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  • AIDS im nachkolonialen Afrika - Auftakt zur Epidemie | Telepolis
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    Welche Veränderungen führten in Zentralafrika zur Expansion von AIDS? Eine Fallstudie über Ursachen und Folgen von Massenverelendung und Flucht. AIDS als koloniales Überbleibsel - Teil 5

    Eine Gewebeprobe von 1959 beweist, dass HIV bereits in Léopoldville, der Hauptstadt des damaligen Belgisch-Kongo, existierte. Die Probe einer weiteren Person, 1960 unmittelbar nach der Unabhängigkeit am selben Ort genommen, zeigt bei der Virus-RNA bereits in 12% des genetischen Materials Abweichungen. Bei den bekannten Mutationsraten des Virus zeugt diese Verschiedenheit von einer jahrzehntelangen Evolution während der Kolonialperiode.1

    Die untenstehende Tabelle zeigt alle wesentlichen Verbreitungsmöglichkeiten, die im kolonialen Afrika eine Rolle spielten.
    Infektionsweg Risiko pro Kontakt
    intravenöse Injektion (medizin. Behandlung) 0,60%
    perkutane Nadelstiche (medizin. Behandlung) 0,20%
    heterosexueller (vaginaler) Geschlechtsverkehr <0,08%
    Mittlere Übertragungsrisiken von HIV-1 Gruppe M bei einer infizierten Quelle. Die Werte liegen erheblich höher, wenn sich der Überträger in der hochansteckenden Anfangsphase oder im Spätstadium befindet. Datenquellen: CDC (Centers for Disease Control and Prevention) Online [Stand: 18.4.2019] / Pépin J (2011): The Origins of AIDS. Cambridge University Press, Cambridge.

    Angesichts der niedrigen Übertragungswahrscheinlichkeiten und einer geringen Anzahl von Erstinfizierten konnte die Krankheit nur weiterexistieren, wenn Infizierte mit einer größeren Anzahl von Menschen in Kontakt kamen. Eine Schlüsselrolle spielten weitläufige Gesundheitskampagnen mit schlecht sterilisierten Instrumenten sowie die familienfeindlichen Zuzugsbeschränkungen einiger Städte, indem sie unbewusst zur Förderung der Prostitution beitrugen.

    Wie auch im Rest der Welt existierte Sex gegen Bezahlung bereits im vorkolonialen Afrika. Durch die wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen während der Kolonialperiode erhielt das Gewerbe jedoch einen starken Aufschwung und wurde teilweise sogar gesellschaftsfähig. Innerhalb der Gesellschaft wuchs eine Risikogruppe, welche die Fortexistenz der Seuche sicherte.

    Dennoch gibt es während der Kolonialzeit keinen Hinweis auf eine geographische Ausweitung der Infektion über einen beschränkten Teil von Belgisch-Kongo und die angrenzenden französischen Territorien hinaus. Die Expansion auf den ganzen afrikanischen Kontinent und darüber geschah erst in Folge des kongolesischen Bürgerkriegs.
    Die Epidemie als Begleiterscheinung neokolonialistischer Machtpolitik

    Zum Verständnis des nachkolonialen Entwicklungssprungs der Seuche sind zwei Dinge wesentlich. Der wirtschaftliche Zusammenbruch und die einhergehende Verelendung förderten die Verbreitung von Krankheiten. Das ist wenig überraschend und war auch damals vorhersehbar. Jedoch war der unmittelbare Kollaps des jungen kongolesischen Staates keineswegs dem Unvermögen der Afrikaner geschuldet. Es war auch kein simpler Betriebsunfall in den kongolesisch-belgischen Beziehungen, wie die Historiker Ludo De Witte2 und Hugues Wenkin3 aufgrund von Archivdokumenten nachwiesen.

    Stattdessen handelte es sich um zielgerichtete Sabotage des damaligen Brüsseler Machtzirkels aus Politik, Wirtschaft und Militär. Sie schufen den Status Quo, der das Land bis heute beherrscht und neben den Metallen für die Elektronikindustrie ebenso billige Arbeitskräfte nach Europa exportiert. In diesem Sinne waren die 1960er Jahre nur ein kurzer Versuch der kongolesischen Unabhängigkeit, nach dessen blutiger Unterdrückung die wesentlichen ökonomischen Abhängigkeiten unverändert blieben.4

    Bis jetzt werden sie mit denselben Methoden aufrechterhalten, die das koloniale Getriebe schmierten: Gewalt und die Korruption einer einheimischen Oberschicht. Die resultierende Verelendung ist genauso unspektakulär wie die daran gekoppelte Elendsprostitution, welche der Seuche den Weg durch den Kontinent bahnte. Doch gegen Ende der 1950er Jahre sah es zunächst optimistischer aus.
    Ein Machtsystem zerfällt

    Für die kolonialen Völker zeigte der Zweite Weltkrieg ein anschauliches Beispiel der Schwäche ihrer Herren. Frankreich und Belgien wurden im Krieg von Deutschland besetzt und die Exilregierungen mussten sogar in den Kolonien rekrutieren lassen, um ihre Armeen aufzufüllen. Nach Kriegsende traten sowohl die USA als auch die Sowjetunion für eine Dekolonisierung ein, die in Asien begann. Internationale Konventionen forderten die Abschaffung der Zwangsarbeit.5

    Wie hoch das Misstrauen der Einheimischen gegenüber der Administration gestiegen war, lässt sich daran ermessen, dass sogar die prophylaktischen Maßnahmen gegen die Schlafkrankheit unpopulär wurden. Eine Reihe von „Betriebsunfällen“ mit Dutzenden von Toten, bedingt durch zwangsläufige Hygienemängel bei der Massenabfertigung, trug schließlich zu ihrer Einstellung in den meisten Kolonien bei.6 Politische Reformversuche, wie zumindest im französischen Machtbereich, kamen zu spät, da sie unglaubwürdig wirkten. Die Führungsschicht Belgisch-Kongos, die sich durch eine bemerkenswerte politische Blindheit auszeichnete, führte das Land statt zur Entkolonialisierung in eine humanitäre Katastrophe.
    Apartheid im Herzen Afrikas

    Um 1960 lebten etwa 88.000 Belgier im Kongo. In der Mehrzahl dem Mittelstand zugehörig, leisteten sie als Kleinhändler, Angestellte, Techniker, Lehrer und Ärzte ihren Beitrag zur Aufrechterhaltung von Wirtschaft und Gesellschaft. Beim Überangebot billiger einheimischer Arbeitskräfte profitierten sie von Dienstleistungen, die ihnen in Belgien kaum zur Verfügung gestanden hätten. Hinzu kamen eine subventionierte Infrastruktur und rechtliche Freiheiten, welche ihnen das Bewusstsein oder besser gesagt die Illusion vermitteln sollte, zum Establishment zu gehören.

