer in ihrem Schlauchboot gut gehen lassen)
    an Guerilla-Gärten und Streetart
    Touris, die in einer der angesagten Frühstücklocations sitzen und Hipstern, die ihre Super-Bowl mit Acaibeeren und grünem Smoothie genießen
    an Berliner Originalen, die sich beim Lieblingsbäcker die morgendlichen Schrippen holen
    dem Partyvolk, welches sich nach einer langen Nacht noch einen Absacker beim Späti genehmigt
    und noch so vielem mehr, denn in Kreuzberg ist immer etwas los – sei mit dabei und mittendrin! Lerne Kreuzberg von seiner „echten“ Seite kennen, denn die Platten und Dönerbuden gehören genauso zu Berlin wie die ehemalige Berliner Mauer oder der Checkpoint Charlie.

    Alle Infos

    Schnell sein lohnt sich, denn die ersten 100 Läufer:innen die sich bis spätestens zum 30.06.2024 anmelden, zahlen statt 28,- € nur 23,- € Startgeld!

    TiB Mitglieder erhalten bei einer Anmeldung bis zum 30.06.2024 einen Sonderpreis von 15,- € Startgeld! Ihr benötigt dazu einen Vereinsvoucher, den Ihr bei der Anmeldung eingeben müsst. Diesen fordert Ihr bitte unter events@tib1848ev.de an. Bitte beachtet, dass der Rabatt nicht nachträglich eingelöst werden kann!

    Wir freuen uns auf Euch und „halten Euch auf dem Laufenden“!

    Euer TiB Events Team

    #Berlin #Neukölln #Columbiadamm #Spart #Marathon #Freizeit

  • Berliner protestieren gegen Flüchtlingsunterkünfte : „Migration ist gut, muss aber kontrolliert werden“
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/lichtenberg-fuer-und-gegen-asylheime-es-ist-normal-geworden-gegen-g


    Am Rande einer AfD-Kundgebung in Hohenschönhausen gegen geplante Flüchtlingsunterkünfte am Donnerstag. Emmanuele Contini/Berliner Zeitung

    Observations lors d’une manifestation contre un nouveau centre d’acceuil pour réfugiés. L’extrême droite profite du sentiment d’insécurité général pour se présenter comme représentante du peuple.Quelques mètres plus loin la manifestation contre la droite est plus grande.

    30.8.2024 vin Len Sander - Auf der einen Seite des Lichtenberger Linden-Centers ging es am Donnerstag gegen geplante Flüchtlingsunterkünfte, auf der anderen Seite gegen die AfD. Die Stimmung war aufgeheizt.

    Am Donnerstag gehen die Auseinandersetzungen um die Flüchtlingsunterkünfte in Lichtenberg weiter. Die örtliche AfD hatte zu einer Kundgebung unter dem Titel „Es wird uns zu bunt! Lichtenberg ist voll!“ aufgerufen. Zu der Kundgebung am Prerower Platz vor dem Linden-Center erscheinen etwa 200 Personen.

    Es regt sich aber auch Widerspruch. Eine beinah zeitgleiche Gegenkundgebung richtet sich „gegen rechte Hetze“ und zieht zeitweise etwa 300 Teilnehmer an. Organisiert wurde es durch das Bündnis „Lichtenberg solidarisch“, dem sowohl Parteien wie die SPD, Linke und Grüne als auch Initiativen wie „Omas gegen Rechts Lichtenberg“ und Einzelpersonen angehören.

    Hintergrund sind mehrere geplante Projekte zur Unterbringung von Flüchtlingen im Bezirk, darunter der ab Anfang kommenden Jahres geplante Umbau des City Hotel Berlin East für 1200 Personen, der bis zu 140 Millionen Euro kosten könnte. Derzeit stellt Lichtenberg schon 4052 Plätze für Flüchtlinge, die Kapazitäten sollen nun weiter ausgebaut werden.

    Hinter dem Linden-Center zwischen Polizeisperren haben sich am Donnerstagabend die Teilnehmer der AfD-Kundgebung eingefunden. Es wird Bier getrunken, einige Deutschlandfahnen wehen. Auf der Bühne sprechen unter anderem der AfD-Bundestagsabgeordnete Gottfried Curio und Lichtenberger Bezirkspolitiker der Partei. Curio ruft in die Menge: „Die wollen uns mundtot machen“, aber letztendlich verteidigten alle anwesenden Demonstranten an diesem Tag die Demokratie. Die Teilnehmer johlen. Später zieht er über Flüchtlinge her: „Die erzählen uns allen Ernstes, die würden nach Deutschland fliehen müssen. Das ist lächerlich. Wir würden doch auch nicht nach Afghanistan ziehen, wenn es in Berlin Unruhen gäbe.“

    Die 72-jährige Rita sagt der Berliner Zeitung, dies sei ihr erster Besuch bei einer Kundgebung jemals. Die Rentnerin ist Anwohnerin aus dem Bezirk und will nur ihren Vornamen nennen. Sie hat das Gefühl, dass der Berliner Senat macht, was er möchte. Es gebe keine Kapazitäten mehr und bereits jetzt zu viele Unterkünfte. „In der Straßenbahn sind es mittlerweile 80 Prozent Ausländer“, sagt sie.

    Berührungsängste mit der AfD hat sie keine, sagt die Frau, das sei die einzige Partei, die die „Meinung der Massen“ wiedergäbe. Hätte eine andere Partei eine Kundgebung gegen mehr Flüchtlingsunterkünfte organisiert, wäre sie auch gekommen, sagt sie weiter.
    Anwohner und rechte junge Männer

    Bis auf Momente der Wut überwiegt am Donnerstag der friedliche Protest. Vielleicht liegt das an der brütenden Hitze, die Berlin lähmt. Immer wieder verweisen Redner auf die Gegendemonstranten, die sich in Sichtweite an der Polizeiabsperrung postiert haben. Sie würden sich beim großen Sieg der AfD bei den ostdeutschen Landtagswahlen noch wundern, ruft die Berliner AfD-Landesvorsitzende Kristin Brinker in deren Richtung. Die Menge wird lebhaft und skandiert: „AfD! AfD!“

    Neben Anwohnern und AfD-Politikern sind auch Grüppchen junge Männer gekommen, die dem Anschein nach dem sehr rechten Spektrum zugeordnet werden können. Man sieht Boxerhaarschnitte und einschlägige T-Shirt-Motive. Sie halten den Gegendemonstranten Deutschlandfahnen entgegen und zeigen ihnen Mittelfinger. Nach dem Ende der Kundgebung werden sie eng von Polizisten zum S-Bahnhof Hohenschönhausen begleitet. Auf dem Weg rufen sie „Antifa – Hurensöhne“ und richten Parolen gegen die Polizei.

    AfD: „Geht doch nach Russland“

    Etwas früher, bei der Gegenkundgebung auf der anderen Seite des Einkaufszentrums. Parteifahnen wehen, Anti-Nazi-Transparente werden hochgehalten. „Ich hab einen Antifa-Tarifvertrag“, schallt es aus den Boxen. Eine Gruppe von mittelalten Männern pöbelt von einer Parkbank in der Nähe: „Ihr scheiß verdammten Idioten“, ruft einer Richtung Antifa.

    Kai, Mitte 30, steht etwas abseits mit seinem Rennrad im Fahrraddress. Wenn Leute menschenfeindliche Parolen grölten, sei es seiner Meinung nach wichtig zu zeigen, dass diese nicht die Mehrheit der Gesellschaft seien. Im Hintergrund fordert eine Rednerin, die AfD abzuschieben. Kai gefällt diese Zuspitzung, die die Abschiebungsdebatte ad absurdum führe. „Man könnte auch noch weiter zuspitzen und zur AfD sagen: Geht doch nach Russland“, sagt er weiter.

    Zwei junge Frauen, die in Hohenschönhausen bei der mobilen Stadtteilarbeit arbeiten, beklagen den aggressiven Ton der aktuellen Debatte. „Es ist vor Ort normal geworden, gegen Geflüchtete zu sein“, sagt Tatjana. Die fehlende Transparenz bei den Entscheidungen über die Unterbringung von Flüchtlingen führe zu viel Frustration.

    Oft erhält man die interessantesten Eindrücke von den Beobachtern am Rande. Nahe der Anti-AfD-Kundgebung steht der 31-jährige Ravi Kumar aus Indien. Er macht Fotos von dem Protest mit seinem Handy. „Gegen rechts ist gut“, sagt er. Er sei als Fachkraft nach Deutschland gekommen, arbeite im Gesundheitsbereich. Er kenne sich in der deutschen Politiklandschaft noch nicht sehr gut aus. Kumar versteht aber die Sorgen vieler Anwohner: „Migration ist zwar gut, muss aber kontrolliert werden“, sagt er. Vor allem, wenn es nicht um Fachkräfte wie ihn gehe, sondern Flüchtlinge.

    An den Sperrzaun der AfD-Kundgebung gelehnt steht ein Alt-Hohenschönhausener mit Sonnenbrille, der seinen Namen nicht nennen möchte. Er wolle sich das einfach mal anschauen, sagt er. Er höre allen zu. Der braungebrannte Mann erklärt, er arbeite seit 30 Jahren als Schichtarbeiter im öffentlichen Dienst, er „gehöre zur Arbeiterklasse“. „Die Flüchtlinge dürfen leider Gottes nicht arbeiten“, was bei ihm in der Umgebung oft zu Konflikten führe. Er versuche, Verständnis für kulturelle Unterschiede aufzubringen, aber dieses „Feingefühl“ sei vonseiten einiger Flüchtlinge nicht gegeben.

    Zudem habe das Sicherheitsgefühl in den vergangenen Jahren sehr gelitten. Sein Sohn sei überfallen worden und seiner Frau sage er inzwischen abends: „Bleib mal lieber zu Hause“. Er selbst habe schon von Messergewalt in seiner Nachbarschaft gehört, an der Flüchtlinge beteiligt waren. Er kommentiert das nicht weiter, sagt aber auch: „Oft fühle ich mich hilflos.“

    OSM Linden Center Berlin
    https://www.openstreetmap.org/way/11249452

    #Berlin #Lichtenberg #politique #extrême_droite #migration

  • Berlin-Mitte : Rosenstraßen-Denkmal mit antisemitischen Sprüchen beschmiert
    https://www.berliner-zeitung.de/news/berlin-mitte-unbekannte-beschmieren-denkmal-mit-antisemitischen-spr

    Est-ce qu’il y a des fascistes qui se déclarent solidaires avec les victimes de la guerre contre les Palestiniens ? Est-ce que des sionistes s’en prennent à un mémorial pour les résistantes contre le régime nazi afin de discréditer la lutte du peuple palestinien pour sa libération ?

    On ne saura jamais qui a défiguré le monument des courageuses femmes qui ont manifesté avec succès pour la libération de leurs maris juifs. Leur exemple montre qu’il est toujiurs posible de mener la résistance collective contre les régimes inhumains.

    Ce n’est pas un monument juif. C"est un monument pour les seuls Allemandes qui ont osé attaquer de front le régime génocidaire solidement établi. C’est un monument de l’amour. Qu’on le nettoie, qu’on soutienne les femmes et enfants palestiniens qui réclament la libération de leurs pères et maris.

    29.8.2024 von In der Rosenstraße erinnert ein Denkmal an die größte Protestaktion während die Nazi-Herrschaft gegen die Judenvernichtung. Jetzt wurde es mit antisemitischen Parolen beschmiert.

    Unbekannte haben ein Denkmal in Berlin-Mitte mit antisemitischen Sprüchen beschmiert. Wie die Polizei am Donnerstag mitteilte, hatte eine Passantin am Mittwochnachmittag die Schriftzüge an dem Denkmal in der Rosenstraße entdeckt. Die Polizei veranlasste nach eigenen Angaben, dass die Schriften unkenntlich gemacht wurden. Der Staatsschutz ermittelt.

    Das Rosenstraßen-Denkmal erinnert an größte Protestaktion in Deutschland gegen die Judenvernichtung während der Nazi-Herrschaft. Ende Februar und Anfang März 1943 hatten sich tagelang die Ehepartner und andere Angehörige vor der ehemaligen Behörde für Wohlfahrtswesen und Jugendfürsorge der Jüdischen Gemeinde versammelt, um ihre verhafteten jüdischen Partner aus sogenannten Mischehen freizubekommen. (mit dpa)

    Pour en savoie plus :
    https://fr.m.wikipedia.org/wiki/Rosenstra%C3%9Fe


    Block den Frauen, mémorial aux manifestantes réalisée par Ingeborg Hunzinger en 1985

    La Rosenstraße (la rue des roses) est le nom d’une rue de Berlin, qui vit à partir du 27 février 1943 jusqu’au 6 mars 1943 une importante manifestation d’épouses allemandes à la suite de l’arrestation de leurs maris et enfants juifs. La manifestation conduisit à la libération des maris et enfants arrêtés.

    #Berlin #Mitte #Rosenstraße #femmes #antifascistes #nazis #Palestine

  • Helikopter-Skandal in Berlin-Buch: „Es knallt infernalisch, wenn das Ungetüm abhebt“
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/helikopter-skandal-in-berlin-buch-es-knallt-infernalisch-wenn-das-u

    Das neoliverale Dogma sorgt für die Zerstörung öffentlicher Einrichtungen der Daseinsvorsorge und verursacht absurd hohe Kosten, die nur von den noch absurderen Kriegskosten überboten werden.

    Deutsche Eisenbahn und Berliner Notfallrettung wurden durch Privatisierung ins Versagen „reformiert“. Die „Rettung“ darf nun als Profitmaschine von Privatkonzernen einen Zusatzhubschrauber anschaffen, der im Grunde nicht benötigt wird. Dass er an einem Ort stationiert wird, an dem sein Lärm.Menschdn krank macht, ist da fast schon eine Nebensache. Das „Gesundheitssystem“ zeigt sich von seiner wahren Seite.

    „Gesundheit“ ist ein Kampfbegriff wie die „Freiheit“ der Liberalen. Beide werden gezielt eingesetzt, um Ausbeutung und Profitmacherei parasitärer Eliten auf Kosten der Allgemeinheit zu verschleiern.

    29.8.2024 von Birgit Walter - Braucht ein Kranker in Buch den Notarzt, kommt kein Rettungswagen, sondern der Hubschrauber. Das verschleudert Kassenbeiträge, macht Krach und bringt Anwohner in Rage.

    Wenn es einer Bewohnerin im Altenheim am Rosengarten in Berlin-Buch schlecht geht und ein Notarzt gebraucht wird, fliegt er im Hubschrauber„ Christoph 100“ herbei. Vorher sperren Polizeiautos die Straßen ab, ein Rettungswagen mit Blaulicht rast heran, falls die Patientin ins Krankenhaus muss. Dann landet „Christoph 100“, der Notarzt steigt aus, verabreicht ein Medikament und fliegt zurück ins Helios-Klinikum Buch, etwa einen Kilometer Luftlinie. Das Helios mit Notaufnahmestation und 1000 Betten ist vielleicht drei Autominuten entfernt vom Altenheim. Aber der nächste Notarzteinsatzwagen (NEF) ist erst in Bernau oder Weißensee stationiert. Er würde für elf bis zwölf Kilometer 16 Minuten brauchen, ohne Stau. Aber Buch hat ja den Hubschrauber.

    Das passiert tatsächlich? In Buch schwebt der Arzt aus der Luft heran, weil es im Umkreis keinen Notarztwagen gibt? Wer will das glauben? Solchen ökologischen und ökonomischen Wahnsinn hält man gemeinhin für unmöglich, ein Versehen, einen Einzelfall. Nein – er ist die Regel.

    Berlin betreibt 26 Notarztwagen und hält es nicht für nötig, einen in der 18.000 Einwohner zählenden Region Buch zu stationieren? Weil dort „Christoph 100“ kommt? Der befördert zu 97 Prozent Ärzte, nur ausnahmsweise Patienten. Verantwortlich für alles: die Berliner Feuerwehr, die Innensenatorin, die Verkehrssenatorin, die Obere Luftfahrtbehörde, das Helios-Krankenhaus, die Deutsche Luftrettung DRF.

    Alle gemeinsam haben diesen 10-Millionen-Euro-Flugplatz samt Hangar mitten in ein dicht besiedeltes Wohngebiet gesetzt. Seit Januar fliegt „Christoph 100“, stolz verkündet sein Betreiber DRF, dass er bis Juli auf 1969 Flugbewegungen kam. Flüge, die es vorher nicht brauchte.

