• Et si ce n’était pas la #rivière qui avait tué #Blessing_Matthew ? Récit d’une #recherche-action à la #frontière_franco-italienne

    La frontière tue deux fois. La première par le durcissement des contrôles qui augmentent les risques de son franchissement, la seconde quand la #justice est niée face aux violences et aux décès que ces politiques et ces pratiques à la frontière induisent. La reconstitution des circonstances de la noyade d’une jeune femme nigériane de 21 ans dans la Durance en 2018, par une équipe composée de chercheures, d’une association de soutien aux migrants et d’un témoin, révèle non seulement l’enchaînement des événements à l’issue fatale, mais également les causes systémiques de ce #décès. La mort de Blessing Matthew n’est pas attribuable à un accident ou aux dangers de la montagne, comme l’invoquent les autorités françaises, mais aux conséquences de la gestion sécuritaire à l’œuvre à la frontière franco-italienne.

    https://journals.openedition.org/mondesmigrations/351
    #shameless_autopromotion #frontière_sud-alpine #migrations #réfugiés #border_violence #border_death #morts_aux_frontières #mourir_aux_frontières #Hautes-Alpes #Alpes #montagne #danger #risques #risques_naturels #France #impunité #border_forensics #architecture_forensique #frontières #La_Vachette #contre-enquête #violence #violences_frontalières #Durance

    ping @isskein @reka

    • Ainsi, dans le cas de Blessing, comme dans celui des autres 189 personnes décédées en tentant de traverser une des frontières alpines depuis 199317, la dangerosité du parcours est le résultat d’une stratégie politique et non d’un environnement « naturel » supposé hostile18. À partir de 2015, la réintroduction des contrôles aux frontières internes à l’espace Schengen et la mise en place d’une infrastructure de plus en plus sophistiquée de surveillance et de contrôles frontaliers ont déclenché un processus de « frontiérisation » de l’espace alpin19.

      (dommage que les images d’illustration soient si petites...)

  • 17 Uhr 59 und 10 Sekunden

    Ein Polizist tötet einen schwarzen Mann mit drei Schüssen. Aber der Staatsanwalt will den Fall unter den Tisch fallen lassen. Wer war Roger «Nzoy» Wilhelm? Und was geschah wirklich in #Morges?

    30. August 2021, Bahnhof Morges

    «Calme-toi!»

    Nzoy hob die Hände, legte die Ellbogen in die Hüfte und streckte die Arme vom Körper. Für eine Sekunde liess er den Kopf hängen, täuschte an, in die eine Richtung zu gehen und ging dann in die andere. Wie beim Basketball.

    «Get outta here», sagte er. «Get outta here!»

    Vor ihm stand ein Mann in Warn­kleidung. Orange Hose. Oranges Shirt. Orange Weste. Oranger Helm. Der Mechaniker musste eigentlich einen defekten Waggon wegfahren, und jetzt spazierte dieser Typ über die Gleise. Ein Kollege des Mechanikers sagte jeweils, man solle diese Aufschneider direkt der Polizei melden. Doch der Bahn­arbeiter zögerte.

    Er hatte Nzoy vorhin beim Beten beobachtet. Ein komischer Vogel, aber offensichtlich ungefährlich: Er pöbelte niemanden an und schrie auch nicht rum.

    Doch als Nzoy auf die Gleise trat, fürchtete der Bahnarbeiter, er könnte sich etwas antun.

    «Ne fais pas le fou!», warnte der Mechaniker. «Spiel nicht den Verrückten!»

    Gemeinsam mit einem Kollegen versuchte er, Nzoy aufzuhalten. Er zog das Handy aus der Tasche und wählte den Notruf. Der Anruf wurde aufgezeichnet. Es war genau 17 Uhr und 55 Minuten.

    «Police d’urgence?»

    «Ja, guten Tag, ich bin in Morges, am Bahnhof Morges. Hier ist eine Person, die spaziert auf den Gleisen rum.»

    «Bleiben Sie bitte kurz dran, Monsieur.»

    Der Mechaniker steckte das Handy ein und blieb in der Leitung. Gleichzeitig versuchte er, die Lage zu beruhigen.

    «Hör auf», sagte er zu Nzoy. «Sprichst du Französisch?»

    «Get outta here! Get outta here!»

    «Tranquille, pas de problème», sagte der Mechaniker. Er versuchte es auf Deutsch: «Kein Problem.» Und auf Englisch: «Speak French?»

    17 Uhr 56 und 7 Sekunden.

    «Monsieur, allô?»

    «Fais pas le con!»

    «Entschuldigen Sie, Monsieur, welches Gleis?»

    «Im Moment ist er hier bei mir auf Perron 5.»

    «Perron 5?»

    «Perron 4, Gleis 5», präzisierte der Mechaniker.

    «An die Patrouille: Perron 4, Gleis 5!»

    Der Mechaniker beschrieb der Notruf­zentrale, wie Nzoy aussah. Senf­farbener Pullover. Jeans. Weisse Sneakers. Verkehrt aufgesetztes Cap. Gelockte Haare, schwarz.

    «Er war vorhin auf dem Perron am Beten», sagte der Mechaniker ins Telefon.

    «Offenbar betete die Person auf den Gleisen», funkte die Zentrale fälschlicher­weise weiter.

    17 Uhr 57 und 44 Sekunden.

    «Calme-toi!»

    «Nein, beruhige du dich!», sagte Nzoy jetzt auf Französisch. Endlich reagierte er.

    «Du sprichst Französisch?», fragte der Mechaniker. «Was willst du tun? Ich bin ruhig. Sag mir, was du tun willst. Beruhige dich, beruhige dich, beruhige dich. Das ist alles, was ich von dir verlange.»

    Der Mechaniker sprach jetzt mit ruhiger Stimme, entspannter, fast als würde er zu sich selbst reden: «Du bleibst ruhig. Du machst keine Dummheit. Nein, nein, du machst keine Dummheit. Bitte. Keine Dummheit. Du bleibst ganz ruhig. Setz dich hin bitte, setz dich hin.»

    Nzoy, 37 Jahre alt, war am Mittag von Zürich nach Genf gefahren und in Genf wieder in den Zug nach Zürich gestiegen. Er hatte neun T-Shirts in einen schwarzen Turn­beutel gepackt, zwei Unter­hosen, zwei Paar Socken, eine Zahnbürste. In seiner Jeans steckten ein Pass, 60 Franken und Kleingeld, ein Feuerzeug und zwei Bussen, ausgestellt um 13.12 Uhr im Zug von Zürich nach Genf und um 16.24 Uhr von Genf nach Zürich. Um seinen Hals hing ein weisser Rosenkranz.

    Die Züge am Bahnhof waren zum Stehen gekommen. Die Leute warteten darauf, nach Hause zu fahren. Die Bahn­arbeiter hatten Nzoy beruhigt.

    17 Uhr 58 und 2 Sekunden.

    Für einen Moment schien es, als ginge die Sache noch einmal gut.

    «Monsieur», meldet sich eine Stimme am Telefon, «sind Sie im Kontakt mit meinen Kollegen? Monsieur?»

    17 Uhr 59 und 10 Sekunden.

    «Schussabgabe! Schussabgabe!», ruft ein Polizist über Funk. «Schnell, eine Ambulanz!»

    Kindheit in Südafrika

    Manchmal kamen Polizisten in ihre Gegend. Männer in Uniform, mit Waffen und dem Instinkt von Jagd­hunden. Nur suchten sie nicht nach Wild­tieren, sondern nach Menschen.

    Sie gingen von Tür zu Tür und prüften, wer da war und wer da sein durfte. Ob sie die richtigen Papiere hatten und die richtige Haut­farbe. Die Regeln im Südafrika der 1970er-Jahre waren so streng wie die Strafen. Wer dagegen verstiess, landete schnell im Gefängnis.

    Wenn die Polizisten in die Township kamen, eilte die Grossmutter zu den Kindern und scheuchte sie ins Haus. Vor allem ein Kind musste so schnell wie möglich verschwinden.

    Evelyn, ihre Enkelin.

    Evelyn ging dann ins Haus, setzte sich in einen braunen Holz­schrank neben der Küche und schloss die Tür von innen. Das Feuer in der Küche hielt den Schrank schön warm. Selbst im Winter.

    Evelyn war ein kleines Kind, das noch nichts anderes zu tun hatte, als den ganzen Tag zu spielen. Sie strich der Gross­mutter um die Beine, rannte auf den staubigen Strassen der Township herum. Sie liebte es, in der Küche zu stehen und so zu tun, als würde sie kochen. Das Haus der Gross­mutter war klein, aber gross genug für alle: Bruder, Cousinen, Cousins, Nachbarn. Abends versammelten sie sich jeweils in einer der zwei Schlaf­kammern und legten sich hin. Sie schliefen dicht gedrängt wie Schuhe in einer Schachtel.

    Wenn Evelyn am Morgen aufstand und ihr Gesicht ans Fenster drückte, sah sie auf einen Verschlag, der als Toilette diente. Vor der Haus­tür gackerten die Hühner auf einem Flecken roter Erde, den Evelyn rückblickend nur zögerlich einen «Garten» nennt. Der Geruch von Feuer biss in ihrer Nase. Evelyn ging nach draussen und spielte, bis die nächste Nacht über die Township hereinbrach. Oder bis wieder Polizisten in ihre Gegend kamen und von Tür zu Tür gingen.

    Versteckte die Grossmutter Evelyn im Schrank, sass sie ganz still. Sie wartete. Sie lauschte. Sie achtete auf jedes Geräusch und gab keinen Mucks von sich.

    Erst wenn die Polizisten weg waren, rief die Gross­mutter Evelyn nach draussen. Sie solle so oft wie möglich in der Sonne spielen, sagte die Gross­mutter. Das war gut für ihre Haut­farbe.

    Denn Evelyn war etwas heller als die anderen Kinder. Das fiel auf. Und das war gefährlich.

    In der Gegend wussten zwar alle Bescheid und niemand sagte etwas. Aber sicher sein konnte man nie. Das Regime war Polizei­staat, Überwachungs­system und Gesetzes­werk zugleich. Jemand bezeichnete es einmal als «apart hate» – Aparthass.

    Evelyns Mutter hiess Queen Cynthia, sie war Zulu und Sängerin. Evelyns Vater war weiss und kam aus der Schweiz. Ein Mechaniker, der in Süd­afrika Arbeit gefunden hatte und sich verliebte. Aber die sogenannte Rassen­vermischung war in der Apartheid schlimmer als Verrat. Das schlimmste Verbrechen überhaupt.

    Als Evelyns Mutter schwanger wurde, reisten die Eltern in die Schweiz, nach Grüsch im Bündner Prättigau. Sie heirateten. Die Mutter brachte Evelyn zur Welt. Und der Vater war weg, bevor er für sie hätte da sein können.

    Das Einzige, was er der Familie hinterliess, war der Nach­name: Wilhelm.

    Queen Cynthia Wilhelm zog mit ihrer Tochter Evelyn nach Zürich, aber sie war allein. Sie sah keinen Weg, Geld zu verdienen und für das Kind zu sorgen. Also brachte sie Evelyn zur Gross­mutter nach Südafrika, in die Township Duduza in der Nähe von Johannes­burg. Hier wuchs Evelyn Wilhelm auf. Man bezeichnete sie als coloured, das Kind einer sogenannten Mischehe.

    Heute ist Evelyn Wilhelm eine frei­schaffende Künstlerin in Zürich. Sie trägt manchmal T-Shirt und rote Trainer­hosen von Adidas. Aber unter der coolen Leichtigkeit trägt sie einen dicken Panzer. Sie hat ihn sich zugelegt, als sie in der Dunkelheit wartete.

    «Wenn die Polizei in unsere Gegend kam, war das immer brutal», sagt Evelyn Wilhelm über ihre Kindheit. «Aber für mich war es noch mal anders: Ich war ein verbotenes Kind.»

    Sie hat nie vergessen, was es bedeutet, als Verbrechen geboren zu sein. Nicht aufzufallen. Nicht zu laut zu sein. Stets auf der Hut, damit sie bloss niemand entdeckt. Vor allem nicht die Polizei.

    «Ich rufe die Polizei!», drohte die Mutter, wenn sie frech war.

    «Ich rufe die Polizei», drohte die Mutter, wenn sie stänkerte.

    Evelyn Wilhelm ist heute eine erwachsene Frau in der Mitte des Lebens. Aber die Angst vor der Polizei hat sie nie ganz abgelegt.
    Mehr als nur eine Schwester

    Als sie aus Südafrika in die Schweiz zurückkam, musste sich Evelyn Wilhelm nicht mehr verstecken. Aber manchmal hätte sie es am liebsten getan.

    In der Schule plagten sie die anderen Kinder. Sie passten sie auf dem Schulweg ab, sie stahlen ihr Taschen­geld, sie zogen an ihren krausen Haaren. Im Geroldswil der 1980er-Jahre war Evelyn Wilhelm das einzige schwarze Kind.

    Als Evelyn neun Jahre alt war, kam ihr Bruder Roger zur Welt, am 10. März 1984. Sie erinnert sich an den warmen Frühling und wie sie sich freute, endlich ein Geschwister zu erhalten.

    Rogers Geburt war schwer. Die Nabel­schnur hatte sich um seinen Hals gewickelt. Die Ärzte machten notfall­mässig einen Kaiser­schnitt. Es gab Komplikationen. Seine Mutter starb fast, als sie ihn gebar.

    Den Vornamen bekam Roger vom Vater. Den Nachnamen vom ersten Ehemann der Mutter. Den Mittel­namen gab ihm Evelyn, die grosse Schwester. Sie nannte ihn Michael, englisch ausgesprochen. Wie der King of Pop.

    Roger Michael Wilhelm – so lautete sein voller amtlicher Name.

    Ein Name aber fehlte. Der Name, den Roger im Herzen trug, aber nicht im Pass, der Mädchen­name seiner Mutter. Später bat er seine Freundinnen und Bekannten, ihn so zu nennen wie die Mutter Queen Cynthia Wilhelm vor der Hochzeit hiess: Nzoy.

    Seine Eltern stritten oft. Sie trennten sich nach wenigen Jahren. Seine Schwester Evelyn sagt, die Beziehung sei «toxisch» gewesen. Nzoy pflegte kein gutes Verhältnis zu seinem Vater, einem weissen Schweizer. Der zog weg, noch bevor Nzoy in die Schule kam.

    Die Mutter musste arbeiten, also verbrachte Nzoy sehr viel Zeit mit Evelyn. Sie passte ständig auf ihn auf. So blieb es ein Leben lang: Evelyn war für Nzoy viel mehr als nur die grosse Schwester.

    Als Nzoy eingeschult wurde, bekam die Mutter ein erstes Mal Krebs. Nzoy musste in ein Heim. Bald darauf in ein Internat. Am Wochen­ende kehrte er jeweils zurück zu Mutter und Schwester.

    Das ging gut, bis er in die Oberstufe kam.

    Realschule in Schwamendingen, Zürich. Der Schul­stoff interessierte ihn jetzt wenig. Lieber hing er mit Freunden rum. Er liebte den Hip-Hop. Westcoast. Tupac. «I see no changes», schepperten die Verse aus den Discmans, «all I see is racist faces …»

    Tupac Shakur, der aus einer Familie von bekannten Black-Panther-Aktivistinnen stammte, rappte: «Cops give a damn about a negro. Pull the trigga, kill a nigga, he’s a hero.»

    Nzoy sog die Texte auf.

    «‹It’s time to fight back!›, that’s what Huey said. Two shots in the dark, now Huey’s dead.»

    Seine Schwester Evelyn sagt heute, Nzoy sei im Internat nie diskriminiert worden. In der Oberstufe aber kam er oft heim und war wütend, weil die Lehrer ihn ungerecht behandelt hätten.

    «Und dann», sagt die Schwester, «begann es auch mit den Polizei­kontrollen.»

    30. August 2021, Bahnhof Morges

    «Wir sind im Kontakt», funkt der Polizist der Patrouille 696, der ersten von zwei Patrouillen, die am Bahnhof Morges eintreffen. Ein Polizist und eine Polizistin. Sie gehen zügig zum Ende des Perrons 4. Dort befinden sich zwei Mitarbeiter der Bahn. Und Nzoy.

    17 Uhr 58 und 2 Sekunden. Eine Minute bevor die Schüsse fallen.

    Bis hierher geht alles gut.

    Zwei weitere Polizisten sind unterwegs zum Bahnhof. Patrouille 803. Ein Unter­offizier und der Gefreite K. Sie steuern ihren Wagen gerade in eine Unter­führung nördlich des Bahnhofs, als der Mechaniker den Notruf wählt.

    Die zwei Polizisten der Patrouille 803 haben einen ruhigen Tag hinter sich. Der einzig nennenswerte Einsatz war, als sie am Morgen einen verwirrten Mann anhalten mussten und ihn auf den Posten brachten. Nach dem Mittagessen sind sie für den Rest des Tages Streife gefahren, der Unter­offizier am Steuer, K. auf dem Beifahrer­sitz. Er ist noch keine 30 Jahre alt, seit vier Jahren arbeitet er bei der Regional­polizei Morges. Es ist seine erste Stelle als Polizist.

    Als die beiden Polizisten hinter dem Bahnhof vorbeifahren, erfahren sie über Funk, dass sich ein Mann auf den Gleisen befindet. Mehr wissen sie nicht, gibt Polizist K. später in einer Einvernahme an.

    Es herrscht viel Funkverkehr. Die beiden Polizisten können sich nicht zum Einsatz melden, weil ständig jemand dazwischen­funkt. Sie hören, dass sich bereits eine Patrouille auf den Weg gemacht hat. Sie beschliessen trotzdem, auf eigene Faust hinzufahren.

    Sie schalten das Blaulicht an und die Sirene.
    Festnahme am See

    Es geschah am letzten Wochenende im Juni 1997. Nzoy war 13 Jahre alt.

    Er traf sich im Zürcher Seefeld mit Freunden, um Fussball zu spielen und Musik zu hören. Zufällig begegnete Nzoy dabei einem Schul­freund.

    Plötzlich kam die Polizei dazu. Die Beamten beschuldigten Nzoys Schul­freund, er habe mit anderen Jugendlichen Leute ausgenommen. Sie nahmen ihn mit auf den Posten. Nzoy musste auch mit. Denn die Polizisten vermuteten, er sei für die Gruppe Schmiere gestanden.

    Sie führten Nzoy ab und sperrten ihn im Posten auf dem Kasernen­areal in eine Zelle. Erst am nächsten Tag riefen sie seine Schwester an.

    «Ein Polizist sagte mir, sie hätten meinen Bruder fest­genommen.»

    Es war der 29. Juni 1997, ein Sonntag. Evelyn Wilhelm erinnert sich gut daran. «Er war noch ein Kind», sagt sie.

    Die Polizei nahm Nzoy Abdrücke von allen Fingern, erstellte eine sogenannte Daktyloskopie­karte und speicherte die Daten im System.

    Roger Michael Wilhelm, 10.3.1984. Referenz­nummer PCN 36 507027 29.

    «Sie fanden nichts gegen ihn», sagt Evelyn Wilhelm. «Er hatte ja auch nichts getan.» Trotzdem behielten die Polizisten Nzoy eine weitere Nacht im Gefängnis. 48 Stunden Polizei­haft für einen 13-Jährigen. Ein Verfahren in der Sache gab es nicht. Aber die Daten des minder­jährigen Nzoy wurden nie gelöscht.

    «Der Polizist, mit dem ich sprach, sagte: ‹Das ist grad gut zur Abschreckung. Dann landet er in Zukunft nicht mehr bei uns›», erinnert sich Evelyn Wilhelm.

    Als die Schwester Nzoy abholte, war er ein Häufchen Elend. Er weinte, hatte fürchterliche Angst. Erst später habe er mit ihr über das Erlebte sprechen wollen, sagt die Schwester. Er war schockiert, dass man ihm im Gefängnis die Schuh­bändel abgenommen hatte, um einen Suizid zu verhindern.

    Sie habe schon mit ihm geredet, sagt die Schwester. Sie habe ihn aber eher abgeblockt. «Ich machte ihm auch Vorwürfe: ‹Du musst dir deine Freunde besser aussuchen. Du kannst nicht so sein, wie du willst.› Das klang hart, aber es stimmt. Ich sagte ihm: ‹Als schwarzer Junge kannst du dir das einfach nicht leisten.›»

    Einmal wartete sie mit ihrem Bruder am Bahnhof Stadel­hofen in Zürich, als die Polizei sie überraschte. Sie war eine erwachsene Frau, ihr kleiner Bruder ein Kind an der Schwelle zum Teenager.

    Evelyn Wilhelm ist eine Frau, der fast nie die Worte fehlen. Aber wenn sie von der Polizei erzählt, kommt sie manchmal ins Stottern. Dann wirkt es fast, als wäre sie wieder das kleine Mädchen, das sich damals in Duduza im Schrank versteckte.

    Die Polizisten gingen direkt auf ihren Bruder zu. Sie konnte nichts dagegen tun.

    «Ich sagte den Polizisten: ‹Lasst ihn in Ruhe! Er hat nichts gemacht.› Aber das war denen egal. Sie zogen ihn weg und nahmen ihn auseinander: Ausweis zeigen, an die Wand stehen, Taschen leeren.»

    Evelyn raste vor Wut auf die Polizisten. Aber ohnmächtig, wie sie sich fühlte, fuhr sie stattdessen ihren kleinen Bruder an: Das hast du nun davon, dass du die Hosen so tief trägst!

    Nzoy wurde ständig kontrolliert. Deshalb trug er immer einen Ausweis mit sich. Gewisse Gegenden in der Stadt mied er. Musste er zum Haupt­bahnhof, nahm er manchmal eine Reise­tasche mit. Er glaubte, wenn er aussehe wie ein Tourist, würde ihn die Polizei in Ruhe lassen.

    Aber Racial Profiling folgt keiner Logik. Und vor der Willkür des Rassismus schützt keine Reise­tasche.

    Obwohl Nzoy ständig von der Polizei kontrolliert wurde, habe er immer versucht, den Polizisten mit Wohl­wollen zu begegnen, sagt Aliya, eine von Nzoys besten Freundinnen.

    Er habe versucht, mit ihnen zu reden und ihnen zu sagen: Leute, ihr müsst das nicht tun.

