• Presseerklärung

    1. Februar 2019

    Einzug der »bayerischen Art« in ganz Deutschland
    PRO ASYL und der Bayerische Flüchtlingsrat warnen: Neuer Vorstoß aus dem BMI führt zu Ausgrenzung und Perspektivlosigkeit

    Während die Große Koalition im aktuellen Entwurf zur Fachkräftezuwanderung die Stärkung der Geduldeten bewirbt, geht das Bundesinnenministerium (BMI) nun den umgekehrten Weg: Die Zeitung WELT berichtet von einem Referentenentwurf des BMI, nach dem geduldeten Flüchtlingen, denen vorgeworfen wird, nicht hinreichend an der Passbeschaffung mitgewirkt zu haben, der Duldungsstatus entzogen werden soll.

    PRO ASYL und der Bayerische Flüchtlingsrat warnen vor der Ausgrenzungsinitiative des BMI. »Bayerische Verhältnisse werden in ganz Deutschland zur Normalität. Willkürliche Anforderungen an die Mitwirkung bei der Passersatzbeschaffung werden Wege in ein Bleiberecht verhindern«, kritisiert Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL. Der Entwurf sieht weitere Sanktionsmöglichkeiten vor. »Wenn Arbeits- und Ausbildungsverbote verhängt werden, wird ein Zustand der dauerhaften Perspektivlosigkeit geschaffen«, so Burkhardt weiter.

    In dem Referentenentwurf heißt es: »Wer seine Abschiebung selbst verhindert, zum Beispiel weil er die Behörden über Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder an der Passersatzbeschaffung nicht ausreichend mitwirkt, darf künftig keine Duldung mehr erhalten«. Die Praxis zeigt aber: Oft wird willkürlich und für die Betroffenen nicht absehbar fehlende Mitwirkung vorgeworfen. Dabei kann das ganz unterschiedliche Gründe haben: Afghanische Staatsangehörige, die lange im Iran gelebt haben, erhalten keine Papiere mehr oder somalische Dokumente werden oftmals nicht anerkannt. Diese Betroffenen dürfen dann laut Gesetzentwurf nicht arbeiten oder eine Ausbildung anfangen – obwohl sie gerade nicht abgeschoben werden können.

    Schon jetzt zeigt die willkürliche Praxis in Bayern: Auch mit Duldung bekommen viele Asylsuchende Arbeits- und Ausbildungsverbote auferlegt, in vielen Landkreisen dürfen geduldete Flüchtlinge nicht einmal ein Praktikum absolvieren, in AnkER-Zentren werden Flüchtlinge isoliert und entrechtet. »Die Betroffenen werden in die Illegalität getrieben. Von mehr als 11.000 Ausgereisten aus Bayern in 2018 sind lediglich 2.600 nachweislich in ihr Herkunftsland zurückgekehrt«, beschreibt Stephan Dünnwald, Flüchtlingsrat Bayern. »Die bayerische Art hält nun in ganz Deutschland Einzug«.

    Dem Betroffenen soll sogar die Unmöglichkeit der Abschiebung zugerechnet werden, allein weil er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates ist. Vom persönlichen Verhalten des Betroffenen ist die Versagung der Duldung dann nicht mehr abhängig. Der Mensch wird aufgrund der Nationalität völlig unabhängig von seinem Verhalten diskriminiert und mit Sanktionen belegt.

    PRO ASYL und der Bayerische Flüchtlingsrat erinnern, dass schon 2015 und 2017 ähnliche Vorschläge aus der CSU kamen, die aus guten Gründen keine Mehrheit fanden. Die »Duldung light« scheiterte zu Recht.

    http://go.proasyl.de/nl/o56x/ln6zs.html?m=AM4AACv3GAUAAcTbilwAAGTbamoAAAAAEhMAFqrwAAS0dQBcVCzdGRvFD_Kt

    #Allemagne #Duldung #BMI #espulsion #pays_sûrs #clarification_d'identité #démarche_bavroise

    • Asylbewerber: Keine Duldung mehr bei falscher Identität - WELT

      Die sogenannte Duldung ist eine komplexe Angelegenheit: Wer einen solchen Status besitzt, ist gleichzeitig verpflichtet zu gehen, aber berechtigt zu bleiben. Warum gibt es diese Regelung, und für wen gilt sie?