    Berlin-Buch: Bürger am Rande des Wahnsinns wegen des Heli-Lärms

    Manche Bürger geraten dabei an den Rand des Wahnsinns. Sie schicken Protestbriefe an die zuständigen Behörden, beklagen unzulässige Flugrouten, zu nah, zu niedrig, zu laut, des Nachts. Die bleiben genauso erfolglos wie die Widerspruchsschreiben, die sie vor der Errichtung des Flugplatzes an die Obere Luftfahrtbehörde schickten. Die beschied ihnen kaltschnäuzig: Der Lärm – die offiziellen Berechnungen reichen bei Anwohnern bis zu 96 Dezibel – sei zumutbar. Zwischen den Flügen gebe es schließlich Ruhepausen. Für verpasste TV-Sendungen möge man das Internet nutzen.

    Besonders nah dran wohnen Bürger aus der Goethestraße in Panketal, direkt an der Landesgrenze Berlin-Brandenburg. Seit 2006 leben sie hier mit dem Dachlandeplatz am Helios, 240-mal im Jahr hören sie einen Hubschrauber, wenn er Patienten bringt und wieder abhebt, auch störend, auch sehr laut. Niemals hat sich einer beschwert, Rettung muss sein. Aber nun wurde direkt daneben noch zusätzlich der ständige Hubschrauber installiert, ein Ärzte-Shuttle, bis zu 4000 Flugbewegungen im Jahr sind avisiert. Wenn der morgens vor sechs Uhr die Rotoren anschmeißt, stehen Anwohner aufrecht in ihren Betten.

    Der Witwer Herbert Hoffmann, 80, wohnt am nächsten dran, aus ihm spricht pure Verzweiflung: „Es knallt infernalisch, wenn das Ungetüm im Rückwärtssteilflug abhebt. Da beben die Scheiben, wackeln die Äste, einige sind direkt abgebrochen. Mir nutzen auch keine anderen Flugrouten, so direkt an der Lärmquelle. Es ist einfach nicht auszuhalten.“ Die Behörde erkennt nicht mal einen Grund für Schallschutzfenster.

    Von solchen Nebensachen war keine Rede, als im Mai der neue Landeplatz im Helios-Klinikum Buch feierlich eröffnet wurde. Da fiel der Satz: „Ich bin dankbar, dass wir mit dem Hubschrauber Lärm produzieren und auch Fehleinsätze! Oder hat jemand eine bessere Idee?“ So sprach Krystian Pracz, Chef der Luftrettung DRF, die auch Christoph 100 betreibt. Pracz bedauerte den Lärm nicht, im Gegenteil, provokant wollte er klingen, selbstbewusst, als gebe es keine Alternative zum „Lebensretter“ und seinem Krach.

    Dabei hätte es solcher Abwehr gar nicht bedurft auf dieser Stehparty mit Blaskapelle, Häppchen und Sonntagsreden. Hier waren nur Gleichgesinnte unter sich. Der Branddirektor der Feuerwehr, der Geschäftsführer der Helios-Region, der Innenstaatssekretär des Senats, alle lobten einander inständig dafür, dass es mit den Hubschraubereinsätzen immer nur in eine Richtung gehe: rückwärts nimmer, vorwärts immer. Als sei jeder zusätzliche Flug eine Errungenschaft.

    Anwohner waren nicht geladen. Die Krankenkassen, die für den Hubschrauber zahlen sollen, aber kein Mitspracherecht haben, blieben der Eröffnung bewusst fern. Mehr noch, sie weigern sich zu zahlen, denn sie bestreiten grundsätzlich die Notwendigkeit eines dritten ständigen Rettungsfliegers.

    Die Argumente: Die beiden vorhandenen in Steglitz und Marzahn seien völlig ausreichend für Berlin, ihre Einsätze sogar seit Jahren rückläufig. Vor allem ist ein Hubschrauber im Vergleich zur Bodenrettung exorbitant teuer. Landungen in der Großstadt machen aufwändige Straßensperrungen nötig, binden eine Menge Polizei-Kapazität. Zudem liege den Kassen nicht mal eine Bedarfsermittlung vor.

    „Christoph 100“: Die Krankenkassen gehen in den Rechtsstreit

    Für die sechs Millionen Euro, die allein „Christoph 100“ jedes Jahr kostet, könnten allein sechs zusätzliche Rettungswagen unterhalten werden. Das Fluggerät ist besonders teuer, weil es über eine Seilwinde verfügt, wie sonst allenfalls im Gebirge nötig. In Berlin wurde nie ein Fall notiert, bei dem eine Seilwinde gebraucht worden wäre. Schön, nun gibt es sie. Aber dafür wird zusätzlich neben Pilot, Arzt und Sanitäter auch ein Techniker vorgehalten, 16 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. „Christoph 100“ hebt mit vier Personen ab.

    Wegen dieser hohen Ausgaben gehen die Krankenkassen in den Rechtsstreit: Eine Minute Luftrettung kostet 150 Euro, da werden dem Beitragszahler schnell 3000 bis 4000 Euro pro Flug in Rechnung gestellt. Für eine Bodenrettung mit Notarzt dagegen gibt es Pauschalen von 361 Euro. Ein Hubschrauber darf nur fliegen, wenn kein Notarztwagen verfügbar ist. Im Raum Buch ist das offensichtlich die Regel.

    Einige Anwohner verfolgten die Landeplatz-Einweihung abends am Bildschirm. Der RBB feierte in Hofberichterstattung „Christoph 100“ als Fortschritt, erwähnte kurz die Bürgeranliegen und endete mit der Einschätzung: „Der Hubschrauber muss jetzt los, nach Eiche. Lebensrettung geht vor Ruhe!“

    Dieser Satz bringt Anwohner in Panketal und Buch noch Monate später in Rage, als sie sich im August treffen, um einen Verein gegen Fluglärm zu gründen: Als würden hier Menschen, die seit 18 Jahren nahe dem Dachlandeplatz wohnen, Lebensrettung torpedieren. Nein! Aber sie wehren sich dagegen, dass nun vor Bucher Altenheimen, im Schlosspark und sonst im Umkreis weniger Minuten ständig der Hubschrauber kreist.
    Warschauer Brücke: Der Hubschrauber landet, der Patient ist weg

    Sie verfolgen die Flüge mit Apps wie Flightware, die ab einer gewissen Höhe alles dokumentieren, darunter viele Kurzstrecken von Christoph 100. Am 14. August zum Beispiel startet und landet er 24 Mal, bleibt im Laufe des Tages zweimal für eine Minute in der Luft, zweimal für vier und einmal für fünf Minuten. Wozu? Welche Leben werden da wohl gerettet worden sein?

    Manche Einsätze haben Bürger selbst beobachtet und erzählen sie sich. Ein Kind in der Kita bricht sich den Arm, der Rettungswagen kommt, der Arzt fliegt heran, gibt ein Schmerzmittel und startet wieder. Oder: Der Heli kreist über der Kreuzung in Karow, kann nicht landen, aber ein Rettungssanitäter hat der Dame längst aufgeholfen, sie läuft wieder. Der Heli dreht ab. Einmal ist die Warschauer Brücke das Ziel. Es geht durch die Presse, wie dort alles abgesperrt wird, ein Rettungswagen mit Blaulicht eintrifft, später „Christoph 100“ landet – und der vermeintliche Patient längst auf und davon ist. Er hatte wohl nur ein Schläfchen gemacht. 150 Euro die Minute der Einsatz.

    Wie viele Leben tatsächlich gerettet und wie viele Bagatell-Einsätze im Verhältnis zu ihnen geflogen werden, dokumentiert die Feuerwehr nicht. Aber immerhin die Zahl von Fehleinsätzen. Allein am Standort Steglitz waren 2023 ein Drittel aller Rettungsflüge Fehleinsätze. Natürlich können die immer passieren, das liegt in der Natur der Sache, weil der Arzt erst vor Ort tatsächlich eine Diagnose stellen kann.

    Aber in Berlin sind sie Teil einer beispiellosen Dysfunktionalität der Notfallrettung, über die die Berliner Zeitung seit Jahren berichtet. 1000 bis 1400 Rettungsdiensteinsätze gibt es pro Tag, überlastete Rettungskräfte jagen mit Martinshorn auch zu Nagelbettentzündungen, Schnittwunden, Bauchschmerzen, Rückenschmerzen. Und das sind nur Bagatell-Notrufe, dazu kommen jährlich 20.000 Fehleinsätze am Boden.

    Im letzten Dezember herrschte an 25 von 31 Tagen Ausnahmezustand im Rettungsdienst, sodass womöglich lebensbedrohliche Fälle wie Sturz, Infarkt und Schlaganfall mit längeren Wartezeiten rechnen mussten. Keinesfalls schafft da ein zusätzlicher Hubschrauber Sicherheit, wie es DRF-Chef Pracz gern propagiert, sondern allein ein gut funktionierendes Rettungsdienstgesetz. Die zuständige SPD-Innensenatorin Iris Spranger, seit 2021 im Amt, rief die Bürger schon mal auf, bei Bauchschmerzen nicht gleich die 112 zu rufen, um Bagatellfälle einzudämmen. Bis Jahresende hat sie endlich ein neues Rettungsdienstgesetz in Aussicht gestellt.

    Bürger von Buch und Panketal zweifeln bei ihrer Vereinsgründung, dass es ihnen nützt. „Christoph 100“ muss schließlich Geld verdienen. Das Helios hatte sich für die Ausschreibung begeistert beworben, um den Hangar auf Klinikgelände zu bauen und zu vermieten – in 100 Meter Entfernung von Kinderkrebsstation und Wohnhäusern. Es ist schließlich ein gewinnorientiertes Unternehmen.

    Bei Anwohnern herrscht also nicht nur Optimismus. Eine Familie aus der Goethestraße hat schon aufgegeben und zieht weg. Ein Nachbar, dessen Widerspruch abgeschmettert wurde, sagt: „Die Luftfahrtbehörde begann schon alles mit einer Lüge: Auf ihrem Genehmigungsantrag waren 460 Meter Mindestabstand zu Wohngebäuden verzeichnet, obwohl er nur 100 bis 170 Meter beträgt. Was soll man von so einer Behörde halten? Die dann noch beteuert, unsere Lärmbefürchtungen seien unbegründet. Alles Verstöße gegen demokratische Regeln. Leben wir denn in einer Bananenrepublik?“ Nach Bürgerprotesten korrigierte die Behörde die Zahl, bedauerte nichts.

    Verdacht auf missbräuchlichen Einsatz von „Christoph 100“

    Zunehmend sind auch Anwohner aus Buch aufgescheucht, die über den Landeplatz nie informiert worden waren, nicht mal Widerspruch einlegen konnten, jetzt aber ständigen Überflügen ausgesetzt sind. Eine Bucher Juristin listet in einem Schreiben an den Senat seitenlang Verstöße bei der Genehmigung des Flugplatzes auf, mahnt Überschreitungen von Lärmgrenzen an, Umweltverstöße, unterlegt mit juristischen Aktenzeichen. Sie verlangt vom Senat, den Verdacht auf missbräuchlichen Einsatz von „Christoph 100“ zu untersuchen. Der neue Verein debattiert, wie eine Klage aussehen müsste, die nicht Rettungseinsätze verhindert, sondern ihren Missbrauch.

    Berliner Richter haben schon ganz andere Unternehmungen torpediert. Zum Beispiel Baumaßnahmen in Marzahn, wo für 60 Millionen Euro ein Cleantech Business Park mit 400 Arbeitsplätzen errichtet werden sollte. Sie stoppten das Vorhaben gerade für Jahre. Allerdings ging es da auch um was, um den Schutz der Wechselkröte. In Berlin-Buch geht es nur um Menschen und ihre Gesundheit.

    Transparenz-Hinweis: Die Autorin wohnt selbst in Panketal, aber nicht in der Nähe des Flugplatzes. Doch der Hubschrauberlärm beeinträchtigt große Teile der Gemeinde.

    #Berlin #Buch #Verkehr #Luftfahrt #Iatrokratie #Verwaltung #Privatisierung

    • Absurde, mais sûrement logique selon les critères suivis par le gestionnaire.
      Problème de pays riche, j’ai envie de dire.

      En France, si déjà un taxi pouvait te prendre, on considérerait que le service a été rendu.
      Aux USA, y’a pas de médecin urgentiste en intervention. Donc crève.

  • Berliner Kriminalfall: Unheimlicher Mord in der Stehbierhalle in Rosenthal
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/berliner-kriminalfall-unheimlicher-mord-in-der-stehbierhalle-in-ros

    26.8.2024 vin Bettina Müller - Im Januar 1918 wird Ella Hoffmann brutal ermordet. Ihr Mörder spricht von einer „unheimlichen Macht“. Doch auch er stirbt später unter grausamen Umständen.

    Rosenthal bei Berlin im Januar 1918. In der Blankenfelderstraße betreibt Ella Hoffmann eine kleine Stehbierhalle. Hallen wie diese sind in Berlin längst eine Institution. 1877 hatte der Gastwirt Julius Kühne in der Niederwallstraße 20 zum ersten Mal in Deutschland ein Stehbierhaus eröffnet, das eine willkommene Anlaufstelle für Arbeiter war, die eine schnelle Stärkung für kleines Geld benötigten – Brötchen kosteten zehn Pfennig, ebenso das Glas Bier.

    Es sind zumeist dieselben Leute, die diese Gaststätte in Rosenthal bevölkern. Unter anderem strömt das weibliche Personal des benachbarten Straßenbahnhofs nach Dienstschluss in die Stehbierhalle, aber auch Soldaten aus dem Vereinslazarett Nordend. Fremde verirren sich nur selten in diese Gegend.

    Die Pächterin, die 34-jährige Ella Hoffmann, wird von ihren Stammgästen nur „die schöne Ella“ genannt. Sie ist kein Kind von Traurigkeit, sie lacht und flirtet gerne und wagt schon mal das ein oder andere Tänzchen mit einem ihrer Gäste, während jemand in die Tasten des alten Klaviers in der Ecke haut. Dann vergisst sie ihren Kummer darüber, dass sie ihren Ehemann, den Schlächter Hugo Hoffmann, der im Feld ist, schon so lange nicht mehr gesehen hat. Es ist zudem kein Geheimnis, dass sie ab und an Männerbekanntschaften in der Kneipe übernachten lässt. Ihr aktueller Freund ist ein gewisser Peter, den es an diesem Abend wieder in die Stehbierhalle gezogen hat, um mit Ella zu turteln.

    Niemand ahnt, dass dieser Stammgast ein Mörder ist

    Der Mann am Tisch gleich neben der Theke hat seine Ohren ausgefahren und schimpft innerlich auf Peter. Ein späterer Briefwechsel mit dem Mann, der ihn vor Gericht bringen wird, zeigt allerdings: es ist nicht die Eifersucht, die ihn ärgert – solche Gefühlsregungen sind ihm fremd –, sondern die Tatsache, dass er in Ellas Gunst nicht mehr an erster Stelle steht. Und dann hat dieser Peter sie noch mit billigem Schmuck überhäuft, woraufhin sie ganz stolz durch den Raum getänzelt war. Karl Paulus stiert versonnen in sein Bierglas. Keiner ahnt, wie sehr es in ihm brodelt. Er versteht es, sich zu beherrschen, nicht aufzufallen. Noch ist er der stets freundliche, aber doch irgendwie eigenartige Stammgast. Und niemand ahnt, dass dieser Stammgast ein Mörder ist.

    An diesem Abend des 25. Januars 1918 schließt Ella wie immer die Stehbierhalle ab. Vielleicht denkt sie noch kurz an ihre Eltern, die in Stargard in Pommern leben, und die sie schon lange nicht mehr gesehen hat. Der Vater ist bereits pensioniert, hat sein Leben lang als Bahnbeamter gearbeitet. Gedanken einer Frau, die den ganzen Tag Menschen um sich herum hat, aber im Grunde wahrscheinlich einsam ist, wenn sie alle weg sind. Die Stehbierhalle ist dabei nicht nur ihr Arbeitsplatz, sie übernachtet dort manchmal, wenn es mal wieder sehr spät geworden ist. Ihr Schlafplatz ist durch einen einfachen Vorhang vom Schankraum abgetrennt.

    Ella will sich gerade hinlegen, da klopft es an der Tür. Es ist Karl Paulus, der Einlass begehrt. Und Ella öffnet ihrem Mörder die Tür. Er fängt sofort Streit an, macht ihr Vorwürfe wegen diesem Peter, dann will er sein Geld zurückhaben, das er Ella für eine Reparatur vorgestreckt hat. Doch die will jetzt einfach nur schlafen und ihre Ruhe haben. Als Paulus merkt, dass es keinen Zweck hat, länger auf die Frau einzureden, stürzt er hektisch aus der Stehbierhalle und kann so gerade noch die anderen Gäste auf dem Weg zur Straßenbahn erreichen. Mit Frau Segers, die eine wichtige Zeugin sein wird, steigt er in die Straßenbahn, die in Pankow endet.