    «Ich erinnere mich, wie er einem Polizisten sogar einmal sagte: ‹Ich liebe dich, Mann! Tu mir das nicht an. Du bist mein Bruder. Wir sind alle Brüder.› So redete er mit Polizisten. Er sagte: ‹Warum glaubst du, du müsstest Angst vor mir haben? Warum ziehst du ausgerechnet mich raus? Ich tue nichts. Ich bin nur hier.›»

    Aber die Festnahme am See, die vergass Nzoy nie. «Das hat ihn fürs Leben gebrannt», sagt seine Schwester.

    Ein paar Monate bevor er nach Morges fuhr, rief er seine Schwester an. Er war völlig verängstigt und sagte, er könne nicht aus dem Haus.

    Sie verstand nicht.

    Der Junge von damals, sagte er. Der Schul­kollege, der im Seefeld Leute ausgenommen hatte.

    Jetzt erinnerte sie sich.

    Er verfolgt mich, sagte Nzoy. Er ist hinter mir her.
    30. August 2021, Bahnhof Morges

    17 Uhr 58 und 12 Sekunden. Ein Polizist der ersten Patrouille, die bereits auf dem Perron steht, funkt: «Das scheint ein Messer zu sein in der Hand.»

    Er zieht seine Pistole und fordert Nzoy auf, das Messer fallen zu lassen.

    Der Polizist steht am Kopf des Perrons Richtung Lausanne. Nzoy bewegt sich weg, in Richtung Genf, wo die zweite Patrouille gerade die Treppen zum Perron hochrennt. In der Einvernahme wird der Polizist später sagen, Nzoy habe das Messer in der Hand gehalten, eng am Körper, und sei den Perron entlang­gegangen. Er habe nicht mit dem Messer herum­gefuchtelt oder es gegen jemanden gerichtet.

    Auch die Polizistin der ersten Patrouille gibt zu Protokoll, Nzoy habe zwar «verloren» gewirkt und «desorientiert», aber «nicht aggressiv»: «Obwohl er ein Messer in der Hand hielt, empfand ich ihn nicht als bedrohlich.»

    Die Situation ändert sich schlagartig, als die zweite Patrouille eintrifft.

    Die beiden Polizisten eilen die Treppen hoch zum Perron. Polizist K. wird später sagen: «Ich habe mich nicht vorbereitet. Ich bin einfach losgerannt.»

    Von weitem sieht er Nzoy und hinter ihm die andere Patrouille. Ein Polizist soll ihn gewarnt haben: «Il a un couteau.»

    Die Polizisten umzingeln Nzoy. Die erste Patrouille hinter ihm, Richtung Lausanne. Die zweite Patrouille vor ihm, Richtung Genf. Mindestens ein Polizist hält in diesem Moment die Waffe auf ihn gerichtet.

    Nzoy habe «panisch» reagiert, wird der anwesende Mechaniker später in der Einvernahme sagen. Nzoy habe einen Ausweg gesucht. Ein anderer Zeuge sagt, Nzoy sei zunächst auf die Gleise runter, um vor der Polizei zu flüchten. Dann sei er wieder auf den Perron gesprungen und auf die herbei­eilende zweite Patrouille zugegangen.

    Über Funk sagt ein Beamter: «Wir riskieren nichts auf den Gleisen.» Es klingt, als wolle er deeskalieren. Dann geht es sehr schnell.

    17 Uhr 58 und 34 Sekunden.

    Die Polizisten verlieren rasch die Kontrolle. Das sieht man auf einem Video, das aus einem wartenden Zug gemacht wurde. Polizist K. ist nur etwa eine halbe Minute auf dem Perron, dann zieht er die Waffe aus dem Halfter.

    War Nzoy eben noch ganz ruhig bei den Bahn­arbeitern, geht er jetzt auf dem Gleisbett mit schnellen Schritten auf den Polizisten K. zu. Der schaut kurz über die Schulter. Nzoy springt vom Gleis­bett auf den Perron. Polizist K. sieht wieder zu Nzoy, geht unsicher rückwärts, nimmt Nzoy ins Visier und streckt die Arme vom Körper, die halb­automatische Pistole im Anschlag. Glock 19, Gen 4, Kaliber 9 mm.

    Er hat 15 Patronen im Magazin, Ruag, Typ Action 4, eine Munition, die so schwere Verletzungen verursacht, dass sie im Krieg verboten ist.

    Polizist K. feuert zweimal auf Nzoy.

    Die erste Kugel streift seine Hand, die zweite trifft die Hüfte, er fällt zu Boden. Der Polizist steckt seine Waffe ein. Nzoy steht langsam wieder auf.

    Neun Sekunden dauert es, dann zieht Polizist K. erneut. Er schiesst ein drittes Mal.

    17 Uhr 59 und 2 Sekunden.

    Nzoy fällt in sich zusammen. Er bleibt liegen.
    Tod durch tausend Schnitte

    Es gibt ein Video, auf dem man eine Person in flauschigem Bären­kostüm im Zürcher Niederdorf sieht. Der Teddybär steht ganz allein mitten auf dem Platz. Die Passanten beobachten den Riesen­teddy, aber niemand weiss, was sie mit einem Bären anfangen sollen, der die Arme ausstreckt.

    Dann kommt plötzlich ein junger Mann daher, orange Arbeiter­hose, schwarzes Durag auf dem Kopf, dicke Jacke in der Hand, breites Lächeln im Gesicht.

    Nzoy.

    Als er den Bären sieht, freut er sich wie ein Kind, wirft seine Jacke aus der Hand und fällt dem Bären in die Arme.

    So beschreiben ihn seine Freunde und Bekannten: als einen von Grund auf fröhlichen Menschen, der immer für eine Umarmung gut war. Jemand, der da war, wenn sie ihn brauchten. Der das Falsche vom Richtigen trennen konnte. Ein hilfs­bereiter, empathischer Freund.

    Elle ist eine Begegnung mit Nzoy in besonderer Erinnerung geblieben. Als Teenagerin passte sie auf das Kind einer Freundin auf, die notfall­mässig für einige Tage ins Spital musste. Als Nzoy davon hörte, stand er tags darauf mit vollen Einkaufs­taschen in der Wohnung: Essen, Süssigkeiten, Geschenke für das Kind.

    Er kam auch in den folgenden Tagen vorbei, um das Kind zu hüten, zu putzen oder zu kochen. Die beiden sprachen viel über Afrika und die unter­schiedlichen Kulturen in den jeweiligen Herkunfts­ländern ihrer Familie. Sie redeten über ihr Leben dort und hier. Über die fehlende Akzeptanz in der Schweiz. Über den Wunsch, an einem Ort zu leben, wo die Menschen aussehen wie man selbst. Und die Enttäuschung darüber, dort doch nicht in der Masse verschwinden zu können.

    Sie sagt: «Weisse Leute glauben, es sei nicht schlimm, wenn sie ‹Schwarze Maa› spielen. Ist ja nur ein einziges Mal. Aber sie verstehen nicht, dass uns das die ganze Zeit widerfährt – von Kindes­beinen an bis ins Erwachsenen­alter. Es sind ganz feine Schnitte, wie mit einem Blatt Papier.»

    Über diese Wunden sprach Elle oft mit Nzoy. Elle heisst in Wirklichkeit anders. Sie will als schwarze Frau aber lieber nicht in der Öffentlichkeit stehen.

    «Rassismus», sagt Elle, «ist wie der Tod durch tausend Schnitte.»

    Nzoy ging neun obligatorische Jahre zur Schule. Danach schlug er sich mit Gelegenheits­jobs durch. Verkäufer, Hilfs­arbeiter, Gerüst­bauer. Was gerade anstand. Was gerade möglich war. So viel, wie gerade nötig war, um den Lebens­unterhalt zu bestreiten. Wichtiger als der Job waren ihm Freundschaft und Gemeinschaft. «Er war schon als Kind furchtlos», sagt Evelyn Wilhelm über ihren Bruder. «Er sagte immer, er sei ein free man.»

    Seine Schwester besuchte die Rudolf-Steiner-Schule. Sie ging in die Atelier­klasse und studierte an der Zürcher Hoch­schule der Künste. Als Künstlerin hat sie sich darauf fokussiert, vor allem grosse Bilder auf schweren Materialien zu malen. Nzoy war viel in ihrem Atelier. Er half ihr jeweils, die Lein­wände zu spannen und die Gemälde zu transportieren.

    Nach dem Tod ihres Bruders hat Evelyn Wilhelm zwar weiter ihre Bilder ausgestellt. Aber gemalt hat sie nie wieder etwas. Seit mehr als dreieinhalb Jahren.

    Sie sagt: «Seit mein Bruder tot ist, finde ich einfach den Zugang nicht mehr.»
    Verfolgt und verängstigt

    Evelyn Wilhelm ging früh zu Bett an dem Abend, als die Polizei auf ihren Bruder schoss. Sie träumte von ihrer verstorbenen Mutter. Ein Alb­traum. Die Mutter lag im Sterben und schrie und schrie und schrie – bis Evelyn aufwachte.

    Aber natürlich ahnte sie nichts. Wer rechnet schon damit, dass der Bruder erschossen wird? In den USA vielleicht, hatte Evelyn immer gedacht. Oder in Südafrika.

    Aber in der Schweiz?

    Evelyn und Nzoy hatten einen älteren Bruder. Er war im Südafrika der Apartheid geboren und aufgewachsen. Als er dort irgendwann nicht mehr sicher war, nahm ihn die Mutter zu sich nach Zürich.

    «Unser älterer Bruder wäre dort erschossen worden. Oder im Gefängnis gelandet», sagt Evelyn Wilhelm. Darum kam er in die Schweiz.

    Nzoy hingegen wollte weg, am liebsten in die USA. Aber seine Schwester sagte ihrem kleinen Bruder: auf keinen Fall.

    «Ich hatte Angst um ihn», gesteht sie.

    Sie sagte ihrem Bruder: Du bleibst in der Schweiz, hier kann dir nichts passieren.

    Im Frühling 2021 verlor Nzoy seinen besten Freund, er starb nach kurzer Krankheit. Das stürzte ihn in eine schwere Krise.

    Manchmal fürchtete er sich. Er sah Dinge, die ihm Angst machten.

    Der Junge von damals im Seefeld. Oder zehn schwarze Mercedes, die ihm auflauerten.

    In guten Momenten merkte er selbst, dass ihm die Realität entglitt. Dass er nicht wirklich verfolgt wurde. Dass es keinen Sinn ergab, dass ein Jugend­freund über zwanzig Jahre später hinter ihm her sein würde.

    Evelyn Wilhelm richtete in ihrem Dachstock ein Zimmer für ihren Bruder ein. Er nahm eine Auszeit, ging zu einem Psychiater, nahm Medikamente. Zwei, drei Monate ging es aufwärts. Aber irgendwann wurde das Zusammen­leben wieder schwierig.

    Nzoy ging nachts besoffen schwimmen, verlor den Schlüssel, kletterte aufs Haus­dach und kam nicht mehr runter.

    Manchmal schlief er mit einem Messer unter dem Kissen.

    Einmal rief er seine Schwester an und sagte, er traue sich nicht aus dem Haus. Wegen des Jungen von damals im Seefeld.

    Sie beschwichtigte ihn: Das kann gar nicht sein. Der weiss gar nicht, wo du wohnst. Der erinnert sich nicht an dich. Du siehst heute anders aus.

    Evelyn wollte helfen, suchte eine Lösung. Eine Woche bevor Nzoy nach Morges fuhr, rief sie den Notfall­psychiater. Nzoy musste in eine Klinik. Aber er wollte nichts davon wissen. Er riss sich zusammen und spielte dem Psychiater etwas vor. Evelyn war stink­sauer. Sie stritt sich mit ihrem Bruder.

    Es war das letzte Mal, dass sich die beiden sprachen.
    30. August 2021, Bahnhof Morges

    «Schussabgabe! Schussabgabe!», funkt ein Polizist. «Schnell, eine Ambulanz!»

    17 Uhr 59 und 10 Sekunden.

    Der Polizist steht direkt neben dem Schützen K. Auch er hat jetzt seine Waffe gezogen und zielt auf Nzoy, der am Boden liegt.

    «Gleis 4, Gleis 4!», sagt der Polizist über Funk.

    «Verstanden.»

    Der Schütze K. steckt seine Pistole ein und geht auf den verletzten Nzoy zu. Er schaut kurz hin, dann entfernt er sich vom Tatort und fasst sich an den Kopf. Zwei Kollegen halten die Waffe im Anschlag. Einzig die Kollegin beobachtet die Lage ohne Pistole in der Hand.

    17 Uhr 59 und 32 Sekunden. Die Zentrale informiert den medizinischen Notfall­dienst.

    «Der Mann hat noch immer das Messer», meldet ein Polizist der Zentrale. «Ich wiederhole: Der Mann hat noch immer das Messer. Er ist am Boden. Bei Bewusstsein.»

    «Ist die Lage noch gefährlich? Bitte antworten.»

    «Nein, ich glaube nicht», sagt der Polizist.

    «An die Kollegen in Morges», funkt die Zentrale. «Die Ambulanz und der Notfall­dienst sind unterwegs, können wir ein paar Informationen haben?»

    «Ich habe nicht mehr Infos», sagt der Polizist.

    Er funkt das Einzige, was ihm offenbar auffällt: «Un homme de couleur.» Ein schwarzer Mann. «Er liegt am Boden.»

    18 Uhr und 8 Sekunden.

    Der Polizist nähert sich Nzoy. Er spricht in das Funk­gerät. Das ist auf Video­aufnahmen deutlich zu sehen. Aber in den Akten fehlt vom Funk­spruch jede Spur. Mit dem Fuss zieht er den linken Arm von Nzoy nach vorne und tritt auf dessen Hand. Die Polizisten der Patrouille 696 nähern sich. Sie fesseln dem regungslosen Nzoy mit Hand­schellen die Arme hinter den Rücken.

    Der Polizist funkt: «Die Person ist am Boden. Sie ist gefesselt. Ich wiederhole: Sie ist gefesselt.»

    18 Uhr 01 und 11 Sekunden.

    Dann tun die Polizisten – nichts. Zumindest nichts, was wichtig scheint. Sie sammeln Gegen­stände ein. Sie ziehen Hand­schuhe aus und wieder an. Sie telefonieren. Aber niemand spricht mit dem Opfer. Niemand nimmt seinen Puls. Niemand prüft, ob man ihm irgendwie helfen könnte.

    Die Polizisten drehen Nzoy auf die Seite. Dabei kommt ein Gegen­stand zum Vorschein. Ein Steak­messer, schwarzer Griff, Klingenlänge 12,5 Zentimeter. Ein Polizist zieht es mit den Füssen weg.

    18 Uhr 03 und 40 Sekunden.

    Ein Passant bietet Hilfe an. Er ist von Beruf Notfall­sanitäter und hat die Szene vom Zug aus beobachtet. Seine Schicht ist gerade zu Ende gegangen, er wollte nach Hause fahren, als er über das Notruf­system einen Alarm sah. In einer Einvernahme sagt er später, er habe sofort gesehen, dass Nzoy einen Herz-Kreislauf-Stillstand erlitten hatte.

    Die Polizisten legen Nzoy auf die Seite. Der Sanitäter zieht Hand­schuhe an und kniet sich neben ihn.

    18 Uhr 05 und 30 Sekunden.

    Erst jetzt erhält Nzoy Hilfe. Nicht von der Polizei, sondern von einem zufällig anwesenden Passanten. Sechseinhalb Minuten sind vergangen, seit Polizist K. den dritten Schuss auf Nzoy abgegeben hat.

    In einer Dokumentation des Recherche­büros Border Forensics vom November 2023 ist sichtbar, dass sich Nzoy in dieser Zeit fünf Mal bewegt, während die Polizisten tatenlos um ihn herumstehen.

    Nzoy hebt den Brustkorb.

    Nzoy bewegt die Schulter.

    Nzoy bewegt den Arm.

    Das fällt auch den Polizisten auf. Einer wird später in einer Einvernahme sagen, er habe gesehen, dass sich der Ober­körper von Nzoy bewegte. Ein anderer hörte Nzoy stöhnen, aber, so sagt er, er habe keine Zeit gehabt, den Gesundheits­zustand des Opfers zu prüfen. «Alles ging sehr schnell.»

    18 Uhr 05 und 48 Sekunden.

    Der Sanitäter presst beide Hände auf den Ober­körper von Nzoy. Er kämpft um sein Leben. Erst jetzt löst ein Polizist die Hand­schellen.
    Der Tag danach

    Es dauerte fast einen Tag, bis Evelyn Wilhelm erfuhr, was geschehen war. Am Dienstag­mittag klingelte ihr Handy. Der Vater von Nzoy.

    Sie haben ihn gefunden, sagte er.

    Super!, antwortete Evelyn.

    Genau wie es der Psychiater prophezeit hatte, dachte sie. Frau Wilhelm, hatte er gesagt, im schlimmsten Fall wird ihr Bruder von der Polizei aufgegriffen und in eine Klinik gebracht.

    Das hatte sie beruhigt. Klinik. Medikamente. Und nach ein paar Wochen wäre ihr Bruder wieder der Alte: ein fröhlicher Mensch, der andere mit seiner Lebens­freude ansteckte.

    Nichts ist super, sagte der Vater am Telefon. Sie haben ihn erschossen.

    Erschossen?

    Es ist schon überall in den Medien, sagte Nzoys Vater. Er gab ihr die Nummer eines Polizisten. Der sagte, die Polizisten hätten sofort versucht, ihren Bruder zu retten, aber er habe es leider nicht geschafft.

    Evelyn Wilhelm glaubte nicht, was sie hörte. Sie musste raus, sofort raus an die frische Luft.

    Draussen nahm sie irgendwann das Smart­phone in die Hand und öffnete ein Newsportal. Zuerst stach ihr ein Bild ins Auge, auf dem sie die Beine ihres Bruders zu sehen glaubte. Dann entdeckte sie die Videos.

    Sie klickte drauf.

    Sie sah, wie ihr Bruder erschossen wurde. Sie sah, wie er am Boden lag. Sie sah, wie die Polizisten mit ihren Füssen die Arme und Beine ihres Bruders herumschoben.

    Sie sah, dass niemand ihm half. Minutenlang.

    Sie rief den Polizisten an und schrie ins Telefon.

    Sie haben mich angelogen! Niemand hat Erste Hilfe geleistet. Niemand hat meinem Bruder geholfen. Keiner der vier Polizisten.
    30. August 2021, Bahnhof Morges

    Um 18 Uhr und 9 Minuten trifft der medizinische Notfall­dienst am Bahnhof ein, die Ambulanz eine Minute später. Sieben Ermittler machen sich auf den Weg nach Morges. Sie hören Zeugen an, sichern den Tatort.

    Der Tod von Nzoy wird jetzt zum Akten­zeichen: PE21.0151554.

    Den Fall übernimmt kein Geringerer als Laurent Maye, stellvertretender General­staatsanwalt des Kantons Waadt. Er leitet die Abteilung für Sonder­fälle, die jeweils gegen eigene Polizisten ermittelt. Ein Job, der ein stabiles Rückgrat verlangt.

    Allen ist klar, wie heikel die Angelegenheit ist. Nzoy ist das vierte Opfer tödlicher Polizei­gewalt in der Waadt innerhalb von viereinhalb Jahren. Alle Opfer waren schwarze Männer: Hervé Mandundu, Lamin Fatty, Mike Ben Peter. Und nun: Nzoy.

    Maye führte schon die Untersuchung gegen sechs Lausanner Polizisten, die im Winter 2018 den 40-jährigen Nigerianer Mike Ben Peter festgenommen hatten. Die Verhaftung eskalierte. Die Polizisten schlugen Ben Peter und hielten ihn in Bauchlage fest, bis er sich nicht mehr rührte. Er starb noch in derselben Nacht.

    Der Staatsanwalt erhob Anklage. Aber im Gericht argumentierte er so seltsam, dass sich alle fragten, ob er gegen die Polizisten oder das Opfer klagte. Am Ende schlug er sich gar auf die Seite der Verteidigung und forderte Frei­sprüche für die Polizisten. Das Gericht folgte ihm: Die sechs Polizisten hätten verhältnis­mässig gehandelt. Nach dem Urteil kam es im Gerichts­gebäude zu Tumulten und Hand­greiflichkeiten.

    Perron 4 am Bahnhof Morges wird jetzt abgesperrt. Polizisten stellen ein Zelt auf als Sicht­schutz. Sie lichten den Tatort mit einer 360-Grad-Kamera ab. Sie suchen nach Spuren, nach Patronen­hülsen, nach Kleidern und persönlichen Gegen­ständen von Nzoy. Sie fotografieren alles.

    Am Abend werden schweizweit die Polizei­korps nach Informationen zu Nzoy befragt. Die Zürcher Kantons­polizei meldet tags darauf, dass ihr Nzoy bekannt sei.

    Als diese Information öffentlich wird, klingt es, als wäre Nzoy ein polizei­bekannter Krimineller. Aber die Zürcher kennen Nzoy, weil sie ihn 24 Jahre zuvor als 13-jährigen Teenager einsperrten und Finger­abdrücke nahmen. Zur Abschreckung.
    In schlechtem Zustand

    Der Vater staunte, als Nzoy plötzlich vor der Tür stand. Die beiden hatten nie ein gutes Verhältnis gehabt. Und trotzdem war sein Sohn zu ihm gekommen. Das war eine Woche vor seinem Tod.

    Nzoy erzählte dem Vater, er habe sich mit der Schwester gestritten. Nzoy wollte nicht in eine Klinik, stattdessen kreuzte er jetzt beim Vater auf, in einem kleinen Dorf im Kanton Zürich. Nzoy machte einen schlechten Eindruck.

    Bei sich zu Hause wollte der Vater seinen Junior nicht unterbringen. Er buchte ein günstiges Zimmer in einem Hotel, Zum Löwen, gleich hinter der deutschen Grenze. Er zahlte 400 Euro im Voraus für einen Monat und hinterliess 400 Euro Kaution. Dann drückte er seinem Sohn ein Handy in die Hand – Nzoy hatte seins liegen gelassen, er war wirklich von der Rolle. Der Vater gab ihm Geld für eine SIM-Karte und ein Tablet.

    Dann hörte er für den Moment nichts mehr von seinem Sohn.

    Ein paar Tage vor seinem Tod sass Nzoy auf einer Wiese auf einem Privat­grundstück und sprach mit Jesus. Daraufhin muss jemand die Rettung verständigt haben. Denn ein Kranken­wagen kam und brachte Nzoy ins Spital. Ein Arzt diagnostizierte bei ihm eine paranoide Schizophrenie, eine psychotische Episode.