      Abgelehnte Asylbewerber erhalten mit dem Ablehnungsbescheid eine Aufforderung zur Ausreise; wenn sie dieser nicht freiwillig innerhalb einiger Monate nachkommen, müssen sie eigentlich abgeschoben werden. Das klappt nach wie vor nur in einem Bruchteil der Fälle.

      Wenn die Ausländerbehörde dann zu der Überzeugung gelangt, dass die Abschiebung eines solchen ausreisepflichtigen Ausländers auf absehbare Zeit nicht möglich ist, erteilt sie eine Duldung. Und zwar, weil sie den abgelehnten Asylbewerber nicht länger in der unmittelbaren Bedrohungssituation belassen möchte, jederzeit zum Flieger in die Heimat gebracht werden zu können.

      Er bleibt aber immer noch verpflichtet, selbst auszureisen, wofür ihm auch eine finanzielle Förderung angeboten wird. Gleichzeitig erhält er aber Sozialleistungen, Sprachkurse und meist die Erlaubnis, einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz anzunehmen. Nach 18 Monaten in diesem Duldungsstatus können die Ausländerbehörden den abgelehnten Asylbewerbern eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. Insgesamt sind derzeit von rund 230.000 Ausreisepflichtigen drei Viertel geduldet.
      Seehofer will Regeln verschärfen

      Problematisch ist dieser Spagat zwischen Ausreisepflicht und Integrationsanstrengungen, wenn der Geduldete die Gründe für seine Duldung selbst zu verantworten hat; beispielsweise wenn er deswegen nicht abgeschoben werden kann, weil sein Herkunftsstaat nicht bekannt ist und er nicht dabei mithilft, dass die deutschen Behörden in Zusammenarbeit mit den Botschaften der mutmaßlichen Herkunftsstaaten seine Identität feststellen können.

      Deswegen möchte das von Horst Seehofer (CSU) geführte Bundesinnenministerium Ausreisepflichtigen die Duldung in solchen Fällen entziehen. In einem Referentenentwurf des Ministeriums für ein „Zweites Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ – der allerdings noch mit den anderen Ministerien abgestimmt und dann noch vom Bundeskabinett und schließlich vom Bundestag beschlossen werden muss – heißt es: „Wer seine Abschiebung selbst verhindert, zum Beispiel weil er die Behörden über Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder an der Passersatzbeschaffung nicht ausreichend mitwirkt, darf künftig keine Duldung mehr erhalten.“

      Und weiter heißt es in dem Entwurf, der WELT vorliegt: „Die Behörden bestätigen dann vielmehr nur noch die vollziehbare Ausreisepflicht. Dem Ausländer wird eine Bescheinigung über die vollziehbare Ausreisepflicht (Ausreiseaufforderung) erteilt, hiermit ist eine zuvor erteilte Duldung widerrufen.“

      Seehofers Haus möchte demnach „Ausreisepflichtige, denen die fehlende Durchsetzung ihrer Ausreisepflicht zuzurechnen ist, etwa weil sie ihre Identität verschleiern“, von „denjenigen, die unverschuldet nicht ausreisen können, unterscheiden und stärker sanktionieren“.

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      Wolfgang Büscher hat eine Ahnung, was viele Bürger in der deutschen Migrationspolitik vermissen

      Fehlanreize zum rechtswidrigen Verbleib in Deutschland trotz vollziehbarer Ausreisepflicht werden nach dem Referentenentwurf „durch bessere Unterscheidung Ausreisepflichtiger danach, ob sie unverschuldet an der Ausreise gehindert sind oder ihnen die fehlende Möglichkeit zur Durchsetzung ihrer Ausreisepflicht zugerechnet werden muss, beseitigt.“ Dazu werde der Status „Bescheinigung über die vollziehbare Ausreisepflicht (Ausreiseaufforderung)“ unterhalb der Duldung eingeführt.

      Weiter heißt es: „Staatliche Erlaubnisse und Leistungen, die an den Duldungsstatus anknüpfen, werden umfänglich an die Pflicht des Betroffenen geknüpft, in zumutbarem Umfang selbst notwendige Handlungen zur Erlangung eines Passes oder Passersatzes vorzunehmen.“ Wer zur Gruppe der abgelehnten Asylbewerber mit einer solchen Bescheinigung über die vollziehbare Ausreisepflicht gehöre, werde von Integrationsangeboten und anderen Angeboten, die zur „Aufenthaltsverfestigung“ führen können, ausgeschlossen.