    Längst liegt die Stehbierhalle im Dunkeln. Die Stammgäste sind schon lange weg. Und der Stammgast Karl Paulus?

    Schneider sei er von Beruf, hat er allen erzählt, als er vor Monaten zum ersten Mal das Lokal betrat. Was er jedoch verschwiegen hatte: Er hat bereits das Gefängnis und das Zuchthaus von innen gesehen.

    Ella schläft bereits den Schlaf der Gerechten, Träume hat sie vermutlich schon lange nicht mehr. Sie ahnt nicht, dass Paulus gar nicht nach Hause gefahren ist und stattdessen in der Dunkelheit durch die Straßen schleicht, getrieben von einer „unheimlichen Macht“, wie er es später beschreiben würde. Wie in Trance führen ihn seine Schritte zurück zu ihr, zu Ella. Dieser Peter soll sie nicht bekommen!

    Ein halb geöffnetes Fenster ist seine Chance, leise steigt er ein, eine kleine schemenhafte Gestalt, die auch die Gaslaterne auf der Straße nicht mehr erhellen kann. Auf Zehenspitzen schleicht Paulus durch den Raum, bis er vor der schlafenden Ella steht.

    Dann hebt Paulus einen Hammer, den er in der Küche gefunden hat, und schlägt zu, einmal, zweimal und noch einmal, bis die Frau in Unmengen von Blut liegt und nur noch röcheln kann. Bevor der Mörder flieht, packt er noch hektisch Geld, Speck, Seife, Zigaretten, Tabak und eine Flasche Schnaps in seinen Rucksack.

    Die „unheimliche Macht“ sorgt dafür, dass Ella am nächsten Morgen im Krankenhaus Nordend stirbt, nachdem der Schneider Ortel, der für Ella ein Kleid nähen sollte, am nächsten Morgen in aller Frühe vergeblich an ihre Tür geklopft und dann besorgt Hilfe geholt hatte.

    Die Ermittler tappen ein halbes Jahr lang im Dunkeln

    Die Polizeibehörden von Pankow und Niederschönhausen sind für die Ermittlungen zuständig. Sie überprüfen auch den großen Bekanntenkreis von Ella Hoffmann, jedoch ohne Erfolg. Nach einem halben Jahr sind die Beamten mit ihrem Latein am Ende, und so kommt die Berliner Kriminalpolizei ins Spiel. Der Kriminalbeamte Otto Trettin wird damit betraut, den Fall zu lösen. Trettin ist erst 27 Jahre alt und noch nicht lange im Dienst der Kriminalpolizei. Der 1891 in Scheune im Kreis Randow in Pommern geborene Mann ist auf Umwegen – über ein erfolgreiches Theologiestudium mit Stipendium – zum Kriminaldienst gestoßen. Der Mordfall Ella Hoffmann wird der Beginn einer langen Karriere, zunächst im Bereich der Einbruchsermittlungen und dann in der Raubmordabteilung. Trettin hat im Fall Ella Hoffmann instinktiv sofort einen Verdacht.

    Als er Karl Paulus zum ersten Mal gegenübertritt, ist er sich sicher, dass das der Täter sein muss. Streng befragt, knickt der Mann tatsächlich ein und gesteht, dass er die Ella Hoffmann erschlagen habe. Zum Verhängnis ist ihm vor allem sein konstruiertes Alibi geworden, das auch von seiner Zimmerwirtin bestätigt worden war. Messerscharf hatte Trettin, der über eine hervorragende Ortskenntnis verfügte, den Schwachpunkt des Alibis erkannt, nämlich dass Paulus den Weg von Pankow bis zu seiner in einem nicht benachbarten Stadtteil gelegenen Unterkunft nicht bis halb 2 Uhr nachts hätte schaffen können. Das Alibi des „kleinen geschmeidigen Kerls mit den schwarzen unsteten Augen“, wie er Paulus 1934 in einem Kapitel seines Buches „Kriminalfälle“ beschreibt, war somit hinfällig. Und auch die Wirtin gab ihre Lüge zu und bestätigte, dass Paulus tatsächlich erst gegen Morgen nach Hause gekommen sei.

    Die Tür der Zelle des Untersuchungsgefängnisses schließt sich. Paulus ist allein mit seinen Gedanken. Aus dem Knast heraus korrespondiert er schon bald mit Trettin. Offenbar ist es ihm ein Bedürfnis, nicht nur als simple Mordbestie in die Berliner Kriminalgeschichte einzugehen, sondern auch einen Einblick in sein Seelenleben zu geben.

    „Die Welt verlangt Bedauern, Lachen, Weinen, gut, machen wirs. Fühlen tue ich bei allem nichts. Knacks, tack, und die Gedanken rasen weiter“. Gedanken eines Mörders, dem klar war, dass er sich nicht von seiner großen Schuld reinwaschen konnte. Denn Karl Paulus hatte nicht nur Ella Hoffmann getötet, wie Trettin feststellen musste. Der Mann, bei dem man Reue und Empathie vergeblich suchte, hatte bereits 1913 eine grausame Mordtat begangen.

    Arbeitslos und völlig verarmt hatte er zusammen mit seiner Ehefrau Marie-Luise, die er am 7. Dezember 1912 geehelicht hatte, erweiterten Suizid begehen wollen. Mit ihrem Baby, das zu Hause in einem Pappkarton schlafen musste, weil es keine Möbel gab. Da hatten sie gestanden, er und seine Ehefrau mit dem Kind im Arm. Dann muss Paulus im letzten Moment der Mut verlassen haben. Er schubste seine Frau mit dem Kind ins Wasser und stand ungerührt am Landungssteg in unmittelbarer Nähe des Freibades Wannsee und sah zu, wie sie ertranken.

    „Schützende Mauern, strenge Vorschriften und stetige Überwachung“

    Dennoch benutzte Paulus sein verfehltes Leben und seine marode Psyche nicht als Entschuldigung für seine Mordtaten, eine gewisse Selbsterkenntnis war ihm geblieben. Er hatte nämlich auch gemerkt, dass nur ein Leben mit klaren Regeln – „schützende Mauern, strenge Vorschriften und stetige Überwachung“, wie er schrieb – also ohne jegliche Eigenverantwortung – ihn davor hätte schützen können, weitere Straftaten welcher Art auch immer zu begehen. Bereits seine Kindheit und Jugend hatte er in diversen Erziehungsanstalten verbracht.

    Am 6. Mai 1919 wurde Karl Paulus vom Schwurgericht III in Berlin wegen zweifachen Mordes zweimal zum Tode verurteilt. Das unnatürliche Ableben seiner Ehefrau war eine „Tötung auf ausdrückliches Verlangen“ und zählte somit nicht als Mord. Die im Juli 1918 eingelegte Revision war bereits vom Reichsgericht verworfen worden. Am 28. August 1919 wurde das Todesurteil vom Reichsgericht bestätigt, später jedoch im Zuge neuer Regierungsverhältnisse in lebenslängliches Zuchthaus umgewandelt. Paulus verschwand nun völlig vom Radar.

    1933 lebte Paulus noch, doch für die Nationalsozialisten war er als „Gewohnheitsverbrecher“ nur „Ungeziefer“, das es nicht verdient hatte zu atmen. Menschen wie er wurden oft als billige Arbeitskräfte missbraucht, ihr qualvoller Tod im Konzentrationslager gerne in Kauf genommen.

    „Ich wüsste dem keinen Dank, der mich heute freiließe, denn was soll ich da?“, schrieb Karl Paulus auch an Trettin. 25 Jahre später wurde Karl Paulus am 8. Februar 1944 im Konzentrationslager Dora-Mittelbau in Thüringen ermordet. Er war Häftling Nr. 1873.

    Bettina Müller ist freie Autorin (u. a. von „Dandys, Diebe, Delinquenten“ (Elsengold) und arbeitet derzeit an einem weiteren Buch über historische Berliner Kriminalfälle.

    https://m.kauperts.de/Bezirke/Pankow/Ortsteile/Rosenthal

    https://m.kauperts.de/Strassen/Blankenfelder-Strasse-13127-Berlin

    #Berlin #Rosenthal #1918 #Blankenfelder_Straße #Geschichte #Kriminalität #Mord #Femizid

  • Krise bei der Berliner U-Bahn: So sieht der neue Notfahrplan der BVG aus
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/krise-bei-der-berliner-u-bahn-so-sieht-der-grosse-notfahrplan-der-b

    27.8.2024 von Peter Neumann - U-Bahn-Fahrten fallen aus, Züge sind zu kurz. Jetzt möchte die BVG ihren Fahrplan wieder einmal der Realität anpassen. Was kommt auf die Berliner zu?

    Weniger Fahrten, neue Linienführungen – aber auch längere Züge: Darauf müssen sich Fahrgäste der Berliner U-Bahn nach den Sommerferien einrichten. Für mehrere Strecken haben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) beim Senat einen Ausnahmefahrplan beantragt, weil nicht nur Mitarbeiter, sondern in immer größerem Maße auch Fahrzeuge fehlen. Auf die Berliner, die nach den Sommerferien in den Alltag zurückkehren, warten neue Einschränkungen bei der U-Bahn – dem wichtigsten Verkehrsmittel dieser Stadt.

    Wie berichtet fallen seit längerer Zeit immer wieder Fahrten aus, und Züge verkehren mit zu wenigen Wagen. Die Berliner U-Bahn, die jährlich von weit mehr als einer halben Milliarde Fahrgästen genutzt wird, wird in zunehmendem Maße als unzuverlässig empfunden. In den vergangenen Jahren hat es schon mehrere „Fahrplanmaßnahmen“ gegeben, bei denen Taktausdünnungen nachträglich legalisiert wurden. Für diesen Sommer wurden weitere Einschränkungen angekündigt. Das ist kein leeres Versprechen: Das Landesunternehmen und der Senat arbeiten seit Juni daran, den U-Bahn-Fahrplan der Wirklichkeit anzupassen. So soll der Betrieb wenigstens wieder berechenbar werden.

    Abends soll die U1 nicht mehr vom Zoo nach Kreuzberg fahren

    Offiziell zeigt sich die BVG verschlossen. „Da wird etwas kommen, zu einzelnen Maßnahmen kann ich aber heute noch nichts sagen“, sagte BVG-Chef Henrik Falk im Interview mit der Berliner Zeitung. Am Montag war zu hören, dass es noch Diskussionen mit der Senatsverwaltung für Verkehr gibt, die den neuen Fahrplänen zustimmen muss. Es gibt aber auch Berichte, wonach die Grundzüge schon länger feststehen. Der Aufsichtsrat des Landesunternehmens habe sich bereits über die Kürzungen verständigt. Der erste Antrag der BVG datiert von Juni, im Juli folgten zwei Termine mit dem Senat.

    Dem Vernehmen nach liegt nun dieses Konzept für Ausnahmefahrpläne auf dem Tisch:

    Linien U1/U3: Aus Kreuzberg und Friedrichshain kommen besonders oft Beschwerden über Ausfälle und kurze Züge. Um den Betrieb zu stabilisieren, ändert die BVG in Zeiten mit weniger Nachfrage das Konzept – vom 9. September 2024 zunächst bis zum 23. Juli 2025. Derzeit endet die U3 abends und im Nachtverkehr am Nollendorfplatz. Künftig soll sie als neue Stammlinie ganztägig zwischen Krumme Lanke und Warschauer Straße verkehren. Dafür wird die U1, die an der Uhlandstraße beginnt, in Schwachlastzeiten und nachts zum Nollendorfplatz zurückgezogen. Ziel ist, mit acht Wagen zu fahren. Heute kommen oft nur Kurzzüge mit vier Wagen. Auf der U3 sollen Sechs-Wagen-Züge rollen.
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    Linie U2: Auch auf der Strecke zwischen Pankow, Alexanderplatz, Zoo und Ruhleben sollen Acht-Wagen-Einheiten die Regel sein. Vorgesehen ist allerdings, den Fahrplan auszudünnen – ebenfalls vom 9. September erst einmal bis zum 23. Juli 2025. Den bisherigen Plänen zufolge wird der Takt während der Hauptverkehrszeit zwischen Pankow und Theodor-Heuss-Platz von vier auf viereinhalb Minuten verlängert. Auf dem anschließenden Abschnitt der U2 nach Ruhleben sollen die U-Bahnen alle neun Minuten verkehren, derzeit fahren sie dort während dieser Tageszeiten im Acht-Minuten-Takt.

    Linie U4: Auf der 2,9 Kilometer kurzen Schöneberger Strecke zwischen Nollendorf- und Innsbrucker Platz will die BVG den Fahrplan nicht nur für eine Übergangsperiode, sondern dauerhaft ändern. Heute sollen die Zwei-Wagen-Züge während der Hauptverkehrszeit alle fünf Minuten verkehren, für die Nebenverkehrszeit ist derzeit ein Fünf-Minuten-Takt geplant. Ab 9. September ist nun ein durchgehender Fahrtakt von sechs, sieben und sieben Minuten (6/7/7) vorgesehen.

    Linie U9: Auch auf der West-Berliner Nord-Süd-Strecke, die wegen ihrer breiteren Tunnel dem Großprofil zugeordnet wird, möchte die BVG bald den Fahrplan ausdünnen. Heute sieht er noch vor, dass die U9 zwischen Osloer Straße und Rathaus Steglitz während der Hauptverkehrszeit alle vier Minuten fährt. Vom 2. September an ist in dieser Zeit ein Fünf-Minuten-Takt vorgesehen. Diese Fahrplanmaßnahme soll mindestens bis zum Beginn der Herbstferien dauern, also bis zum 18. Oktober. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass die Einschränkung bis Ende Januar 2025 anhält. Das hängt davon ab, wann die BVG wieder ausreichend U-Bahn-Wagen für einen dichteren Betrieb hat.

    Die U-Bahn-Misere zeichnete sich schon vor Jahrzehnten ab

    So viel steht fest: Das noch vor der S-Bahn wichtigste Verkehrsmittel der Hauptstadt steckt schon lange in einer Fahrzeugkrise. Bereits in den Nullerjahren zeichnete sich ab, dass die BVG auf einen gravierenden Wagenmangel zusteuert. Doch der Sparkurs des Senats betraf auch das Landesunternehmen. Viel Zeit ging damit verloren, Wege zur Ertüchtigung der bestehenden Flotte zu suchen. Erst 2014 fiel die Entscheidung, im großen Stil neue Wagen zu ordern. Wie berichtet haben ein Rechtsstreit und coronabedingte Lieferprobleme die Anschaffung aber um Jahre verzögert.

    Die U-Bahn-Probleme der BVG: Warum sie der Berliner Senat für nicht so schlimm hält

    Mit einiger Verspätung hat Stadler im Januar dieses Jahres die ersten vier Wagen der Baureihe JK fürs Kleinprofil geliefert. Doch es gibt gravierende Softwareprobleme. Hieß es zunächst, dass der Testeinsatz im Mai beginnt, wird derzeit kein Zeitraum mehr genannt. Die ersten vier Wagen fürs Großprofil, die im zweiten Halbjahr 2024 eintreffen sollten, kommen erst 2025 – wenn alles gut geht. Für den Beginn der Serienlieferung, zuletzt ebenfalls für nächstes Jahr geplant, gibt es noch keinen genauen Termin.

    „Der Fahrzeugbestand bei der U-Bahn schmilzt immer weiter zusammen“

    „Wir brauchen baldmöglichst viele neue U-Bahnen. Erst dann besteht die Chance, dass der U-Bahn-Betrieb nachhaltig stabiler und zuverlässiger wird“, sagte BVG-Chef Falk im Interview. „Solange wir die Serienfahrzeuge der neuen U-Bahn-Generation aber noch nicht haben, müssen wir und die Fahrgäste weiterhin mit den alten Fahrzeugen auskommen.“ Aber das wird immer schwieriger. „Der Fahrzeugbestand bei der U-Bahn schmilzt immer weiter zusammen“, hieß es in dem Landesunternehmen. Es gebe immer weniger einsatzfähige Wagen.