    Auf der Anordnung für eine fürsorgerische Unter­bringung steht: «Zusammen­fassend besteht eine Selbst­gefährdung und möglicher­weise eine Fremd­gefährdung.» Nzoy blieb über Nacht.

    Am nächsten Tag ging es Nzoy offenbar besser, der Arzt entliess ihn «im stabilisierten Zustand». Er verschrieb ihm das Anti­psychotikum Zyprexa, Schmelz­tabletten, 20 Milligramm, zur Einnahme abends vor dem Zubett­gehen.

    Am Samstag, zwei Tage vor den tödlichen Schüssen in Morges, besuchte der Vater Nzoy im Hotel. Sein Sohn, sagte der Vater später der Polizei, sei nervös gewesen und konnte nicht still sitzen. Er sei «in einem sehr schlechten psychischen Zustand» gewesen. In eine Klinik aber wollte er nicht. Und der Vater wollte ihn nicht dazu zwingen.

    Am Sonntagabend klingelte das Handy des Vaters. «Nzoy Wilhelm» stand auf dem Display. Nzoy sagte, er wolle nun doch in die Klinik.

    Am Montagmorgen, dem 30. August 2021, steht der Vater im «Löwen» und wartet auf Nzoy. Aber vom Sohn fehlt jede Spur.
    30. August 2021, Bahnhof Morges

    Es ist 21.30 Uhr, als die Rechtsmediziner beginnen, den Leichnam von Nzoy zu untersuchen. Anwesend ist neben dem medizinischen Personal und einigen Polizisten auch der fall­führende Staats­anwalt Maye.

    Die Rechtsmedizin untersucht den Hergang des Todes. Sie stellt in den folgenden Tagen fest: Zwei von drei Patronen stecken im Körper, eine davon im rechten Bauchmuskel. Sie hatte die linke Becken­arterie und die Hohlvene durchlöchert.

    Laut Rechtsmedizin führte das «in sehr kurzer Zeit» zu tödlichen inneren Blutungen. Von aussen war das nicht sichtbar. Ob die Polizisten sich strafbar machten, indem sie es unterliessen, Nzoy rasch zu helfen, wäre von einem Gericht zu klären.

    Der toxikologische Bericht hält fest, dass Nzoy keinen Alkohol im Blut hatte. Eine Urin­probe zeigt, dass er keine Drogen nahm.

    Am Körper finden die Medizinerinnen einen Patch eines EKG-Geräts. Tatsächlich hatte Nzoy am frühen Montag­morgen die Notaufnahme des Unispitals Zürich aufgesucht. Er klagte über Schwindel und hörte «kommentierende Stimmen». Die Ärzte vermuteten eine akute Psychose und empfahlen deshalb die Betreuung durch einen Psychiater. Doch Nzoy verliess den Notfall kurz vor 9 Uhr – ohne EKG oder psychiatrische Untersuchung. Möglicher­weise suchte er bis zum Mittag noch ein weiteres Spital auf, ehe er in den Zug Richtung Westschweiz stieg. Das Zürcher Unispital sah keine Hinweise auf selbst- oder fremd­gefährdendes Verhalten.

    18 Uhr und 31 Minuten.

    Die Ambulanz stellt offiziell den Tod von Roger Michael «Nzoy» Wilhelm fest. Er war 37 Jahre alt.
    Letzte Reise

    Vor dem Krematorium Sihlfeld flimmern Fotos von Nzoy über den Bild­schirm: Nzoy als Baby im Arm seiner Mutter, Nzoy mit Freunden auf einer Wiese, Nzoy bei einem Video­shooting. Man sieht einen hoch­gewachsenen, gut aussehenden Mann mit feinem Schnauz und langen schwarzen Locken. Auf den Videos lächelt er glücklich, die Augen zu einem Strich gezogen, grinst er in die Kamera und sagt mit warmer Stimme: «I appreciate you all. Peace!»

    Der Pfarrer stellt die Urne neben ein Porträt von Nzoy. Zu seiner Rechten sitzen Evelyn Wilhelm, ihr älterer Bruder und enge Freunde von Nzoy. Zu seiner Linken der Vater von Nzoy mit Frau und Kindern.

    Der Pfarrer war einer von Nzoys engsten Vertrauten, seit er ihn vor 15 Jahren in einem Fluss getauft hatte. In einer seiner letzten Nachrichten schrieb Nzoy dem Pfarrer, er habe gerade nicht viel zu lachen. Er schickte ihm ein Bild von Jesus, umringt von Engeln. «I’m not alone», schrieb Nzoy.

    «Wenn», sagt der Pfarrer jetzt zur Trauer­gemeinde, «wenn Roger auf dem Bahnhof einen Polizisten mit einem Messer bedroht hat, dann war das Ausdruck einer tragischen Verwirrtheit.»

    Wenn – das Wort wiegt schwer in diesen Tagen.

    Die Trauernden haben alle die News-Berichte gelesen mit den Darstellungen der Polizei. Da war vom «Messer-Droher» die Rede, von Erinnerungen an ein islamistisches Attentat, das sich ein Jahr zuvor in Morges ereignet hatte.

    Aber die Angehörigen bestreiten, dass Nzoy gefährlich gewesen sei. Wenn überhaupt, war er eine Gefahr für sich selbst. Die Polizisten, sagen die Angehörigen, hätten die Lage völlig falsch eingeschätzt.

    «Ein dunkel­häutiger Mann am Beten, da dachten die wohl: Das muss ein Terrorist sein», sagt Evelyn Wilhelm. Dabei hätte ihr Bruder nur etwas gebraucht: Hilfe.

    Auch Experten wie der Psycho­therapeut und Psychologie-Professor Udo Rauch­fleisch sagen nach Studium von Videos, Funk­sprüchen und Zeugen­aussagen in den Untersuchungs­akten, dass Nzoy nicht aggressiv oder gefährlich gewesen sei, sondern ängstlich und zurück­gezogen. Bis die Polizei ihn umzingelte. «Das Messer zog er erst, als er sich bedroht fühlte.»

    Die Polizei habe falsch reagiert. «Wenn man mit vier Leuten auf einen psychotischen Menschen aufrückt, ist vorprogrammiert, dass die Lage eskaliert.»

    Dass Nzoy bedrohlich gewirkt habe, ist denn auch die Darstellung von Polizisten, die fürchten mussten, wegen eines Tötungs­delikts zur Rechenschaft gezogen zu werden. In anderen Fällen würde man ihre Aussagen als Schutz­behauptung abqualifizieren.

    Der Polizist, der Nzoy tötete, äusserte sich in den Einvernahmen widersprüchlich.

    Anfangs wollte er noch gesehen haben, wie sich «die Sonne in der Klinge spiegelte», nachdem er zweimal auf Nzoy geschossen hatte. In einer späteren Einvernahme korrigierte sich der Polizist, er erinnere sich doch nicht daran. «Ich erinnere mich auch nicht, das Messer gesehen zu haben, als er davor auf mich zurannte», sagte er dem Staats­anwalt.

    Kann seine Aussage, er habe gefürchtet, tödlich verletzt zu werden, stimmen? Ist es korrekt, von legitimer Notwehr zu sprechen, wenn der Polizist gar keine Waffe sah?

    Der Polizist will auf Anfrage keinen Kommentar zur Sache abgeben.

    Die andere Frage, die die trauernden Angehörigen umtreibt, ist, warum die Polizisten Nzoy nicht sofort Erste Hilfe leisteten. Warum erst ein Passant ihm half.

    Und natürlich, ob das alles, also die Angst vor Nzoy, der schnelle Griff zur Pistole, die Untätigkeit nach den Schüssen – ob das alles anders gelaufen wäre, wäre Nzoy nicht schwarz gewesen.

    Der Pfarrer berichtet der Trauer­gemeinde, wie Evelyn Wilhelm nach dem Tod ihres Bruders die aufgeschlagene Bibel auf seinem Bett fand, Altes Testament, Buch der Sprüche.

    Dort heisst es: «Greif ein, wenn das Leben eines Menschen in Gefahr ist. Tu, was du kannst, um ihn vor dem Tod zu retten.»

    «Tragischerweise», sagt der Pfarrer, «sind das vielleicht die letzten Worte, die Roger mitnahm auf seine letzte Reise.»

    Hätte Nzoy überlebt, wäre er nicht schwarz gewesen?

    Vielleicht hat der Anwalt der Angehörigen einmal die treffendste Antwort dazu gegeben: «Nzoy wurde nicht getötet, weil er schwarz war. Aber er ist tot, weil er nicht weiss war.»
    Keine Gerechtigkeit, kein Frieden

    Evelyn Wilhelm steht vor dem Justiz­palast in Renens, einem mächtigen, kalten Büro­gebäude aus Stahl und Glas. Die Sonne brennt auf ein paar Dutzend Aktivistinnen, die mit Plakaten und Transparenten um sie herum stehen. Sie trägt ihre Locken offen, die Tasche über der Schulter. Flip-Flops, weisse Hose, weisses Shirt. Auf ihrem Rücken prangt schwarz auf weiss das Konterfei ihres Bruders, wie es mittlerweile auf zahllosen Plakaten und Aufklebern in der ganzen Schweiz zu sehen ist.

    Darüber steht: «Justice 4 Nzoy».

    Es ist der 8. Juli 2024, drei Jahre sind seit dem Tod ihres Bruders vergangen. Noch immer dauert die Straf­untersuchung an, aber es sieht ganz danach aus, als würde der Staats­anwalt die Sache fallen lassen wollen. Evelyn Wilhelm und weitere Angehörige haben sich einen Anwalt genommen. Sie zählen darauf, dass die Erschiessung von Nzoy dereinst vor Gericht kommt.

    Der heutige Tag ist eine Art Haupt­probe.

    Evelyn Wilhelm will wissen, wie sich das anfühlen wird, wenn sie als Angehörige und Privat­klägerin im gleichen Saal sitzt wie der Mann, der ihren Bruder tötete. Vorne der Richter, links der angeklagte Polizist, rechts der Staatsanwalt, hinten zwei Dutzend Journalistinnen und nochmals so viele Zuschauer.

    Im Justizpalast von Renens beginnt an diesem Tag der zweit­instanzliche Prozess gegen sechs Polizisten, die 2018 am Einsatz beteiligt waren, bei dem der 39-jährige Familien­vater Mike Ben Peter starb.

    Das juristische Personal würde im Fall Nzoy ähnlich sein: derselbe Staatsanwalt, dieselbe Verteidigerin.

    Odile Pelet, die Anwältin, auf die die Polizisten zählen, vertrat in drei der vier Fälle tödlicher Polizei­gewalt in der Waadt jeweils einen beschuldigten Polizisten. Immer mit Erfolg.

    Evelyn Wilhelm zögert. «Soll ich wirklich rein?»

    Drei Stunden ist sie hergefahren, aber jetzt, wo es vor dem Gericht und im Gericht von Polizisten wimmelt, würde sie am liebsten umkehren.

    Die Zuschauerzahl ist beschränkt und der Saal eigentlich schon voll, aber ein Aktivist erkennt sie, die Schwester des getöteten Nzoy. Er drückt ihr einen weissen Zettel in die Hand, Nummer 32, steht darauf. Der Zettel gewährt ihr Eintritt in den Gerichtssaal.

    Drei Jahre sind seit dem Tod von Nzoy vergangen. Und während Evelyn Wilhelm vorher an Vernissagen oder in Galerien anzutreffen war, sass sie in den letzten drei Jahren häufig in muffigen Kellern, besetzten Häusern und selbst­verwalteten Ateliers. Sie verteilte Aufkleber und Flyer. Sie verkaufte T-Shirts und Pullover. «Justice 4 Nzoy» ist nicht nur eine Forderung, ein Slogan, er steht mittlerweile auch für ein politisches Bündnis und für eine Kommission zur Aufklärung der Wahrheit mit hochkarätigen Anwältinnen, Juristen, Wissenschaftlerinnen. Rechercheure durchforsten in ihrem Auftrag die Untersuchungs­akten und tun die Arbeit, die eigentlich der Staatsanwalt erledigen sollte. Evelyn Wilhelm trat auf in Lausanne, in Morges, in Zürich, in Basel, in Genf, in Paris. Sie war Gästin an Informations­anlässen wie an Fussball­turnieren. Sie sprach in Podcasts und in Fernseh­dokumentationen. Selbst ein UN-Gremium hörte sie an. Evelyn Wilhelm ist die zentrale Figur geworden, die das Andenken an ihren Bruder bewahrt.

    Aber ein Gedanke plagt sie seit dem Tod ihres Bruders: dass es kein faires Verfahren gibt, dass sie keine Gerechtigkeit findet.

    «Der Staatsanwalt hat uns von Anfang an schikaniert», sagt Evelyn Wilhelm.

    Er habe versucht, sie auf dem Rechtsweg vom Verfahren fernzuhalten, ihr den Zugang zu den Akten zu verwehren. Er wollte sie nicht als Privat­klägerin zulassen. Die ersten Tage nach dem Tod ihres Bruders verbrachte sie tatsächlich damit, dem Staats­anwalt zu beweisen, dass sie Nzoys Schwester war, dass die beiden eine enge Beziehung pflegten. Sie reichte Briefe ein, Chat­nachrichten, Anruflisten …

    «Schande über euch!», rufen die Aktivisten jetzt vor dem Gericht. «Justice raciste, police raciste!»

    Das Gericht hat soeben die Polizisten im Fall Mike Ben Peter freigesprochen. Der Polizei­kommandant spricht in eine Fernseh­kamera: «Ich bin hoch­zufrieden.»

    Evelyn Wilhelm setzt sich in ein von der Sonne überhitztes Auto und macht sich auf den Heimweg. Die Freisprüche haben sie aus der Fassung gebracht. Es ist, als wäre eine Welt zusammen­gefallen.

    Oder war es vielleicht schon immer nur ein Kartenhaus?

    «Alles ist den Polizisten erlaubt», sagt sie. «Sie machen immer alles richtig. Immer.» Sie schüttelt den Kopf.

    «Kein Rassismus, sagte der Richter! Hast du das gehört? Egal was die Polizisten tun, sie machen alles richtig. Es ist immer das Opfer, das aggressiv ist. Unglaublich.»

    Evelyn Wilhelm wusste, dass es schwierig ist vor Gericht. Sie wusste, dass Polizisten in der Schweiz so gut wie nie verurteilt werden. Aber vor Augen geführt zu bekommen, wie gnadenlos das Gericht die Anklage im Fall Mike Ben Peter versenkt – das löscht den kleinsten Funken Hoffnung in ihr.

    Wenige Monate später tritt ein, was Evelyn Wilhelm schon befürchtet hatte: Ende November 2024 stellt der Staatsanwalt Laurent Maye das Verfahren im Fall Nzoy eigenmächtig ein. Entgegen dem Anklage­prinzip in dubio pro duriore bringt er die Angelegenheit nicht einmal vor ein Gericht. Der beschuldigte Polizist sei einem so schweren Angriff ausgesetzt gewesen, dass er weder Zeit noch Mittel gehabt hätte, anders zu reagieren als mit der Schuss­waffe. Er habe gesetzes­konform gehandelt und die Verhältnis­mässigkeit gewahrt.

    Was jetzt?

    «Sie haben meinen Bruder tot­geschossen», sagt Evelyn Wilhelm. Was bleibt ihr anderes übrig, als weiter­zumachen. Ihr Anwalt hat die Einstellung angefochten. Er wird notfalls bis nach Strassburg gehen, um für einen Prozess zu kämpfen.

    Evelyn Wilhelm möchte bald nach Süd­afrika reisen. Sie will dort die Urne ihres Bruders beisetzen. «Ich habe ihm nach seinem Tod versprochen, dass er Frieden finden könne.»

    Sie will sich auch nach einem neuen Zuhause umsehen. «Ich kann nicht in einem Land alt werden, wo einfach nichts geschieht, wenn man jemanden tötet. Wie soll ich so je damit abschliessen können?», sagt sie. «Ich finde hier keine Ruhe und keine Gerechtigkeit.»

    https://www.republik.ch/2025/02/22/17-uhr-59-und-10-sekunden
    #violences_policières #Suisse #décès #Nzoy #justice #impunité #justice

    • #Homicide à la gare de Morges : le Ministère public retient la #légitime_défense et écarte l’#omission_de_porter_secours

      Lors du décès de #Roger_Michael_Wilhelm intervenu en 2021 à la gare de Morges, le policier auteur du tir mortel a agi en état de légitime défense ; l’omission de prêter secours ne peut être retenue ni contre cet agent, ni contre ses trois collègues : telles sont les conclusions de l’instruction menée par le Ministère public, qui a rendu une ordonnance de classement et de non-entrée en matière le 25 novembre 2024.

      Au terme d’une instruction débutée le jour du décès de M. Roger Michael Wilhelm, le lundi 30 août 2021 vers 18h sur un quai de la gare de Morges, le Ministère public vient de rendre une ordonnance de classement et de non-entrée en matière.

      Cette décision se base sur les différents éléments mis à jour par les actes d’instruction ordonnés par le procureur ou requis par les parties (auditions, vidéos, autopsie, rapports techniques, notamment), ainsi que la jurisprudence fédérale. À noter que le rapport de Border Forensics, fourni par la partie plaignante dans le cadre de l’avis de prochaine clôture du Ministère public du 10 octobre 2023, a été examiné et en partie exploité dans le cadre de l’enquête.
      Usage de l’arme proportionné

      Le Ministère public considère ainsi, compte tenu des circonstances, que le policier s’est trouvé confronté à une attaque grave et ne disposait ni du temps ni d’autres moyens raisonnablement exigibles de parer cette attaque au couteau autrement qu’en engageant son arme à feu.

      Le Ministère public retient en outre que l’agent a agi conformément à la pratique professionnelle enseignée et au principe de proportionnalité imposé par la jurisprudence ; la légitime défense, au sens de l’art. 15 du Code pénal, doit ainsi être retenue.
      Soins prodigués une fois la sécurité des lieux et des personnes assurée

      Immédiatement après les tirs, les agents se sont réparti les tâches visant notamment à assurer la sécurité des lieux et des personnes, ainsi qu’à prendre en charge le blessé, lequel ne présentait aucune trace d’hémorragie visible avant le massage cardiaque prodigué par un infirmier. Le rapport d’autopsie relève que les blessures causées par le troisième tir étaient « nécessairement mortelles à très brève échéance », expliquant ainsi les raisons du décès. Pour ces motifs, le Ministère public considère que l’omission de prêter secours n’est pas réalisée.

      Cette décision a été notifiée ce jour aux parties à la procédure et peut faire l’objet d’un recours auprès de la Chambre des recours pénale du Tribunal cantonal dans un délai de 10 jours.

      https://www.vd.ch/actualites/communiques-de-presse-de-letat-de-vaud/detail/communique/homicide-a-la-gare-de-morges-le-ministere-public-retient-la-legitime-defense-et-e

    • Morges : un homme mortellement blessé par la #police

      Lundi vers 18h, deux patrouilles de police sont intervenues en gare de Morges afin de prendre en charge une personne annoncée comme perturbée. Menacé par l’individu armé d’un couteau, un agent de Police Région Morges a fait usage de son arme. Malgré les soins prodigués par les policiers puis les secouristes appelés en renfort, la personne est décédée sur place. Le Ministère public a ouvert une instruction pénale.

      Vers 18h00, la centrale d’engagement et de transmissions (CET) de la Police cantonale vaudoise était avisée de la présence d’un homme annoncé comme agité sur l’un des quais de la gare de Morges. Deux patrouilles se sont rendues sur place afin d’entrer en contact avec l’individu et de le prendre en charge. D’après les premiers éléments de l’enquête, malgré la sommation d’usage d’un des agents, l’individu aurait exhibé un couteau se montrant menaçant.

      Un agent de la Police Région Morges a fait usage de son arme de service à plusieurs reprises. Blessé, l’homme a été immédiatement pris en charge par les policiers qui ont fait appel aux services sanitaires. Les policiers ont commencé un massage cardiaque qui a été poursuivi par les ambulanciers et le médecin du Service mobile d’urgence et de réanimation (SMUR). Il est décédé sur place des suites de ses blessures. Il s’agit d’un Suisse âgé de 37 ans, domicilié dans le canton de Zürich.

      Le Procureur de permanence de la Division des affaires spéciales du Ministère public central s’est rendu sur les lieux et a ouvert une instruction pénale afin d’établir les circonstances du décès. Les intervenants ont été entendus. Les investigations sont confiées au Détachement d’investigations spéciales policières (DISPO), et menées par les inspecteurs de la police de sûreté, avec l’appui des médecins légistes du CURML et des spécialistes de la police scientifique. Plusieurs patrouilles de la gendarmerie sont également intervenues sur les lieux pour prendre les premières mesures d’enquête.

      http://web.archive.org/web/20220516131031/https:/www.vd.ch/toutes-les-autorites/departements/departement-de-lenvironnement-et-de-la-securite-des/police-cantonale-vaudoise-polcant/medias/communiques-de-presse/news/14888i-morges-un-homme-mortellement-blesse-par-la-police

    • Joint statement and release of a preliminary analysis on the death of Roger ‘Nzoy’ Wilhelm

      For several months, Border Forensics has been investigating the death of Roger ‘Nzoy’ Wilhelm, a Swiss man of South-African descent, who was killed by the police in Morges Station (Switzerland) on August 30th, 2021. More than two years after his death, and whereas the exact unfolding of events remains unclear, the Public prosecutor’s office recently announced its will to close the case.

      While our investigation on Roger ‘Nzoy’ Wilhelm’s death is still ongoing, and in contribution to the demand for truth and justice of the Independent Commission of Inquiry on the Death of Roger Nzoy Wilhelm, today the preliminary analysis Border Forensics has produced of a sequence of the events has been submitted the Public prosecutor’s office. It will be made public in time.

      Press release: Independent Commission and Border Forensics criticize prosecution in Roger Nzoy Wilhelm homicide case and release overlooked evidence.

      Zuricher Roger Wilhelm, aged 37, was shot dead by a police officer on August 30th 2021, at Morges train station. Wilhelm was left on his stomach for six and a half minutes, without the other police officers involved providing him with first aid. Despite this, on October 10th, 2023, the Public Prosecutor’s Office of the canton of Vaud announced that it would not prosecute either the homicide or the failure to render aid.

      Switzerland does not have an independent institution to investigate incidents of police violence, so an independent civil society review and investigation into this death case is urgent. An independent commission made up of scientists from the fields of medicine, psychology, law and social sciences as well as the scientific research organization Border Forensics are now examining the case themselves. The provisional results of this research were presented today in Lausanne in the presence of Evelyn Wilhelm and lawyer Ludovic Tirelli, in charge of the case. This work shows that the decision of the Public Prosecutor’s Office must be urgently questioned.