    Von den ausgesprochenen Nutznießern des Systems dürften nur die wenigsten jemals im Kongo gewesen sein. Gemeint sind die Aktionäre und Bosse der anglo-belgischen Union Minière du Haut-Katanga sowie anderer Großunternehmen im Rohstoffhandel.

    Die Verwaltung orientierte sich an Britisch-Indien. Ein Großteil der einheimischen Bevölkerung lebte auf dem Lande und unterstand ihren einheimischen Häuptlingen in traditioneller Gerichtsbarkeit. Wirtschaftszonen und Städte wurden dagegen direkt von der belgischen Administration gelenkt, der auch die afrikanischen Angestellten in Polizei, Militär und Verwaltung untergeordnet waren.7

    Die sichtbare Abgehobenheit der weißen Oberschicht, zementiert durch eine rassistische Gesetzgebung, wirkte wie eine Zielscheibe. Obwohl die Stadtbevölkerung sowohl ökonomisch als auch rechtlich besser als die Landbevölkerung stand, blieb sie einer strikten Rassentrennung unterworfen. Wie jede kongolesische Stadt bestand Leopoldville aus einem weißen und einem schwarzen Stadtteil mit getrennter Infrastruktur (Schulen, Krankenhäuser, Geschäfte, Kinos, Restaurants usw.) Über die Primarschule hinausgehende Bildungsmöglichkeiten waren für Afrikaner nicht vorgesehen, sodass es außergewöhnlichen Ehrgeiz erforderte, diese zu erkämpfen.

    Die höchste Stufe des sozialen Aufstiegs für einen Afrikaner war in Belgisch-Kongo an einen Einschreibungsnachweis (attestation d’immatriculation) geknüpft. Mit diesem Dokument war er rechtlich zumindest den weißen Ausländern, also Europäern ohne belgische Staatsbürgerschaft gleichgestellt. Sein Erwerb erlaubte die Mitnutzung der höherwertigen Infrastruktur, welche für die weiße Bevölkerung vorgesehen war.

    In einer abgeschwächten Vorstufe konnten sich Kongolesen um die Bescheinigung staatsbürgerlicher Leistung (carte du mérite civique) bemühen, welche unter anderem das Privileg einräumte, bei eventueller Bestrafung nicht mehr ausgepeitscht zu werden. (Für den Rest der Einheimischen wurde diese Praxis erst 1955 abgeschafft.) Mit dem Dokument galt ein Kongolese als „fast zivilisiert“, was verständlicherweise als Demütigung empfunden wurde. Doch die Etappen der Emanzipation waren an langwierige, oftmals entwürdigende Aufnahmeverfahren gebunden. Im Jahre 1959 waren unter 14 Millionen Kongolesen nur 1557 im Besitz der carte du mérite civique, während 217 von ihnen eine attestation d’immatriculation besaßen. (Details zur rechtlichen Abstufung, Vergabepraxis und den Auswirkungen findet man bei C. Braeckman8, N. Tousignant9 sowie D. Tödt10, letzteres in deutscher Sprache.)

    Hinter der Schikane stand ein durchdachtes System. Die belgische Oberschicht betrachtete die Politik ihrer französischen und britischen Nachbarn zur Formung einer einheimischen Elite als Fehler, da ebendiese früher oder später eine Machtkonkurrenz darstellen würde. Pas d’élites, pas d’ennuis! (keine Eliten, keine Scherereien) lautete der Wahlspruch, den man in einer Zeit umzusetzen versuchte, die vom Zerfall des weltweiten Kolonialsystems gezeichnet war.

    Die Herabstufung von Afrikanern zu Bürgern zweiter Klasse im eigenen Land und die gesetzlich verordnete Rassentrennung nach Hautfarben sorgten erwartungsgemäß dafür, dass rassistische Ressentiments von allen Richtungen Auftrieb erhielten. Gleichzeitig garantierte sie die enge Bindung der weißen Minderheit an das System, welches nicht nur ihre Lebensweise, sondern ihr physisches Überleben absicherte.
    Offene Arroganz wird den Mächtigen selten verziehen

    Am 4. Januar 1959 entwickelte sich in Leopoldville aus einer nichtgenehmigten Versammlung der Unabhängigkeitspartei Abako (Association des Bakongo pour l’Unification, l’expansion et de la Défense de la Langue Kikongo) plötzlich eine unerwartete Situation: Nach Schüssen eines Polizeibeamten zog eine Menschenmenge, der sich fast die Hälfte der afrikanischen Stadtbevölkerung anschloss, durch die Stadt. Ein harter Kern der Demonstranten randalierte. Zur Zielscheibe wurde alles, was sich irgendwie mit der weißen Hautfarbe assoziieren ließ: Einrichtungen und Personen, unabhängig von deren Geschlecht, Alter oder persönlicher Einstellung.

    Den Soldaten der kongolesischen Force Publique gelang es unter beträchtlichem Aufwand, das weiße Stadtviertel vor einer Plünderung zu schützen. Zur Bilanz der Ereignisse zählten zwischen 250 und 500 Toten unter der afrikanischen Bevölkerung und ein bleibender Schreck unter den Weißen.11 Erstmals in der Kolonialgeschichte wurden die afrikanischen Truppen durch ein beträchtliches Kontingent aus dem Mutterland ergänzt, während die belgische Regierung nun hastig darüber nachdachte, wenigstens die Filetstücke der Beute zu retten.

    Die Nutznießer des Systems (französische Karikatur). Um den Hauptprofiteur oben zu halten, musste man die beiden anderen durch geeignete Einheimische auswechseln. Bild: L’assiette au beurre, n 110, 1903 / BnF (Bibliothèque nationale de France).
    Machtwechsel?

    In der belgischen Bevölkerung, die keine ähnlichen Privilegien besaß und weniger von kolonialem Herrschaftsbewusstsein durchdrungen war, gab es kaum Opferbereitschaft, für eine abgehobene Kaste in einem Krieg fern der Heimat die eigene Haut zu Markte zu tragen. 1960 schwenkte die Regierung in Brüssel, die bisher starr am Kolonialstatus festgehalten hatte, innerhalb weniger Monate überraschend um. Falls Unabhängigkeit darin besteht, durch Korruption einer kleinen lokalen Oberschicht in den Besitz aller wesentlichen Güter zu kommen, wäre sie sogar rentabler als das alte System. Im Grunde war die Idee nicht einmal originell, sondern nur die Erweiterung des erprobten Prinzips, Drecksarbeit durch eine gekaufte Schicht Einheimischer erledigen zu lassen.

    Unter der Vielzahl regional und ethnisch organisierter politischer Bewegungen unterschied sich der MNC (Mouvement National des Congolais) durch seine Offenheit, die gesamte Bevölkerung von Belgisch-Kongo zu repräsentieren. Eine seiner Führungspersönlichkeiten war der charismatische Patrice Lumumba. Zu den Erwerbstätigkeiten des jungen Teilzeitjournalisten gehörte auch die Arbeit als Handelsvertreter und kaufmännischer Direktor einer Brauerei - für Kongolesen damals eine ungewöhnlich hohe Position.