    BVG: Verspätungen und Ausfälle erreichen Rekordwerte – neue Zahlen

    So hat die BVG dem Vernehmen nach auch mit der U-Bahn-Baureihe IK Probleme. Bis zu einem Drittel dieser Kleinprofilwagen steht wegen Technikthemen auf Abstellgleisen. Fahrzeuge, die 1964 geliefert wurden, haben mittlerweile das Ende ihrer Lebenszeit erreicht. Nach einer enormen Laufleistung müssen die sechs Jahrzehnte alten Züge auf den Schrott. Die BVG mustert aber auch viel jüngere U-Bahnen aus, wie jetzt bekannt wurde. Auch Wagen der Baureihe A3L92, die vor 30 Jahren produziert wurden, sollen dem Vernehmen nach ebenfalls das Unternehmen verlassen.

    Die BVG hat aber auch mit U-Bahnen Probleme, deren Zeit noch nicht abgelaufen ist. Dazu zählen Züge, die auf den Linien des Großprofils (U5 bis U9) eingesetzt werden können. Die U-Bahn-Techniker haben verstärkt Verschleiß an den Radreifen festgestellt. Eine Hypothese ist, dass sich die Räder mit neu verlegten Schienen nicht vertragen. Zu den betroffenen Linien gehört die U9, auf der nun Einschränkungen in Sicht sind.

    Alte Technik: U-Bahnen sind ohne Schmieranlage unterwegs

    Inzwischen gebe es aber einen weiteren Erklärungsansatz, hieß es jetzt bei der BVG. „Die Schienen sind offenbar doch nicht das Problem. Sie sind wohl in Ordnung – die Schmierung aber nicht.“ Um Verschleiß zu mildern und Lärm zu verringern, werden Schienen geschmiert. Neuere Züge für das Großprofil haben Anlagen, die das Schmiermittel automatisch dosieren. Ältere U-Bahnen, etwa die rund 50 Jahre alten Baureihe F, sind in dieser Hinsicht nicht auf dem neuesten Stand. Es besteht die Gefahr, dass zu viel Schmiermittel aufgetragen wird – was Gleise schlüpfrig machen kann.

    Berliner BVG-Chaos: Manager können nicht sagen, wann es endlich zu Ende geht

    Deshalb kommt es nicht selten vor, dass die Schmieranlage bei diesen Fahrzeugen ausgeschaltet wird. „Früher wäre das kein Problem“, sagt ein BVG-Insider. „Regelmäßig war ein Schmierzug im Netz unterwegs.“ Doch die Fahrten sind selten geworden – was mit den Kosten und dem notwendigen Personaleinsatz zu tun hat. Wenn dann noch Schmieranlagen ausgeschaltet bleiben, steigt die Gefahr, dass der Fahrweg und die Fahrzeuge Schaden nehmen. Folge: Züge der Baureihen F84 bis F92 müssen öfter in die Werkstatt. Aber Technikpersonal ist rar. Offene Stellen können nicht besetzt werden.

    BVG-Fahrgäste brauchen Geduld – ein bis zwei Jahre noch

    Damit nicht genug: Auch beim U-Bahn-Fahrpersonal machen sich Lücken immer schmerzlicher bemerkbar. „Personalbedingte Zugausfälle gab es auf den Linien U1, U2, U3, U6, U7, U8 und U9“: Auch solche Einträge in den täglichen Lagebericht der BVG gehören mittlerweile zum Alltag.

    Eine Entwicklung wie bei der Deutschen Bahn sieht der Vorstandsvorsitzende der BVG derzeit nicht. Doch die Fahrgäste müssten sich noch längere Zeit gedulden, bis sich die Lage bei der U-Bahn bessere, sagte Henrik Falk. „Klar ist, dass wir das System U-Bahn wahrscheinlich noch ein bis zwei Jahre weiterhin in dem Zustand managen müssen, in dem es sich derzeit befindet.“

    #Berlin #Verkehr #U-Bahn #Sparmaßnahmen #Technik #Politik

  • Neubau in Berlin : In diesen Bezirken gibt es die günstigsten Wohnungen und Häuser
    https://www.berliner-zeitung.de/news/immobilienmarkt-kauf-neubau-in-berlin-in-diesen-bezirken-gibt-es-di

    Berlin : achetez du neuf pour des prix entre € 5947 et € 8481par m². Bref, avec un salaire d’employé moyen il est impossible d’acheter un logement à Berlin.

    27.8.2024 von Sophie Barkey - Eigentum in der Hauptstadt steht hoch im Kurs. Immer stärker nachgefragt werden auch Neubauten. Wie entwickeln sich die Preise in den Berliner Bezirken? Ein Überblick.

    Geringere Energiekosten und weniger Ärger: Immer mehr Menschen in Berlin setzten auf Neubauten. Die Nachfrage nach Neubauwohnungen und Neubau-Einfamilienhäusern hat in der Hauptstadt zuletzt deutlich zugenommen. Das geht aus einer aktuellen Auswertung des Immobilienportals Immoscout24 hervor. Demnach wurden 52 Prozent mehr Wohnungen und 27 Prozent mehr Häuser im Vergleich zum Vorjahr nachgefragt. Die Zahlen zeigen auch, in welchen Bezirken die Preise zuletzt besonders gestiegen sind – und wo noch günstige Neubauten zum Kauf angeboten werden.

    Die Preise wurden auf Basis aller bei ImmoScout24 inserierten Neubauobjekte ermittelt. Dabei beziehen sich die durchschnittlichen Angebotspreise für Wohnungen auf eine Dreizimmerwohnung mit 80 Quadratmetern und die Hauspreise auf ein Einfamilienhaus mit 140 Quadratmetern Wohnfläche samt einem Grundstück von 600 Quadratmetern. Die jeweiligen Immobilien mussten dabei in den letzten zwei Kalenderjahren und mit „gepflegter Ausstattungsqualität“ erbaut worden sein.

    Bei der Auswertung zeigte sich, dass der durchschnittliche Angebotspreis für Neubauwohnungen der Erhebung zufolge innerhalb eines Jahres um 5,1 Prozent zulegte. Der Preis stieg damit von 6155 auf 6471 Euro pro Quadratmeter. In sämtlichen Bezirken mussten Käufer von Neubauwohnungen damit tiefer in die Tasche greifen – dennoch gibt es große Unterschiede.

    Die größten Preissteigerungen erfolgten Immoscout zufolge in Berliner Randbezirken. In Steglitz-Zehlendorf im Südwesten der Stadt stieg der Preis im vergangenen Jahr um 7,1 Prozent von 7250 Euro auf 7762 Euro pro Quadratmeter. Spandau im Westen und Marzahn-Hellersdorf im Osten Berlins folgen mit einem Zuwachs von jeweils 7,0 Prozent. Trotzdem gibt es in Marzahn-Hellersdorf immer noch die günstigsten Neubauwohnungen Berlins. Dort kostete der Quadratmeter Wohnfläche laut Immoscout 5490 Euro.

    Die teuersten Neubauwohnungen sind demnach mit 8481 Euro im Szene-Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zu finden, gefolgt von Charlottenburg-Wilmersdorf (8430 Euro) und Mitte (8172 Euro).
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    Preise für Neubauwohnungen in den Berliner Bezirken im Überblick

    Charlottenburg-Wilmersdorf: 8430 Euro pro Quadratmeter, + 5,3 Prozent zum Vorjahr
    Friedrichshain-Kreuzberg: 8481 Euro, +4,1 Prozent
    Lichtenberg: 6061 Euro, + 5,0 Prozent
    Marzahn-Hellersdorf: 5490 Euro, + 7,0 Prozent
    Mitte: 8172 Euro, + 6,8 Prozent
    Neukölln: 5983 Euro, + 4,8 Prozent
    Pankow: 6187 Euro + 2,6 Prozent
    Reinickendorf: 6192 Euro, + 4,0 Prozent
    Spandau: 5961 Euro, + 7,0 Prozent
    Steglitz-Zehlendorf: 7762 Euro, + 7,1 Prozent
    Tempelhof-Schöneberg: 6658 Euro, + 5,1 Prozent
    Treptow-Köpenick: 5947 Euro, + 5,2 Prozent

    Friedrichshain-Kreuzberg. In diesem Bezirk waren die Neubauwohnungen zuletzt am teuersten.

    Ein Neubau-Wohnhaus an der East Side Gallery in Friedrichshain-Freuzberg. In diesem Bezirk waren die Neubauwohnungen zuletzt am teuersten.Schöning/imago
    Neubau-Einfamilienhäuser in Berliner Bezirken: So entwickeln sie die Preise

    Auch bei Neubau-Einfamilienhäusern in Berlin liegen die Preise mit durchschnittlich 2,4 Prozent über den Preisen des Vorjahres und damit im zweiten Quartal 2024 bei 5970 Euro pro Quadratmeter. Allerdings wurden die Neubauten in einigen Bezirken auch günstiger.

    Die drei benachbarten und besonders bei jungen Menschen beliebten Bezirke Neukölln, Friedrichshain-Kreuzberg und Tempelhof-Schöneberg erlebten demnach leichte Preisrückgänge im Vergleich zum Vorjahr. In Neukölln sanken die Preise um 1,8 Prozent und damit am stärksten. In Friedrichshain-Kreuzberg wurden Neubau-Häuser um 1,3 Prozent günstiger, in Tempelhof-Schöneberg um 0,7 Prozent. In Mitte klettern die Preise derweil am meisten, und zwar um 4,8 Prozent. Treptow-Köpenick verzeichnete einen Anstieg von 4,1 Prozent und in Marzahn-Hellersdorf legten die Preise für neu gebaute Einfamilienhäuser um 4,0 Prozent zu.

    Insgesamt waren – wie auch bei Wohnungen – in Marzahn-Hellersdorf frisch gebaute Häuser einem Quadratmeterpreis von 5259 Euro die erschwinglichsten. Die teuersten Neubau-Einfamilienhäuser standen im Villenbezirk Steglitz-Zehlendorf zum Verkauf.

    Preise für Neubau-Einfamilienhäuser in den Berliner Bezirken im Überblick

    Charlottenburg-Wilmersdorf: 7067 Euro, + 1,7 Prozent
    Friedrichshain-Kreuzberg: 5829 Euro, -1,3 Prozent
    Lichtenberg: 5207 Euro, + 2,8 Prozent
    Marzahn-Hellersdorf: 5259 Euro, + 4,0 Prozent
    Mitte: 5664 Euro + 4,8 Prozent
    Neukölln: 5539 Euro, -1,8 Prozent
    Pankow: 5359 Euro, 2,6 Prozent
    Reinickendorf: 5789 Euro, + 3,6 Prozent
    Spandau: 6517 Euro, + 3,8 Prozent
    Steglitz-Zehlendorf: 8141 Euro, + 1,1 Prozent
    Tempelhof-Schöneberg: 6122 Euro, - 0,7 Prozent
    Treptow-Köpenick: 5830 Euro, + 4,1 Prozent

    Ein Reihenhaus in Lankwitz im Bezirk Steglitz-Zehlendorf. In diesem Bezirk sind die Neubau-Häuser berlinweit am teuersten.

    Ein Reihenhaus in Lankwitz im Bezirk Steglitz-Zehlendorf. In diesem Bezirk sind die Neubau-Häuser berlinweit am teuersten.

    #Berlin #immobilier #logement #inflation #gentrification

  • Menschenhandel und Zwangsarbeit: Landsleute ausgebeutet – um Familiensitz in Rumänien auszubauen
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/menschenhandel-und-zwangsarbeit-landsleute-ausgebeutet-um-familiens

    Was bedeutet diese Meldung vom Bau für die Bekämpfung von Schwarzarbeit und Ausbeutung in Taxis und Mietwagen?

    26.8.2024 von Katrin Bischoff - Vater und Sohn stehen in Berlin wegen Menschenhandels und Zwangsarbeit vor Gericht. Nach einem Deal erwartet sie eine milde Strafe. Opfer sind rumänische Arbeiter.

    Constantin L. trägt ein schwarzes T-Shirt, auf dem bezeichnenderweise „Boss“ steht. Hinter dem 52-Jährigen sitzt sein Sohn im Gerichtssaal, der 34-jährige Constantin-Ionut L. Die Männer befinden sich trotz der schweren Vorwürfe, die gegen sie erhoben werden, nicht in Untersuchungshaft.

    Das liegt vor allem an der Länge des Verfahrens. Constantin L. saß vor vier Jahren mal für einen Monat hinter Gittern, dann wurde der Haftbefehl gegen Kaution außer Vollzug gesetzt, schließlich aufgehoben.

    Constantin L. und sein Sohn, zwei untersetzte Männer mit rumänischem Pass, haben ihren Wohnsitz in Berlin-Köpenick. Sie müssen sich seit Montag wegen gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Menschenhandels zur Ausbeutung der Arbeitskraft, Zwangsarbeit, Körperverletzung und Vorenthalten von Arbeitsentgeld vor einer großen Strafkammer des Landgerichts verantworten. Und wenn alles gut für sie läuft, kommen sie sehr glimpflich davon.

    Vom 1. November 2015 bis 31. Juli 2020 sollen sie Landsleute als billige und illegale Arbeitskräfte für Abrissarbeiten in die Hauptstadt gebracht haben. Die Arbeiter stammten aus den ländlichen, armen Regionen im Nord- und Südosten Rumäniens. Einige der Angeworbenen, darunter auch Minderjährige, konnten weder lesen noch schreiben, bemerkt die Anklage.

    Insgesamt sollen „der Boss“ und sein Sohn 50 bis 70 Arbeiter im Jahr in ihrer Heimat mit falschen Versprechungen angeworben und in einem teils völlig überladenen Kleinbus nach Berlin geholt haben. Für den Transport wurden den Arbeitern nach Angaben von Oberstaatsanwältin Christine Höfele 150 bis 200 Euro in Rechnung gestellt. Die Männer mussten meist zehn Stunden am Tag, sechs Tage in der Woche arbeiten.

    In den Unterkünften der Arbeiter herrschten nach den Worten der Anklagevertreterin unhaltbare Zustände. Sie schliefen zu zweit auf einer Matratze, waren während der Pandemie zusammengepfercht auf engstem Raum. Sie seien in einem Verhältnis der absoluten Abhängigkeit gehalten worden. Ihnen wurden die Pässe abgenommen, einigen das Telefon zerstört.

    Arbeiter mussten zum „Abendappell“ antreten

    Von dem in Aussicht gestellten Arbeitslohn von zwölf Euro die Stunde war die Höhe des ausgezahlten Geldes weit entfernt. Statt der versprochenen 2000 Euro im Monat habe Constantin L. oft nur 300 bis 600 Euro abgerechnet – auf dem Papier. „Willkürliche Kürzungen bis hin zum kompletten Ausfall einer monatlichen Zahlung waren an der Tagesordnung“, sagt Höfele. Zusätzlich sei für die Unterkunft eine Miete von bis zu 200 Euro abgezogen worden. Ebenso verfuhren die Angeklagten mit der Verpflegung.

    Das Leben der Arbeiter in Berlin war nach den Worten Höfeles klar reguliert: Sie mussten gegen 20.30 Uhr in den Unterkünften und gegen 21 Uhr beim „Abendappell“ sein, bei dem die Arbeit für den nächsten Tag verteilt wurde. Wer den Unwillen von Constantin L. erregte, zu spät heimkam, Alkohol getrunken hatte oder gar in seine Heimat zurückkehren wollte, wurde geschlagen. Bekannt gewesen sei, dass Constantin L. Arbeiter aus der Unterkunft geworfen und sie so der Obdachlosigkeit preisgegeben hätte.

    Höfele spricht in ihrer Anklage von einem System der Risikominimierung bei gleichzeitiger Gewinnoptimierung. Von einer Verschleierung der illegalen Arbeiten durch angebliche Subunternehmer. Constantin L. habe die Arbeiter nicht sozialversichert, wodurch ein Schaden von rund 460.000 Euro entstanden sei. Das Geld, so beantragt es die Oberstaatsanwältin, soll bei dem Angeklagten eingezogen werden.

    Nach Höfeles Überzeugung nutzten die Angeklagten den Gewinn aus den Taten, um „ihren Lebensunterhalt in Deutschland zu bestreiten. Weiterhin bauten sie damit ihren Familiensitz in Rumänien aus.“ Und vermutlich würde das System noch immer funktionieren, wenn nicht Ende Mai 2019 ein verletzter rumänischer Arbeiter geflohen wäre und bei der Polizei Anzeige erstattet hätte.

    Nach Verlesung der Anklage wird hinter verschlossenen Türen verhandelt. Wenig später kann Simon Trost, der Vorsitzende Richter, eine Einigung verkünden, die Oberstaatsanwältin Höfele später als bitter bezeichnen wird. Wenn Constantin L. ein Geständnis ablegt, darf er mit einer Strafe von höchstens zwei Jahren rechnen, die zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Zudem soll der Angeklagte maximal 10.000 Euro zahlen.