      Elio Panese, member of the Border Forensics research team, reconstructed down to the second the course of the homicide in Morges using a film. This film shows that Roger Wilhelm remained on the ground handcuffed for six and a half minutes while he had a gunshot wound to the back and made no movement other than breathing. This proves that the police officers involved neglected to take vital rescue and resuscitation measures. Dr. Martin Herrmann, who is one of the medical experts of the commission (FMH specialist in general surgery and traumatology), confirmed in his analysis that the necessary first aid measures had not been taken, although Roger Wilhelm, lying on his stomach, represented no threat to the police officers and that he was still making respiratory movements. The question to be clarified in court is: Could Roger Wilhelm’s life have been saved by immediate first-aid measures taken by the police?

      Udo Rauchfleisch, professor emeritus of clinical psychology and member of the commission, wrote a report based on psychiatric records, interviews with relatives, witness statements and video footage of the homicide of Roger Wilhelm. According to this report, the Vaud police were called to help a Black man who showed symptoms of psychosis. According to the expertise of Prof. Rauchfleisch, Roger Wilhelm was not in any way or at any time aggressive, but he was stressed and would have needed psychological help. Instead of helping, the four police officers increased Roger Wilhelm’s psychological stress. He was considered a threat and was eventually shot dead. This is why another decisive question arises, which must be clarified in court: was the behaviour of the police officers adequate and was the use of firearms necessary and by the law?

      The death of Roger Wilhelm must be placed in the context of other homicides of Black people by the police in Switzerland. In the case of Mike Ben Peter, who died on February 28, 2018 following a police intervention, the prosecutor in charge of the investigation, who is also handling the case of Roger Nzoy Wilhelm, surprisingly requested the acquittal of the police officers involved during the trial. Me Brigitte Lembwadio Kanyama, member of the

      Commission’s legal group, severely criticized the treatment of deaths occurring following police interventions in the canton of Vaud. In all cases, the people killed were Black people. Lawyer Philipp Stolkin, a member of the Commission’s legal group, stressed that the public prosecutor’s office should be able to carry out its investigation regardless of the skin colour of the victim and the fact that a person suspected of having committed an offence is used by a public law entity.

      According to another member of the commission group, lawyer David Mühlemann, from a human rights perspective, the public prosecutor’s office is obliged to investigate such exceptional deaths independently, effectively, and comprehensively: “What is at stake is nothing less than public confidence in the state’s monopoly on violence.” By wanting to close the case, the public prosecutor is preventing the possibility of an investigation that complies with human rights. This is why the Commission urges the Vaud Public Prosecutor’s Office to open an investigation into the Roger Nzoy Wilhelm affair and bring the matter to court.

      https://www.borderforensics.org/news/20231110-pr-roger-nzoy-wilhelm

      #border_forensics

    • Wieder stirbt ein Schwarzer Mann in den Händen der Schweizer Polizei

      Am 30. August 2021 fährt der 37-jährige Zürcher Roger Nzoy in die Westschweiz. Am Bahnhof Morges steigt er aus. Er betet. Er spaziert über die Gleise. Ein Bahnarbeiter beobachtet Nzoy und versucht ihn davon abzuhalten, zur Rush Hour über die Gleise zu gehen. Er ruft die Polizei um Hilfe. Doch als die Polizei eintrifft, eskaliert die Situation. Nzoy zieht laut Polizei ein Messer. Ein Polizist feuert drei Mal auf Nzoy, der zusammenbricht und liegen bleibt. Rund vier Minuten stehen die Polizisten tatenlos da, ehe ein Passant Erste Hilfe leistet. Zu spät. Roger Nzoy ist die vierte Schwarze Person, die innerhalb von viereinhalb Jahren im Kanton Waadt in den Händen der Polizei stirbt. Seine Schwester Evelyn Wilhelm spricht mit Carlos Hanimann über Leben und Tod ihres Bruders, über dessen Erfahrungen mit Rassismus – und wie sie ihren Bruder gerne in Erinnerung behalten will. Text & Interview: Carlos Hanimann. Sound-Design: Christina Baron.

      Die Familie von Roger Nzoy stellt sich auf eine lange juristische Auseinandersetzung ein. Wer Evelyn Wilhelm und weitere Angehörige in ihrem Kampf für Gerechtigkeit für Nzoy unterstützen will, kann sie auch finanziell unterstützen. Spendenkonto: Justice4Nzoy Raiffeisenbank 8001 Zürich IBAN: CH30 8080 8007 4333 9949 7 🙏🏽

      https://diasboah.podigee.io/2-leben-und-tod-des-roger-nzoy

    • 30 août 2021

      Sur la voie 14 de la gare centrale de Zurich, Roger Nzoy monte à bord du train à destination de Genève à 13h04. Le même jour – sur le chemin du retour vers Zurich – il descend du train à 16h42 en gare de Morges. Il ne va pas bien. Il est en état de crise.

      Nzoy s’accroupit entre des trains immobilisés, cherche des forces dans une prière. Un employé de la voie ferrée lui demande de quitter les rails. Il appelle ensuite la police et signale la présence d’un homme désorienté près des voies.

      A leur arrivée, deux policiers s’approchent de Nzoy. Nzoy reste calme et attend. Soudain, deux autres policiers se précipitent vers lui – l’un d’eux brandit une arme. Nzoy se sent menacé, veut se défendre et se dirige vers le policier.

      Le policier tire deux coups de feu – Nzoy est à terre.

      Mais Nzoy se redresse et tente à nouveau de se défendre contre la supériorité des policiers armés. Il se réfugie derrière son sac de gym.

      Le policier tire à nouveau – Roger Nzoy reste couché.

      Pour toujours !

      Pendant plus de quatre minutes, les policiers laissent Nzoy allongé.

      Ils examinent Nzoy, qui est à terre, blessé par balle, avec leurs pieds. Ils l’attachent pendant une minute avec des menottes. Ils courent dans tous les sens. Enlèvent et remettent leurs gants. Ils tournent en rond.

      Les policiers appellent une ambulance. Aucune information n’est transmise sur l’état de santé de Nzoy. Pas un mot sur la question de savoir s’il respire encore ou où il est blessé. Le message envoyé aux ambulanciers est qu’il s’agit d’un « homme de couleur ».

      Roger Nzoy ne reçoit donc pas les premiers soins médicaux de la part des policiers présents. Après qu’il soit resté allongé sur le sol pendant quatre minutes, un infirmier qui passait par là lui a prodigué les premiers soins et a commencé à lui faire un massage cardiaque. Ce n’est qu’à ce moment-là que les policiers peuvent se résoudre à toucher Nzoy avec leurs mains et à participer à la réanimation. Il est trop tard.

  • Le piège de la frontiere de Nador-Melilla
    Résumé

    https://vimeo.com/954056937/358dd8498d

    Le #24_juin_2022, près de deux-mille personnes migrantes ont tenté de traverser la barrière-frontalière séparant la ville de #Nador – au nord-est du Maroc – de Melilla – enclave sous contrôle espagnol. La #répression violente qui leur a été infligée par les forces de l’ordre marocaines et espagnoles a transformé le poste-frontière de #Barrio_Chino en #piège mortel, et a abouti à un véritable #charnier. Les autorités marocaines ont reconnu 23 décès, mais l’Association Marocaine des Droits Humains à Nador (AMDH) a dénombré au moins 27 personnes tuées lors de cette journée, et plus de 70 personnes demeurent disparues jusqu’à aujourd’hui. Que s’est-il passé le 24 juin 2022 ? Comment et par qui le poste-frontière de Barrio Chino a-t-il été transformé en piège mortel ?

    Pour répondre à ces questions, Border Forensics a enquêté pendant plus d’un an avec Irídia-Centre pour la Défense des Droits Humains, l’Association Marocaine des Droits Humains et d’autres acteurs de la société civile des deux côtés de la frontière. Par ailleurs, nous avons bénéficié des conseils complémentaires du Centre Européen pour les Droits Constitutionnels et Humains (ECCHR). En articulant notre analyse du massacre à travers différentes échelles spatiales et temporelles, nous avons tenté de comprendre non seulement l’enchaînement des évènements et les pratiques des acteurs présents sur place le 24 juin 2022, mais également les conditions structurelles qui ont rendu ce massacre possible, ainsi que la conjoncture politique qui a influé sur l’intensité extrême de la violence. Nous analysons également la violence qui a continué après le 24 juin à travers l’absence d’identification des morts et des disparus, l’impunité pour le massacre et l’acharnement judiciaire contre les personnes migrantes elles-mêmes.

    Bien que des zones d’ombre subsistent, les faits que nous avons reconstitués en croisant de nombreux éléments de preuve sont accablants, tant pour les autorités marocaines et espagnoles que pour l’Union européenne (UE) qui les soutient politiquement et financièrement. Les autorités des deux côtés de la frontière doivent faire toute la lumière sur ce massacre, et enfin répondre aux demandes de vérité et de justice des victimes et de leurs familles.


    https://www.borderforensics.org/fr/enquetes/nadormelilla
    #Melilla #Espagne #Maroc #frontières #massacre #mourir_aux_frontières #morts_aux_frontières #border_forensics #architecture_forensique #violence #violences_policières #contre-enquête #apartheid_frontalier #barrières_frontalières #murs #domination_raciale #impunité #préméditation #militarisation_des_frontières #identification #externalisation

  • Le dessous des images. Derniers instants avant le naufrage

    Au large de la Grèce, une équipe de garde-côtes survole et capture cette scène depuis un hélicoptère. Des centaines de migrants appellent au secours depuis un chalutier. La plupart ne survivront pas au naufrage. Mais à quoi a servi cette image ? Présenté par Sonia Devillers, le magazine qui analyse les images de notre époque.

    Ce cliché du 13 juin 2023 est repris dans toute la presse internationale. Les autorités grecques ont photographié ce bateau de pêche qu’ils savent bondé et fragile, et dont les passagers sont affamés et déshydratés. Pourtant, ils ne seront pas capables de les secourir. La responsabilité des garde-côtes sera mise en cause par médias et ONG. Arthur Carpentier, journaliste au Monde et coauteur d’une enquête sur ce naufrage, nous explique en quoi les images ont permis de reconstituer le drame. Le chercheur suisse Charles Heller nous aide à comprendre l’impact médiatique, politique et symbolique des images de migrants et de naufrages en Méditerranée.

    https://www.arte.tv/fr/videos/110342-133-A/le-dessous-des-images

    Citation de #Charles_Heller :

    « Ces #images cristallisent toutes les #inégalités et les #conflits du monde dans lequel on vit. Elles nous disent aussi la #normalisation de la #violence des #frontières, sur la large acceptation de dizaines de milliers de #morts aux frontières européennes, et en #Méditerranée en particulier »

    #naufrage #migrations #réfugiés #mer #Méditerranée #mer_Méditerranée #Grèce #reconstruction #Pylos #géolocalisation #architecture_forensique #images #mourir_en_mer #morts_en_mer #garde-côtes #Frontex #reconstitution #SAR #mer_Egée #border_forensics #domination #imaginaire #invasion #3_octobre_2013 #émoi #émotions #normalisation_de_la_violence

    ping @reka

    • Frontex report into Greek shipwreck suggests more deaths could have been prevented

      A Frontex report suggesting that many of the deaths caused by the shipwreck off the Greek coast near Pylos last June could have been prevented was released by the Aegean Boat Report NGO on their X feed yesterday evening (January 31).

      Investigations into what happened to the Adriana, an overcrowded fishing vessel carrying some 750 people from Libya to Italy that sank off the coast of Greece on June 13, are ongoing.

      However, a report produced by the European Border Agency Frontex — marked “sensitive” and dated December 1, 2023 — was posted to X (formerly known as Twitter) late on January 31.

      The report was posted by Aegean Boat Report, an organization working with migrants in the eastern Mediterranean.

      In their post on X, they thank freelance Brussels-based journalist Eleonora Vasques for “making it available to the public.” Frontex told InfoMigrants in an email that they had released the report via their “Transparency Office.” They added that the “release wass part of a Public Access to Documents request, an important process that allows us to share information with the public.”

      Vasques writes regularly for the European news portal Euractiv. One of her latest reports looks into what happened in the Cutro shipwreck off Italy almost a year ago. The story was also sourced back to an internal Frontex report, which concluded that more lives could have potentially been saved if the response from Frontex and the Italian coast guard had been different.

      https://twitter.com/ABoatReport/status/1752800986664448090

      Long and detailed report

      The 17-page Pylos report from Frontex is redacted in parts and goes into great detail about what happened and which authorities and merchant ships were involved. It also compares timelines from various authorities, NGOs and media organizations.

      In the email to InfoMigrants, Frontex continued that they “strive to make such documents available in our Public Register of Documents as promptly as possible.” The Press Spokesperson Krzysztof Borowski wrote that the “Pylos tragedy is a stark reminder of the challenges and dangers faced at sea. We at Frontex share the profound concern and sadness of the public regarding this heartbreaking event.” He finished by saying: “Our thoughts are with all those affected by this tragedy, and we remain dedicated to our mission of safeguarding lives while ensuring border security.”
      Committment to ’assess cases more thoroughly

      Although the report finds that Frontex “followed applicable procedures”, it admitted that “going forward and based on a reviewed assessment methodology ... the team … should assess similar cases more thoroughly against the need to issue a Mayday alert.”

      A Mayday alert is a radio distress signal used at sea.

      The report appears to suggest that more could have been done on the day to prevent such a huge loss of life.

      According to the Frontex report posted on X, “in the hours following the sighting of Adriana, Frontex made three attempts to follow up on the case, by suggesting additional Frontex Surveillance Aircraft (FSA) sorties.”

      Frontex writes that “no reply was received by the Greek authorities to Frontex’ repeated offers until Adriana’s shipwreck.”

      Frontex made an initial statement on June 16 expressing “shock and sadness” at the events off Pylos.
      ’Greek authorities failed to timely declare a search and rescue situation’

      Although the investigating office at Frontex underlines that it is “not in a position to conclude what caused Adriana’s capsizing and shipwreck … it appears that the Greek authorities failed to timely declare a search and rescue and to deploy a sufficient number of appropriate assets in time to rescue the migrants.”

      The report stated that Frontex “regrets the lack of information provided by the Greek authorities to its enquiry but still expects to receive updates from the national investigations in progress.”

      According to Frontex’ timeline of the incident, the agency first learned about the existence of the fishing vessel carrying migrants on June 13 at around 10:12 UTC, or around 13:12 in Greek summer time. They spotted the vessel from their aerial surveillance plane Eagle 1. About four hours later, another update was sent to the fundamental rights monitor, but according to the report, nothing “out of the ordinary” was flagged regarding the vessel at this point.

      The next paragraph jumped to June 14 at 06.19 UTC, when the fundamental rights monitor received “another update … notifying that Adriana sank overnight and a SAR [Search and Rescue] was in progress.”
      ’Serious Incident Report’ launched by Frontex on June 26

      In the following days, the Office for Fundamental Rights at Frontex monitored the aftermath of the incident, states the report.

      They studied “Frontex’ own sightings of Adriana” along with “statements by Greek officials, and initial information reported in the media.”

      Frontex launched a “Serious Incident Report (SIR) on June 26, “to clarify the role of Frontex in the incident as well as the legality and fundamental rights compliance of the assistance to the boat in distress, and the coordination and conduct of rescue operation by national authorities.”

      According to a summary of that work, the first mention of the Adriana came from the Italian control authorities in Rome at 08:01 UTC on June 13.

      At that point, Rome’s search and rescue authorities contacted Greece’s authorities and Frontex about “a fishing vessel with approximately 750 migrants on board, known to be sailing within the Greek Search and Rescue Region at 06:51 UTC.” At that point, Rome had already alerted the authorities to “reports of two dead children on board.”

      After receiving this report, Frontex wrote that it directed its plane Eagle 1, which was already in the air, to fly over the fishing vessel “even though the vessel lay outside the normal patrolling route.”

      The report said the Eagle 1 spotted the “heavily overcrowded” vessel at 09:47 UTC and informed the Greek authorities. Ten minutes later, the plane left the area due to low fuel and returned to base.
      Italian authorities report Adriana ’adrift’ long before Greek authorities do

      By 13:18, Rome’s search and rescue authorities provided an update of the situation to Greek authorities and Frontex. At that point, they said the boat was “reported adrift” and had “seven people dead on board.”

      At 14:54, Frontex reportedly received an email from the NGO Watch The Med – Alarm Phone alerting Frontex, JRCC Piraeus, the Greek Ombudsman’s Office, UNHCR and others to the new location of the fishing boat. In that email, Alarm Phone stated there were “several very sick individuals, including babies” among the approximately 750 people on board and that the boat was “not able to sail.”

      About 30 minutes later, this email was forwarded by Frontex to the Greek National Coordination Center and JRCC Piraeus, and it was sent on to the Fundamental Rights Office.

      About an hour later, Frontex contacted the Greek authorities to request an update on the situation. Frontex also offered to deploy a surveillance aircraft to check on the ship’s current position, but reports it received no reply.

      Just under two and a half hours later, the Greek authorities did request that Frontex support them “in the detection of a migrant boat within the maritime area south of Crete, as part of another SAR operation.” This turned out to be a sailing boat with about 50 people on board.
      ’No reply was received’

      Later that evening, Frontex contacted the Greek authorities twice more and said no reply was received.

      At 23:20 UTC, Frontex redirected the plane that had been helping with the fishing boat off Crete to the last known position of the fishing vessel.

      The timeline moves to June 14. At 02:46 UTC, Frontex informs the Greek authorities that its plane was headed towards the last position of the fishing vessel. It says it received no reply from the Hellenic authorities.

      Over an hour passed before the plane, this time the Heron 2, reached the “operational area” where it spotted “nine maritime assets (eight merchant vessels and one Hellenic Coast Guard patrol vessel) and two helicopters involved in a large-scale SAR operation.” At that point, states Frontex in the report “no signs of the fishing vessel were spotted.”

      At 05:31, Frontex told the Greek authorities that its plane Heron 1 was about to leave the operation, but offered Eagle 1, which was already airborne, to help with the SAR operation. The Greek authorities replied over two hours later that “no further aerial surveillance support was needed for the time being.”
      No mention of dead bodies on board in Greek timeline

      The Frontex report then includes a similar timeline from the Greek authorities. In the Greek version, there is no initial mention of dead bodies on board. They say they established contact with those on board and “no request for assistance was addressed to the Greek authorities.”

      Although the Italians reported that the vessel was already adrift around 13:18 UTC, according to the Frontex report, in the Greek version, the vessel is “still sailing with a steady course and speed” at 15:00 UTC.

      Around that same time, a Maltese flagged commercial vessel approaches the fishing boat to supply them with food and water, as requested by the Greek authorities. According to the Greek report, the people on board were repeatedly asked if they were facing “any kind of danger” or were “in need of additional support.” Their answer, according to Greece, was “they just wanted to continue sailing towards Italy.”

      30 minutes later, again according to JRCC Piraeus, via satellite phone contact, those on board said they wanted to keep sailing.

      At 18:00, the boat was approached again. According to the report, the migrants “accepted water” from the Greek-flagged commercial vessel that approached them, but “threw the rest of the supplies into the sea.” This approach and refusal of assistance carried on into the evening.
      Adriana ’still holding a steady course and speed’

      At 19:40 UTC, according to the Greek report, a Greek coast guard vessel approached the fishing vessel and “remained at a close distance in order to observe it.” It was still holding a “steady course and speed, without any indications of sailing problems.”

      It was only at 22:40 UTC, according to the Greek report, that the fishing vessel “stopped moving and informed the Greek authorities that they had an engine failure.”

      A Greek coast guard vessel then immediately approached the vessel to assess the situation. Less than an hour later — at 23:04 UTC, but 02:04 local time on June 14 — the Greek report notes that the fishing vessel “took an inclination to the right side, then a sudden inclination to the left side and again a great inclination to the right side, and eventually capsized.”

      They said "people on the external deck fell in the sea and the vessel sunk within 10-15 minutes.” At that point, the Hellenic coast guard “initiated a SAR operation.”

      The Frontex report then notes “alleged discrepancies” between the various timelines and survivor statements given to the media.

      They say that many of the survivors reported that the Greek coast guard “tied ropes onto the fishing vessel in an effort to tow it,” which allegedly caused it to destabilize and capsize.

      In the past, the Greek coast guard have tied and towed vessels successfully towards safety.

      However, while the Greek coast guard acknowledged that one rope was attached around three hours before the boat sank to ascertain passengers’ conditions, there was “no attempt to tow it.”

      The rope, say the Greeks, was removed by the migrants on board just a few minutes later and the coast guard vessel moved a distance away to continue observation.
      Was Adriana stationary prior to capsizing or not?

      The BBC and several other media outlets also reported at the time that prior to capsizing and sinking, the fishing vessel had not moved for several hours.

      This is consistent with the Frontex timeline, which mentions the Italian authorities’ warnings that the boat was adrift the day before it eventually capsized.

      Later in the report, Frontex notes that many of the “alternative and complementary timelines” put together by international NGOs and journalists are “credible” as they quote “more than one source for each statement.”

      The Frontex report looks into the question of whether or not the Adriana was drifting for several hours before sinking.

      It concludes that the Faithful Warrior, one of the merchant tankers sent to assist, was tracked between 17:00 and 20:00 and was “likely stationary or moving at extremely slow speed (less than 1 knot),” indicating that the Adriana was probably not sailing normally until shortly before it capsized as the Greek report claimed.

      The report also consulted “maritime experts to gain insight into issues pertaining to stability when a trawler of Adriana’s type is overloaded with human cargo.” Although their consultations were not precise due to a lack technical data, the experts indicated that the amount of people on board could have destabilized the boat or affected its stability.
      Testimony from survivors

      A Frontex team took testimonies from survivors after the shipwreck. They said they were told there were between 125 and 150 Syrians on board, including five women and six children.

      Around 400-425 Pakistanis were on board, the report said, most of whom were placed on the lower decks. The access ladders had been removed, making it impossible for them to exit.

      There were also between 150 and 170 Egyptians and about 10 Palestinians on board. The alleged smugglers were all said to be Egyptians and enforced discipline with pocket knives.

      Numerous fights broke out on board, particularly after food ran out a few days into sailing. At some point, the captain allegedly suffered a heart attack and the boat was “drifting without engine for extended periods of time.” On day four, June 12, six people were reported to have died, and others had resorted to drinking urine or sea water.