      Wer die im Aufenthaltsrecht festgeschriebene Passbeschaffungspflicht nicht erfülle, habe Sanktionen zu erwarten. „Diese Sanktionsmöglichkeit betrifft die Erlaubnis einer Erwerbstätigkeit, die Erteilung einer Ausbildungsduldung, die Wohnsitzauflage, die Anordnung einer räumlichen Beschränkung sowie die Anspruchseinschränkungen bei Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.“

      Zudem sei dem Betroffenen „die Unmöglichkeit der Abschiebung insbesondere zuzurechnen, wenn er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates“ ist. Von dieser im Referentenentwurf beschriebenen Gesetzesverschärfung dürften aber nur wenige geduldete abgelehnte Asylbewerber betroffen sein, als sogenannte sichere Herkunftsstaaten sind außerhalb Europas nur Senegal und Ghana eingestuft. Alle Bestrebungen, weitere Staaten als „sicher“ einzustufen, scheitern bisher am Bundesrat beziehungsweise am Widerstand jener dort vertretenen Landesregierungen, die von Linkspartei oder Grünen – mit Ausnahme Baden-Württembergs – mitgetragen werden.

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      ARCHIV - 09.11.2018, Baden-Württemberg, Stuttgart: Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg, stellt im Haus der Wirtschaft sein Buch «Worauf wir uns verlassen können» vor. (zu dpa «JAHRESWECHSEL Die wichtigsten Ereignisse in der Südwest-Politik 2018» vom 28.12.2018) Foto: Christoph Schmidt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

      Und wie oben beschrieben: Dies ist ein Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums, der vom Interesse an einer stärkeren Durchsetzung der Ausreisepflicht geprägt ist. In der Vergangenheit wurden ähnliche Gesetzentwürfe in der Ressortabstimmung – vor allem mit dem Bundesjustizministerium – „entschärft“, wie Verfechter des Bleibeinteresses abgelehnter Asylbewerber sagen würden.

      Deswegen heißt das geplante Gesetz auch „Zweites Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“. Das erste „Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ von 2017 hat sich wegen dieser Entschärfungen bisher nicht in höheren Abschiebungszahlen niedergeschlagen. Im Gegenteil.

      Diese sind von 25.375 im Jahr 2016 auf 23.966 Abschiebungen im Jahr 2017 gesunken. Für das vergangene Jahr 2018 wurden die Zahlen noch nicht endgültig ermittelt, es dürfte aber erneut ein leichter Rückgang verzeichnet worden sein. Zum Vergleich: Allein 2018 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 75.395 Asylanträge ab und entschied in weiteren 65.507 Fällen negativ wegen einer sonstigen Verfahrenserledigung.

      Für Letztere kann der Grund sein, dass ein Asylbewerber während des Verfahrens weiter- oder ausgereist ist oder auch weil das BAMF die Zuständigkeit eines anderen europäischen Staates aufgrund der Dublin-Verordnung feststellt. Auch von diesen „Dublin-Fällen“ wird bis heute nur ein kleiner Teil in den zuständigen Staat zurückgebracht.
      Bamf bekommt mehr Zeit zur Bearbeitung von Asylanträgen

      Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kommt mit der Bearbeitung der Asylanträge nicht hinterher. Nun soll die Frist von drei auf vier Jahre verlängern werden.

      https://www.welt.de/politik/deutschland/article188020179/Asylbewerber-Keine-Duldung-mehr-bei-falscher-Identitaet.html

      #Seehofer

  • Flüchtlinge im Winterschlussverkauf

    Mit großflächigen Plakaten und finanziellen Anreizen will die Bundesregierung Flüchtlingen eine zügige Rückkehr in ihre Heimatländer schmackhaft machen. Doch die Aktion wird immer mehr zum PR-Desaster.

    Es ist eine eher ungewöhnliche „Werbung“, an der man derzeit am U-Bahnhof Rosenthaler Platz in Berlin vorbeifährt. Zwischen Reklame für Lieferdienste und Smartphones wirbt da das Bundesinnenministerium (#BMI) in großen Lettern: „Dein Land. Deine Zukunft. Jetzt!“. Und das in sieben Sprachen - Deutsch, Englisch, Französisch, Arabisch, Russisch, Paschtu und Farsi. Und zwar nicht nur in diesem einen U-Bahnhof, sondern in vielen Städten deutschlandweit. Das Ministerium will allerdings nichts verkaufen, sondern sogar Geld unter die Leute bringen.