    Noch ein Bonbon: Zwei Monate gelten als vollstreckt

    Sein Sohn kann ebenfalls von einem milden Urteil ausgehen: höchstens ein Jahr und sechs Monate Haft, ausgesetzt zur Bewährung. Und noch ein Bonbon bekommen die Angeklagten mit: Wegen der „staatlich zu verantwortenden Verfahrensverzögerung“, so Trost, würden bei den Angeklagten zwei Monate als vollstreckt gelten. Vater und Sohn stimmen dem Deal sofort zu. Am Mittwoch wollen sie ihren Teil der Abmachung erfüllen und ein Geständnis ablegen.

    Oberstaatsanwältin Höfele sagt am Rande des Prozesses: Fehlendes Personal bei der Staatsanwaltschaft habe zu der Verfahrensverzögerung geführt. Als Ansprechpartnerin der Staatsanwaltschaft für Menschenhandel durch Arbeitsausbeutung könne sie sagen, dass sich in Berlin nur zwei Staatsanwälte mit diesen Ermittlungen befassten. Das Problem Menschenhandel durch Arbeitsausbeutung werde in Deutschland nicht gesehen.

    #Berlin #Rumänien #Ausbeutung #Justiz

  • « Marcher le passé pour réécrire l’avenir ». Les balades décoloniales à #Berlin
    https://neotopo.hypotheses.org/8079

    Altreconomia, le « cousin transalpin » de Alternatives économiques, a publié en avril 2024 (nr. 269) un article dédié aux balades décoloniales organisées à Berlin par la petite entreprise Desta – Dekoloniale Stadtführung. Nous en proposons...

    #African_Neotoponymy_Observatory_in_Network #Neotopo_vous_signale #Toponobservations #Allemagne

  • Berliner über schicke Wohnungen für Flüchtlinge in Pankow: „Wir fühlen uns ungerecht behandelt“
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/berliner-ueber-schicke-wohnungen-fuer-fluechtlinge-in-pankow-wir-fu


    Künftige Bewohner vor der neuen FlüchtlingsunterkunftEmmanuele Contini/Berliner Zeitung

    22.8.2024 Anne-Kattrin Palmer - Am 2. September sollen 320 Flüchtlinge in Pankow einziehen. Die Reaktionen der Nachbarn sind gespalten. Sie fühlen sich übergangen. Ein Ortsbesuch.

    Die Kirchstraße in Pankow-Rosenthal ist eine ländliche, grüne Idylle im Norden von Berlin. Schmucke Einfamilienhäuser reihen sich aneinander. Daneben liegt der 1948 gegründete Kleingartenverein Windige Ecke mit seinen 62 Parzellen. Die Grundstückpreise sind seit Jahren in die Höhe geschnellt. 800.000 Euro sollte jüngst ein kleines Stück Land kosten, erzählen Anwohner.

    Es ist ein warmer Tag. Anwohner Robert R. kühlt sich in seinem Planschbecken ab, seine Ehefrau sitzt auf der schattigen Terrasse. Nachbarn führen ihre Hunde Gassi.

    Ein paar Meter weiter ragen sieben dreigeschossige Neubauten in die Höhe. Monatelang sei auf der Brache, auf der einst eine Gärtnerei lag, gebaut worden, erzählt ein Nachbar. Manchmal hätte sein Geschirr in der Vitrine gescheppert, so heftig sei gebohrt und gehämmert worden. Und ungewohnt war es obendrein in dieser ruhigen Ecke in Pankow. Doch bald schon, so fürchten es nicht nur die Kleingärtner der Windigen Ecke, könnte es damit vorbei sein.

    Am 2. September werden in der unmittelbaren Nachbarschaft 320 Migranten aus Syrien, der Türkei, aber auch der Ukraine einziehen – sie haben einen langen Weg zurückgelegt und sind inzwischen anerkannte Flüchtlinge, haben Sprachkurse hinter sich und nach vielen Stationen endlich ein festes Dach über dem Kopf bekommen. Hat einer der Bewohner einen Job, zahlt er eine Gebühr an das LAF, das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten.

    Ihre neuen Unterkünfte liegen auf einem umzäunten Gelände, hinter den Häusern befindet sich ein Spielplatz. Alle 61 Apartments haben Balkone, Einbauküchen und Fußbodenheizung, der Boden ist PVC-Laminat in Holzoptik: Standard der landeseigenen Gesobau, die die Gebäude dort errichtet hat. Die Häuser sollen ein „sicheres Zuhause für schutzsuchende Menschen“ sein, wirbt die Firma auf ihrer Homepage. Mieter – erst einmal für fünf Jahre – ist nun das LAF, mit der Option auf zweimalige Verlängerung um jeweils drei weitere Jahre. Danach könnten die Apartments ganz normal verpachtet werden.


    Blick vom Nachbarhaus auf die Flüchtlingsunterkunft in Pankow Emmanuele Contini/Berliner Zeitung

    Für Cansel Kiziltepe, Senatorin für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung, ist es ein geeigneter Ort. Bei der Schlüsselübergabe teilte die SPD-Politikerin mit: „Integration gelingt dann am besten, wenn aus Geflüchteten Nachbarinnen und Nachbarn werden, die sich kennen und unterstützen.“ Die neue Unterkunft in der Kirchstraße sei zwar immer noch eine Geflüchtetenunterkunft und keine eigene Wohnung, „doch die wohnungsähnlichen Apartments sind für viele Geflüchtete ein neues und angenehmes Zuhause“.

    Und auch LAF-Präsident Mark Seibert ist zuversichtlich: „Ein wichtiger Schritt für eine gelingende Integration besteht darin, ein gutes Wohnumfeld für die Menschen zu schaffen.“ Diese Grundlage werde in Pankow „in vorbildlicher Weise geschaffen“.

    Der Nachbar mit den scheppernden Gläsern während der Bauphase hofft ebenfalls auf eine gute Nachbarschaft. Er sei aber sehr zwiegespalten. Er frage sich, wie sich die Flüchtlinge integrieren sollen, und gibt zu bedenken, dass die Neubauten an der Kirchstraße in Pankow sehr familiär, aber auch abgeschieden liegen. „Ich finde es richtig, dass Unterkünfte geschaffen werden. Doch hier ist nichts, es gibt ein paar Supermärkte ziemlich weit entfernt, kaum öffentliche Verkehrsmittel.“ Er fügt hinzu: „Die werden an den Rand gedrängt und das war es.“

    Und auch die Anwohner hätten ein mulmiges Gefühl, gesteht er. „Viele befürchten, dass es sehr laut werden könnte, wenn Familien einziehen. Andere haben Angst, dass in ihre Schrebergärten eingebrochen wird.“ Hinzu käme, dass viele „sich ungerecht behandelt“ fühlten.


    Gegenüber der Unterkunft liegt die Kleingartenanlage Windige Ecke.Emmanuele Contini/Berliner Zeitung

    „Es fängt schon damit an, dass auf dem neuen Gelände ein größerer Spielplatz ist.“ Im Nachbargebäude, auch ein Haus der Gesobau, „sei der längst nicht so schön“. Viele vermissten in diesen und anderen Fällen eine Gleichbehandlung. Auch dass die Mieten hier sehr hoch seien, keine Wohnung mehr unter 700 Euro zu haben sei – und „die Flüchtlinge alles umsonst zur Verfügung gestellt“ bekämen. „Ich hätte es besser gefunden, wenn 25 Prozent des neuen Wohnraums Obdachlosen oder Bürgergeldempfängern zur Verfügung gestellt worden wären.“ Das größte ungelöste Problem aber seien die fehlenden Parkplätze. „Die neuen Bewohner haben doch auch alle Autos.“ Nur wo sollen sie demnächst ihre Fahrzeuge abstellen? Der Mann wirkt frustriert.

    Wie viele andere in der aktuell aufgeheizten Flüchtlingsdebatte. Sie haben das Gefühl, in Zeiten von Inflation und steigenden Preisen die Verlierer zu sein. „Während andere hier weich fallen“, bringt es eine andere Nachbarin auf den Punkt. Doch wie soll das Problem gelöst werden? Irgendwo müssen die Unterkünfte doch hin. Die Anwohner aus Pankow wissen auch keine Antwort.
    In der Stadt gibt es bereits 117 Unterkünfte für Flüchtlinge

    Vielen, auch in der Kirchstraße in Pankow, ist es inzwischen unerklärbar, wie und wo die vielen Asylanten untergebracht werden können und ob es nicht irgendwann mal ein Stopp geben muss. Täglich kommen Migranten in die Stadt, bis zu 10.000 erwartet Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) in diesem Jahr.

    Die Politik muss handeln und Schlafplätze bereitstellen. Überall in der Stadt verstreut gibt es bereits 117 Unterkünfte für Flüchtlinge – nahe dem Stadtrand, wie in diesem Fall, aber auch auf dicht besiedeltem Raum. Allein in Pankow sind es 16. Der Bezirk ist Spitzenreiter, gefolgt von Treptow-Köpenick (14), Lichtenberg (13) und Marzahn-Hellersdorf (10). Alles sind Ost-Bezirke – und ein Ende ist nicht in Sicht. Gerade erst wurde bekannt: Der Senat plant bis zu 60 weitere Unterkünfte. Allein im Lichtenberger Stadtteil Hohenschönhausen sind drei weitere Unterkünfte geplant, darunter das City East Hotel an der Landsberger Allee mit 1200 Plätzen. Dieses soll im Januar bezogen werden können.

    Inzwischen steht auch Anwohner Robert R. mit seiner Ehefrau am Zaun. Ein paar Meter weiter, vor den Flüchtlingsunterkünften, haben sich gerade mehrere Männer versammelt und begehren Einlass. Sie zeigen ein Papier vom LAF, das sie zur Wohnungsbesichtigung berechtigt. Inzwischen kämen jeden Tag Anwärter, die hier einziehen wollen, sagen die Nachbarn.

    Robert R., der ebenfalls anonym bleiben möchte, erlebt das heute zum ersten Mal. „Ich habe da nie darauf geachtet, wenn wir hier waren, war ich zu beschäftigt.“ Er sagt aber auch, dass es „halt immer mehr wird“. Es ist ein Spagat, den die Politik hinbekommen müsse. Menschen Schutz zu gewähren, aber die eigenen Bürger nicht darunter leiden zu lassen, ist aus seiner Sicht nicht einfach. Doch es müsse was geschehen. „Alles andere ist gefährlich.“
    Anwohnerin über Flüchtlingsunterkunft: „Anderen fehlt es an Wohnraum“

    Seine Ehefrau nickt. „Anderen fehlt es an Wohnraum, und Flüchtlinge bekommen Neubauten zur Verfügung gestellt. Ich möchte den Menschen nichts Unrechtes tun, sie haben es nicht einfach gehabt.“ Trotzdem müsse man das infrage stellen, was die Regierung da so mache. Wo sei das Gleichgewicht?

    Das Ehepaar lebt, wenn es nicht in Pankow im Ferienhaus ist, in Hellersdorf. „Bei uns kostet eine Drei- bis Vierraumwohnung inzwischen zwischen 1400 und 1600 Euro. Das kann doch niemand mehr bezahlen.“ Sie habe eine Tochter, die irgendwann mal ausziehen wolle. „Das wird ein Problem werden.“ Es sei für viele nicht mehr nachvollziehbar, dass auf der einen Seite Not bestehe, aber dabei die eigene Bevölkerung zu kurz käme. „Es wird zwar Wohnraum gebaut, aber nicht für Einheimische. Und wenn, sind es oft Luxusapartments oder unbezahlbare Häuser.“

    #Berlin #Kirchstraße in #Panko #-Rosenthal/#wohnen #Flüchtlunge #immobilien #Inflation

  • Camminare il passato per riscrivere il futuro. I tour decoloniali di Berlino

    L’azienda “deSta-”, nata a inizio 2022, accompagna le persone alla scoperta del quartiere africano costruito per celebrare le conquiste coloniali tedesche. Un’occasione per affrontare alla radice i problemi del razzismo in Germania.

    Appena arrivato a Berlino sono venuto qui. Speravo che il ‘quartiere africano’ contenesse qualche traccia del mio Paese d’origine. Negozi o ristoranti”. Ma per Desmond Boateng, originario del Ghana, l’uscita dalla fermata della metro di Berlino Afrikanische Straße è stato uno shock: gli unici segni che ha trovato nel quartiere erano ben lontani da quello che immaginava. Come lui, anche i turisti che sperano di trovare l’ennesimo luogo speciale dello spirito multiculturale della capitale tedesca restano delusi. “Nessun ‘cuore’ di un melting pot della cultura nera ma una terribile glorificazione della potenza coloniale tedesca. Un modo per rivendicare questo ruolo anche nella mappa della città”, spiega ad Altreconomia Justice Mvemba, che dopo lo “scotto” iniziale ha deciso che non poteva incrociare le braccia e non fare nulla.

    Due anni e mezzo fa ha fondato “deSta-Dekoloniale Stadtführung” (deSta-), un’azienda che offre tour guidati nel quartiere africano, nel distretto Sud-occidentale di Schöneberg sul femminismo nero e all’Humboldt Forum, uno tra i più famosi musei d’arte della capitale tedesca. “Camminare il passato per cambiare il futuro”. È questo il leit motiv di “deSta-”. E percorrendo le strade del quartiere sito a Wedding, nel Nord di Berlino, se ne percepisce fin da subito la necessità. Costruito alla fine del XIX secolo per celebrare la presenza tedesca nel continente africano, è stato poi nuovamente rivitalizzato nel 1930 dal nazionalsocialismo per rinsaldare lo spirito colonialista dei berlinesi. Le strade prendono i nomi di alcuni Paesi del continente: camminando ci si imbatte Ghanastraße, Ugandastraße e Guineastraße. C’è poi un piccolo conglomerato di case che si affacciano sullo stesso giardino chiamato Klein Afrika (Piccola Africa).

    L’architettura di queste costruzioni, che replica le case degli europei nei Paesi colonizzati, fu proposta per convincere, sempre durante l’epoca nazista, i cittadini tedeschi a trasferirsi nuovamente nel continente africano. Anche sul parco del quartiere, uno dei più grandi di tutta Berlino, grava un’eredità storica pesantissima: alla fine dell’Ottocento per volontà del commerciante di animali Carl Hagenbeck è stato sede dello zoo umano, luogo in cui le popolazioni dei territori africani colonizzati (all’epoca Namibia e gli attuali Burundi, Ruanda e Tanzania) si esibivano in danze e “raccontavano” la loro cultura. Una forma di tratta degli esseri umani e sfruttamento mascherati da occasione di contaminazione tra diverse culture.

    Di fronte a tutto questo, Justice Mvemba, i cui genitori sono nati in Congo, ha sentito il dovere di fare qualcosa. “Per affrontare le radici del razzismo, che qui in Germania ha colpito anche me, sono convinta sia necessario capirne le origini e le funzioni -spiega-. Serve guardare la storia, conoscendo a fondo il motivo per cui è stato istituito il colonialismo e la sua struttura di potere e di controllo su interi Paesi sfruttati economicamente da quelli europei”. Le colonie, spesso, spariscono dai libri di scuola: Mvemba ricorda di aver approfondito durante le scuole superiori il periodo del nazismo ma ben poco, invece, su quanto è successo in Africa. “Nessuno ne vuole parlare. Così ho pensato di avviare una start up per dare la possibilità alle persone di conoscere. Per poter capire”.

    Il progetto iniziale, lanciato durante la pandemia da Covid-19, era lo sviluppo di un’applicazione per accedere alle visite guidate tramite il proprio smartphone ma poi l’idea è virata verso qualcosa di più strutturato che mettesse al centro anche un aspetto di relazione tra la guida e chi partecipa. Così, a inizio 2021 è stata fondata “deSta-” che organizza tour guidati -sia in inglese sia in tedesco- oltre che workshop e laboratori, sempre sul tema della decolonizzazione, per scuole e associazioni. Oggi, l’azienda conta dodici dipendenti. E i partecipanti alle visite hanno già superato i cinquemila con 421 tour all’attivo. “Mi capita anche di avere fino a otto visite guidate alla settimana -racconta Mvemba-. Purtroppo non poche volte ho problemi con i residenti del quartiere che non sempre sono d’accordo con queste iniziative”.