      On day five, June 13, some migrants said they received supplies from two vessels and “at night … were approached by a small boat that they were asked to follow.”

      They said they could not do this because of their engine malfunction. Several of the migrants also allege that attempts were made to tow the vessel — presumably by the Hellenic coast guard, they said.

      Survivors also said that at one point, a boat tied a rope to the front of the Adriana and started “making turns”. This, they said, “caused the migrants to run to one side, their vessel started rocking, and eventually capsized within 15 minutes.”

      Only people on the upper decks were able to jump into the water.
      Greek authorities leave ’detailed questions answered’

      In July, Frontex said it approached the Greek authorities with a “detailed set of questions” but most of its questions were left unanswered.

      In conclusion, the Frontex Fundamental Rights Office concluded that although Frontex “upheld” all its “applicable procedures,” in the light of the information that had already been transmitted and similar situations in which Mayday alerts had been issued, the assessment could have been different and the process for issuing Mayday alerts in the future “needs to be reviewed.”

      The report admits that “at the time of the initial sighting [of the Adriana] by Eagle 1, there was reasonable certainty that persons aboard … were threatened by grave and imminent danger and required immediate assistance.”

      They also say the “resources mobilized by the [Greek] authorities during the day … were not sufficient for the objective of rescuing the migrants.”

      Frontex adds that the Greek authorities appear to have “delayed the declaration of SAR operation until the moment of the shipwreck when it was no longer possible to rescue all the people on board.”

      https://www.infomigrants.net/en/post/54928/frontex-report-into-greek-shipwreck-suggests-more-deaths-could-have-be

  • Communiqué commun et publication d’une analyse préliminaire sur la mort de Roger ‘#Nzoy’ Wilhelm

    Depuis plusieurs mois, Border Forensics enquête sur la mort de Roger ‘Nzoy’ Wilhelm, un Suisse d’origine sud-africaine, tué par la #police à la gare de #Morges (Suisse) le 30 août 2021. Plus de deux ans après sa mort, alors que le déroulement exact des événements reste flou, le #Ministère_public du Canton de Vaud a récemment annoncé sa volonté de rendre une #ordonnance_de_classement et une #ordonnance_de_non-entrée_en_matière.

    Alors que notre enquête sur la mort de Roger ‘Nzoy’ Wilhelm est toujours en cours, et en contribution à la demande de vérité et de justice de la Commission d’enquête indépendante sur la mort de Roger Nzoy Wilhelm, aujourd’hui une analyse préliminaire produite par Border Forensics concernant une partie des événements a été soumise au Ministère public du Canton de Vaud. Cette analyse sera rendu public prochainement.

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    Communiqué de presse : La Commission indépendante et Border Forensics critiquent le ministère public dans l’affaire de l’homicide de Roger Nzoy Wilhelm et publient des preuves ignorées

    Le Zurichois Roger Wilhelm, âgé de 38 ans, a été abattu par un policier le 30 août 2021 à la gare de Morges. Wilhelm a été laissé sur le ventre pendant six minutes et demie, sans que les autres policiers impliqués ne lui prodiguent les premiers soins. Malgré cela, le 10 octobre 2023, le Ministère public du canton de Vaud a annoncé qu’il ne poursuivrait ni l’#homicide ni l’#omission_de_prêter_secours.

    La Suisse ne dispose pas d’une institution indépendante pour enquêter sur les incidents de violence policière, c’est pourquoi un examen et une enquête indépendants de la société civile sur ce cas de décès s’avèrent urgents. Une commission indépendante composée de scientifiques issus des domaines de la médecine, de la psychologie, du droit et des sciences sociales ainsi que l’organisation de recherche scientifique Border Forensics examinent désormais le cas eux- mêmes. Les résultats provisoires de ces recherches ont été présentés aujourd’hui [vendredi 10.11.23] à Lausanne en présence d’Evelyn Wilhelm et de l’avocat Me Ludovic Tirelli, chargé de l’affaire. Ces travaux montrent que la décision du Ministère public doit être remise en question de toute urgence.

    Elio Panese, membre de l’équipe de recherche Border Forensics, a reconstitué à la seconde près le déroulement de l’#homicide à Morges au moyen d’un film. Ce film montre que Roger Wilhelm est resté au sol menotté pendant six minutes et demie alors qu’il avait une blessure par balle et qu’il n’a pas fait d’autres mouvements que de respirer. Cela prouve que les policières/policiers impliqué·es ont négligé de prendre les mesures de #sauvetage et de #réanimation vitales. Le Dr Martin Herrmann, qui fait partie des experts médicaux de la commission (spécialiste FMH en chirurgie générale et traumatologie), a confirmé dans son analyse que les mesures de #premiers_secours nécessaires n’avaient pas été prises, bien que Roger Wilhelm, allongé sur le ventre, ne représentait aucune menace pour les policières/policiers et qu’il effectuait encore des mouvements respiratoires. La question à clarifier devant le tribunal est la suivante : la vie de Roger Wilhelm aurait-elle pu être sauvée par des mesures de premiers secours immédiates prises par la police ?

    Udo Rauchfleisch, professeur émérite de psychologie clinique et membre de la commission, a rédigé un rapport basé sur des dossiers psychiatriques, des entretiens avec des proches, des déclarations de témoins et des séquences vidéo de l’homicide de Roger Wilhelm. Selon ce rapport, la police vaudoise a été appelée pour venir en aide à un homme Noir qui présentait des symptômes de psychose. Selon l’expertise du Prof. Rauchfleisch, Roger Wilhelm n’était en aucune manière et à aucun moment agressif, mais il était stressé et aurait eu besoin d’une #aide_psychologique. Au lieu d’apporter leur aide, les quatre policières/policiers ont accru le #stress_psychologique de Roger Wilhelm. Celui-ci a été considéré comme une menace et a finalement été abattu. C’est pourquoi une autre question décisive se pose, qui doit être clarifiée devant le tribunal : le comportement des policières/policiers était-il adéquat et l’utilisation d’#armes_à_feu était-elle nécessaire et conforme à la loi ?

    La mort de Roger Wilhelm doit être replacée dans le contexte d’autres homicides de personnes Noires par la police en Suisse. Dans le cas de #Mike_Ben_Peter, décédé le 28 février 2018 à la suite d’une intervention policière, le procureur chargé de l’enquête, qui gère également le cas de Roger Nzoy Wilhelm, a demandé à la surprise générale l’acquittement des policiers impliqués lors du procès. Me Brigitte Lembwadio Kanyama, membre du groupe juridique de la Commission, a sévèrement critiqué le traitement des décès survenus à la suite d’interventions policières dans le canton de Vaud. Dans tous les cas, les personnes tuées étaient des personnes Noires. L’avocat Me Philipp Stolkin, membre du groupe juridique de la Commission, a souligné que le #ministère_public devrait être en mesure de mener son enquête indépendamment de la #couleur_de_peau de la victime et du fait qu’une personne soupçonnée d’avoir commis une infraction soit employée par une entité de droit public.

    Selon un autre membre du groupe de la commission, le juriste David Mühlemann, du point de vue des #droits_humains, le ministère public est tenu d’enquêter de manière indépendante, efficace et complète sur de tels décès exceptionnels : « Ce qui est en jeu, ce n’est rien de moins que la confiance du public dans le monopole de la violence de l’État. » En voulant classer l’affaire, le ministère public empêche la possibilité d’une enquête conforme aux droits humains. C’est pourquoi la Commission demande instamment au Ministère public vaudois d’ouvrir une enquête sur l’affaire Roger Nzoy Wilhelm et de porter l’affaire devant le tribunal.

    Vous trouverez plus d’informations sur : https://nzoycommission.org

    https://www.borderforensics.org/fr/actualites/20231110-pr-roger-nzoy-wilhelm

    #border_forensics #architecture_forensique #violences_policières #Suisse #Roger_Wilhelm #justice #impunité

    • Commission d’enquête indépendante sur la mort de Roger Nzoy Wilhelm

      Roger Nzoy Wilhelm a été abattu le 30 août 2021 par un policier de la police régionale à la gare de Morges. Une commission indépendante s’est constituée le 31 mai 2023 pour faire la lumière sur les circonstances de sa mort.

      En Suisse, des agressions policières sont régulièrement commises contre des personnes de couleur, des migrants et des personnes socialement défavorisées. Certaines de ces agressions ont une issue fatale, comme dans le cas de Roger Nzoy Wilhelm. La commission estime qu’il est urgent de faire toute la lumière sur ces décès et de mettre en place un contrôle de l’action de la police par la société civile. C’est pourquoi nous avons décidé de commencer à travailler sur les points suivants :

      - l’élucidation complète des circonstances qui ont conduit à la mort de Roger Nzoy Wilhelm à la gare de Morges le 30 août 2021.
      – l’examen complet de la procédure juridique et policière, des dossiers d’enquête et de l’administration des preuves par la justice. Il s’agit d’examiner si l’enquête a satisfait aux exigences de la procédure pénale en matière d’enquête sur les décès ou dans quelle mesure l’enquête a été déficiente : Comment la scène de crime a-t-elle été sécurisée ? Les témoins ont-ils été correctement interrogés ou ont-ils subi des pressions ? Comment s’est déroulé l’examen médico-légal ?
      - Il s’agit d’examiner si les enquêtes menées dans le cas de Roger Nzoy répondent aux exigences des droits de l’homme en matière d’enquête efficace et indépendante en cas de décès exceptionnel et quels sont les obstacles structurels à l’élucidation des violences policières.
      - la mise en perspective des circonstances qui ont conduit à la mort de Roger Nzoy Wilhelm dans le contexte historique et social en Suisse.

      https://www.nzoycommission.org/fr

  • From the Sea to the River, the deadly violence of Europe’s borders
    https://visionscarto.net/border-forensics-from-sea-to-river

    Over the last years, investigative practices combining scientific methods, art and architecture have allowed to shed new light on human rights violations. Emerging out of the pioneering London-based agency Forensic Architecture and the Forensic Oceanography research project, in 2021 a new investigative agency – Border Forensics – was established. Border Forensics focuses specifically on documenting and contesting violence related to the existence and management of borders. This article (...) Articles

    #Articles_

  • Mission accomplie ? Les effets mortels du contrôle des frontières au #Niger

    Résumé

    Le 26 mai 2015, le Parlement du Niger a adopté la #loi n° #2015-36 sur le #trafic_illégal_de_migrants, qui a donné lieu à une approche répressive et sécuritaire de la gestion des migrations. La loi a été rédigée sous l’égide de l’Office des Nations unies contre la drogue et le crime (ONUDC), et le soutien financier de l’Italie et du Danemark.

    Les prestataires de services aux migrants (tels que transporteurs, hôtes, courtiers, etc.) qui, jusqu’alors, opéraient au grand jour dans le contexte d’une infrastructure de mobilité transsaharienne socialement et économiquement cruciale, se sont retrouvés soudainement criminalisés et exposés à des sanctions sévères ainsi qu’à des peines d’emprisonnement.

    De nouvelles formes de contrôle des frontières ont été mises en place, avec le soutien technique r et financier des institutions de l’UE et des États membres désireux de contenir la migration à travers le Sahara. Au cours années suivantes i, des milliers de décès et de disparitions de migrants ont été enregistrés dans le nord du Niger. Le gouvernement nigérien, les médias et les agences de l’UE telles que Frontex ont imputés la responsabilité de l’augmentation du nombre de décès et de disparitions aux transporteurs , désormais considérés comme des passeurs négligents et cupides. Grâce à sa fermeté, le Niger a été érigé en modèle en matière de “lutte contre le trafic illicite de migrants”. Le gouvernement nigérien et ses partenaires internationaux ont ainsi développé un discours de “mission accomplie”, se vantant d’avoir réussi à réduire le nombre de “migrants” transitant par le Niger et soulignant la protection des migrants contre les passeurs.

    Ce récit a été remise a été contesté par de nombreux journalistes, activistes et chercheurs , soutenant au contraire, que cette loi n’a fait qu’exacerber les dangers de mort auxquels sont confrontés les migrants i. Ils ont mis en évidence le rôle du Niger en tant que lieu stratégique clé du contrôle de la mobilité dans le cadre des politiques d’externalisation des frontières de l’UE, à travers lesquelles l’UE a étendu le contrôle de ses frontières au-delà de son périmètre, y compris toujours plus au sud dans la bande Saharo-sahélienne. Leurs analyses ont montré que les effets de la loi, ainsi que les nombreuses formes de contrôle aux frontières qui se sont développées ces dernières années, ont contraint les trajectoires les transporteurs dans des zones plus reculées du désert, créant ainsi des situations dangereuses et souvent fatales lorsqu’un véhicule tombe en panne ou que les transporteurs abandonnent leurs passagers et s’enfuient afin d’éviter d’être appréhendés. Des activistes, des journalistes et des chercheurs travaillent sans relâche depuis des années pour attirer l’attention sur la façon dont la mise en œuvre de la loi a conduit à un désastre humanitaire pour les migrants et les Nigériens, ainsi qu’à une précarité économique et à la crainte d’amendes sévères et d’emprisonnement parmi les locaux, en particulier pour ceux qui vivent dans la région d’Agadez.

    En dépit de ces efforts, le nombre réel de décès de migrants dans le reste inconnu. En effet, les sanctions sévères prévues par la loi ont contraint les mouvements transsahariens à l’intérieur du Niger à se poursuivre dans la clandestinité et dans les zones les plus reculées du désert, où les incidents peuvent facilement passer inaperçus. Par conséquent, il est devenu encore plus difficile de recueillir des données fiables sur les décès.

    Dans ce rapport, l’enquête de Border Forensics mobilise des méthodologies nouvelles et uniques d’analyse géospatiale et de télédétection pour contribuer à une meilleure analyse empirique des effets mortels de la loi 2015-36 et du renforcement des contrôles aux frontières qui en découle. Nous détaillons d’abord le contexte sous-jacent aux changements spectaculaires obervées dans l’approche de la migration au niveau national au Niger, et le rôle des acteurs européens dans le développement des contrôles frontaliers au Niger à partir de 2015 pour contenir la migration vers l’Europe. Puis, nous discutons des défis liés à la collecte de données et limitant la disponibilité de preuves empiriques pour documenter les effets de la loi 2015-36. Ensuite, nous décrivons les méthodologies uniques que nous avons développées et les sources de données auxquelles nous avons eu accès, avant de les appliquer à une étude de cas multi-sites le long d’une section de la route Agadez-Sabha qui s’étend de la ville civile de Séguédine au poste frontalier de Toummo à la frontière nigéro-libyenne, en passant par le poste militaire de Madama. Après une brêve description de chacun des sites, nous décrivons les analyses géospations et de télédétection que nous avons déployées sur chacun d’eux. Enfin, nous discutons des implications de ces résultats pour déterminer les responsabilités des dangers accrus des traversées transsahariens au Niger dans le sillage de la loi 2015-036.

    Bien que nos analyses de chaque site révèlent des dynamiques variées de pratiques frontalières et d’éclatement des trajectoires, un modèle récurrent émerge, indiquant une corrélation claire entre le renforcement des contrôles frontaliers et la dispersion des trajectoires des migrants. Nous démontrons ensuite comment cette dispersion voit les trajectoires des migrants s’enfoncer dans le désert, où les chances de survie sont considérablement réduites dans les cas d’incidents récurrents tels que les pannes de véhicule, d’abandon, ou de passagers à court d’eau. Nous rendons ainsi visible et mesurable l’un des plus grands risques encourus lors de cette traversée du désert du Sahara : un état de déshydratation potentiellement mortel dans les zones moins fréquentées et moins surveillées.

    Les méthodologies innovantes présentées dans ce rapport sont destinées à servir de base à l’élargissement de la base de preuves sur les effets de l’externalisation des frontières. Ces éléments de preuves peuvent soutenir les appels à une plus grande responsabilisation de tous les acteurs engagés dans la gestion des frontières, notamment le gouvernement nigérien, l’UE et ses États membres, ainsi que les agences de l’ONU.

    https://www.borderforensics.org/fr/investigations/niger-investigation

    #frontières #externalisation #migrations #réfugiés #asile #répression #morts_aux_frontières #létalité #décès #mourir_aux_frontières #criminalisation #contrôles_frontaliers #passeurs #transporteurs #Agadez #déshydratation #désert #responsabilité #Border_forensics

    a contribué à l’enquête @rhoumour

    • ’Migrants abandoned in the Sahara Desert have no chance of surviving’ — Border Forensics

      A new report released by Border Forensics concludes that migrants have almost no chance of surviving when crossing the desert from Niger to Libya. Ever since the introduction of border control laws in 2015, migrants have been forced to take more remote and deadly paths, according to Border Forensics.

      Border Forensics, an agency that uses spatial analysis to investigate practices of border violence, recently published an investigation on the consequences of new border control mechanisms between Niger and Libya. The collective, composed of researchers and geographers, has shown how crossing the desert to reach Libya has become increasingly deadly since 2015.

      That year, Niamey adopted a law making transporting and hosting migrants illegal. Consequently, traffickers had to find new routes that were further away from the main roads and less visible to the authorities.

      According to the Border Forensics report, the death toll in the Sahara Desert has never been higher than it is today.

      InfoMigrants interviewed Rhoumour Ahmet Tchilouta, a member of Border Forensics and a PhD student in political geography at the University of Grenoble.

      InfoMigrants: What techniques did you use for this investigation?

      Rhoumour Ahmet Tchilouta: We used geospatial data. The aim was to measure the effect of the Nigerien law of 2015 on the routes taken by migrants through the Sahara desert.

      We focused on the route linking Agadez, in northern Niger, to Sabha, in Libya.

      We analyzed high-resolution satellite images to understand the new paths that migrants take in order to avoid the authorities. With satellite data, it is possible to obtain very clear images and see the smallest details very precisely. For example, you can see a wrecked vehicle or streams of people.

      We also analyzed the risks associated with dehydration using a technique which is also used by researchers working on the route from Mexico to the United States.

      We conducted interviews with drivers [members of an irregular immigration network responsible for transporting migrants in vehicles through Niger, editor’s note] who detailed the new zones of trajectories to us.

      We compared these trajectories with the main routes and then we considered several factors — like elevation, heat or the wind. We also analyzed how much a person sweats, specifically how many liters of water a migrant will lose as they try to reach the main road after being abandoned in the desert.

      With the accumulated factors, we can now say that the migrants abandoned in the Sahara Desert have no chance of surviving.

      The migrants are too far away from main roads to be spotted and helped in the case of an accident. The human body cannot last that long.

      In addition, by analyzing the field of vision, meaning the visibility or invisibility of the routes, we show the correlation between invisibility and the dangers that migrants face. The less visible the routes, the more deadly the situation becomes for migrants. The main cause of death is always the same: lack of water.

      IM: In the report, you state that the “Sahara is an open tomb”. You write that bodies can be found months or even years after death.

      Rhoumour Ahmet Tchilouta: In the Sahara desert, sandstorms and windstorms are frequent. Vehicle tracks disappear quickly. If you put an object in the sand, it quickly disappears.

      The same rule applies to cadavers. Some remain buried forever.

      Windstorms can also unearth bodies. There are very regular reports of macabre discoveries in the desert. We find dried up bodies, suddenly exposed by the movements of sand.

      IM: Why do you carry out this type of research work and for what purpose?

      Rhoumour Ahmet Tchilouta : The purpose of this investigation is to provide evidence. For years, journalists, researchers and organizations have said the 2015 law has caused a lot of suffering by making the road to Libya much more dangerous. Except there was no proof.

      This report shows how border policies have accentuated the dangers faced by migrants on the road between Niger and Libya.

      New empirical data of the mechanisms through which border controls have led to increased danger for migrants now exists.

      There is also another objective: to highlight the violence of the migration policies implemented in Niger.

      IM: Who is accountable for the increased death and suffering of migrants?

      Rhoumour Ahmet Tchilouta: There have always been deaths in the desert but never as many as now.

      The 2015 law in Niger has had devastating effects and the main actor responsible for the migratory dramas is Niger. Yet, without European and UN funding, Niger would never have been able to implement its policy.

      One of the main partners in migration control in Niger is the International Organization for Migration (IOM): it is involved in the construction of border posts and the strengthening of Niger’s defense and security forces.

      The UN agency is Niamey’s main partner. The EU funds the partnership.

      European players therefore play an important role. The EU Emergency Trust Fund for Africa has provided about €300 million to Niger.

      All actors operating in Niger believe the mission of stopping migratory flows has been partially accomplished. This is false, the policy has simply forced migrants to take increasingly distant and dangerous paths.

      https://www.infomigrants.net/en/post/48858/migrants-abandoned-in-the-sahara-desert-have-no-chance-of-surviving--b

    • Europas Wüste

      Die EU möchte Migration verhindern – und das bereits außerhalb ihrer eigentlichen Grenzen. Welche Auswirkungen das hat, zeigt ein Blick auf die Situation im Niger.

      Die Bundesregierung hat sich kürzlich auf eine gemeinsame Strategie zur Reform des europäischen Asylrechts geeinigt. In Auffanglagern an den EU-Außengrenzen soll das Schicksal tausender Geflüchteter im Schnellverfahren entschieden werden. Dabei gibt sich die europäische Gemeinschaft größte Mühe, Migrant:innen proaktiv von ihren eigenen Grenzen fernzuhalten.

      Ein Beispiel: Die Bundeswehr wird sich an der »EU Military Partnership Mission In Niger« beteiligen. Im Sinne der Friedensstiftung in der Sahelzone sollen Maßnahmen getroffen werden, um die Geflüchteten möglichst schon mitten in Afrika an der Weiterreise zu hindern. So wird die Sahara-Wüste zum großen und tödlichen Hindernis – und zur ersten Grenze der EU mitten in Afrika – wie es Menschenrechtsaktivist:innen vor Ort nennen.

      In dieser Folge von Global Trouble sprechen wir mit Kerem Schamberger über die Situation im Niger. Er ist in der Öffentlichkeitsarbeit von medico international für den Bereich Flucht und Migration zuständig und hat das westafrikanische Land besucht. Gemeinsam mit den medico-Partnerorganisationen „Alarmphone Sahara“ und „Border Forensics“ blicken wir auf die Folgen von Europas Externalisierung des Grenzregimes.

      https://www.medico.de/europas-wueste-19081
      #podcast

    • Sahara : La collaboration entre le Niger et l’UE pour renforcer les contrôles aux frontières met en danger la vie des migrants

      Border Forensics a développé de nouvelles méthodes d’analyse géospatiale pour mesurer l’impact du renforcement des contrôles sur les risques encourus par les migrants lors de la traversée du désert du Sahara nigérien.