    Es gibt wenig Grund zur Annahme, dass Lumumbas Ansichten kommunistisch geprägt waren. Bereits im Anschluss an die Brüsseler Verhandlungen im Februar 1960 hatte er sich in die BRD begeben, um vor Vertretern aus Politik und Wirtschaft eine schriftliche Garantie zum pro-westlichen Kurs seiner Partei abzugeben (siehe T. Gülstorff12). Er ließ es jedoch an der nötigen Unterwürfigkeit fehlen, als König Baudouin in seiner Abschiedsrede am 30. Juni 1960 die zivilisatorischen Verdienste von Léopold II lobte. Damit hatte er sich als Vertreter belgischer Interessen disqualifiziert.

    Wegen des katastrophalen Fachkräftemangels wäre auch ein unabhängiger Kongo auf die Hilfe belgischer Spezialisten angewiesen. Eine Gruppe von Politikern, Militärs und Technokraten beschloss, diesen Zustand auszunutzen.

    Der Historiker Hugues Wenkin veröffentlichte 2017 ein vom 12. Juli 1960 datiertes Memorandum. Das Papier aus der Feder eines Beraters von Ministerpräsident Eyskens wurde zur Vorbereitung einer Kabinettssitzung verfasst, wo die Errichtung eines Militärprotektorats über die ehemalige Kolonie diskutiert werden sollte. Gleichzeitig sollte die Abspaltung einzelner Regionen gefördert werden. „Im Interesse des Kongo und von Belgien“ wurde außerdem die Ermordung von Lumumba ins Auge gefasst. (Der vollständige Text in französischer Sprache findet sich bei Wenkin13, S. 204.)

    Unter Berücksichtigung dieser Notizen erscheinen historische Ereignisse in einem anderen Licht. Am 5. Juli 1960, sechs Tage nach der Unabhängigkeitserklärung, provozierte Generalleutnant Émile Janssens seine afrikanischen Untergebenen in der Kaserne von Léopoldville mit einer Rede14, wobei er den Spruch „avant l’indépendance = après l’indépendance“ (vor der Unabhängigkeit = nach der Unabhängigkeit) an eine Wandtafel schrieb. Aufgrund ihrer Herkunft hatten Kongolesen auch künftig keinerlei Beförderung in höhere Offiziersränge zu erwarten.

    Général Janssens im Gespräch mit dem kongolesischen Premier Patrice Lumumba. Bild: H. Wenkin, mit freundlicher Genehmigung der Edition O. Weyrich

    Es war dieselbe alte Arroganz der Macht, welche nun eine Rebellion der Armee entfachte. In der Kaserne von Thysville kam es zu brutalen Übergriffen der Soldaten auf ihre Vorgesetzten und deren Familien. Ehefrauen der Offiziere wurden vor den entsetzten Augen ihrer Kinder von Soldaten vergewaltigt. Die Unruhen griffen rasch auf Truppeneinheiten in Luluabourg, Élisabethville und Matadi über, wo sie von wahllosen Plünderungen der weißen Stadtviertel begleitet wurden. Während Lumumba die Auflösung seiner Armee vor Augen stand, erhielt er von den ehemaligen Machthabern ein „Hilfeangebot“.15 Sie hatten ihre Truppenkontingente zuvor beträchtlich aufgestockt und glaubten sich imstande, ihre technische Überlegenheit ausspielen zu können.

    Wäre die militärische Unterstützung von der kongolesischen Regierung angenommen worden, so hätte sie ihren Rückhalt in der Bevölkerung verloren und wäre de facto wieder in die alte Abhängigkeit zurückgekehrt. Lumumba lehnte folgerichtig ab, entließ stattdessen Janssens und startete zusammen mit dem Präsidenten Kasavubu eine Reise durch das Land. Vor den Kasernen leitete er umgehend die Afrikanisierung der Kader ein, wodurch sich die Situation vor Ort sichtlich beruhigte. Indessen hatte das belgische Kabinett ungefragt beschlossen, das Problem auf seine eigene Art zu lösen.
    Intervention unter humanitärem Vorwand

    Für die nachfolgenden Ereignisse sei das Buch des Militärhistorikers Hugues Wenkin16 (in französischer Sprache) empfohlen.

    Während die beiden kongolesischen Politiker die Situation in den Kasernen schrittweise unter Kontrolle brachten, ließ die Regierung Eyskens belgische Truppen „zum Schutz ihrer Landsleute“ anrücken. Es kam zu Gefechten mit kongolesischen Einheiten, womit die Feindseligkeiten gegen weiße Zivilisten wieder Auftrieb erhielten. In Matadi endete die gesamte Militäroperation in einem Debakel. Die Belgier verloren die Kontrolle über die Hafenstadt, welche nun einer zweiten Plünderungswelle ausgesetzt war. Infolge des Verlustes dieses Verkehrsknotenpunkts kam es auch in der Hauptstadt Léopoldville zu schweren Versorgungsengpässen. Es war der Beginn des wirtschaftlichen Niedergangs im ganzen Lande.

    Am 12. Juli fand in Brüssel die bemerkenswerte Kabinettssitzung hinter verschlossenen Türen statt, in welcher das neokoloniale Projekt und der Mordplan gegen Lumumba und seinen Minister Anicet Kashamura zur Sprache kamen.

    Elitetruppen der Chasseurs ardennais im Hafen von Matadi. Bild: H. Wenkin, mit freundlicher Genehmigung der Edition O. Weyrich

    Erst nach dem Einspruch des UN-Sicherheitsrats lenkte die belgische Regierung ein. Die Provinz Katanga behielt sie trotzdem unter ihrer Kontrolle. Dort gab es weit mehr als die Landsleute zu schützen. Durch seinen Reichtum an Bodenschätzen war das Gebiet für die anglo-belgische Bergbaugesellschaft Union Minière du Haut Katanga (UMHK) von zentraler Bedeutung. Mit einem Anteil von 70% der Landeseinkünfte galt Katanga als unbestrittenes Filetstück der Kolonie. Seine Abtrennung bedeutete nicht nur die Kontrolle über den Reichtum, sondern zugleich die wirtschaftliche Strangulation des verbleibenden Kongo, der damit erpressbar blieb.

    Die Aufnahme aus den 1940er Jahren zeigt die Uranmine von Shinkolobwe, welche von der Union Minière du Haut Katanga betrieben wurde und das Material zur Herstellung der Atombomben für Hiroshima und Nagasaki lieferte. Während des Zweiten Weltkriegs besaß Belgisch-Kongo als Rohstofflieferant (Uran, Kautschuk) eine hohe strategische Bedeutung für die USA. Bild: Public Domain

    Nachdem belgische Truppen die meuternde Garnison von Élisabethville (Lubumbashi) am 10. Juli entwaffnet hatten, übertrugen sie dem Lokalpolitiker Moïse Tshombé pro forma die politische Macht. Tshombé besaß zwar nicht die Popularität Lumumbas, genoss aber das Vertrauen der Schwerindustrie. Bereits am 11. Juli verkündete er - umringt von belgischen Beratern - die Sezesssion. Für die nächsten Jahre schuf er tatsächlich auf kleinerem Raum das in Brüssel erträumte Protektorat, konnte sich jedoch nur mit Hilfe weißer Söldner halten.