    Die Plakate sollen Flüchtlinge dazu animieren, freiwillig in ihr Land zurückzukehren. Vorzugsweise möglichst schnell, nämlich noch bis Ende dieses Jahres. Dafür bekommen die Rückkehrer bis zu 1200 Euro zusätzlich als unterstützendes Wohngeld - oder auch für andere Ausgaben im Heimatland. Die genaue Höhe hängt unter anderem vom Aufenthaltsstatus ab. Eine vierköpfige Familie kann auf bis zu 3000 Euro kommen.

    #StartHilfe_Plus“ nennt sich das Programm, das auf die bereits seit den 90er Jahren bestehenden Rückkehrer-Programme #REAG (Reintegration and Emigration Programme for Asylum Seekers in Germany und #GARP (Government Assisted Repatriation Programme) aufbaut. Die Rückkehr in bestimmte Bürgerkriegsländer wie Syrien, Libyen oder den Jemen wird nicht gefördert.

    Heftige Kritik

    Die Kritik an den ungewöhnlichen Plakaten ist allerdings hefig. „Die jüngste Kampagne des Bundesinnenministeriums hat den Charakter einer Winterschlussverkauf-Aktion und ist zynisch“, so Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. „Sie verfolgt offensichtlich das Ziel, eigene Versäumnisse zu kaschieren und noch kurz vor Jahresende die bislang sehr niedrigen Zahlen von Menschen, die bisher ausgereist sind, aufzupolieren.“

    Auch in sozialen Medien erntet das BMI scharfe Kritik für die Aktion. Bei Twitter greifen User das Innenministerium unter dem Hashtag #FreiwilligeRückkehr scharf an. Inzwischen hat die Behörde damit begonnen, öffentliche Antworten auf einige Tweets zu verfassen.

    Konkret waren es bislang in der Tat gerade einmal rund 300 Personen, die „Starthilfe Plus“ in Anspruch genommen haben. Die Gesamtzahl der freiwilligen Rückkehrer lag Ende Oktober immerhin bei über 14.000. Am Jahresende dürften es aber weit weniger sein als 2017, als rund 29.000 Personen Rückkehr-Programme in Anspruch nahmen. Man darf vermuten, dass dies ein Grund für die Plakataktion ist, die sich das BMI laut Angaben gegenüber der DW rund 500.000 Euro kosten lässt.

    „Ich fühle mich gekauft“

    Doch was sagen dazu eigentlich die, an die es sich richtet? Fattah aus Afghanistan - der nur seinen Vornamen nennen will, weil er Angst hat, Ärger mit der Ausländerbehörde zu bekommen - macht im Gespräch mit der DW klar, dass er von der Aktion nicht viel hält. Für ihn fühle sich die Aktion so an, als sei er nie richtig angekommen in Deutschland - und dass man ihn wieder loswerden wolle. „Ich fühle mich wie gekauft“, klagt er. Fattah lebt seit 2016 in Potsdam. In seiner Heimat war er stellvertretender Leiter einer Firma, hier in Deutschland kann er aber nicht mehr in seinem Beruf arbeiten. Bislang verdient er sein Geld als Aushilfe in einem Warenlager. Die Plakatkampagne macht ihn wütend: „Ich bin nicht wegen des Geldes nach Deutschland gekommen. In Afghanistan hatte ich einen guten Job und genug Geld. Ich musste Afghanistan verlassen, weil es nicht mehr sicher war.“

    Er kann sich eine Rückkehr zum jetzigen Zeitpunkt allerdings ohnehin nicht vorstellen, denn schon bald erwartet er mit seiner deutschen Partnerin zusammen ein Kind und will heiraten. Seine Motivation, für 1200 Euro das Land zu verlassen, dürfte deshalb verständlicherweise gering sein.

    https://www.focus.de/politik/ausland/fluechtlinge-im-winterschlussverkauf_id_9963374.html

    #retour_volontaire #Allemagne #BMI #Berlin #réfugiés #publicité