      Une loi sur le “trafic illicite de migrants” adoptée par le Niger en 2015 et mise en oeuvre avec le soutien décisif des États, institutions et agences européens, a provoqué une crise humanitaire tant pour les migrants que pour les Nigériens empruntant les routes transsahariennes du Niger. L’enquête publiée par Border Forensics s’appuie sur des méthodes innovantes d’analyse géospatiale pour apporter de nouvelles preuves sur la manière dont ces politiques et pratiques ont accentué les risques de perte de vies humaines.
      Afin de prévenir la migration à travers le nord du Niger vers la Libye, le Gouvernement nigérien, Dans le but de contrecarrer la migration à travers le nord du Niger vers la Libye, les autorités européennes ont criminalisé les prestataires de services aux migrants (transporteurs, hôtes, courtiers, etc.), qui constituaient jusqu’alors une infrastructure vitale de la mobilité transsaharienne. Ils ont établi de nouvelles formes de contrôle aux frontières. Celles-ci n’ont pas mis fin à la mobilité dans la région, au contraire, elles ont forcé les trajectoires des transporteurs vers des zones encore plus reculées du désert, créant ainsi des conditions dangereuses et souvent fatales lorsqu’un véhicule tombe en panne ou que les transporteurs abandonnent leurs passagers en fuyant d’être appréhendés.
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      “En raison des sanctions sévères prévues par la loi et du renforcement des contrôles aux frontières, les mouvements transsahariens à l’intérieur du Niger ont été contraints à la clandestinité. Ce faisant, on ignore l’ampleur réelle des décès de migrants dans le désert. Pour pallier ce manque de données fiables et contribuer à une meilleure analyse empirique des effets meurtriers de la loi de 2015-36, nous avons dû développer de nouvelles méthodes d’analyse géospatiale, en nous appuyant notamment sur le travail des activistes et des chercheurs qui ont documenté les décès de migrants dans le désert de Sonora, à la frontière entre les États-Unis et le Mexique.” – Tara Plath.
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      L’enquête de Border Forensics mobilise ces méthodologies géospatiales et de télédétection novatrices pour analyser la relation entre les pratiques frontalières, les changements spatiaux dans les trajectoires des migrants et les dangers accrus de la traversée du desert du Sahara nigérien.
      Le rapport a déployé ces méthodes pour une étude de cas sur plusieurs sites le long d’une section de la route reliant Agadez, dans le nord du Niger, à Sabha, en Libye : la ville civile de Séguédine, le poste militaire avancé de Madama et le poste de contrôle de Toumo à la frontière nigéro-libyenne. Les analyses menées par Border Forensics sur chaque site révèlent un schéma clair établissant un lien entre le renforcement des contrôles aux frontières et les changements de trajectoire des migrants, qui s’enfoncent dans le désert, où les chances de survie sont considérablement réduites en cas d’incidents récurrents tels que la panne du véhicule, d’abandon ou de pénurie d’eau. L’enquête permet ainsi de rendre visible et mesurable les dangers accrus rencontrés par les migrants à travers l’un des plus grands risques encourus dans ces voyages transsahariens : un état de déshydratation potentiellement mortel dans les zones les moins fréquentées et les moins visibles. La corrélation observée entre le niveau d’invisibilité des pistes alternatives utilisées par les migrants pour éviter les contrôles aux frontières et le niveau de danger potentiel rencontré le long de ces pistes post-2015 suggère une relation de cause à effet.

      Au-delà des pertes tragiques en vies humaines, la loi 2015-36 a eu aussi d’autres effets néfastes. Elle a contribué à saper le tissu social, économique et politique des communautés affectées au Niger et au-delà. Elle a eu un impact sur les moyens de subsistance des populations locales mettant ainsi en péril leur stabilité économique et leur bien-être, tout en restreignant la mobilité au Niger des citoyens de la Communauté économique des États de l’Afrique de l’Ouest qui, conformément aux accords régionaux, devraient pourtant bénéficier de la liberté de circulation et du droit de résider et de s’installer au Niger. Ces éléments peuvent appuyer les appels à une plus grande responsabilisation de tous les acteurs engagés dans la gestion des frontières, en particulier le gouvernement nigérien, l’UE et ses États membres, ainsi que les agences de l’ONU.
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      “Tous les acteurs – qu’ils soient nigériens, européens, des agences de l’ONU ou autres – impliqués dans l’élaboration et la mise en œuvre de cette loi devraient être tenus responsables de l’augmentation des décès et des souffrances des migrants qu’elle a entraînée. Le gouvernement du Niger devrait mettre fin à la criminalisation des nombreux acteurs qui transportent ou interagissent avec les migrants, tandis que l’Union européenne, ses agences et ses États membres devraient immédiatement cesser de soutenir des politiques migratoires néfastes au Niger et au-delà par le biais de l’externalisation de leur dispositifs de contrôle des frontières.”

      https://airinfoagadez.com/2023/05/14/sahara-la-collaboration-entre-le-niger-et-lue-pour-renforcer-les-cont

  • Des appareils de #surveillance de #Frontex sont utilisés par les #gardes-côtes_libyens pour intercepter illégalement des migrants

    « Le Monde » a identifié l’origine de sept images aériennes publiées par les gardes-côtes libyens sur leurs pages Facebook. Elles ont été réalisées par des appareils de surveillance de Frontex, et démontrent comment les activités de l’agence européenne facilitent des interceptions illicites par les Libyens en Méditerranée. Frontex a toujours soutenu ne pas collaborer avec les garde-côtes libyens.

    « Le patrouilleur Fezzan a porté secours à un chalutier en feu et a sauvé son équipage de huit personnes. » Le 24 août 2021, la page Facebook « Gardes-côtes et sécurité portuaire » publie le bilan d’une opération de sauvetage menée au cours de la journée par les gardes-côtes libyens.

    La présence d’informations temporelles et de localisations sur l’image indique qu’il s’agit d’une prise de vue réalisée par un appareil de surveillance aérienne, et non par un simple appareil photo. Ce genre d’images, entre 2018 et 2022, les gardes-côtes libyens en ont publié une douzaine, sur différents comptes et réseaux. Sauf que la Libye n’est pas dotée d’appareils capables de réaliser ces images. Qui en est à l’origine ?

    Pour identifier leur source, Le Monde a recoupé les informations qu’elles contiennent avec des données ADS-B, un signal émis par les avions en vol, ainsi qu’avec les journaux de bord de plusieurs ONG actives en Méditerranée, dans les airs ou en mer. Dans le cas du 24 août 2021, par exemple, les informations présentes sur l’image indiquent les coordonnées, l’altitude et l’heure précise à laquelle l’appareil se trouvait lorsqu’il a réalisé cette image. Elles donnent aussi la position approximative du chalutier observé par l’appareil.

    Nous avons reconstitué le trafic aérien au-dessus de la Méditerranée dans la matinée du 24 août 2021. En comparant les parcours des différents appareils avec les données disponibles sur l’image, nous avons ainsi pu identifier un appareil qui se trouvait précisément aux coordonnées et à l’altitude à laquelle la photo a été prise, lorsqu’elle a été réalisée : le drone AS2132, opéré par Frontex.

    Pour d’autres images, nous avons eu accès aux observations d’ONG, comme SeaWatch ou SOS Méditerranée, consignées dans des journaux de bord. Ceux-ci sont librement accessibles ici. Au total, ce travail nous permet d’affirmer que sur cinq dates différentes les images publiées par les gardes-côtes libyens ont été réalisées par des appareils de Frontex. Au moins une autre l’a été par un appareil de l’EunavforMed, la force navale européenne en Méditerranée, qui collabore avec Frontex.

    Des interceptions impossibles sans renseignements extérieurs

    Sollicitée, l’agence de garde-frontière l’assure : « il n’y a pas de collaboration entre Frontex et les gardes-côtes libyens », ce qu’affirmait déjà en mars 2021 son ex-directeur Fabrice Leggeri.

    L’agence précise, en revanche : « Chaque fois qu’un avion de Frontex découvre une embarcation en détresse, une alerte – et une image, le cas échéant – est immédiatement envoyée au centre de coordination des sauvetages régional. L’information envoyée inclut notamment la position, la navigabilité du navire et la probabilité qu’il n’atteigne pas sa destination finale. »

    De fait, dans les cinq cas identifiés par Le Monde, les images de Frontex ont pourtant bien fini entre les mains des gardes-côtes libyens. Et certaines ont vraisemblablement rendu possible l’interception d’embarcations, autrement impossibles à localiser pour les Libyens. Dans le cas du 8 mai 2019, par exemple, l’avion de Frontex découvre une embarcation en route pour l’Europe en Méditerranée centrale. Un contact est établi entre les autorités libyennes et l’agence, mais il n’émet pas de Mayday. Ce message d’urgence aurait pu être capté par tous les avions et navires à proximité à ce moment-là, dont le Mare Jonio, de l’ONG Mediterranea Saving Humans, spécialisé dans le sauvetage. Frontex dit n’envoyer des Maydays que « lorsqu’il existe un danger imminent pour la vie des occupants ».

    Les gardes-côtes libyens retrouvent finalement sans difficulté l’embarcation, pourtant située à plus d’une centaine de kilomètres de leurs côtes. A 17 heures, ils font monter les migrants à bord de leur patrouilleur avant de les rapatrier en Libye. Une interception que les informations de Frontex ont vraisemblablement facilitée, voire rendue possible. Pendant toute la durée de l’opération, l’avion de Frontex continue de survoler la zone, et de filmer la scène. Des images auxquelles les gardes-côtes ont aussi eu accès.

    Frontex souligne que, conformément au règlement européen relatif à la surveillance des frontières maritimes extérieures, ses alertes ne sont pas adressées aux gardes-côtes libyens, mais au « centre régional de coordination des sauvetages (#RCC) [libyen] (…) internationalement reconnu ». Une fois l’alerte envoyée, « Frontex ne coordonne pas les opérations de recherche et de sauvetage (...), c’est la responsabilité des centres de secours régionaux« . Reste à savoir si ce RCC existe réellement. Frontex s’en tient à la position de l’Organisation maritime internationale (OMI), qui a reconnu officiellement l’existence d’un RCC en 2018.

    Plusieurs enquêtes ont pourtant mis en doute l’existence d’un tel RCC libyen. Derrière les adresses e-mail et les numéros de téléphone du RCC se trouvent en réalité les gardes-côtes, selon les différentes ONG impliquées dans des opérations de sauvetage en mer Méditerranée. Et le 8 novembre 2022, le vice-président de la commission européenne, Josep Borrell, lui-même affirmait : « Le centre de coordination des secours maritime n’est pas encore opérationnel. »

    Parmi les règles européennes, que Frontex dit respecter, figure le principe du non-refoulement : « Nul ne peut être (…) débarqué, forcé à entrer, conduit dans un pays ou autrement remis aux autorités d’un pays où il existe (…) un risque sérieux qu’il soit soumis à la peine de mort, à la torture, à la persécution ou à d’autres peines ou traitements inhumains ou dégradants. » Des situations courantes en Libye, de sorte qu’en 2020 la Commission européenne affirmait que le pays n’était pas un « lieu sûr » vers lequel il serait possible de renvoyer des migrants. Dans un rapport de 2018, l’ONU constatait que « les migrants subissent des horreurs inimaginables en Libye (…). Ils s’exposent à des meurtres extrajudiciaires, à la torture et à des mauvais traitements, à la détention arbitraire (…), au viol (…), à l’esclavage et au travail forcé, à l’extorsion et à l’exploitation ».

    https://www.lemonde.fr/international/article/2022/11/23/enquete-comment-des-appareils-de-surveillance-de-frontex-sont-utilises-par-l
    #frontières #migrations #asile #réfugiés #Méditerranée #Libye #mer_Méditerranée #pull-backs #pull-back #push-backs

    • Airborne Complicity – Frontex Aerial Surveillance Enables Abuse

      Over the last year, we have partnered with Human Rights Watch to investigate the use by the EU’s border agency, Frontex, of aerial surveillance in the central Mediterranean. The aircraft, several planes and a drone operated by private companies, transmit video feeds and other information to a situation centre in Frontex headquarters in Warsaw, where operational decisions are taken about when and whom to alert about migrants’ boats. Frontex aerial surveillance is key in enabling the Libyan Coast Guard to intercept migrant boatsand return their passengers to Libya, knowing full well that they will face systematic and widespread abuse when forcibly returned there.

      To circumvent Frontex’s lack of transparency on these issues (in processing 27 of 30 freedom of information requests we submitted – the others are pending – Frontex identified thousands of relevant documents but released only 86 of them, most of which were heavily redacted) we cross-referenced official and open-source data, including drone and plane flight tracks, together with information collected by Sea-Watch (through its various search and rescue ships and planes operating in the area), the Alarm Phone, as well as the testimony of survivors who courageously shared their stories with us. 

      Overall, contrary to Frontex claim that its aerial surveillance saves lives, the evidence gathered by Human Rights Watch and Border Forensics demonstrates it is in service of interceptions by Libyan forces, rather than rescue. While the presence of Frontex aircraft has not had a meaningful impact on the death rate at sea, we found a moderate and statistically significant correlation between its aerial assets flights and the number of interceptions performed by the Libyan Coast Guard. On days when the assets fly more hours over its area of operation, the Libyan Coast Guard tends to intercept more vessels.

      Our reconstruction of the events of July 30, 2021, when several boats carrying migrants were intercepted by the Libyan Coast Guard in the area where the drone was patrolling, is a good demonstration of this. The evidence we collected strongly suggests that the droneplayed a key role in facilitating the interception of potentially hundreds of people. 

      The analysis of available data supports the conclusion that the Frontex aerial surveillance forms a central plank of the EU’s strategy to prevent migrants and asylum seekers from reaching Europe by boat and to knowingly return them to unspeakable abuse in Libya. It should be understood in continuity with the progressive withdrawal of EU ships from the central Mediterranean, the handover of responsibility to Libyan forces, and the obstruction of nongovernmental rescue groups which we have been investigating in the frame of the Forensic Oceanography project since several years. 

      The retreat of rescue vessels from the central Mediterranean and the simultaneous increase of surveillance aircraft in the sky is yet another attempt by the EU to further remove itself spatially, physically, and legally from its responsibilities: it allows the EU to maintain a distance from boats in distress, while keeping a close eye from the sky that enables Libyan forces to carry out what we have previously referred to as “refoulement by proxy”. Our investigation seeks to re-establish the connection between Frontex aerial surveillance and the violence captured migrants face at sea and in Libya thereafter.
      Reconstructing 30 July 2021 

      Since the beginning of our research, we have been looking into a number of specific cases of interceptions that involved European aerial assets. Thanks to the relentless effort of documentation by civil society organisations active in the central Mediterranean, in particular the Alarm Phone and Sea Watch, we were able to put together an extensive list of such cases. 

      We eventually decided to focus on the events of July 30, 2021 as a case study. In order to reconstruct what happened on that day, we have combined witness testimonies, data and footage collected by Alarm Phone and Sea Watch, tracks of aerial and naval assets, open-source information and data about disembarkation in Libya as well as two separate databases of interceptions (Frontex’ own JORA database and information from two European Union External Action Service classified documents). 

      Frontex drone’s tracks that day indicate it most likely detected at least two boats later intercepted by the Libyan Coast Guard. The rescue ship Sea-Watch 3 witnessed by chance the interception of one of them that took place within the Maltese Search and Rescue Area. The Sea-Watch 3 had not received any distress alert via Frontex despite being in the immediate vicinity of the boat and ready to assist its passengers. 

      Frontex’ own database admits that its aerial surveillance program detected a total of 5 boats on that day. While only further disclosure by Frontex would allow to ultimately assess its impact on each specific interception that took place on that day, the precise geographical coordinates for the five interceptions reported in the classified EEAS documents seem to match at least three peculiar flight patterns of the Frontex drone.
      Analysing Frontex aerial surveillance
      Flight tracking

      In parallel to case reconstructions, we have been tracking the overall activities of Frontex aircraft in the central Mediterranean. Since these planes and drone are chartered from private companies such as DEA Aviation and ADAS, a subsidiary of Airbus, there is no publicly available official list of such assets. The first task was to understand which were the aerial assets patrolling the central Mediterranean on behalf of Frontex. Cross-referencing various identification information (hexcodes, callsigns, etc.) of these planes with those that had been already identified by Sea Watch airborne team and various journalists allowed us to establish a dependable list of Frontex aerial assets operating in the area. 

      Once that was established, we acquired from ADS-B Exchange (the only flight tracking platform that does not block any aircraft for which data is received by their feeders) a large dataset of flight tracking data covering a period of several months (May 2020 to September 2022) for all these aircraft. While the low number of data feeders near our area of interest means that coverage of the recorded data is at times inconsistent, ADS-B flight tracking data (which include latitude, longitude, altitude, and several other parameters) provide an exceptional insight into aerial activities performed by these assets and became a key element in our investigation.

      Thanks to these data, we were able to visualize the extend of each assets operational area over time. Each of these aircraft monitors a specific area of the central Mediterranean. What emerged were also a series of clearly identifiable and consistent search patters that Frontex aircraft are flying off the coast of Libya. More generally, these visualisations have allowed to grasp the extensive, yet tightly knit web of surveillance that results from aerial operations. 

      Pattern analysis

      When observed closely, flight tracks can provide further precious insights into Frontex surveillance activities. Several loops, U-turns, perfect circles, and sharp corners starts to emerge against the strict geometry of standard search patterns. These deviations indicate an aircraft is taking a closer look at something, thus testifying to potential sightings of migrant boats. Inspired by similar projects by John Wiseman, Emmanuel Freundenthal and others, we then started to isolate and taxonomise such search patterns and then wrote code to automatically identify similar patterns across the whole flight tracking dataset we had acquired. While this aspect of the research is still ongoing, it was already very useful in reconstructing the events of July 30, 2021, as detailed in the following section.

      Statistical analysis

      In order to assess the overall impact of aerial surveillance, we also conducted statistical analysis exploring the relation between interceptions carried out by Libyan forces and the presence of Frontex’s aerial assets in the 2021-2022 timeframe. 

      We first compiled several statistical data sources (data from the IOM, the UNHCR, the Maltese government as well as Frontex’ JORA database and a classified report by the European External Action Service) which, despite inconsistencies, have allowed us to measure migrant crossings and deaths, Libyan Coast Guard interceptions, and Frontex aerial presence. 

      The data gathered shows that Frontex aerial surveillance activities have intensified over time, and that they have been increasingly related to interception events. Our analysis reveals that almost one third of the 32,400 people Libyan forces captured at sea and forced back to Libya in 2021 were intercepted thanks to intelligence gathered by Frontex through aerial surveillance. Frontex incident database also shows that while Frontex’s role is very significant in enabling interception to Libya, it has very little impact on detecting boats whose passengers are eventually disembarked in Italy and Malta. 

      We then tested the correlation between Frontex aerial presence and Libyan Coast Guard interceptions over time and in space. The results show a moderate-to-strong and statistically significant correlation between the number of interceptions and the hours of flight flown by Frontex aerial assets. Said otherwise, on days when the assets fly more hours over its area of operation, the Libyan Coast Guard tends to intercept more vessels. A spatial approach showed that interceptions and flight tracks are autocorrelated in space. At the same time, contrary to Frontex claims that aerial surveillance saves lives at sea, the analysis shows that there is no correlation between death rate and the flight time.

      Read the full statistical analysis here
      Conclusion

      Ultimately these different methods have allowed us to demonstrate how Frontex aerial surveillance (and in particular, because of its wider operational range, its drone) has become a key cog in the “pushback machine” that forces thousands of people back to abuse in Libya. 

      The publication of our findings with Human Rights Watch is the first stage of our ongoing investigation into the impact of European aerial surveillance on the lives and rights of migrants. We plan to continue deepening this investigation over the coming months.

       

      https://www.borderforensics.org/investigations/airborne-complicity
      #surveillance_aérienne #drones

  • 25.10.2022. Mort de Blessing Matthew : Face à l’impunité en France, nous introduisons une requête devant la #Cour_européenne_des_droits_de_l’homme

    Nous refusons d’accepter qu’à la violence qui coûta la vie à Blessing Matthew s’ajoute celle de l’impunité !

    Le 9 mai 2018, le corps d’une jeune femme est découvert dans la Durance au barrage de Prelles, une dizaine de kilomètres en aval de Briançon (Hautes-Alpes, France). La jeune femme est identifiée quelques jours plus tard comme étant Blessing Matthew, âgée de 21 ans et originaire du Nigeria. Elle avait été vue pour la dernière fois le 7 mai, entre 4 heures et 5 heures du matin, alors que des gendarmes mobiles tentaient de l’interpeller avec ses deux compagnons de route, Hervé S. et Roland E., dans le hameau de La Vachette, à proximité de la frontière franco-italienne.

    Au-delà de la douleur de sa famille et de ses deux compagnons de route, la mort de Blessing a suscité une vive émotion dans le Briançonnais. Elle a concrétisé les craintes, maintes fois exprimées par la société civile, concernant la militarisation de la frontière haute-alpine et ses conséquences dangereuses pour les personnes exilées. C’est le premier cas documenté d’une personne exilée décédée dans le Briançonnais, depuis la décision du gouvernement français de rétablir les contrôles fixes aux frontières en 2015. Depuis lors, plusieurs autres cas ont été documentés. Au total, de 2015 à mai 2022, 46 personnes ont trouvé la mort en tentant de franchir la frontière franco-italienne.

    À la suite de sa mort, la famille de Blessing – soutenue par l’association briançonnaise Tous Migrants – n’a eu de cesse de demander vérité et justice pour sa mort. Or, en réponse à la plainte déposée le 25 septembre 2018 par une des sœurs de Blessing, Christiana Obie, le 15 novembre 2019, le procureur de Gap décide d’un non-lieu ab initio, une décision confirmée par la suite.

    Ce processus judiciaire n’a pas permis de faire la lumière sur les faits ayant mené à la mort de Blessing et les responsabilités impliquées. Au contraire, l’analyse par Tous Migrants du dossier d’enquête du procureur, et notamment des déclarations des gendarmes mobiles, a révélé de nombreuses incohérences, contradictions et zones d’ombres.