    Nach dem Beispiel Katangas flackerten Erhebungen im ganzen Kongo auf. Der verzweifelte Premier des krisengeschüttelten Landes wandte sich um Unterstützung an die USA, welche ihn komplett ignorierte. Dieses Desinteresse wandelte sich schnell in Feindseligkeit, als Lumumba ein Hilfegesuch an die Sowjetunion richtete und tatsächlich eine Zusage erhielt.

    Der Mordplan kam zur Ausführung - sein Ablauf wird ausführlich bei De Witte17 geschildert. Auf Anraten belgischer Berater ließ Präsident Kasavubu seinen Premierminister fallen und sicherte mit diesem Schritt seine eigene politische Zukunft. Mithilfe belgischer Söldner und der CIA wurde Lumumba schließlich am 17. Januar 1961 umgebracht - den schmutzigsten Teil überließ man dem neuen Vertrauensmann Tshombé - und schließlich durch Oberst Mobutu ersetzt, dessen Kleptokratie das Land bis 1997 im Verbund mit westlichen Rohstofffirmen ausplünderte. Der begonnene Bürgerkrieg hält bis jetzt große Landesteile gefangen.

    Mobutu Sese Seku, späterer Präsident von Zaire und Handlanger beim Mord an Lumumba, wurde in Washington mit offenen Armen empfangen. Hier bei Gesprächen mit Präsident Nixon am 10.Oktober 1973. Bild: Jack E. Kightlinger, U.S. federal government / Public Domain
    Kollaps einer Gesellschaft

    Auch ohne das erwähnte Memorandum aus dem Kabinett Eyskens ist klar zu sehen, dass die belgische Politik gegen Ende der Kolonialzeit die Abhängigkeit des Kongo um jeden Preis erhalten wollte. Der bereits vor der Unabhängigkeit eingeleitete Wirtschaftskrieg zielte auf die Schwächung der kongolesischen Ökonomie und nahm die Verarmung der Bevölkerung bewusst in Kauf. Kurz vor dem 30. Juni 1960 verlegte die Union Minière du Haut Katanga ihren Hauptsitz nach Belgien, um möglichen Steuerforderungen des kongolesischen Staates zu entkommen. Dem jungen Land wurde außerdem die gesamte Verschuldung aufgebürdet, welche die Kolonie zwischen 1950 und 1959 angehäuft hatte.18

    Als Kolonialmacht hatte Belgien dafür gesorgt, dass der Anteil Einheimischer mit Studienabschluss - mit Ausnahme von Theologen - nahezu bei null lag. Nach der Unabhängigkeit wurden die belgischen Fachkräfte abgezogen oder flüchteten vor den Bürgerkriegswirren. In weiten Teilen des Landes brach die medizinische Versorgung zusammen und den Schulen fehlten die Lehrer. Betriebe schlossen, was wegen fehlender Zulieferung und Absatz eine Kettenreaktion wirtschaftlicher Bankrotte auslöste. Durch Krieg und Elend schnellte die Arbeitslosigkeit in ungeahnte Höhen.
    Die AIDS-Rate steigt an

    Das von Kampfhandlungen verhältnismäßig verschonte Kinshasa, ehemals Léopoldville, wurde zum Zufluchtsort von Flüchtlingsströmen aus verschiedenen Landesteilen. Nun führte das Überangebot sexueller Dienstleistungen bei gleichzeitiger Verarmung seiner Kunden im Gewerbe zu einem Preisverfall, der den Frauen eine Massenabfertigung aufzwang. In dieser Situation entwickelte sich die Elendsprostitution, die schrittweise für die weitere Verbreitung des HI-Virus sorgte.19 In den 1970er Jahren wurde die staatliche Gesundheitsfürsorge der über 7000 städtischen Prostituierten schließlich aus Kostengründen eingestellt. Staatsausgaben waren der Bereicherung des Machthabers Mobutu und seines Freundeskreises untergeordnet.

    Das stetige Ansteigen der HIV-Rate bis in die 1990er Jahre stellte zunehmend eine Gefährdung der Bevölkerung dar und ist in Kinshasa durch archivierte Gewebeproben aus Geburtskliniken dokumentiert. Während die Rate um 1970 unter jungen Müttern noch bei 0,25% lag, befand sie sich zehn Jahre später bereits bei 3%. In anderen afrikanischen Städten ließ sich zeitlich verzögert eine ähnliche Entwicklung nachweisen, wobei das Virus umso rascher eintraf, je besser die Verkehrsanbindung war. HIV-1 reiste buchstäblich auf Eisenbahnschienen.20 Es setzte sich zuerst in den Zentren der Prostitution fest, von wo es in die Mitte der Gesellschaft gelangte.
    Globalisierung 1.0

    Selten konnte die Entstehung eines Krankheitserregers so gut beobachtet werden wie bei der Pandemie HIV-1 M. Auffällig ist die Verschiedenheit der Einflussfaktoren und ihr grenzübergreifendes Zusammenwirken. Die Entstehungsgeschichte von AIDS lässt sich als Episode einer Globalisierung verstehen, in der sich maßlose Profitgier mit neuen technischen Möglichkeiten verband, deren Folgen überhaupt nicht absehbar waren.21 Der Mensch wurde zur Ressource und zum Kostenfaktor degradiert, die frei von jeder sozialen Bindung an einen beliebigen Einsatzort verschoben werden konnte.

    Zur Rekrutierung billiger, flexibler Arbeitskräfte zerstörte man planmäßig Gesellschaftsstrukturen. Gleichzeitig priesen Propagandisten das neue Modell nach außen als Fortschritt und Befreiung, obwohl seine Ungerechtigkeiten offensichtlich waren. Sie missbrauchten wahre Spitzenleistungen der Forschung zur Verbreitung der Illusion, Probleme seien rein technologisch lösbar. Dieser Ansatz verengte die kritische Sicht und führte bei der Seuchenbekämpfung zur Eskalation anstelle einer Lösung.

    Um die wirtschaftliche Emanzipation schließlich zu verhindern, führten die Machthaber eine rücksichtslose Doppelstrategie aus Wirtschaftskrieg und Intervention, die unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe kaschiert wurde. Man installierte Banditen und ließ die Bevölkerung eines ganzen Landes in den freien Fall der Verelendung abgleiten.

    Frankreich überbringt Marokko die Gaben der Zivilisation, des Reichtums und des Friedens. Bild Le petit Journal vom 19.11.1911.

