Uber, Bolt & Co: Keine neuen Konzessionen mehr in Berlin – das sagt der Senat zu der Forderung
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7.7.2024 vin Peter Neumann - Nach einer Überprüfung wichen schwarze Schafe nach Brandenburg aus. CDU und SPD fordern, dass sich die Berliner Behörde auf sie konzentriert. Was entgegnet das Land?
Keine neuen Konzessionen für Uber, Bolt, Freenow oder Bliq in Berlin mehr: Das haben Politiker der CDU und der SPD gefordert. Die zuständige Behörde sollte sich stattdessen lieber um die Mietwagenbetreiber kümmern, die ins Land Brandenburg ausgewichen sind, um dem Zugriff der Berliner Verwaltung zu entkommen. Jetzt hat der Senat mitgeteilt, ob er die Forderung der großen Koalition erfüllen möchte.
Es war die größte Aktion dieser Art, und sie hatte aus Sicht des Senats Erfolg. Im März verpflichtete das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (Labo) Fahrtenvermittler, kurzfristig die Daten der von ihnen vermittelten Mietwagen zu melden. Der Abgleich mit Uber, Bolt, Free Now und Bliq ergab, dass von 8940 überprüften Fahrzeugen rund 24 Prozent zu beanstanden waren. Für sie lagen entweder keine Genehmigungen vor oder bestehende Genehmigungen deckten den Einsatz nicht ab. Die beanstandeten Autos und Firmen sollen für Vermittlungen gesperrt werden.
Mit Brandenburger oder polnischem Kennzeichen in Berlin unterwegs
Hintergrund: Zwar sind die App-Fahrdienste bei ihren Nutzern beliebt – kein Wunder, da der Fahrpreis meist deutlich unter dem Taxitarif liegt. Doch deshalb könne der Betrieb solcher Fahrzeuge ohne Schwarzarbeit und Sozialversicherungsbetrug kaum die Kosten wieder hereinspielen, sagen Beobachter. Der SPD-Verkehrspolitiker Tino Schopf sieht in dem Bereich „Organisierte Kriminalität“ und „mafiöse Strukturen, die weit ins Bundesgebiet hineinreichen“. Die Fahrer bekämen meist Hungerlöhne und müssten ihre Einkünfte mit Geld vom Staat aufbessern, um über die Runden zu kommen.
Schopf: „Die Koalition hat das Ziel, den Sumpf auszutrocknen und dass geltendem Recht zur Geltung verholfen wird.“ Der CDU-Verkehrspolitiker Christopher Förster fordert: „Alles ermitteln, auswerten, schwarze Schafe aus dem Markt holen, anstelle jetzt weiter Konzessionen zu vergeben.“ Die Mietwagenbranche entgegnet, dass sie ihre Fahrzeuge effizient einsetzt und deshalb keine Probleme mit mangelnder Wirtschaftlichkeit habe.
Die Mitarbeiter des Landesamts ahnten bereits, dass nach der Überprüfungsaktion betroffene Mietwagenbetreiber versuchen werden, in andere Bundesländer auszuweichen. Aus diesem Grund verfügte das Labo, dass keine Aufträge an Fahrzeuge mehr vermittelt werden, deren Betriebssitz außerhalb Berlins und Brandenburgs liegt. Doch die Taxibranche berichtet, dass sich nicht jeder an diese Regel hält.
„Wir haben schon vereinzelte Fälle erlebt, in denen Autos mit polnischen Kennzeichen und der blauen Mietwagen-Nummer in der Heckscheibe in Berlin unterwegs waren“, sagte Hermann Waldner, Geschäftsführer von Taxi Berlin und Vizepräsident des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen. „Die Frage nach den Steuern und Sozialabgaben, die auf diese Fahrten fällig werden, kann man sich wohl an fünf Fingern abzählen.“
Linke-Politiker: Senat bleibt Antworten schuldig
Aus Sicht der Taxibranche und anderer Beobachter gibt es aber auch mit dem Land Brandenburg ein Problem. „Wenn Berlin die Zügel anzieht, wandern die schwarzen Schafe ab – und versuchen so, dem Zugriff der Behörden zu entkommen“, berichtete Hermann Waldner. „In Berlin als Stadtstaat ist das einfacher als in Flächenländern. Oft reichen schon einige Meter, um sich dem Zugriff der Berliner Behörden entziehen zu können.“ Deshalb seien immer mehr Mietwagen mit Brandenburger Kennzeichen in Berlin unterwegs, berichtet auch der Linke-Verkehrspolitiker Kristian Ronneburg.