    La spaccatura, paradossale, riguarda soprattutto il processo di reintitolazione di quelle vie del quartiere dedicate a ufficiali tedeschi impegnati nei Paesi africani che si sono macchiati di gravi crimini nel loro operato. La strada dedicata a Carl Peters, conosciuto in Tanzania per la sua brutalità nei confronti delle popolazioni locali, oggi porta ufficialmente due nomi diversi: una parte intitolata ad Anna Mungunda, leader della resistenza in Nambia (dove tra il 1905 e il 1908 ci fu il genocidio degli Herero e dei Nama), l’altra chiamata Maji-maji-Allee in onore del movimento che, proprio in Tanzania, lottò per respingere l’offensiva dei tedeschi che provocò la morte di quasi 300mila persone.

    Ancora: la piazza dedicata a Gustav Nachtigal, fautore dell’annessione degli attuali Togo e Camerun attraverso contratti fraudolenti, oggi si chiama Bell-Platz in memoria del re camerunense ucciso durante la conquista dei tedeschi. “Questo è importante non solo per non onorare la memoria di criminali. Aiuta infatti anche a dare un altro racconto delle persone native del continente africano -riprende Mvemba-. Conosciamo forse i bianchi che sono venuti a salvare qualcuno o fare qualche attività ma ben poco sappiamo degli eroi africani, dei leader di comunità che hanno lottato per l’indipendenza. Dare un nome a quelle battaglie, ricordarli, può aiutare a modificare la prospettiva, in generale, sulle persone nere”.

    Non tutti, però, concordano con Mvemba. La modifica nella toponomastica delle strade non è stata ben accolta da tutti. “Nel quartiere Africano i partiti di destra raccolgono voti. Sembra una barzelletta -aggiunge Mvemba-. Sostengono che sia sbagliato rinominarli e quando giriamo per il quartiere, a volte, ci contestano. E pensare che, dal mio punto di vista, questo processo è fin troppo lento: ci sono voluti quarant’anni per modificarli. Troppi”. Per alcuni che si lamentano, tanti altri, invece, trovano nei tour organizzati da “deSta-” una conoscenza mancata per troppo tempo. “Spesso tra una tappa e l’altra, le persone hanno il tempo di elaborare, fare domande molto libere: in modo che ci sia un confronto senza giudizio. Questo credo che sia molto apprezzato dai partecipanti. La normalizzazione di questi temi è fondamentale”.

    https://altreconomia.it/camminare-il-passato-per-riscrivere-il-futuro-i-tour-decoloniali-di-ber
    #balade_décoloniale #Berlin #Allemagne #Allemagne_coloniale #marche #colonialisme_allemand #colonialisme #décolonial #desta #racisme #deSta-Dekoloniale_Stadtführung #Humboldt_Forum #Wedding #toponymie #toponymie_coloniale #toponymie_politique #Klein_Afrika #zoo_humain #Carl_Hagenbeck #Justice_Mvemba #histoire_coloniale #Carl_Peters #Anna_Mungunda #Maji-maji-Allee #Tanzanie #Namibie #Gustav_Nachtigal #Togo #Cameroun #Bell-Platz

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  • Unfall in Berlin-Mitte: Fußgänger ums Leben gekommen
    https://www.berliner-zeitung.de/news/berlin-mitte-fussgaenger-bei-unfall-ums-leben-gekommen-li.2245762

    In Berlin musst Du damit rechnen, dass einfach mal einer auf der Fahrbahn liegt. Darfst Du nicht einfach drüberfahren. Habe ich selbst ein paar Mal erlebt.

    Wir sollten auch auf die kränkesten, dümmsten und besoffensten Zeitgenossen achten. Hat gestern eine junge Frau nicht hingekriegt. Jetzt isser tot, der Dummbatz, der auf der Frankfurter Allee rumlag.

    Man sollte Stinos das Autofahren in der Stadt verbieten, und es nur noch erfahrenen Profis mit Spezialausbildung gestatten. Taxifahrern mit Ortskenntnisprüfung etwa.

    18.8.2024 von dpa, Eva Maria Braungart - Am Sonntagmorgen kam es zu einem Unfall nahe dem U-Bahnhof Schillingstraße. Dabei kam ein 41-Jähriger Mann ums Leben.

    Bei einem Verkehrsunfall am frühen Sonntagmorgen auf der Karl-Marx-Allee in Berlin-Mitte ist ein 41-jähriger Fußgänger ums Leben gekommen. Dies bestätigte die Berliner Polizei der Deutschen Presse-Agentur. Der Unfall habe sich demnach in der Nähe des U-Bahnhofes Schillingstraße ereignet.

    Nach ersten Erkenntnissen der Polizei lag der Mann auf der Straße, als sich eine Autofahrerin näherte, wie eine Sprecherin erklärte. Sie konnte laut Polizei nicht mehr rechtzeitig bremsen und überrollte den 41-Jährigen. Warum der Mann auf der Fahrbahn gelegen hatte, sei noch völlig unklar. Die Frau erlitt einen Schock.

    Polizisten seien vor Ort und kümmerten sich um die Unfallaufnahme. Der Leichnam des Mannes wurde in die Gerichtsmedizin gebracht. Mehrere Augenzeugen des schweren Unfalls wurden in einem Bus der Feuerwehr betreut. Die Karl-Marx-Allee war für mehrere Stunden ab Alexanderstraße/Alexanderplatz stadtauswärts für den kompletten Fahrzeugverkehr weiträumig abgesperrt. Mittlerweile ist die Straße wieder befahrbar.

    #Berlin #Mitte #Frankfirter_Allee #Verkehr #Unfall

  • Krise in der Gefängnispsychiatrie Berlin: Er hat nicht gelebt
    https://taz.de/Krise-in-der-Gefaengnispsychiatrie-Berlin/!6027186

    16.8.2024 von JohannaTreblin - Ümit Vardar starb nach 27 Jahren im Maßregelvollzug. Die Zustände dort gelten schon lange als untragbar. Seine Familie verklagt nun das Land Berlin.

    Ümit Vardar starb nach 27 Jahren im Maßregelvollzug. Die Zustände dort gelten schon lange als untragbar. Seine Familie verklagt nun das Land Berlin.

    Er war ein schöner Mann. Damals, bevor er ins Berliner Krankenhaus des Maßregelvollzugs kam. Alle sollen das sehen. Aysel Vardar hat ein Foto ihres Sohnes an ihre Bluse geheftet, als sie am 14. Mai dieses Jahres vor einem Gerichtssaal des Landgerichts Berlin in Charlottenburg wartet. Auf dem Foto hat Ümit verwuschelte Haare, einen Dreitagebart, dreht den Kopf zur Seite und blickt direkt in die Kamera.

    Ümit Vardar starb 2017 im Alter von 52 Jahren im Vivantes-Klinikum in Berlin-Neukölln. Davor war er im Maßregelvollzug untergebracht, der Gefängnispsychiatrie. Vardar hatte 1988 seinen Vater bedroht, 2.000 D-Mark von ihm verlangt und eine Ärztin geschlagen. Ein Gericht erklärte Ümit Vardar 1989 der versuchten räuberischen Erpressung, der Bedrohung und der Körperverletzung für schuldig. Weil ein Gerichtsgutachter ihm eine paranoide Schizophrenie attestierte und er wegen der wiederholten Gewalttaten für weiterhin gefährlich galt, kam er nicht ins reguläre Gefängnis, sondern in den Maßregelvollzug.

    Aysel Vardar, randlose Brille, die Haare streng zu einem Zopf gebunden, hat das Land Berlin verklagt. Vertreten wird sie von ihren verbliebenen Söhnen, Atilla und Mesut, Zwillinge, Rechtsanwälte. Ümit war im August 2017 aus dem Krankenhaus des Maßregelvollzugs entlassen worden und kam in eine Krisenunterkunft. Nur wenig später hörte er auf zu essen, zu trinken, zog sich in eine Ecke zurück und klagte über Schmerzen. Am 18. Oktober wurde er in die Notaufnahme eingeliefert, wo man zwei Hirntumore bei ihm entdeckte. Er starb am 5. November 2017.

    Vor Gericht geht es um die Frage, seit wann Ümit die Tumore hatte und ob sie von den Medikamenten, die er im Maßregelvollzug bekommen hat, ausgelöst worden sein können.
    Die Probleme sind seit Jahren bekannt

    Das Krankenhaus des Maßregelvollzugs (KMV) in Berlin steht seit Jahren in der Kritik. Zu wenig Personal, zu wenige Angebote, überfüllte Zimmer. Mit Stand 8. August waren laut Berliner Senat 611 Pa­ti­en­t*in­nen im KMV untergebracht, obwohl es regulär nur 549 Betten gibt. Zusätzlich sind 15 Pa­ti­en­t*in­nen im Justizvollzugskrankenhaus und in Gefängnissen untergebracht. Wann diese ins KMV übersiedelt werden können, ist laut Senat nicht absehbar.

    Die taz hat gemeinsam mit Frag den Staat zu den Zuständen im Maßregelvollzug recherchiert: mit Pa­ti­en­t*in­nen und Angehörigen gesprochen, Kommissionsberichte gelesen, Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz gestellt. Daraus ergibt sich folgendes Bild: Der erhebliche Personalmangel führt zu Unterversorgung und mangelhafter Dokumentation. Nicht immer scheinen medizinische Problemlagen richtig erkannt zu werden. Die Menschen sind frustriert, werden teils aggressiv und gewalttätig. Auch gegen Pflegepersonal.

    Dabei kennt auch der Senat die Probleme seit Jahren. 2018 setzte die Senatsverwaltung für Gesundheit eine Kommission ein, die seitdem jährlich die 16 Berliner psychiatrischen Kliniken und das KMV besuchen und Missstände dokumentieren soll. Bereits in ihrem ersten Bericht von 2020 schreiben die Ex­per­t*in­nen von „mangelhaften räumlichen Bedingungen und einer „defizitären Personalsituation“ im KMV, teils verschärft durch die Pandemie. Gesetzliche Vorgaben könnten nicht eingehalten, therapeutische Maßnahmen nicht durchgeführt werden. Es gebe „sichere Hinweise auf teilweise erhebliche Einschränkungen von Persönlichkeitsrechten“.

    Der Bericht von 2021 bestätigt den Eindruck. Als „sehr problematisch“ wird darin zudem die Lage von zwei Pa­ti­en­t*in­nen eingeschätzt, „die seit mehreren Monaten in den Isolationszimmern untergebracht sind“. Nach den Mindestgrundsätzen der Vereinten Nationen für die Behandlung von Gefangenen gilt eine Einzelhaft an mehr als 15 aufeinander folgenden Tagen als Folter. Die Isolationsmaßnahmen im KMV würden regelmäßig geprüft. „Eine Regel- oder Höchstdauer, die als angemessen gilt, existiert nicht“, schreibt der Berliner Senat, „besondere Sicherungsmaßnahmen sind spätestens alle 14 Tage zu überprüfen.“

    Der geplante Doppelbericht der Kommission für 2022 und 2023 ist noch nicht veröffentlicht. Dass sich drei Jahre später nichts verbessert hat, zeigen allerdings mehrere Entwicklungen in den ersten Monaten dieses Jahres. Im Januar schrieb der Personalrat des KMV einen Brandbrief an die Senatsverwaltung für Gesundheit. Im Februar demonstrierten Angehörige „gegen die menschenunwürdigen Zustände im Krankenhaus des Maßregelvollzugs Berlin“. Im März folgten Proteste von Beschäftigten. Im April schließlich reichte der ärztliche Leiter des KMV, Sven Reiners, seine Kündigung ein.
    Mehr Medikamente als notwendig

    Personalmangel und Überbelegung, das sind die Kernprobleme, von denen auch zwei Angehörige von Pa­ti­en­t*in­nen der taz berichten. Laura Kaiser (Name geändert) klagt: „Die Pa­ti­en­t*in­nen haben keinerlei Privatsphäre. Das wirkt sich auch auf die Psyche aus.“ Gespräche mit Psy­cho­lo­g*in­nen sowie Ergo-, Sport- oder Arbeitstherapie gebe es zwar, aber nicht genug, und oft fielen die Angebote aus. Das führe erstens zu Langeweile und Frust. Zweitens sei es Voraussetzung für die Entlassung, Angebote wahrzunehmen. Gebe es diese aber de facto nicht, verzögere sich die Entlassung. „Das darf so nicht sein“, kritisiert Kaiser.

    Eine andere Angehörige bestätigt den Eindruck. Die Konsequenz sei, so habe sie das bei ihrer Tochter erlebt und von anderen Angehörigen erfahren, dass „die Leute mit Medikamenten vollgepumpt“ würden „in einem Ausmaß, das mit der Krankheit nicht gerechtfertigt werden kann“.

    Die taz hat darüber auch mit Sven Reiners gesprochen, bis Ende Juni Chefarzt im KMV. Er sagt: „Die Dosen an Antipsychotika im KMV wären wahrscheinlich sehr viel niedriger, wenn es ein besseres Therapieangebot gäbe und kleinere, helle, freundliche Stationen.“ Das Gleiche gelte für andere Medikamente wie Beruhigungsmittel. „Um es zugespitzt zu sagen: Die Patienten bekommen Medikation für ihre Krankheit, aber viel höhere Dosen als notwendig, damit sie die Umstände in der Klinik ertragen können.“

    Auch im Gerichtsverfahren um Ümit Vardar spielen Medikamente eine Rolle: Ob der Verstorbene mehr Mittel erhalten hat als notwendig, ob die Dosen zu hoch waren, der Zeitraum zu lang.

    Streit mit den Eltern

    Geboren wurde Ümit Vardar in der Türkei, zog als Kind mit seinen Eltern nach Deutschland. Nach dem Hauptschulabschluss versuchte er sich als Gärtner. Die Eltern wünschten sich, dass er Koch wie der Vater würde. Nirgends blieb er lange. Ihn interessierte vor allem Musik. „Er liebte Elvis“, erzählt seine Mutter Aysel Vardar Ende Juli in ihrer Wohnung in Berlin-Reinickendorf. Er sang, spielte Gitarre, übersetzte Songtexte. Später, in der Klinik, schrieb er eigene Gedichte auf Türkisch, Deutsch und Englisch und unterschrieb sie mit „Mr. Hope“ – die englische Übersetzung seines türkischen Vornamens: Hoffnung.

    Mitte der 80er, Ümit war etwa 20 Jahre alt, lebte er weiterhin in der elterlichen Wohnung, blieb aber immer länger fort, so erinnert sich Aysel Vardar. Einmal fand sie in seiner Kleidung Drogen, er habe benommen gewirkt. Immer wieder sei er mit dem Vater aneinandergeraten, aggressiv geworden. Sein Bruder Atilla stellt pantomimisch dar, wie Ümit einmal den Tisch im Wohnzimmer angehoben und in Richtung seiner Mutter geworfen habe. Der Vater schmiss Ümit aus der Wohnung. Es folgten Aufenthalte in Psychiatrien wegen „Streitigkeiten und Tätlichkeiten“ gegen die Eltern, wie es im Urteil vom Januar 1989 heißt. Etwaige Diagnosen zu dem Zeitpunkt sind darin nicht festgehalten.

    Ende Januar 1988 fordert Ümit durch die geschlossene Wohnungstür 2.000 D-Mark von den Eltern. Er wolle nach Alaska auswandern. Der Vater öffnet nicht. Zwei Tage später kommt Ümit zurück, fordert wieder Geld, droht, den Vater umzubringen. Der weist ihn wieder ab. Ümit wartet im Hausflur, als der Vater die Wohnung verlässt, mit einem Pflasterstein und einer abgebrochenen Flasche in der Hand. Der Vater beruhigt ihn, ruft die Polizei. Ümit wird vorläufig festgenommen.

    Ein paar Tage später, wieder frei, geht Ümit ins Krankenhaus am Urban und bittet um Aufnahme. Die diensthabende Ärztin will zunächst mit ihm reden. Doch stattdessen schlägt Ümit sie mit der Faust.

    Die Mutter erklärt seine Reaktion Jahre später so: Ümit habe keine Bleibe gehabt, hätte auf der Straße schlafen müssen. Er ging ins Krankenhaus, wo er die Ärztin kannte, und bat um Hilfe. Die bekam er nicht, wie er es sich vorstellte, und er wusste nicht, was tun.

    Ein Jahr später wird er verurteilt. Ein Aufenthalt im Maßregelvollzug wird auf unbestimmte Zeit verhängt, muss aber regelmäßig gerichtlich überprüft werden. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer im KMV liegt derzeit bei sechseinhalb Jahren. Ümit Vardar blieb 27 Jahre.