    À la demande de l’association Tous Migrants et en collaboration avec elle, et grâce à la contribution fondamentale d’un des compagnons de route de Blessing Matthew, Hervé S., l’agence Border Forensics à mobilisé des méthodes d’analyse spatio-temporelle de pointe pour mener sa propre contre-enquête. L’analyse de Border Forensics a permis, grâce au témoignage in situ d’Hervé S., de confirmer et de préciser la reconstitution des événements. Selon ce témoignage, en poursuivant Blessing, les gendarmes l’ont mise en danger, menant à sa chute dans la Durance et à sa mort. De plus, Border Forensics a réalisé une analyse spatio-temporelle des déclarations des gendarmes qui a fait émerger les nombreuses omissions, contradictions et zones d’ombre de l’enquête de police judiciaire concernant les conditions qui ont mené à la mort de Blessing.

    L’analyse produite par Border Forensics, publiée le 30 mai 2022, a ainsi remis en cause les conclusions de l’enquête de police judiciaire disculpant les gendarmes. Compte tenu de ces nouveaux éléments qui apportent un éclairage inédit et déterminant sur les faits, une demande a été déposée le 27 mai 2022 par Maître Vincent Brengarth auprès du Parquet Général de Grenoble, une demande de réouverture de l’instruction sur charges nouvelles a été déposée le 27 mai 2022 par Maître Vincent Brengarth auprès du Parquet Général de Grenoble.

    Or, contre toute attente, le 23 juin 2022, le procureur général a indiqué qu’il n’envisageait pas de saisir la chambre de l’instruction. Le procureur général, par sa décision qui tient en quelques lignes et qui a été prise en très peu de temps, a balayé tous les éléments nouveaux apportés par Border Forensics et a refusé d’entendre le témoignage d’Hervé S. qui, pour la première fois, révélait l’existence d’un véritable guet-apens. Cette décision a totalement fait fi des éléments nouveaux qui devaient justifier des investigations complémentaires, conformément aux obligations pesant sur la justice en la matière.

    En réaction aux circonstances de la mort de sa sœur, Happy Matthew nous a dit : “Ils ont juste laissé une personne mourir parce qu’elle n’est pas blanche comme eux, elle n’est pas Française comme eux.” Le déni de vérité et de justice qu’a confirmé le procureur général perpétue ainsi le traitement discriminatoire et inhumain de Blessing Matthew après sa mort.

    Nous refusons qu’à la violence qui coûta la vie à Blessing Matthew s’ajoute celle de l’impunité. Comme le dit Christiana Obie : « Ma soeur continuera de hurler et hurler » tant que justice ne sera pas faite. Au-delà du cas de Blessing, l’impunité pour les morts de personnes migrantes aux frontières italo-françaises permet de perpétuer les politiques et pratiques de contrôles et de renvois systématiques mettant les exilé·es en danger.

    Ainsi, considérant l’impératif de vérité et de justice pour Blessing et l’épuisement des voies de recours en France, Maître Vincent Brengarth a déposé une requête devant la Cour européenne des droits de l’homme (CEDH) le 20 octobre 2022. Cette requête contre la France souligne l’absence d’enquête effective et le manque d’indépendance de celle-ci. Elle se fonde en effet sur les obligations pesant sur les États membres en vertu de l’article 2 de la Convention européenne des droits de l’Homme, qui protège le droit à la vie. Le refus de prise en compte de ce témoignage révèle a posteriori l’absence d’indépendance dans le cadre des investigations menées mais également leur partialité. Par ailleurs, la requête tend également à dénoncer l’absence de tout recours pour dénoncer la position du Parquet Général refusant de rouvrir l’information judiciaire malgré les éléments produits et par le truchement d’une motivation expéditive. Maître Vincent Brengarth déclare au sujet de la procédure : “Il est indispensable que la CEDH condamne la France pour la manière inacceptable dont elle a instruit le décès de Blessing qui n’a pas bénéficié d’une enquête indépendante et impartiale”.

    À l’occasion du dépôt de la requête devant la CEDH, Border Forensics publie la reconstruction vidéo complète de l’analyse spatio-temporelle des contradictions des déclarations des gendarmes, et publie la traduction anglaise de l’ensemble de son rapport.

    Rien n’arrêtera notre demande de « vérité et justice pour Blessing » !

    https://www.borderforensics.org/fr/updates/25-10-2022-mort-de-blessing-matthew-face-a-limpunite-en-france-nous

    #CEDH #courEDH #justice #Blessing_Matthew
    #décès #morts_aux_frontières #asile #migrations #frontières #Hautes-Alpes #Briançon #La_Vachette #Briançonnais #France #gendarmes #border_forensics #mourir_aux_frontières #Blessing
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    voir aussi ce fil de discussion sur l’"affaire Blessing" :
    https://seenthis.net/messages/962473

    • Mort d’une Nigériane dans les Alpes : la Cour européenne des droits de l’Homme saisie par Tous Migrants

      L’association Tous Migrants a annoncé, mardi, avoir déposé un recours devant la Cour européenne des droits de l’Homme au sujet du décès en 2018, de Blessing Matthew, une jeune Nigériane, morte noyée près de Briançon, après avoir franchi la frontière franco-italienne. Deux non-lieux avaient été prononcés au terme de l’enquête.

      La Cour européenne des droits de l’Homme (CEDH) va-t-elle réussir à faire la lumière sur les circonstances de la mort de Blessing Matthew ? L’association Tous Migrants a annoncé, mardi 25 octobre, avoir saisi l’instance européenne concernant la mort, en 2018, de cette jeune Nigériane, dans les Hautes-Alpes, après un contrôle de gendarmerie.

      « Nous refusons d’accepter qu’à la violence qui coûta la vie à Blessing Matthew s’ajoute celle de l’impunité ! », déclare l’association dans un communiqué.

      L’enquête sur les circonstances du décès, portant notamment sur un contrôle de gendarmerie à la frontière, en la présence de Blessing Matthew le 7 mai 2018, avait d’abord été classée sans suite par le parquet de Gap. La sœur de la victime, Christiana Obie Darko, avait déposé plainte avec constitution de partie civile et une information judiciaire avait été ouverte. Elle avait conclu à un non-lieu, le 18 juin 2020, confirmé en appel le 9 février 2021.

      Le 13 juin dernier, Tous Migrants et la sœur de l’exilée avaient déposé une demande de réouverture d’information judiciaire, en invoquant le nouveau témoignage fourni par un des « exilés pourchassés par les gendarmes » évoquant un « véritable guet-apens ».
      « Help me, help me »

      Cette personne, présentée comme Hervé S., avait fait, en mai 2018, la route depuis l’Italie avec Blessing Matthew. Il assure que les gendarmes les ont repérés dans le village de La Vachette et que l’un d’eux a poursuivi Blessing dans un jardin près de la Durance. La jeune femme serait alors tombée dans l’eau en voulant lui échapper.

      « Je l’ai entendue crier : ’Help me, help me !’ [’Aidez-moi, aidez-moi !’] Au fur et à mesure qu’elle criait, sa voix s’éloignait… Ensuite, le gendarme est allé dire à ses collègues qu’elle était tombée dans la rivière mais qu’elle avait peut-être traversé. Ils n’ont pas appelé les secours. Des gendarmes sont allés [essayer de] chercher Blessing de l’autre côté », avait confié Hervé S. à Médiapart en avril dernier.

      Tous Migrants s’est également appuyé sur les travaux de Border forensics, qui a recueilli le témoignage de Hervé S. « in situ », et reconstitué la scène qui s’est déroulée dans le village de La Vachette. Une investigation qui contredit l’enquête de police judiciaire.

      Le procureur général de Grenoble avait indiqué, fin juin, qu’il ne donnerait pas suite à la demande de réouverture d’une information judiciaire, indiquant que Hervé S avait été interrogé et n’avait pas évoqué de guet-apens.

      http://www.infomigrants.net/fr/post/44294/mort-dune-nigeriane-dans-les-alpes--la-cour-europeenne-des-droits-de-l

    • Justice for Blessing: Contesting Police Violence at the Franco-Italian Border

      On October 25th, Tous Migrants, a French migrant advocacy organization, announced that it had filed an appeal with the European Court of Human Rights concerning the death of Blessing Matthew, a young Nigerian woman who died after crossing the Franco-Italian border. This appeal is based in part on new evidence in the case that came to light in an investigation by Border Forensics.

      Blessing Matthew was 21 years old, from Nigeria, and had graduated high school there. She arrived in Italy in the autumn of 2016 but was unable to secure the right to stay or find work, so she decided to continue her journey. On the night of May 7th 2018, she crossed the border from Italy to France. Two days later her body was found in the Durance River, several kilometers downstream from the border. The sequence of events that led to her death was unclear until Border Forensics conducted an investigation to reconstruct the events. Using new witness testimony from one of Blessing’s fellow travelers, alongside additional evidence, Border Forensics conducted a spatio-temporal analysis to visually reconstruct the scene. Border Forensics has shown that French police may have endangered Blessing in a way that led to her fall into the river and ultimately to her death.

      Border Forensics takes an innovative approach combining academic inquiry and activism with the goal of revealing border violence and seeking mobility justice. Their investigations bring together civil society, academics, and migrants and their families in a way that recognizes the distinct knowledge that each party contributes. This enables them to reveal new information about the violence that takes place at borders around the world. In Blessing’s case, the previous investigation by the French police was inconclusive with contradictory statements from the police who saw Blessing the night she died. The two attempts to bring the case to court in France were dismissed, so the new evidence from Border Forensics that has been brought to the ECHR is the last resort to seek justice for Blessing.

      Blessing’s death falls into a larger pattern of police repression and violence at the Franco-Italian border. Migrants are criminalized for their mobility, facing verbal and physical violence from French police, and being refused entry to France despite their right to claim asylum. Residents of the town of Briançon and activists have mobilized in solidarity with migrants, running a shelter for migrants and going to the border and look for people who are in need of assistance after crossing. My doctoral research considers how citizens and migrants act in solidarity together in this region despite the threat of criminalization. I spent a year conducting fieldwork at this border, and with the support of a UACES microgrant, I was able to return after I had completed my fieldwork in order to share my findings with the people who have contributed to my research. As an activist academic, I seek to ensure that my research is engaged with community priorities and done in a way that is not extractive. Even though I am no longer in the field, collaborating with Border Forensics to translate the investigation and publicize it in English is a way for me to contribute and stay engaged in the cause for justice at this border.

      https://uacesoneurope.ideasoneurope.eu/2022/11/01/justice-for-blessing-contesting-police-violence-at-the-f

    • Le 23 novembre 2022, la CEDH informe Tous Migrants et la famille de Blessing que la requête est recevable !!

      Le 7 mai 2018, Blessing Matthew chutait dans la Durance en crue, alors qu’elle était poursuivie par une patrouille de gendarmes mobiles. Les deux personnes qui l’accompagnaient avaient réussi à se cacher. Depuis sa cachette, Hervé voyait et entendait toute la scène qu’éclairaient les torches des gendarmes mobiles.

      Au-delà de la douleur de sa famille et de ses deux compagnons de route, la mort de Blessing a suscité une vive émotion dans le Briançonnais. Elle a concrétisé les craintes, maintes fois exprimées par la société civile, concernant la militarisation de la frontière haute-alpine et ses conséquences dangereuses pour les personnes exilées. C’est le premier cas documenté d’une personne exilée décédée dans le Briançonnais, depuis la décision du gouvernement français de rétablir les contrôles fixes aux frontières en 2015. Depuis lors, plusieurs autres cas ont été documentés. Au total, de 2015 à mai 2022, 46 personnes ont trouvé la mort en tentant de franchir la frontière franco-italienne.

      À la suite de sa mort, la famille de Blessing - soutenue par l’association briançonnaise Tous Migrants - n’a eu de cesse de demander vérité et justice pour sa mort. Mais la justice française a refusé toute instruction depuis le classement sans suite de l’enquête du procureur disculpant les gendarmes mobiles. Elle a refusé d’entendre le témoin et d’examiner les nombreuses omissions, contradictions et zones d’ombre de l’enquête de police judiciaire, mises en évidence par notre contre-enquête et par celle de Border Forensics.

      Face à l’impunité des responsables et au déni de justice en France, nous avons déposé une requête devant la Cour européenne des droits de l’homme (CEDH) le 25 octobre.

      Le 23 novembre, la CEDH nous a signifié que notre requête était recevable et que la Cour allait donc l’examiner.

      Nous espérons que sa décision obligera la justice française à ouvrir l’instruction et faire correctement son travail, en toute impartialité. Mais cela peut prendre du temps, pour ne pas dire des années. Nous allons donc poursuivre notre travail de sensibilisation sur ce drame qui est la conséquence d’une politique responsable de dizaines de morts dans les alpes, de centaines de morts aux frontières de notre pays et de dizaines de milliers de morts aux frontière de l’Europe.

      source : newsletter Tous Migrants, décembre 2022

  • Mort de #Blessing, 20 ans, à la frontière : un témoin sort de l’ombre pour accuser les gendarmes

    La Nigériane #Blessing_Matthew a été retrouvée noyée dans les Alpes en 2018, après que des gendarmes ont tenté de l’interpeller. Alors qu’un non-lieu a été prononcé, un témoin clé parle aujourd’hui pour la première fois et met en cause les forces de l’ordre. Mediapart l’a rencontré. Une sœur de Blessing et l’association Tous migrants demandent la réouverture du dossier. Révélations.

    https://www.mediapart.fr/journal/france/300522/mort-de-blessing-20-ans-la-frontiere-un-temoin-sort-de-l-ombre-pour-accuse
    #décès #morts_aux_frontières #asile #migrations #frontières #Hautes-Alpes #Briançon #La_Vachette #Briançonnais #France #gendarmes #border_forensics #mourir_aux_frontières #Blessing

    Une enquête à laquelle je suis très fière d’avoir contribué :-)

    voir aussi ce fil de discussion :
    https://seenthis.net/messages/957606

    • L’enquête sur le site de Border Forensics :
      Introduction

      La mort de Blessing Matthew - Une contre-enquête sur la violence aux frontières alpines

      Le 9 mai 2018, le corps d’une jeune femme noire est découvert dans la rivière de la Durance, bloquée par la retenue d’eau du barrage de Prelles, situé sur la commune de Saint-Martin-de-Queyrières en aval de Briançon, dans les Hautes-Alpes françaises.

      Une enquête a été ouverte, permettant d’identifier la jeune femme quelques jours plus tard comme étant Blessing Matthew, âgée de 21 ans et originaire du Nigeria. Elle avait été vue pour la dernière fois le 7 mai alors que la gendarmerie mobile tentait de l’interpeler avec ses deux compagnons de route, Hervé S. et Roland E, dans le village de La Vachette, à 15 kilomètres de la frontière franco-italienne.

      Au-delà de la douleur de sa famille et de ses deux compagnons de route, la mort de Blessing a suscité une vive émotion dans le Briançonnais. Elle a concrétisé les craintes, exprimées à plusieurs reprises par la société civile, concernant la militarisation de la frontière haute-alpine et ses conséquences dangereuses pour les personnes en migration. C’est le premier cas documenté de personne en exil décédée depuis 2015 dans le Briançonnais - 2 autres personnes y ont trouvé la mort depuis.

      Le 14 mai 2018, Tous Migrants, une association défendant les droits des migrant·es dans le Briançonnais, a transmis un signalement concernant la mort de Blessing au procureur de la République de Gap, en lui exposant les faits rapportés par une des personnes qui l’accompagnaient le jour de sa disparition. Ce signalement a été suivi d’une plainte, déposée le 25 septembre 2018 par une des sœurs de Blessing, Christiana Obie, auprès du procureur de la République de Gap pour « mise en danger de la vie d’autrui » et « homicide involontaire ».

      Le 10 décembre 2018, l’officier de police judiciaire en charge de l’enquête a transmis au tribunal de Gap la synthèse des résultats de celle-ci, qui conclut que les éléments constitutifs des infractions alléguées ne sont pas démontrés.

      Le 3 mai 2019, la sœur de Blessing et Tous Migrants se sont constitués partie civile dans une nouvelle plainte. Le 18 juin 2020, le tribunal de Gap a déclaré la plainte irrecevable et prononcé un non-lieu ab initio. L’ordonnance du juge d’instruction a été confirmée par la chambre d’instruction de la cour d’appel de Grenoble le 9 février 2021.

      Jusqu’à ce jour, le processus judiciaire n’a pas permis de faire la lumière sur les circonstances qui ont mené à la mort de Blessing, ni de déterminer qui en est responsable. Mais la famille de Blessing n’a pas abandonné sa quête de vérité et de justice : selon les mots de Christiana Obie, « ma sœur continuera à hurler » tant que la vérité ne sera pas connue et que la justice n’aura pas été faite.

      C’est pour soutenir cette demande de vérité et de justice de la famille de Blessing que Border Forensics a mené une contre-enquête, en collaboration avec Tous Migrants et grâce à la contribution d’un de ses compagnons de route, Hervé. Les enjeux de notre enquête vont également au-delà du cas de Blessing. Son décès représente un cas parmi les 46 mort·es en migration à la frontière franco-italienne répertorié·es depuis 2015. Or, comme pour Blessing, aucune responsabilité n’a été déterminée pour ces morts. Les pratiques de mise en danger à la frontière des personnes en exil ont ainsi pu être perpétuées sans entraves. C’est également pour contribuer à mettre fin à cette impunité, et pour que ces pratiques cessent, que nous avons mené cette enquête.

      https://www.borderforensics.org/fr/investigations/blessing-investigation

      Avec 3 #vidéos produites :

      1) le témoignage in situ d’un des compagnons de route de Blessing, Hervé :
      https://vimeo.com/714978117

      2) une interview des deux soeurs de Blessing et Hervé :
      https://vimeo.com/715094941

      3) une partie de la vidéo qui reconstruit les déclarations contradictoires des gendarmes :
      https://vimeo.com/715020037

      #Alpes #montagne #frontière_sud-alpine #violent_borders #reconstitution

    • Une émission de A l’air libre dédiée à l’enquête :
      Mort de Blessing Matthew : les gendarmes mis en cause

      Le 7 mai 2018, la jeune migrante Blessing Matthew est morte noyée près de Briançon. La justice a prononcé un non-lieu à l’égard des gendarmes. De nouveaux éléments mis au jour par Border Forensics pourraient aboutir à une réouverture de l’enquête.

      https://www.youtube.com/watch?time_continue=175&v=uYFiMVXFY28&feature=emb_logo

      https://www.mediapart.fr/journal/france/300522/mort-de-blessing-matthew-les-gendarmes-mis-en-cause

    • Newsletter de Tous Migrants, 30.05.2022

      Quatre ans après sa mort,
      nous demandons toujours vérité et justice pour Blessing !

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      Le 9 mai 2018, le corps d’une jeune femme est découvert dans la Durance au barrage de Prelles, une dizaine de kilomètres en aval de Briançon (Hautes-Alpes, France). La jeune femme est identifiée quelques jours plus tard comme étant Blessing Matthew, âgée de 21 ans et originaire du Nigeria. Elle avait été vue pour la dernière fois le 7 mai, entre 4 heures et 5 heures du matin, alors que des gendarmes mobiles tentaient de l’interpeler avec ses deux compagnons de route, Hervé S. et Roland E, dans le hameau de La Vachette, situé au pied du col de Montgenèvre, à proximité de la frontière franco-italienne.
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      ­Au-delà de la douleur de sa famille et de ses deux compagnons de route, la mort de Blessing a suscité une vive émotion dans le Briançonnais. Elle a concrétisé les craintes, maintes fois exprimées par la société civile, concernant la militarisation de la frontière haute-alpine et ses conséquences dangereuses pour les personnes exilées. C’est le premier cas documenté de personne exilée décédée dans le Briançonnais, depuis la décision du gouvernement français de rétablir les contrôles fixes aux frontières en 2015.
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      Ce drame intervient dans un contexte de très vives tensions.

      Le 22 avril 2018, alors que le groupuscule suprémaciste Génération Identitaire occupe le col de l’Échelle, trois personnes venues manifester leur solidarité avec les personnes exilées sont arrêtées et placées en détention provisoire. Le même jour, le ministre de l’Intérieur, Gérard Collomb, décide de l’envoi de renforts immédiats des forces de l’ordre à la frontière. C’est ainsi qu’est déployé dans le Briançonnais, le 24 avril, un escadron de gendarmerie mobile de Drancy dont plusieurs membres seraient impliqués dans la poursuite et la chute dans la Durance de Blessing Matthew.

      Les témoignages des personnes exilées recueillis à Briançon attestent fréquemment de pratiques de course-poursuites, de mise en danger, et de violences physiques et verbales de la part des gendarmes mobiles, de la police aux frontières et des militant·es de Génération Identitaire. C’est dans ce contexte que survient la disparition de Blessing Matthew, le 7 mai 2018, puis la découverte de son corps deux jours plus tard.

      Le 14 mai 2018, suite à la mort de Blessing, Tous Migrants adresse un signalement auprès du Procureur de la République de Gap, exposant les faits rapportés par les personnes qui l’accompagnaient le jour de sa disparition, ainsi que les possibles infractions des forces de l’ordre : mise en danger délibérée de la vie d’autrui, homicide involontaire, violence volontaire, non-assistance à personne en danger, discrimination d’une personne en raison de son apparence. Ce signalement est suivi par le dépôt d’une plainte, le 25 septembre 2018, par la famille de Blessing.

      Un an plus tard, un communiqué de presse du procureur de Gap, transmis le 7 mai 2019, informe que le parquet a classé sans suite cette enquête au motif d’absence d’infraction. Suite à cela, l’association Tous Migrants se constitue partie civile pour soutenir la demande de vérité et de justice de la famille de Blessing. Le 15 novembre 2019, le procureur de Gap prend des réquisitions de non-recevabilité de cette constitution de partie civile, et de non-lieu ab initio concernant la plainte de la sœur de Blessing. Ces réquisitions sont confirmées par l’ordonnance du 18 juin 2020 du doyen des juges d’instruction du tribunal de Gap, puis par la décision du 9 février 2021 de la chambre d’instruction de la cour d’appel de Grenoble.

      La démarche en justice de Tous Migrants aux côtés de la famille de Blessing a au moins permis à l’association de prendre connaissance du dossier d’enquête du procureur, et notamment des déclarations des gendarmes mobiles. Tous Migrants a analysé ces déclarations et constaté leurs nombreuses incohérences, contradictions et zones d’ombres, notamment au regard de la topographie des lieux, des conditions de visibilité et du déroulement des événements. L’association a également constaté que les gendarmes enquêteurs ne semblent pas avoir examiné en détail ces incohérences et contradictions, ni cherché à clarifier les zones d’ombre, ni tenté de reconstituer le déroulement précis des faits et gestes des gendarmes mobiles. Bien au contraire, ils ont délivré un récit qui nous parait occulter ces incohérences, contradictions et zones d’ombre au profit d’un plaidoyer pro domo.