Wie geht der Senat weiter gegen illegale Mietwagen vor? Diesen Titel trägt die parlamentarische Anfrage, die Ronneburg an den Senat gerichtet hat. Seit Ende des vergangenen Jahres bestehe in Fragen des Taxi- und Mietwagenverkehrs ein „strukturierter Dialog“ des Berliner Landesamts mit den Genehmigungsbehörden im Land Brandenburg, berichtete Staatssekretär Johannes Wieczorek. Die Behörden könnten sich an das Berliner Amt wenden – etwa wenn ein Unternehmen den Sitz von Berlin ins Umland verlegt. Diese Möglichkeit werde „erkennbar genutzt“, teilte er mit.
Doch das reicht Ronneburg nicht aus. „Leider bleibt der Senat Antworten darauf schuldig, wie effektiv verhindert werden soll, dass nach Brandenburg geflohene Mietwagenunternehmen, die ihre Konzession in Berlin entzogen bekommen haben, wieder in Berlin fahren“, so der Abgeordnete.
Land Berlin beruft sich auf Artikel 12 des Grundgesetzes
Ebenso offenkundig werde die Benachteiligung des Taxigewerbes im Vergleich zum Mietwagengewerbe bei der Erteilung von Konzessionen, kritisierte der Linke-Politiker. „CDU und SPD fordern, dass aktuell die Konzessionierung von Mietwagen ausgesetzt werden sollte, um sich darauf konzentrieren zu können, den Sumpf endlich trockenzulegen. Ihr eigener Senat lehnt das ab und beruft sich dabei auf die Bestimmungen des Personenbeförderungsgesetzes.“
Eine formelle Aussetzung von Genehmigungsanträgen stelle einen Eingriff in die freie Wahl der Berufsausübung dar, die in Artikel 12 des Grundgesetzes garantiert sei, gibt Staatssekretär Wieczorek zu bedenken. Das Personenbeförderungsgesetz enthalte anders als bei Taxis keine Grundlage dafür. Damit ist klar, dass die Senatsverwaltung den Wunsch der CDU und SPD nach einem Konzessionsstopp nicht erfüllen möchte.
„Wir erwarten, dass der Senat alle rechtlichen Möglichkeiten nutzt und die Koalition eine Bundesratsinitiative dazu auf den Weg bringt, damit die Länder die Möglichkeit bekommen, Genehmigungen – wie bei Taxen – ebenfalls begrenzen zu können“, forderte Ronneburg.
Seit der Novelle des Personenbeförderungsgesetzes im Sommer 2021 haben Städte und Landkreise mehr Verantwortung für das Taxi- und Mietwagengewerbe. Allerdings nähmen sie diese Aufgabe unterschiedlich wahr, schätzt der Bundesverband Taxi und Mietwagen ein. Deshalb schult er gemeinsam mit dem Deutschen Städtetag Amtsvertreter. „Die Nachfrage ist riesig“, so der Verband.
„Wir wissen, wie wichtig der Austausch untereinander ist“, sagte Michael Oppermann, der Geschäftsführer des Bundesverbandes: „Städte lernen von Städten ist das Motto. In Vorträgen, Seminaren und in kleinen Gesprächsrunden am Abend tauscht man sich aus: Wie sind die rechtlichen Gegebenheiten? Welche Wege sind machbar? Und dazu sind auch Vertreter aus dem Berliner Umland herzlich eingeladen.“
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