    In einer Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft von 2016 schreibt das KMV, Vardar nehme an Therapien teil, seine „kontinuierliche Einbindung“ sei jedoch nicht möglich, immer wieder lehne er seine Medikation ab. 2015 und 2016 habe es Schlägereien mit Mitpatienten gegeben, in beiden Fällen sei er isoliert worden. Versuche, ihn in ein „geeignetes psychiatrisches Pflegeheim“ zu vermitteln, in dem der „engmaschig betreut“ werden könne, seien an seiner Ablehnung gescheitert. Die Familie sagt: Erst ab 2012 – da war er bereits über 20 Jahre im KMV – seien ihm solche Angebote unterbreitet worden. Medikamente habe er wegen der Nebenwirkungen abgelehnt.

    1990 zieht Familie Vardar nach Reinickendorf, wo das KMV liegt, um näher bei Ümit zu sein. Der ruft täglich zu Hause an. Spielt am Telefon mit der Gitarre vor, fragt: „Mama, ist das gut?“. „Er hat immer nach Bestätigung gesucht“, erzählt Aysel Vardar. Als ihr Sohn Atilla Fotos von Ümit holt, wendet sie sich ab, mit Tränen in den Augen. Als sie sich wieder etwas gefasst hat, sagt sie: „Er hat nicht gelebt.“ Die ganzen Jahre in der Psychiatrie – ein richtiges Leben sei das nicht gewesen.

    Seitenweise Medikamentenlisten in den Akten

    Bei Schizophrenie werden vor allem Antipsychotika verschrieben. Sie lindern die Symptome einer Psychose und mildern Halluzinationen und Wahnvorstellungen. Bei starker Unruhe und Schlafstörungen bekommen die Pa­ti­en­t*in­nen Schlaf- und Beruhigungsmittel.

    In den Gerichtsakten im Fall Vardar finden sich seitenweise Medikamentenblätter. Über die Jahre bekommt er mal Haloperidol, mal Melperon, mal Levomepromazin. Familie Vardar hat für die Gerichtsverhandlung einen Pharmakologen um ein Gutachten gebeten. Sie will erstens wissen, ob die in Ümits Akten beschriebenen Verhaltensweisen wie Aggressivität oder Lähmungserscheinungen schon 2015 oder 2016 auf die Hirntumore hätten hinweisen können. Zweitens, ob die Tumore von den Medikamenten ausgelöst worden sein können und drittens, ob die Medikamente, die Ümit erhielt, dazu geführt haben können, dass die Hirntumore nicht entdeckt wurden.

    Ein Beruhigungsmittel steht besonders häufig in den Akten: Tavor. Zuletzt bekam Ümit Vardar dieses Medikament von August 2013 bis 2016 durchgängig. Selbst bei chronischen Erkrankungen empfiehlt der Hersteller die Gabe nicht länger als zwei Wochen, zumindest müsse dann ein Arzt neu entscheiden. In seinem Gutachten schreibt der Pharmakologe, bei Pa­ti­en­t*in­nen mit Schizophrenie hätten Studien eine erhöhte Sterblichkeit ausgemacht. „Warum [bei Vardar] Tavor über Jahre hinweg als Dauertherapie erforderlich war“, gehe aus der Dokumentation des KMV nicht hervor.

    Tavor werde in Form von Injektionen auch eingesetzt, um Epilepsien zu behandeln. Daher, so der Pharmakologe, sei anzunehmen, dass die Dauertherapie mit Tavor in Tablettenform bei Ümit Vardar „geeignet gewesen wäre, mögliche Symptome eines Hirntumors, nämlich epileptische Anfälle, zu unterdrücken bzw. zu verschleiern“.

    Das Berliner Landgericht beanstandet die Tavor-Therapie nicht: Die Tagesdosen hätten die empfohlenen Mengen nicht überschritten. Außerdem habe die Familie nicht ausreichend dargelegt, ob Ümit tatsächlich gesundheitliche Nachteile entstanden seien.

    Dass im KMV nicht gerade wenig Tavor ver­geben wird, zeigen Daten der Senatsverwaltung für Gesundheit, die Frag den Staat und der taz exklusiv vorliegen. Demnach gab das KMV im Jahr 2015 etwa 1.300 Euro für 23.035 Milligramm Tavor aus. 2016 waren es etwa 1.700 Euro für 20.225 Milligramm. Im Jahr 2023 waren es etwa 2.200 Euro für 22.910 Milligramm.

    Von dieser Menge hätte je­de*r Pa­ti­en­t*in 13 bis 65 Tage damit behandelt werden können – je nach Dosierung. Wie viele Pa­ti­en­t*in­nen tatsächlich Tavor erhielten, ist natürlich nicht bekannt. Sollten beispielsweise nur 100 Pa­ti­en­t*in­nen das Medikament bekommen haben, dann hätten sie 80 Tage bis zu einem Jahr damit behandelt werden können.
    Fast ein Viertel der Stellen fehlt

    Sven Reiners war von 2021 bis Juni 2024 Chefarzt am KMV – nach der Entlassung von Ümit Vardar. Er kündigte, weil er die „menschenunwürdigen“ Zustände „nicht mehr verantworten“ konnte, wie er der taz Anfang August am Telefon sagt. Auch für den Fall Vardar findet er harte Worte: „27 Jahre in der forensischen Psychiatrie wegen ‚räuberischer Erpressung‘: Das ist ein Skandal.“

    Die Zustände des KMV in den vergangenen Jahren habe er mehrfach gegenüber der Senatsverwaltung für Gesundheit angeprangert und die Senatorin – erfolglos – um ein Gespräch gebeten. „Der Personalmangel ist so eklatant, da hilft auch eine Stellenaufstockung nicht“, sagt er der taz. Zwei Pflegekräfte müssten alleine eine Station, die eigentlich für 36 Patienten ausgelegt ist, mit bis zu 50 Personen betreuen. Bei solchen Bedingungen „werden die Patienten krank und die Mitarbeiter auch“ – weshalb viele neue Mitarbeitende gleich wieder kündigten.

    Was es brauche, sei ein Neubau. „Eine moderne Klinik, mit höchstens 20 Patienten pro Station.“ Klar gehe das nicht von heute auf morgen. „Aber man hätte schon vor drei Jahren anfangen können, den Maßregelvollzug in Berlin neu zu denken.“ Das sei nicht geschehen.

    Auch Berlins frühere Landesbeauftragte für Psychiatrie, Luciana Degano Kieser, hat ihr Amt im Juni 2023 niedergelegt, weil sie die Situation im Maßregelvollzug nicht verantworten wollte. Der taz und Frag den Staat sagt sie im August 2024: „Menschenwürde und Patientenrechte werden im Berliner Maßregelvollzug nur unzureichend eingehalten.“ Eine Besserung sei nicht absehbar gewesen. Es fehlten eine Strategie und zumindest mittelfristige Planung. „Die Situation war für mich ethisch nicht mehr tragbar und fachlich nicht mehr zu verantworten“, sagt Degano Kieser heute. Sie war lediglich ein halbes Jahr im Amt, seit ihrem Weggang ist die Position nicht besetzt. Aktuell läuft das Auswahlverfahren.

    Konkret fehlen im KMV derzeit fast ein Viertel aller Stellen, 144,8. Das Krankenhaus sei „hochgradig bemüht, hier Personal zu finden“, schreibt die Senatsverwaltung auf Anfrage von taz und Frag den Staat und verweist auf den bundesweiten Fachkräftemangel. Tatsächlich verfehlt einer aktuellen Studie zufolge mehr als die Hälfte aller psychiatrischen Einrichtungen in Deutschland die Mindestvorgaben für das Fachpersonal. Die gesetzlichen Krankenkassen fordern, mehr Menschen ambulant statt stationär zu versorgen. Eine Lösung für den Maßregelvollzug wäre das nicht.

    Stattdessen soll das Berliner KMV mehr Betten bekommen. Bis 2025 will der Senat dafür dessen Budget um 20 Millionen Euro auf 89,2 Millionen Euro aufstocken. Während die Gesundheitssenatorin im Februar der taz noch sagte, die neuen Plätze würden „auf jeden Fall noch in diesem Jahr“ bezugsfähig, heißt es aus der Senatsverwaltung auf Nachfrage im August nur noch, das solle „so schnell wie möglich“ geschehen.

    Zur Aussage Sven Reiners, die Zustände seien „menschenunwürdig“, erklärt der Senat allgemein, die Situation sei für alle Beteiligten belastend, die Sorgen und Probleme würden „sehr ernst genommen“, seien außerdem „erkannt, benannt und werden konsequent in Angriff genommen“.

    Mit richtiger Diagnostik und Befund hätte der Tod vermutlich nicht verhindert, die Lebenserwartung aber verlängert werden können.

    Zum Fall Ümit Vardar äußert sich die Senatsverwaltung „aufgrund des Datenschutzes“ nicht. Das Landgericht verkündet sein Urteil am 4. Juni: Das Land Berlin muss den Angehörigen ein Schmerzensgeld von 35.000 Euro zahlen. Mit­ar­bei­te­r*in­nen des KMV hätten den Patienten „fehlerhaft behandelt“: Der Patient sei „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ bereits im Juni 2017 am Tumor erkrankt gewesen. Mit richtiger Diagnostik und Befund hätte der Tod vermutlich nicht verhindert, die Lebenserwartung aber verlängert werden können. Ansonsten weist das Gericht die Klage überwiegend ab.

    Es ist nur kleiner Erfolg für die Familie. Die hatte ein Schmerzensgeld von 280.000 Euro gefordert. Aysel Vardar geht in Berufung.

    Für die Recherche stützen wir uns unter anderem auf exklusive Dokumente, die wir per Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz erhalten haben. Frag den Staat hat sie veröffentlicht. Die Recherche von Frag den Staat finden Sie hier.

    #Berlin #prison #iatrocratie

  • Berlin: Wie heiß wird’s in der BVG? Selbstversuch in der Sommerhitze
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/berlin-wie-heiss-wirds-in-der-bvg-selbstversuch-in-der-sommerhitze-


    Schlachtensee? Vergisses. Ruhe, Natur, kühles Wasser war mal. Jetzt ist es nur noch voll und heiß. Menschen stinken. Am Mittelmeer isses auch nicht viel besser. Da kommt Westberlin-Nostalgie auf.

    15.8.2024 von Kira Fasbender - Heiß, heißer, BVG! Bei über 30 Grad mit den Öffis durch Berlin zu fahren, ist ein Abenteuer. Unsere Reporterin machte sich mit U-Bahn und S-Bahn auf zum Schlachtensee.

    Hochsommer in Berlin: Brütend heiße Sonne knallt auf den Asphalt, eine merkwürdige Ruhe liegt in der Luft. Dieser Monat fühlt sich wie eine Pause an. Als würde sich die Welt langsamer drehen. Vielleicht macht das die Hitze, bei der jede Bewegung schwerfällig wird und sich der Körper nach Schatten und Abkühlung sehnt.

    Wer kann, liegt irgendwo am Meer und lässt sich von Wellen umspülen. Jene, die sich nicht mit Wellen, sondern mit dem öffentlichen Verkehr in Berlin herumschlagen, machen die unangenehme Erfahrung, dass das Schwitzen nicht nur draußen passiert.

    Was die BVG zur Klimatisierung sagt

    Auf der Internetseite der BVG #nachgefragtabgehakt beantworten die Verkehrsbetriebe Fragen zur Situation der Klimatisierung in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Dort wird erklärt, dass die U-Bahnen nicht mit Klimaanlagen ausgestattet sind, sondern mit Lüftungen gekühlt werden. Also mit Fenstern, die bei Bedarf geöffnet werden können. In den Tunneln, die die Züge durchfahren, gebe es nicht genügend Platz für Klimaanlangen, die üblicherweise auf dem Dach der Züge angebracht werden, heißt es dort. Außerdem seien Klimaanlagen aus ökologischen Gründen keine gute Idee. Sie würden 30 Prozent mehr Energie verbrauchen als die derzeitige Lösung. Da die U-Bahn nicht im Freien fährt, gebe es außerdem keinen Ausweichplatz für die warme Luft, die durch die Klimaanlagen produziert werde.

    In nicht klimatisierten U-Bahnen und nur teilweise klimatisierten S-Bahnen kann es daher ziemlich heiß werden. Wer sich nicht mit Auto oder Rad durch die Stadt bewegt, ist auf den Nahverkehr angewiesen. Besonders wer Abkühlung in einem der Berliner Seen sucht, muss zuerst mal durch die Hitze der öffentlichen Verkehrsmittel. Aber wie heiß wird es wirklich in den S- und U-Bahnen der Stadt? Wir testen das auf einer Zickzack-Fahrt zum Schlachtensee.

    Heiße Reise zum See

    Ausgestattet mit einem Thermometer, starte ich meine Reise mit der U7 in der Station Halemweg. Es herrschen 31 Grad, fast alle Fenster sind geöffnet. Die Luft, die durch die Fenster dringt, ist angenehm kühl. In diesem Waggon sind die Plätze so angeordnet, dass sich jeweils vier Menschen gegenübersitzen. Alle Fahrgäste starren auf ihre Handys.
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    An der Bismarckstraße steige ich in die U2 ein. Hier sind die Sitze in langen gegenüberliegenden Reihen angeordnet. 33 Grad, es ist extrem stickig, obwohl alle Oberlichter geöffnet sind. Lärm und ein seltsamer Geruch dringen durch die geöffneten Fenster. Die U-Bahn füllt sich langsam mit sommerlich gekleideten Menschen, die in dem gelblichen, kühlen Licht deplatziert wirken. Der 43-jährige Berliner Marco sitzt mir gegenüber. Als ich ihn frage, ob er es in der U-Bahn zu heiß findet, sagt er: „Die alten Züge sind zu warm, die sehen aus wie im Krieg. Gibt halt keine anständige Klimatisierung.“

    Am Zoologischen Garten geht es dann in die U9. Hier sollte es mit 31 Grad eigentlich etwas kühler sein. Das ist kaum wahrnehmbar. Die Luft ist so stickig, dass mir fast schlecht wird.

    An der Spichernstraße wechsele ich in die U3. Hier hat es 30 Grad, trotzdem fühlt es sich an, als wäre es die heißeste U-Bahn bisher. Die Passagiere sitzen sich in Reihen gegenüber, vor mir sitzt eine alte Dame. Ihr ist sichtlich heiß. Sie heißt Anne, ist 74 Jahre alt und lebt in Berlin. „In anderen Großstädten klappt das ja auch. Die Züge müssten einfach im schnelleren Takt fahren. Bei diesen langen Wartezeiten werden die Waggons voll und es wird noch heißer.“

    Am Heidelberger Platz steige ich in die S46 um. Da die S-Bahn im Freien fährt, fällt durch die Fenster Tageslicht. Im Vorbeifahren sind Bäume zu sehen, eine angenehme Abwechslung nach den unterirdischen Fahrten. Es hat 32 Grad, fühlt sich aber kühler an.

    In der S1, die mich zu meinem mittlerweile heiß ersehnten Ziel bringen soll, dem Schlachtensee, ist es brechend voll. Fahrräder verstopfen die Gänge, alle Sitzplätze sind belegt. An der Station Schlachtensee angekommen, schwärmen die Menschen hinaus. Wie eine einzige Masse bewegen sie sich in Richtung Ausgang.

    Endlich angekommen?

    Draußen knallt die Sonne auf die Köpfe und ich spüre sofort den Impuls, umzukehren. Fast ziehe ich es vor, weitere U-Bahn-Fahrten auf mich zu nehmen, als mich auf der Liegewiese vor mir niederzulassen. Es wirkt so, als habe man sämtliche Personen, die heute den Nahverkehr bevölkert haben, am Schlachtensee rausgelassen.

    Handtuch an Handtuch drängen sich halb nackte Körper. Um den See führt ein Weg, der eigentlich idyllisch sein könnte. Heute erinnert er eher an eine belebte Einkaufsstraße. Die Besucher fahnden nach einem Plätzchen am See, davon sind leider kaum welche übrig. Dicht an dicht drängen sich Badende. Hier wird geschwommen, Bier getrunken, Musik gehört, herumgekreischt. An diesem Badesee ist die Großstadt stark zu spüren. Mit Natur und Entspannung hat das nicht mehr viel zu tun.

    #Berlin #Verkehr #Schlachtensee

  • Party in Berlin: Was passierte, als ich mit Ende 30 auf einen Rave gehen wollte
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/party-in-berlin-was-passierte-als-ich-mit-ende-30-auf-einen-rave-ge

    SPOILER ALERT : l’extase programmée des rave party est menacée par la nouvelle sobriété.

    15.8.202 von Clint Lukas - Die wilden Jahre hat unser Autor längst hinter sich. Dann überkam ihn die Feierlust. Für sein Comeback wollte er auf einen Open-Air-Rave – und war schockiert.