    Die Verbrämung des Kolonialsystems als großmütig helfende Hand ist so verlogen, wie es nicht besser als in der Persönlichkeit von Carl Peters (1856-1918), dem Gründer von Deutsch-Ostafrika, zum Ausdruck kam. Während er feierlich die Abschaffung der Sklaverei proklamierte, hielt er sich einen ganzen Harem von Sexsklavinnen. Ebenso richtet sich Inhumanität niemals nur gegen „fremde Rassen“, sondern ist universell. Der weiße Bevölkerungsteil des Kongo blieb stets Geisel des starren Machtsystems. Letztlich durften die Flüchtlinge - ganz gleich, welcher Hautfarbe - den Preis für das Scheitern der belgischen Eskalationspolitik zahlen. Die Verantwortlichen übernahmen weder Verantwortung, noch wurden sie jemals zur Verantwortung gezogen.

    Teile des Puzzles zeigen eine erschreckende Aktualität. Zur Erschaffung einer globalen Bedrohung wie AIDS bedarf es keiner Geheimlabors oder Verschwörungen. Gewöhnlicher Raubtierkapitalismus mit der unvermeidlichen Portion Dummheit reichen aus.

    Die Biologin Lynn Margulis vermutete, dass sich die selten beobachtbare Entstehung neuer Arten oft durch neue Wechselwirkungen zwischen Arten vollzieht. Mit fortschreitender Technologie wachsen die menschlichen Möglichkeiten zur - bewussten wie auch unbewussten - Teilnahme. Die Folgen sind nicht kalkulierbar - umso mehr, wenn der Antrieb durch Größenwahn und Profitgier bestimmt wird.

    #SIDA #histoire #colonialisme

  • BVV-Notizen Mai 2019 - DIE LINKE. Steglitz-Zehlendorf : Linksfraktion
    http://www.dielinke-steglitz-zehlendorf.de/index.php?id=43739

    22.05.2019 - Die BVV am 15.5.2019 war ein erneutes Lehrstück (oder Leerstück?) in Sachen demokratisches Umgehen, Transparenz und Bürger*innenbeteiligung.

    Wie verunstalte ich eine Tagesordnung so, dass die Opposition (wiedermal) das Nachsehen hat?

    Man (in diesem Falle: Bernd Steinhoff, der Fraktionsvorsitzende der Grünen) beantragt, dass drei Beschlussempfehlungen aus Ausschüssen, die eigentlich am Ende der Tagesordnung gestanden hätten, nach vorne gezogen werden, damit sie behandelt werden und sorgt dann dafür, dass die Sitzung (obwohl mit Zeitverzögerung von 15 Minuten erst um 17:15 begonnen) vorfristig um 22:00 Uhr beendet wird (was Thorsten Hippe, der Fraktionsvorsitzende der CDU beantragt hat). Das Ergebnis: die Sitzung endet exakt vor Aufruf der Großen Anfrage der Linksfraktion zu den Rodungen auf dem Gelände der Parks Range in Lichterfelde-Süd. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

    Boris Buchholz schrieb darauf hin in seinem tagesspiegel newsletter (leute steglitz-zehlendorf): „Erst verschieben, dann vertagen: Mit Tagesordnungstricks macht Schwarz-Grün Politik.“

    Wie gebe ich den Bürger*innen Antworten ohne etwas zu sagen?

    Die Einwohner*innenanfrage zum Stand der Vorbereitung der Prüfung von Milieuschutzgebieten wurde von der Bezirksbürgermeisterin zwar der Form halber beantwortet, aber Substanz hatte das Ganze nicht – sollte es auch nicht haben, denn: es geschieht ja auch nichts, weil nichts geschehen soll.

    Die Bewohner*innen der Waltraudstraße 45 sind auch nicht viel schlauer geworden, wissen nun aber wenigstens, dass die Mechanismen des Kapitalismus auch im Falle des ehemaligen Schwesternwohnheim greifen werden: Egal, ob neugebaut oder kernsaniert werden wird – so die Auskunft von Frau Richter-Kotowski – werden die Mieten derart steigen, dass sie für die noch verbliebenen Bewohner*innen nicht erschwinglich sein werden. Schuld daran sei der Markt. Reicht das als Entschuldigung dafür, dass Bezirksbürgermeisterin und Bezirksamt tatenlos zusehen, wie Menschen aus ihren Wohnungen gedrängt werden?

    Und die Bewohner*innen der Eisenbahnersiedlung in Lankwitz dürfte es auch nicht beruhigt haben zu hören, dass die Gespräche der Bürgermeisterin mit der Deutschen Wohnen zur Frage, wie die Modernisierungen sozialverträglich gestaltet werden können, bisher keinerlei Ergebnis erbracht hätten. Denn: Frau Richter-Kotowski möchte nach eigener Aussage für den gesamten Bezirk eine Vereinbarung mit der DW hinbekommen, was ja ein weitaus größeres und schwierigeres Unterfangen sei als in anderen Bezirken, wo es nur um einzelne abgeschlossene Wohnobjekte der DW ginge… Das dürfte den akut von Modernisierung und Verdrängung betroffenen Mieter*innen der Eisenbahnersiedlung Lankwitz so ziemlich wumpe sein, die nun seit Herbst 2018 darauf warten, dass ihre Bezirksbürgermeisterin sie in ihren ganz konkreten Anliegen jetzt unterstützt. Das nächste Gespräch sei für Ende Mai avisiert – dann können wir ja getrost und in aller Ruhe im Juni wieder nachfragen.

    Da kann man nur hoffen, dass Frau Richter-Kotowski das Gespräch mit dem Investor Huth, der aktuell den Gewerbetreibenden am Kranoldplatz das Leben schwer macht, zeitnah führt – und zwar bevor die Abwanderung dort weiter zunimmt. Bisher jedenfalls nimmt sie auch hier die Sorgen der dort ansässigen nicht ernst: das seien die üblichen Ängste der Menschen vor Neuem; man solle doch einfach mal abwarten. So ihre Antwort auf die Kleine Anfrage der FDP 1479/V.

    Sei es Milieuschutz, Mieter*innenschutz in Waltraudtsraße und Eisenbahnersiedlung, Schutz der Gewerbetreibenden am Kranoldplatz oder sozial- und umweltverträgliches Bauen in Lichterfelde Süd: für all das fühlt sich Schwarz-Grün im Bezirk nicht so wirklich zuständig. Gleichzeitig werden Großinvestoren wie Groth, Gröner und Huth (und deren Interessen) bestens bedient. Daran wird sich erst etwas ändern, wenn es andere politische Mehrheiten in Steglitz-Zehlendorf gibt!

    Wie mache ich mir das Leben als Volksvertreter*in in der BVV leichter???