      Tous Migrants a alors contacté Border Forensics afin que leur équipe de chercheur·es puisse mobiliser les méthodes d’analyse spatio-temporelle développées dans le cadre des enquêtes déjà menées auparavant, notamment en Méditerranée. Border Forensics a mené sa propre contre-enquête, en collaboration avec Tous Migrants et grâce à la contribution fondamentale d’un des compagnons de route de Blessing Matthew, Hervé S. L’analyse de Border Forensics, a permis, grâce au témoignage précis et cohérent d’Hervé S. in situ, de confirmer et de préciser la reconstitution des événements. Selon ce témoignage, en poursuivant Blessing, les gendarmes l’ont mise en danger, menant à sa chute dans la Durance et à sa mort.

      De plus, Border Forensics a réalisé une analyse spatio-temporelle des déclarations des gendarmes qui a fait émerger les nombreuses omissions, contradictions et zones d’ombre de l’enquête de police judiciaire concernant les conditions qui ont mené à la mort de Blessing. L’analyse produite remet ainsi en cause les conclusions de l’enquête de police judiciaire disculpant les gendarmes.

      Le témoignage d’Hervé S. et l’analyse spatio-temporelle des déclarations des gendarmes mobiles, constituent des éléments nouveaux qui permettent à la famille de Blessing de demander la réouverture de l’instruction judiciaire, ce que vient de faire Maître Vincent Brengarth.

      Seule la réouverture de l’instruction pourra déterminer de manière définitive les événements ayant mené à la mort de Blessing et d’établir les responsabilités. Quatre ans après le drame, il est urgent que la justice française réponde enfin à la demande de vérité et justice de la famille de Blessing. « Ma soeur continuera de hurler et hurler » tant que justice ne sera pas faite, dit sa soeur Christiana Obie.

      Nous rappelons qu’à ce jour, que ce soit pour la mort de Blessing ou pour d’autres personnes exilées décédées à cette frontière, aucune responsabilité n’a été déterminée. Les pratiques de mise en danger à la frontière des personnes en exil par les forces de l’ordre ont ainsi pu être perpétrées sans entrave.

      Une dizaine de jours après la disparition de Blessing Matthew, le 18 mai 2018, une seconde personne exilée a été trouvée morte à quelques kilomètres seulement de La Vachette : il s’agit de Mamadi Condé, un homme de 43 ans, de nationalité guinéenne. Depuis la mort de Blessing et de Mamadi, et du fait de l’aggravation de la politique de militarisation de la frontière et de refoulements systématiques des personnes exilées aux mépris de leurs droits, cinq autres décès et une disparition certaine sont survenues dans le même secteur, entre les Hautes-Alpes françaises et la Vallée de Suse côté italien : Mohamed Fofana (25 mai 2018), Douala Gakou (15 novembre 2018), Tamimou Derman (7 février 2019), Mohamed Ali Bouhamdi (7 septembre 2019), Mohammed Mahayedin (22 juin 2021), Fathallah Belafhail (2 janvier 2022), Ullah Rezwan Sheyzad (26 janvier 2022). S’ajoutent toutes les personnes gravement blessées, parfois mutilées et handicapées à vie.

      C’est également pour que cessent les pratiques mortifères de contrôle des frontières, et l’impunité pour celles-ci, que nous nous battons pour que que justice soit rendue pour la mort de Blessing.
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    • Décès de Blessing Matthew : sa famille, Tous Migrants et Border Forensics réclament justice

      (Revue de Presse) Lundi 30 mai, Tous Migrants et Border Forensics ont organisé une conférence de presse au Centre International de Culture Populaire, avec l’appui de VoxPublic, afin de réclamer vérité et justice autour du décès de Blessing Matthew. Nigériane et âgée de 21 ans, la jeune migrante avait été retrouvée morte le 9 mai 2018 dans la Durance, en amont de Briançon (Hautes-Alpes). Elle avait été vue pour la dernière fois le 7 mai 2018, alors que des gendarmes mobiles tentaient de l’interpeller. Tous Migrants s’était alors immédiatement constituée partie civile, mais le procureur de Gap avait classé l’affaire sans suite.

      Aujourd’hui, Tous Migrants avec la famille de Blessing Matthew demandent la réouverture de l’enquête, sur la base d’un nouveau témoignage à même de rebattre toutes les cartes. Leur avocat, Me Vincent Brengarth, a déposé vendredi 27 mai une demande de réouverture de l’instruction. Partenaire de Tous Migrants dans ce combat, l’ONG Border Forensics a comparé les différentes versions des gendarmes et le témoignage, et a annoncé, reconstitutions à l’appui, avoir repéré de nombreuses incohérences et contradictions dans les dépositions des gendarmes et dans le dossier . Pour la toute première fois, des associations réunies ont réussi à documenter la possible responsabilité des forces de l’ordre dans le décès d’une personne exilée.

      La conférence de presse, tenue en présentiel au CICP et retransmise en ligne, a réuni pas moins de 70 à 80 personnes dont une quinzaine de journalistes, ainsi que des responsables associatifs, et politiques ainsi que des universitaires et chercheurs. Avec beaucoup d’émotion, Tous Migrants et Border Forensics ont présenté leurs revendications et les éléments avancés pour la réouverture du dossier. Christiana Oboe, la sœur de Blessing, était présente par visioconférence et a délivré un message poignant à une assemblée bouleversée par la force de ses propos. Elle demande la vérité, la justice, et formule le vœu que de tels drames ne se reproduisent plus.

      https://www.voxpublic.org/Sa-famille-Tous-Migrants-et-Border-Forensics-reclament-justice-pour-Bless

      déjà signalé par @simplicissimus ici :
      https://seenthis.net/messages/962883

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      sur la même page, la revue de presse tenue par Vox Public...

    • Mort d’une exilée à la frontière franco-italienne : un témoignage pointe la responsabilité des forces de l’ordre

      Un témoignage inédit pourrait relancer l’enquête sur la mort de Blessing Matthew, jeune réfugiée nigériane décédée dans des circonstances troubles dans les Alpes. Sa famille et l’association Tous Migrants espèrent la réouverture du dossier.

      En mai 2018, Blessing Matthew, jeune femme nigériane, est retrouvée noyée dans la Durance, à quelques pas de la frontière entre la France et l’Italie. Elle est la première personne exilée décédée dans le Briançonnais (Hautes-Alpes). Âgée de seulement 21 ans, elle essayait de fuir les forces de l’ordre lorsqu’elle est tombée dans la rivière, qui, près de sa source, prend des allures de torrent avant de traverser les Alpes provençales. Jusqu’à présent, les circonstances de la noyade de la jeune femme restaient troubles, sans que l’on sache si les forces de l’ordre présentes dans les environs ont directement joué un rôle.

      Depuis ce jour, sa famille et l’association Tous Migrants tentent de retracer les événements qui ont conduit à son décès. « Un parcours du combattant pour obtenir la vérité », regrette Vincent Brengarth, leur avocat. L’enjeu est de savoir si les forces de l’ordre ont été témoins de la scène, ou même si elles peuvent être tenues responsables de la noyade. Dans le dossier, clos définitivement en février 2021, les récits des agents présents divergent, tant sur les lieux que sur l’heure de la tentative de contrôle. Entre ces témoignages contradictoires et une enquête pénale close hâtivement, connaître le fin mot de l’affaire semblait vain.

      Jusqu’à ce dernier rebondissement : le compagnon de route de Blessing, Hervé, décide de témoigner sur les circonstances de sa mort. Le 30 mai 2022, l’association Tous Migrants et Border Forensics – organisation de recherche de preuves dans des cas de morts aux frontières – organisent une conférence de presse pour présenter de nouveaux éléments. Non seulement le témoignage d’Hervé est inédit, mais il vient appuyer les analyses spatiales et temporelles de Border Forensics. Tout semble coller. Les gendarmes pourraient être tenus responsable de la mort de la Nigériane de 21 ans. Reste à rouvrir le dossier pénal.
      Un témoignage clé sur la responsabilité des forces de l’ordre

      Même avec cette avancée de taille, quatre ans plus tard, l’affaire est toujours aussi douloureuse à répéter. La voix de Michel Rousseau, de Tous Migrants, tremble en racontant la nuit des événements : « Le 7 mai 2018, entre 4 et 5 heures du matin, trois personnes exilées marchent sur la route en direction de Briançon. À l’entrée du hameau de La Vachette, des torches s’allument dans la nuit. Puis, des cris : « Police, police ». Elles courent en direction de l’église. L’un arrive à se cacher. Blessing était poursuivie par des gendarmes. Elle a traversé un jardin où Hervé était lui aussi caché. Il la voit, elle fuit, éclairée par les torches des gendarmes. Et puis, elle s’est retrouvée bloquée par la rivière ... » Sa voix s’arrête dans un sanglot.

      En partenariat avec Tous Migrants, l’organisation Border Forensics publie le 30 mai une analyse fine et complète des événements. Le dossier, particulièrement détaillé, est le fruit d’un an de travail. Dans l’une des vidéos publiées, ses équipes retournent dans le petit village de La Vachette avec Hervé. L’homme, sous couvert d’anonymat et capuche sur la tête, parcourt le village, racontant chaque étape de cette course-poursuite nocturne. Arrivé dans un jardin près de l’église, il se serait caché dans les herbes hautes.

      Blessing, elle, était encore poursuivie par deux gendarmes. Il raconte les entendre crier : « Arrête toi, si tu t’arrêtes pas, on va tirer. » Elle court jusqu’au bout du jardin, jusqu’à la rivière, où il entend la jeune femme dire « Leave me, leave me » (« Lâchez-moi, lâchez-moi »), puis tomber. Il l’entend de nouveau. Son cri, « Help me, help me » (« Aidez-moi, aidez-moi »), se fait de plus en plus lointain, comme emporté par le courant. Cette nuit-là, aucun secours n’a été appelé, aucun des gendarmes ne semble avoir tenté de secourir Blessing. Son corps sera retrouvé 13 km en aval, bloqué dans une retenue d’eau.

      Le témoignage d’Hervé est, selon l’avocat de la famille de Blessing et de Tous Migrants, « de nature à rebattre totalement les cartes ». « Son récit éclaire les incohérences du dossier, ajoute l’avocat Vincent Brengarth. On comprend mieux les contradictions des témoins. » Si l’on en croit ce déroulé, les gendarmes pourraient alors être accusés de « non-assistance à personne en danger », si ce n’est d’ « homicide involontaire ».
      « Blessing a été traitée comme une citoyenne de seconde zone »

      Hervé n’a pas été entendu dans le dossier. L’homme, sans papiers, ne s’est pas présenté aux forces de l’ordre. « C’est compliqué pour une personne exilée de faire confiance à la police », euphémise Michel Rousseau, pour expliquer ce silence de quatre ans. L’avocat Vincent Brengarth complète : « La justice n’était même pas en capacité de le convoquer, aucun élément dans le dossier ne donnait son identité précise. » Son témoignage, couplé aux éléments réunis par Border Forensics, pourraient constituer un motif de réouverture de l’enquête. La demande a été déposée auprès du procureur de la République ce 27 mai.

      « C’est un dossier exceptionnel, d’une exceptionnelle gravité, souligne l’avocat. Blessing a été traitée comme une citoyenne de seconde zone. Comme si le devoir de vérité n’était pas le même pour tout le monde. » Dans ce dossier, c’est la première fois que l’on renseigne la possible implication de la police ou de la gendarmerie dans la mort d’une personne exilée. Un premier espoir pour faire justice dans les 46 morts de migrants - décomptées par Border Forensics - à la frontière franco-italienne depuis 2015. « On veut montrer qu’on peut documenter ces morts aux frontières, que c’est possible, que l’on peut obtenir vérité et justice », espère Agnès Antoine, de Tous Migrants.

      La sœur de Blessing vient interpeller les journalistes présents ce 30 mai. Christiana Obie se tient droite devant son écran d’ordinateur, mais sa webcam peine à cacher ses joues brillantes de larmes. « Ma sœur n’est plus. Elle est morte. Mais je veux travailler à ce que ce la prochaine victime ne soit pas la vôtre. Je veux éviter à d’autres de ressentir la douleur que ressent ma famille aujourd’hui. »

      Blessing a été la première victime des politiques répressives aux frontières, mais elle n’a malheureusement pas été la dernière. Quelques jours après la découverte de son corps, Mamadi Condé, guinéen de 43 ans, est retrouvé mort, non loin de La Vachette. La liste est longue, et elle ne prend pas en compte les blessés, handicapés à vie et traumatisés par cette traversée dangereuse. Dès décembre 2017, des associations, via le Collectif Citoyen de Névache, écrivaient au président de la République leurs craintes et leur colère quant au traitement des migrants : « Devons nous attendre des morts pour que nos institutions réagissent humainement ? »

      Un appel dans le vide. Les années suivantes, dans les Hautes-Alpes et sur le versant italien des montagnes, ont été meurtrières, du fait de la répression et de la militarisation de la zone. Les associations s’accordent pour dire que 2018 a marqué l’apogée de ces épisodes de répression aveugle et de traitements « inhumains ». « Les vols, les violences envers les exilés, c’était quotidien en 2018 », dénonce la militante associative Agnès Antoine. Comme elle, beaucoup ont observé ce durcissement sur le terrain, lors des maraudes. « Cette politique ne pouvait qu’aboutir à ce genre de drame. »

      Cristina Del Biaggio, enseignante-chercheuse spécialiste des migrations et collaboratrice de Border Forensics dans leurs recherches, ajoute : « La mort de Blessing n’est pas un cas isolé, elle est le fait d’une conjoncture entre politiques et pratiques policières. »

      Lorsque la jeune nigériane les a franchies, les Alpes étaient déjà devenues une zone « transformée en environnement hostile par nos politiques migratoires ». Elles le sont toujours. Rien qu’en janvier 2022, les montagnes ont encore vu deux victimes. Fathallah Belafhail, marocain de 31 ans, et Ullah Rezwan Sheyzad, 15 ans, venu d’Afghanistan, sont décédés en essayant de rejoindre une nouvelle vie.

      https://basta.media/mort-de-Blessing-Matthew-a-la-frontiere-franco-italienne-un-temoignage-poin

    • La mort neuve de Blessing Matthew

      Personne ne fera revenir Blessing Matthew à la vie. Elle est morte noyée dans la Durance le 7 mai 2018 après avoir été coursée par les gendarmes. Une mort « accidentelle » d’après la justice qui avait, le 9 février 2021 déclarée un « non lieu » pour clore le procès intenté aux gendarmes par par sa famille et l’association « Tous Migrants » pour homicide involontaire, en quelque sorte une mort sans responsable, une mort anonyme parmi les 46 migrant.es décédé.es sur la frontière depuis la militarisation de celle-ci.
      Blessing Matthew était nigériane, elle portait un nom anglais que l’on pourrait traduire par « celle qui est bénie », ou encore par « bénédiction ». Elle était migrante et recherchait une terre « bénie ». Elle n’a trouvé ni liberté, ni égalité, ni fraternité encore moins de bénédiction. La mort, glaçante d’effroi, horrible dans sa suffocation nocturne, l’attendait au hameau de la Vachette.
      Un « non-lieu » comme une immense injustice. Pourtant, il y avait un lieu, la Durance. Pourtant, il y avait lieu, matière à poursuivre, rien qu’en considérant les témoignages contradictoires des gendarmes : elle est passée par là, non par ici et nous ailleurs ! Il y avait un témoin, son camarade de fuite mais il n’a pas pu parler, refoulé sans ménagement en Italie. L’Italie en tant que « non-lieu » pour l’oubli, un ailleurs voulu comme définitif sans un « au revoir » possible.
      « La seule chose que je veux, c’est la justice » affirme lors de la conférence de presse du 30 mai, la sœur de Blessing. « Que la justice se remette en route » demande Michel Rousseau au nom de « Tous Migrants ». Rouvrir l’instruction pour mettre la justice dans son cheminement véritable, celui de l’enquête impartiale. Des faits nouveaux le permettent.
      D’abord, le témoignage d’Hervé, celui qui fuyait avec elle, aussi apeuré qu’elle, mais qui a réussi à se cacher. Un témoin capital pour donner une « mort neuve » à Blessing Matthew. Ensuite, le travail méthodique, digne d’une enquête policière, mené par « Border Forensics » suit, point par point, les recoupements, les contradictions entre les récits des gendarmes et celui d’Hervé. Cette enquête est visible sur leur site : https://www.borderforensics.org.
      Le parquet de Gap a tous les éléments pour rouvrir l’instruction. Le fera-t-il ? Le devoir de justice le réclame : il est impossible de voler une deuxième fois la réalité de sa mort à Blessing Matthew.

      https://alpternatives.org/2022/06/02/la-mort-neuve-de-blessing-matthew

    • Réouverture de l’instruction dans l’affaire Blessing Matthew : le parquet de Gap ne se considère pas « compétent »

      Proches et association de la jeune nigériane morte noyée dans la Durance en mai 2018, à Val-des-Prés, espèrent rouvrir l’instruction judiciaire avec des « charges nouvelles ».

      dimanche 12 juin, le procureur de la République de Gap a fait savoir au Dauphiné Libéré « qu’après étude de la demande », il « considère que le parquet de Gap n’est pas compétent pour traiter la requête en réouverture d’une information judiciaire sur charges nouvelles » dans l’affaire de la mort de Blessing Matthew.

      Le 27 mai dernier, les avocats de la sœur de la jeune exilée, morte noyée dans la Durance le 7 mai 2018 à La Vachette (Val-des-Prés), et de l’association Tous migrants avaient déposé auprès du parquet gapençais une demande de « reprise de l’information judiciaire sur charges nouvelles ». Blessing Matthew, une Nigériane de 20 ans, était décédée après une tentative d’interpellation par des gendarmes mobiles alors qu’elle tentait de rejoindre Briançon depuis l’Italie avec deux autres personnes migrantes.

      Des nouveaux éléments à charge contre les gendarmes selon les proches de la victime

      Les proches de Blessing Matthew et Tous migrants ont toujours pointé l’action des forces de l’ordre comme étant responsable du décès de la jeune femme. Néanmoins, après une plainte classée sans suite, la chambre d’instruction de la cour d’appel de Grenoble avait confirmé en février 2021 un non-lieu dans cette affaire.

      Fin mai, association et proche espéraient rouvrir l’instruction avec le témoignage – inédit jusqu’ici – d’Hervé S., l’un des migrants présents la nuit du drame ; et avec une contre-enquête menée par l’ONG Border Forensics.

      « Seul le procureur général est compétent »

      Cependant, le procureur de Gap Florent Crouhy a décidé de ne pas trancher lui-même la réouverture ou non de l’instruction. « En effet, ce dossier a fait l’objet d’un non-lieu par arrêt de la chambre de l’instruction de la cour d’appel de Grenoble en date du 9 février 2021, rappelle-t-il.

      https://www.ledauphine.com/faits-divers-justice/2022/06/12/reouverture-de-l-instruction-dans-l-affaire-blessing-matthew-le-parquet-

      #compétence

    • Mort de Blessing Matthew : le procureur de Gap se dit incompétent pour rouvrir une information judiciaire

      La migrante nigériane avait été retrouvée morte dans la Durance en 2018 lors d’un contrôle de gendarmerie après avoir franchi la frontière italienne. La justice a décidé par deux fois de prononcer un non-lieu dans ce dossier.

      Me Vincent Brengarth a annoncé la couleur fin mai, évoquant « un témoignage de nature à rebattre totalement les cartes » dans l’affaire Blessing Matthew. L’avocat de la sœur de la migrante nigériane, qui s’était noyée dans la Durance (Hautes-Alpes) lors d’un contrôle de gendarmerie en 2018, affirme avoir retrouvé un des témoins de la scène, dont le récit inédit diffère de la version des forces de l’ordre.

      À la lumière de ce témoignage, l’avocat a effectué une « demande de réouverture d’information judiciaire » auprès du procureur de la République de Gap. Interrogé par BFM DICI, Florent Crouhy a indiqué ce dimanche qu’il se déclarait incompétent pour traiter la requête émise par Me Vincent Brengarth, rappelant que ce dossier « a fait l’objet d’un non-lieu par arrêt de la chambre de l’instruction de la cour d’appel de Grenoble en date du 9 février 2021 ».

      La justice a à deux reprises estimé qu’aucun élément ne permettait d’étayer les accusations d’homicide involontaire, de mise en danger de la vie d’autrui et de non-assistance à personne en danger visant les gendarmes.

      L’avocat redirigé vers le procureur de la cour d’appel

      Selon Florent Crouhy, « seul le procureur général est compétent pour apprécier l’opportunité d’une réouverture sur charges nouvelles et en saisir la chambre de l’instruction ». Le procureur de la République de Gap précise ainsi avoir invité Me Vincent Brengarth à se rapprocher du procureur général de la cour d’appel de Grenoble pour lui faire part du nouveau témoignage.

      Celui-ci provient d’Hervé, un membre du « groupe d’exilés pourchassés par les gendarmes » après avoir été expulsés vers l’Italie, a annoncé Me Vincent Brengarth lors d’une conférence de presse suivie par l’Agence France-Presse (AFP) au moment du dépôt de la requête.

      « Il a vu que Blessing Matthew cherchait à se cacher. Il y a eu de façon évidente un contact avec l’un des gendarmes. (...) Il dit : ’J’ai vu le (gendarme) la saisir par le bras, elle se débattait, ils se tiraillaient’ », a-t-il développé.

      « Que justice soit rendue »

      Des paroles qui jettent à ses yeux une lumière sur « les différentes incohérences » qui se dégagent des récits des gendarmes. Et l’avocat de surenchérir : « On a le sentiment que les investigations n’ont jamais véritablement été menées à leur terme ».

      Christiana Obie Darko, la sœur de la victime, s’était également exprimée au cours de cette conférence de presse, fin mai : « Tout ce que je veux, c’est que justice soit rendue pour ma sœur, pour qu’elle puisse reposer en paix ».

      Avant l’apparition de la version d’Hervé, le parquet de Gap avait affirmé que « les circonstances précises dans lesquelles (Blessing Matthew) aurait chuté dans la Durance demeurent inconnues en l’absence de témoignage direct ».

      https://www.bfmtv.com/bfm-dici/mort-de-blessing-matthew-le-procureur-de-gap-se-dit-incompetent-pour-rouvrir-