    Ich hatte einfach mal wieder Bock, feiern zu gehen. Das ist mir seit einer ganzen Weile nicht mehr passiert. Meine wilde Zeit war Anfang der Zehnerjahre. Ich empfand damals ein Wochenende nur dann als gelungen, wenn ich im Berghain, im Sisyphos oder im Kater gewesen war. Natürlich spielten Drogen dabei eine entscheidende Rolle – je mehr, desto besser. Es war und ist mir bis heute ein Rätsel, wie man diesen Bums nüchtern ertragen kann.

    Drogenkonsum ist ein Hasardspiel, vor allem bei psychedelischen Substanzen wie LSD oder Pilzen. Ich habe mich einfach furchtlos hineingestürzt, meist mit einem zuverlässigen Rauschpartner, bisher ist es nicht schiefgegangen. Freilich ist Furchtlosigkeit kein Zustand, der sich beliebig herbeiführen lässt. Bei mir endete er, als meine Tochter geboren wurde. Das bedeutete eine völlig neue Gefahrenlage. Ich wollte als Vater keine Psychose oder andere Horrortrip-Schäden riskieren. Also hörte ich vorerst auf, Drogen zu nehmen. Und ging folglich auch nicht mehr feiern; für zehn Jahre nicht.

    Die Furchtlosigkeit endete mit der Geburt meiner Tochter

    Umso erstaunlicher also der plötzliche Ausgehdrang, der mich neulich befiel. Man muss dazusagen, dass die Mutter meiner Tochter und ich getrennt leben. Unter der Woche ist unsere Tochter bei ihrer Mutter, an den Wochenenden bei mir. Das schränkt die Möglichkeiten schon ziemlich ein. Einem Kindergeburtstag sei dank, bekam ich jedoch unverhofft frei – und war entschlossen, diese Freiheit zu nutzen, ganz wie in alten Zeiten! Wodurch sich direkt die Frage stellte: Wo soll ich hin? Die einschlägigen Clubs sind selbstverständlich tabu. Ab einem gewissen Alter, sagen wir ab 35 Jahren, schickt es sich einfach nicht mehr, sich dort in die Schlange zu stellen. Da sollte man den Kelch getrost an die nachfolgenden Generationen weiterreichen.

    Bleiben also nur die ominösen Open-Air-Raves, die alle naselang in Berlin stattfinden. Das Problem dabei: Ich habe keinen Schimmer mehr, durch welche subversiven Kanäle man heutzutage erfährt, wann und wo diese meist unangemeldeten Partys steigen. Die Clubszene war mir schon immer suspekt. Dementsprechend lässt meine Vernetzung zu wünschen übrig. Der Vorteil: Ich wohne direkt neben dem Humboldthain, dessen Flakturm-Ruine ein beliebter Austragungsort spontaner Raves ist. Und wie es die Vorsehung will, kann ich an meinem unternehmungslustigen Abend Bässe über die Baumkronen wummern hören.

    Ich futtere ein Stück der Pilzschokolade, die ich für diesen unwahrscheinlichen Anlass in der Tiefkühltruhe aufbewahrt habe. Immerhin ist mein Kind inzwischen neun Jahre alt – und man muss ja nicht sein ganzes Leben lang christlicher sein als der Papst.

    Mit dem altbekannten wohligen Bauchgefühl, dass meine Wahrnehmung bald einer Transformation unterworfen sein wird, mache ich mich auf den Weg in den Park. Es ist bereits dunkel, auf dem schmalen Humboldtsteg begegne ich einer Clique von Mittzwanzigern, die offensichtlich das gleiche Ausflugsziel haben. Auch auf dem ansteigenden Pfad treiben sich Feiervolk-Gruppen herum, man fühlt sich prompt wie auf einem Festival. Je weiter unsere Pilgerschar sich dem verfallenen Bunker auf dem Trümmerberg nähert, desto deutlicher sind die Techno-Klänge zu unterscheiden. Man fühlt sich unwillkürlich, als stünde man vor einem Höhepunkt.

    Durch die Dunkelheit kann ich es nur erahnen, aber es dürften an die 150 Menschen sein, die sich auf dem südlichen der beiden Türme drängen. Manche sitzen auf dem Beton, andere tanzen zu der Musik, die eine DJ mithilfe von Laptop und Aktivboxen auflegt. Auch außerhalb des Stahlzauns kampieren und zappeln die Besucher im Schatten. Die Pilze bewirken längst, dass ich ein gesteigertes Mitteilungsbedürfnis verspüre. Ein Umstand, der mir augenblicklich die Schwachstelle meines geplanten Comebacks offenbart: Man sollte niemals allein feiern gehen. Vor allem, wenn man vorhat, nicht nüchtern zu bleiben.

    „Joa, und dann haben Ole und ich noch eine Woche Kroatien drangehängt, ganz spontan“, höre ich es von einem der kleinen Tische unter den Bäumen.

    „Echt? Cool! Und wie war’s?“

    „Na ja, ich muss sagen, die haben da schon ganz schön angezogen. Also in den Touri-Hochburgen nimmt sich das echt nicht mehr viel im Vergleich zu Spanien oder Italien. Aber dafür war es echt sauber. Hätte ich so nicht erwartet.“

    „Entschuldige, das hier ist eigentlich ein Sober-Event“

    Ich würde gern meinen Senf dazugeben, bin jedoch zum Glück noch fähig zur Impulskontrolle. Außerdem befremdet es mich, dass diese jungen Dinger so reden wie ein 40-jähriger Immobilien-Makler aus Wilmersdorf. Während mein Kopf sich ganz eigenständig zur Musik bewegt, öffne ich eins der beim Späti erstandenen Biere. Das mindert das nagende Gefühl, hier vollkommen fehl am Platz zu sein, mich nicht altersgerecht zu verhalten. Vielleicht muss ich nur abwarten. Mit der Zeit wird sich bestimmt die ein oder andere Zufallsbekanntschaft ergeben. Kaum habe ich diesen Gedanken gedacht, als mir jemand vorsichtig auf die Schulter tippt.

    „Äh, entschuldige“, höre ich die Stimme einer jungen Frau. „Du kannst natürlich machen, was du für richtig hältst, aber das ist hier eigentlich ein Sober-Event.“

    „Ein was?“, frage ich unsicher.

    „Drogen sind heute unerwünscht, dazu zählen auch Zigaretten und Alkohol. Also ich wollte dich jetzt nicht vertreiben. Wäre nur cool, wenn du mitmachen könntest, okay?“

    Ich bin so überrumpelt, dass ich ohne zu überlegen meine Kooperationsbereitschaft signalisiere. Erst danach wird mir klar, was sich soeben ereignet hat. Diese Generation wird mir wohl einfach ein Rätsel bleiben. Nüchtern zu Techno zu tanzen – auf so eine Idee muss man erst mal kommen. Doch ich bin ohne Bitterkeit. Ich öffne das nächste Bier und ziehe damit in die Dunkelheit, nur ein alternder Druffi auf der Suche nach später Erleuchtung.

    #Berlin #techno #party

  • Berliner Kette muss schließen : „Weil Datscha russisch ist, wurden wir gemieden“
    https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/datscha-restaurants-in-berlin-geschlossen-li.2244652

    A Berlin ne survivent que les restaurants russes traditionnels. Les nouveaux restaurants Datcha ferment, d’abord à cause des frais trop élevés puis à cause du bocyott de tout ce qui est russe par les clients aisés.

    15.8.2024 von Lukas Kuite - Der Preisdruck sei das eine gewesen, doch vor allem der Boykott der Berliner Restaurantkette Datscha habe am Ende zur Schließung geführt, erzählt uns Kristina Enke.

    Hört man der Gastronomin Kristina Enke zu, scheint es schon fast egal geworden zu sein, wo man geboren wurde oder welche politischen Absichten man vertritt. „Solange der Name oder die Herkunft im Pass etwas Böses ausstrahlen, wird man gemieden“, sagt die gebürtige Berlinerin mit ukrainischen Wurzeln. Vor nicht einmal einem Monat musste sie ihr letztes von insgesamt drei Datscha-Restaurants in Berlin schließen. Der Schmerz sitzt noch tief.

    „Die Datscha in Friedrichshain war etwas Besonderes, weil es damals (2008) die erste von allen war“, erzählt Enke mit hörbar betroffener Stimme. Vor der Schließung sei sie noch voller Hoffnung gewesen, dass es mit nur noch einem Lokal in der Stadt laufen könnte – erst im April mussten sie und ihre vier Geschäftspartner die Filiale in Kreuzberg voller Schmerz schließen. Doch das Konzept aus osteuropäischer Küche und gemütlichem Interieur lief auch danach nicht gut genug. Warum?

    Energiekosten, steigende Löhne und Corona-Kredite wären noch stemmbar gewesen

    „Natürlich sind die Energiekosten und die mittlerweile viel höheren Löhne, die wir unseren Mitarbeitern auch gerne zahlen, ein großer Grund dafür, dass wir schließen mussten“, sagt Enke. Deswegen habe man auch die Preise erhöht, was für die Kundengewinnung nicht so gut war. „Wir waren mal ein offenes Haus für Studierende und Lohnklassen aller Art. Aber das ging dann einfach nicht mehr“, erzählt die zweifache Mutter.

    Die Corona-Kredite, die weiter bedient werden mussten, und die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent waren ein weiterer Stein auf der eh schon viel zu niedrig schwingenden Kostenwaage. „Doch das alles hätten wir noch irgendwie stemmen können, wenn nicht diese Vorurteile da gewesen wären“, sagt die Gastronomin und lässt tief blicken.

    Kunden-Boykott der russischen Gerichte führte zur Misere

    „Geht dort bloß nicht essen, der Inhaber ist Russe“ – nur ein Beispiel aus den vielen negativen Google-Bewertungen, die Enke und ihr Geschäftspartner bei der Berliner Gastro-Gruppe Parnus, Ilja Kaplan, seit dem russischen Angriff auf die Ukraine lesen mussten. Kaplan ist russischer Staatsbürger und betreibt seit Beginn der 1990er-Jahre mehrere osteuropäische und russische Restaurants in der Stadt, darunter auch die 100-Gramm-Bar in Prenzlauer Berg – 1995 noch unter dem Namen Gorki Park bekannt.

    Damals war Kaplans Herkunft überhaupt kein Problem. Heute scheint sie ein Grund für den Datscha-Boykott gewesen zu sein. „Er hat sich mehrfach öffentlich vom Krieg distanziert. Er lebt in Deutschland seit Anfang der 1990er-Jahre. Ich verstehe das einfach nicht“, sagt Enke.

    Schon vor zwei Jahren hatten wir Enke besucht. Damals mahnt sie die hohen Kosten an. Der Plan, russische Gerichte aus der Karte zu nehmen, ist am Ende nicht aufgegangen.

    Schon vor zwei Jahren hatten wir Enke besucht. Damals mahnt sie die hohen Kosten an. Der Plan, russische Gerichte aus der Karte zu nehmen, ist am Ende nicht aufgegangen.Benjamin Pritzkuleit/2022

    Sie glaubt, dass der russische Name und die russischen Gerichte dafür verantwortlich waren, dass so viele nach dem 24. Februar 2022 die Datscha-Kette gemieden haben. „Wir haben extra die russischen Gerichte von der Karte genommen. Doch auch das hat nichts gebracht. Ich glaube sogar, dass auch eine Namensänderung nichts gebracht hätte“, so die 36-jährige Deutschukrainerin. Denn seitdem sie die russischen Gerichte von der Karte genommen hatte, brachen ihr nach und nach Stammkunden weg. Die Datscha-Bistros und Restaurants hatten ihre Identität verloren.

    Warum ist ein Restaurantbesuch in Berlin plötzlich so teuer? Ein Preisvergleich zwischen Februar und August 2022

    Russisches Restaurant Pasternak und die georgischen Restaurants bestehen weiter

    Datscha ist das russische Wort für Ferienhaus. Mit dem Namen wollten Enke und Kaplan den osteuropäischen Flair von „Omas Küche“ verbreiten – kein „Fine Dining“ mit Gerichten für über 25 Euro. Dazu gehören bis zum Ukrainekrieg neben den russischen Spezialitäten – Gorki auf Capri, Kolchos oder die in der DDR berühmte Soljanka – auch ukrainische oder georgische Leckereien. Nach dem Februar 2022 wurden sie dann zum Teil umbenannt.

    Mit dem Tsomi und dem Sara & Gogi betreiben die beiden Geschäftspartner auch zwei georgische Restaurants sowie das seit 30 Jahren bestehende russische Pasternak in Pankow. Der Name erinnert an den russischen Schriftsteller aus dem 20. Jahrhundert, der auf Drängen des UdSSR-Regimes 1958 den Literaturnobelpreis nicht annehmen durfte. „Um Pasternak machen wir uns weniger Sorgen, weil es die Berliner auch schon so lange kennen.“

    Es scheint, was älter ist, wird akzeptiert? Vermutlich sahen die Datschas einfach zu neu aus oder versprühten den etwas gewinnbringenderen Flair durch die Vielzahl ihrer Lokale in der Stadt. Elke und ihre Geschäftspartner konnten viele Mitarbeiter in die anderen Lokale übernehmen, doch mussten wegen der Schließungen auch viele Küchenhilfen entlassen, darunter auch ukrainische Geflüchtete. „Das macht mich schon traurig, dass gerade sie darunter leiden müssen. Die haben das Ganze überhaupt nicht verstanden“, so Enke.
    „Die Gastro für die Mittelklasse wird aussterben“

    Ihr Lieblingsessen sei „alles, was nach Mama-Heimkost“ schmecke, sagt sie. Michelin-Küchen seien nicht so ihr Ding. Zusammen mit ihren Geschäftspartnern denkt sie schon über weitere Projekte nach. Doch dort wird es nicht mehr möglich sein, ihren eigenen Vorlieben nachzugehen. „Günstige Konzepte sind einfach nicht mehr möglich. Die Mittelklasse wird in der Gastro auf lange Sicht ausgeschlossen werden, davon bin ich überzeugt“, so die Tochter eines deutschen Vaters und einer ukrainischen Mutter.

    Datscha ist das russische Wort für Ferienhaus. Mit dem Namen wollten die Betreiber den osteuropäischen Flair von „Omas Küche“ verbreiten.

    Datscha ist das russische Wort für Ferienhaus. Mit dem Namen wollten die Betreiber den osteuropäischen Flair von „Omas Küche“ verbreiten.Benjamin Pritzkuleit

    Ihr Handy klingelt 24/7, das Geld reicht noch nicht aus, um hoch qualifizierte Restaurantleiter anzustellen. Die Leitung musste sie übernehmen und ist hier und da gezwungen, auch für Schichten einzuspringen. „2019 waren wir noch damit beschäftigt, uns schöne Karten und Menüs auszudenken, kreativ zu sein. Aber jetzt ist der Kopf nur dabei, Probleme zu lösen.“ Gerne hätte sie mehr Zeit für ihre Kinder. Doch die Corona-Kredite und der damit verbundene bürokratische Aufwand stressen Enke zutiefst. Außerdem fehlen nach wie vor Fachkräfte.

    Neue Ausgleichsabgabe für Menschen mit Behinderung belastet Gastronomen zusätzlich

    Von der Politik wünscht Enke sich eine Reform des Bürgergeldes. „Ich sehe immer wieder in meinem Umfeld Menschen, die berechtigterweise sagen: Arbeiten lohnt sich für mich nicht mehr. Die 300 bis 400 Euro, die ich beim Arbeiten mehr bekomme, überzeugen mich nicht.“ Und wenn die Abgaben dafür geringer ausfielen, könnte Enke ihre Mitarbeiter auch noch besser bezahlen.

    Außerdem ist ihr das gerade in Kraft getretene Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes ein Dorn im Auge. Um mehr Menschen mit Behinderungen einen Job zu ermöglichen, bestraft die Bundesregierung seit April jeden Unternehmer, der niemanden einstellt. Unter anderem wurde eine neue Stufe der Ausgleichsabgabe von 720 Euro je Monat eingeführt. „In der Gastro ist das unmöglich. In der Küche muss man stundenlang stehen und es herrscht ein rauer Ton“, sagt Enke. Und bei den Bedienungen scheinen die Kunden noch zu hohe Anforderungen zu haben, als dass sie Menschen mit Behinderungen akzeptieren würden.

    Enke und ihrem Geschäftspartner stehen keine leichten Zeiten bevor. Doch mit der Schließung der Datscha-Bistros und Restaurants haben sie sich zumindest etwas Luft zum Atmen verschafft – auch wenn es sehr wehtat.

    #Berlin #restaurants #Russie