    Ein Antrag (0975/V) von SPD, FDP und Linksfraktion, der Senior*innenvertretung im Bezirk mehr Möglichkeiten der Mitsprache zu geben, ist nun endgültig gescheitert. Und dies wieder mit den Stimmen der Grünen, die damit ihre Idee von basisdemokratischen Mitbestimmungsformen erneut mit Füßen tritt. Wir haben das Wortprotokoll der Debatte angefordert, weil die Argumentationen von T. Hippe (CDU) und B. Steinhoff (Grüne) erkennen lassen, wie wenig Respekt sie vor den berechtigten Anliegen und Sorgen älterer Menschen haben. Die im Publikum anwesenden Mitglieder der Senior*innenvertretung haben nur den Kopf geschüttelt über so viel Arroganz und Ignoranz. Dazu sagt Gerald Bader, der Vorsitzende der Linksfraktion:„Seniorenvertreter*innen sind gewählte Bürger*innen über 60 Jahre, die sich dankenswerterweise insbesondere für die Belange älterer Menschen stark machen. CDU und Grüne sind im Verbund mit der AfD nicht bereit, den Seniorenvertreter*innen ihre Rechte im Sinne des Seniorenmitwirkungsgesetzes zu gewähren. In den Ausschüssen der BVV müssen wir immer wieder beobachten, wie die Senior*innen sogar abfällig behandelt werden. Besonders ausgeprägt sind solche Respektlosigkeiten beim Fraktionsvorsitzenden der CDU, Torsten Hippe.“

    … und die Kältehilfe hat mal wieder das Nachsehen?

    Eigentlich ist es unfassbar: nun hatte Stadtrat Mückisch sich festgelegt, dass es in der Bergstraße 4 in der kommenden Saison eine Kältehilfe-Einrichtung geben solle, wo es doch (leider, leider!) im vergangenen Winter trotz aller Bemühungen (!!!!) nicht geklappt habe (wir erinnern uns: S-Z als einziger Bezirk OHNE!) und nun wird das schon wieder in Frage gestellt: Ein Antrag (Drucksache 1378/V) von FDP und CDU besagt, dass geprüft werden solle, ob für die Bergstraße andere soziale Verwendungszwecke machbar seien – und dann trotz anderer Nutzung evtl. auch noch Kältehilfe möglich wäre. Die Antwort kann man sich schon denken.

    #Berlin #Steglitz-Zehlendorf #politique #sans-abris #vie_chère #démocratie

  • Skandal ohne Konsequenzen seitens der Bundesregierung | Telepolis
    https://www.heise.de/tp/features/Skandal-ohne-Konsequenzen-seitens-der-Bundesregierung-4257576.html


    Le député de gauche Andrej Hunko et l’ancien chancelier Gerhard Schröder figurent sur une liste de mort qui est apparemment coproduite par les services secrètes ukrainiens. Pour les journalistes et autre personnes de la liste se trouvant sur le territoire ukrainien c’est un arrêt de mort effectif. Le gouvernement allemand ne fait rien contre parce qu’il juge plus important ses relations au sein de l’OTAN.

    Die ukrainische Webseite Mirotworez listet seit Jahren persönliche Informationen zu angeblichen Feinden der Ukraine. Für die Betroffenen kann das Lebensgefahr bedeuten - Gastkommentar

    Unmittelbar nach der Veröffentlichung der Daten eines ukrainischen Journalisten und eines oppositionellen Abgeordneten wurden diese im April 2015 vor ihren jeweiligen Wohnhäusern niedergeschossen. Mittlerweile sind auch tausende deutsche Staatsbürger, überwiegend Journalistinnen und Journalisten, auf dieser Webseite gelistet und damit gefährdet. Kürzlich wurde bekannt, dass auch der deutsche Ex-Kanzler Gerhard Schröder dort aufgeführt ist (Siehe dazu von Jörg Tauss, der ebenfalls aus der Liste steht: Die Bundesregierung und die 5.400 Staatsfeinde der Ukraine).

    Formal wird Mirotworez von einer „Nichtregierungsorganisation“ betrieben, dennoch gibt es Hinweise darauf, dass es enge Verbindungen zum Inlandsgeheimdienst SBU und zum ukrainischen Innenministerium gibt. Nach Selbstdarstellung von Mirotworez sollen „Informationen für Strafverfolgungsbehörden und spezielle Dienste“ bereitgestellt werden. Der Server liegt nicht in der Ukraine, sondern vermutlich in Kanada, zufällig dem Land, in der der „Weltkongress der Ukrainer“, eine international einflussreiche rechte Lobbyorganisation, ihren Sitz hat.

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    Als ebenfalls Betroffener habe ich die Bundesregierung 2017 dazu befragt. In der Antwort hat der Staatsminister Roth einerseits die Listung von tausenden auch deutschen Staatsbürger scharf verurteilt, andererseits aber die Machtlosigkeit sowohl der Bundesregierung, als auch der ukrainischen Regierung betont, da Mirotworez aus seiner Sicht keine staatliche Webseite sei. Nach meinem Eindruck handelt es sich jedoch um eine für ukrainische Verhältnisse charakteristische Arbeitsteilung zwischen legalen staatlichen und rechtsradikalen para-staatlichen Strukturen, die außerhalb von Legalität und internationalen Konventionen ungestört agieren können.

    Die glaubwürdige Verurteilung von Staatsminister Roth ("völlig inakzeptabel") kollidiert mit dem übergeordneten geopolitischen Kurs der Bundesregierung im Verbund mit NATO und EU, der im Zweifel den Schulterschluss mit der ukrainischen Regierung suchen lässt. Dieser führt dazu, dass trotz katastrophaler innenpolitischer Entwicklungen das gegenwärtige Regime gerade im Vorfeld des Wahljahres 2019 mit immer neuen Milliardenkrediten gestützt wird. Diese Unterstützung angesichts solch skandalöser Vorgänge wie Mirotworez in Frage zu stellen, wäre jedoch der Hebel um diese schnell zu beenden. Man darf gespannt sein, ob die Listung eines ehemaligen Kanzlers Bewegung in die Sache bringt. (Andrej Hunko)

    #Europe #Ukraine #terrorisme_d_état

  • Missing Link : Der Kampf um die Glasfaser, oder : Der verpasste Breitbandausbau in Deutschland | heise online
    https://m.heise.de/newsticker/meldung/Missing-Link-Der-Kampf-um-die-Glasfaser-oder-Der-verpasste-Breitbandausbau-i
    Pourquoi après trente ans d’efforts il y a toujours des endroits en Allemagne où il l’internet n’est accessibe que par satellite.

    Unter Bundeskanzler Helmut Schmidt sollte die Bundesrepublik ab 1985 verkabelt werden. 30 Jahre wurden damals für den Glasfaserausbau veranschlagt. Hätte die Kohl-Regierung dies nicht gestoppt, sähe die Netz-Infrastruktur Deutschlands heute anders aus.

    Die SPD-geführte Regierung unter Kanzler Helmut Schmidt wollte Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre frühzeitig den Glasfaserausbau vorantreiben. Wie die Wirtschaftswoche nach Sichtung des Bundesarchivs berichtete, wurde in einer Kabinettssitzung vom April 1981 beschlossen, dass man langfristig den „zügigen Aufbau eines integrierten Breitbandglasfasernetzes“ vorantreiben werde.
    „Missing Link“

    Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

    Mehr zum Feuilleton „Missing Link“

    Die Verkabelung von Westdeutschland mit Glasfaser sollte über 30 Jahre hinweg erfolgen. Die CDU-geführte Regierung Kohl stoppte die Pläne. Rechnet man den zusätzlichen Glasfaser-Bedarf nach der Wiedervereinigunghinzu, hätte Deutschland bis 2020 das modernste Glasfasernetz haben können.
    Grundsatzentscheidungen

    „Sobald die technischen Voraussetzungen vorliegen, wird die Deutsche Bundespost aufgrund eines langfristigen Investitions- und Finanzierungsplanes den zügigen Aufbau eines integrierten Breitbandglasfasernetzes vornehmen“, heißt es im Protokoll der Kabinettssitzung vom 8. April 1981 (Aktenzeichen B 136/51074). Der Plan sah vor, dass jedes Jahr ein Dreißigstel der alten Bundesrepublik verkabelt werden sollte. Insgesamt rechnete man mit Kosten von drei Milliarden DM.

    Das ehrgeizigste Infrastrukturprojekt der BRD wurde nicht verwirklicht. Mitunter wurden nur Leerrohre verlegt. Die nachfolgende CDU-Regierung beschloss, in ausgewählten Regionen TV-Kabelnetze zu installieren, für die Kommunikation setzte man auf die gerade entwickelte ISDN-Technik in Verbund mit dem herkömmlichen Kupferdraht. Wo liegen die Gründe für die verpasste Chance?
    Missing Link: Der Kampf um die Glasfaser, oder: Der verpasste Breitbandausbau in Deutschland

    Schaut man auf die Rahmenbedingungen, so findet man eine Grundsatzdiskussion über die „Neuen Medien“, die seit Mitte der 70er Jahre in Westdeutschland geführt wurde. Dutzende von Büchern wurden geschrieben, mehrere Expertenkommissionen tagten und verfassten dicke Forschungsbände, Industrieverbände betrieben emsig Lobbyarbeit für Bildschirmtext, Video/Kabeltext und Kabelfernsehen. Verlegerverbände warben für das – natürlich von ihnen zu betreibende – Lokalfernsehen und für Pay-TV, Lehrerverbände warnten vor der Verblödung und Gewerkschaften vor dem Verlust von Arbeitsplätzen. Die „Neuen Medien“ wurden in den höchsten Tönen gelobt, aber es gab auch Bücher wie „Schöne elektronische Welt: Technik der totalen Kontrolle“.
    „Gesellschaftlich wünschenswertes technisches Kommunikationssystem“

    Als Startpunkt kann man die Regierungserklärung vom Januar 1973 nehmen, in der Bundeskanzler Brandt eine „Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems“ (KtK) ankündigte. Ein Jahr später nahm die Kommission ihre Arbeit auf, „Vorschläge für ein wirtschaftlich vernünftiges und gesellschaftlich wünschenswertes technisches Kommunikationssystem“ zu entwickeln.

    Relativ schnell lagen erste Ergebnisse vor: Schon 1974 verkündete die Kommission unter dem SPD-Politiker Horst Ehmke, dass „ein Telefon in jedem Haus möglicherweise die Voraussetzung für die Einführung neuer Medien ist“. Im ersten Bericht von 1975 sind die „Neuen Medien“ aufgeführt: Faksimilezeitung per Fernkopierer, Videotext, Bildschirmtext, Bürofernschreiben (Teletex), lokaler Hörfunk und Fernsehen, Pay-TV, bespielte Datenträger und ein „Verleger-Rückkanal“ finden sich in der Liste.

    Dann heißt es: „Für die verschiedenen Formen des technisch Realisierbaren ist die Installation von Kabelverteilanlagen erforderlich.“ Das sollte in Pilotprojekten getestet werden. Die wichtigsten Feldtests für Bildschirmtext fanden zwischen 1977 und 1988 in Westberlin und in Düsseldorf/Neuss mit 6000 Teilnehmern statt und kosteten rund 100 Millionen DM.
    Staatlich garantierte Netzneutralität

    Im Jahr 1977 veröffentlichten Abschlussbericht geht die KtK von einem „Planungshorizont“ für ein bundesweites Kabel-Kommunikationssystem von „1985 bis zum Jahr 2000“ aus. Mehrheitlich sprachen sich die Mitglieder der KtK dafür aus, „dass neben der deutschen Bundespost auch private Unternehmen nach den Richtlinien der Post als Netzträger auch in den Pilotprojekten zugelassen werden sollen, damit der Innovationsprozess durch die Konkurrenz verschiedener Netzträger gefördert wird“ und so die „wirtschaftlichste Ausgestaltung der Netzträger“ herausgefunden werden kann.
    Missing Link: Der Kampf um die Glasfaser, oder: Der verpasste Breitbandausbau in Deutschland

    Mit dieser Empfehlung biss die KtK bei der Bundesregierung auf Granit. Unter Verweis auf die notwendige gebotene „Netzneutralität“ und die „infrastrukturellen Vorausstzungen der deutschen Bundespost“ sollte allein die Bundespost die Verkabelung Deutschlands betreiben.

    Der avisierte staatliche Netzausbau rief prompt den Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) auf den Plan: „Grundsätzlich wird es für wünschenswert gehalten, dass die Frage geprüft wird, ob in den zukünftigen Kabelsystemen noch ein Mangel bewirtschaftet wird, oder ob die Anzahl der zur Verfügung stehenden Kanäle auch Privatträgerschaften erlaubt. Unter diesen Umständen würde sie [die deutsche Industrie, Anm d. A.] ihren Anspruch anmelden, auch zu den Trägern zu gehören.“
    Informationsverarbeitung, gesellschaftlich gedacht

    Parallel zu diesen Überlegungen, was mit der neuen Verkabelung erreicht werden kann, setzte Ende der 70er Jahre ein Nachdenken darüber ein, wie Informationen verarbeitet werden. Bei der SPD sprach man vom „mündigen Bürger“, die CDU hielt 1978 einen medienpolitischen Parteitag ab und propagierte durch ihren Mediensprecher Christian Schwarz-Schilling die „Bürgerfreiheit“.

    Gemeint war ein Bürger, der sich Pay-TV und Lokalfernsehen kaufen kann. Die Vorstellung der besonderen Mündigkeit war weltweit eingebettet in die Vorstellung des freien Informationsflusses. Dieses Ideal des „free flow of information“ wurde 1977 durch eine UNESCO-Kommission erarbeitet, die später den sogenannten MacBride-Report veröffentlicht. Mündige Bürger holen sich weltweit frei fließende Informationen aus den Quellen, denen sie vertrauen und sie tun dies mit Geräten, die sie souverän einsetzen. Ganz gleich ob Bildschirmtext, Teletex, Telefon- oder Computereinsatz: Die Geräte waren in den damligen Beschreibungen immer spielend einfach zu bedienen.

    Im Jahre 1976 veröffentlichte die Siemens AG die Schrift „Büro 1990: Studie über die Entwicklung von Organisation und Technik“, in der die Vorzüge der Telearbeit in Telehäusern mit schicken Großraumbüros geschildert wird. Dem mündigen Bürger wird die zu ihm passende Arbeitsweise im Telehaus mit einer Art Home Office mit kurzem Anfahrtsweg schmackhaft gemacht.
    „Bildschirmarbeit“, IT-Rationalisierung und Big Brother

    Kritik an diesen Zukunftsvorstellungen über die „Neuen Medien“ kam zuallererst von den Gewerkschaften – und den Grünen , die sich gerade zu einer Partei zusammenrauften. Während die Gewerkschaften vehement gegen die „Bildschirmarbeit“ polemisierten und die dahinter liegenden Effekte der IT-Rationalisierung meinten, sahen die Grünen das große Ganze. Schließlich stand das Symboljahr 1984 vor der Tür und so wurde der geplante Ausbau des Breitbandnetzes mit der Ankunft eines Überwachungsstaates verbunden.

    In einem Gutachten für die Grünen unter dem Titel „Zwangsanschluss ans Informationsnetz der Zukunft mit Neuen Medien“ warnte der Informatiker Wilhelm Steinmüller 1983 eindringlich vor dem Glasfaserausbau. Steinmüller, der 1971 den Begriff der „informationellen Selbstbestimmung“ geprägt hatte, befürchtete den Wegfall von Millionen Büroarbeitsplätzen analog zur Automatisierung in den Fabriken. Bestenfalls blieben ein paar Heimbüroplätze mit Bildschirmtextaufgaben übrig, wenn die „Datenverarbeitung“ dank Universalkabel kommt. Er rief die Grünen auf, gegen die Vernetzung als „Sozialverschmutzung durch Verdatung aller Lebensbereiche“ zu kämpfen.
    Missing Link: Der Kampf um die Glasfaser, oder: Der verpasste Breitbandausbau in Deutschland

    Seit 1982 war die CDU/CSU in der Regierung und änderte die Rahmenbedingungen. Der Ausbau des Glasfasernetzes unter Kanzler Kohl hatte nicht mehr die Priorität wie unter Kanzler Schmidt, doch Steinmüller analysierte beide Parteien und schrieb:

    „Man geht auf beiden Seiten davon aus, dass in den 90er Jahren die Glasfaser sich durchgesetzt haben wird. Ab diesem Jahr beginnen ja schon die ersten Glasfaserverkabelungen, auch bei Schwarz-Schilling (und für militärische Zwecke gibt es jetzt schon bundesrepublik-übergreifende Glasfaserlinien). Kontrovers ist lediglich, ob das zu erwartende Arbeitslosenheer allein mit arbeitspolitischen Maßnahmen (35-Stunden-Woche – so die SPD) oder nur mit zusätzlicher Technologiepolitik (’Nicht diese Technik, oder später, oder anders!’) in den Griff zu bekommen sei. Angesichts der Tragweite dieser Auseinandersetzung reduziert sich der Streit zwischen SPD und CDU um die Kupferverkabelung – hierher gehört dann das Niedersächsische Rundfunkgesetz – als Teilstrategie. 5 Jahre Unterschied: Glasfaserverkabelt wird auf jeden Fall. Es geht im Moment nur darum, ob mit oder ohne zwischengeschobene Kupferverkabelung. Alle Techniker stimmen darin überein, dass die Kupferverkabelung technisch überholt und ökonomisch unsinnig ist. Technisch überholt, weil bereits jetzt die Glasfaser serienproduktionsreif ist: Es fehlen nur noch leistungsfähige Fabriken und vielleicht ein paar Robustheitsgrade bei den Bausteien, die sind übernächstes Jahr erreicht. Die Kupferverkabelung hat einzig und allein den Sinn (nicht Arbeitsplätze zu sparen oder zu bringen!, – sondern) den Privatfunk schneller als nach SPD-Planungen durchzusetzen. Wenn dann die Glasfaserverkabelung eingeführt ist, werden wir sowieso im größten Ausmaß und nach jeder politischen Richtung das Privatfernsehen haben. Der Unterschied beträgt also nur 5 Jahre: die SPD hofft medienpolitisch bis in die 90er Jahre die nötigen Weichen in ihrem Sinne gestellt zu haben. (Hier lediglich möge ihre Hoffnung in Erfüllung gehen!) Dagegen werden durch die Kupferverkabelung voraussichtlich nur wenige Arbeitsplätze geschaffen: Die Kupferkabelindustrie hat derzeit nur 65% Kapazitätsauslastung, sie kann den Produktionsschub gut gebrauchen. Die Glasfaserproduktion, die bereits anläuft, ist sehr viel gefährlicher, was die Arbeitsmarktsituation betrifft, da sie fast vollautomatisiert abläuft, um die nötigen Reinheitsgrade zu erreichen. Die wenigen dabei entstehenden Arbeitsplätze hätten eine makabre Funktion: es sind Arbeitsplätze, deren Produktivität im wesentlichen darin besteht, mehr andere Arbeitsplätze wegzurationalisieren. Glasfaserarbeitsplätze – ihr Produkt ist Arbeitslosigkeit.“
    Von der Glasfaser zurück zum TV-Kabel

    Bekanntlich wurden in der Regierungszeit von Helmut Kohl die ehrgeizigen Verkabelungspläne auf die TV-Verkabelung reduziert. Unter dem Eindruck der zweiten Ölkrise von 1980 als Finanzkrise änderte sich die Einstellung zur Zukunft der Informationstechnologien. Die Breitbandpläne wurden auf den Ausbau des integrierten Sprache- und Daten-Netzes (ISDN) zurückgeschraubt.

    Von den der Debatte um die „Neuen Medien“ blieb im wesentlichen das Privatfernsehen, das Lokalfernsehen und Videotext übrig, während das 1977 angekündigte Bildschirmtext erst 1nach mehreren Anläufen 1983 startete. Etliche Informationsöffnungen wie der Bürgerrundfunk mit seinen offenen Kanälen scheiterten zumeist am erbitterten Widerstand der Verlegerverbände.

    Gleichzeitig änderte sich aber die Szenerie mit dem dem Aufkommen der Homecomputer, dann der Personalcomputer und schließlich der Mailboxvernetzung. Die Wechselwirkung, eine kritische Zeitung für Technik und Naturwissenschaft, brachte 1982 eine Besprechung des Schockwellenreiters von John Brunner und diskutierte die kommende Vernetzung. Das linke Ingenieurkolletiv Wuseltronick gab im Blatt einen Einblick, wie Computer bei der Konstruktion von Windkraft- und Solaranlagen zum Einsatz kommen. Und der Chaos Computer Club wurde an einem Tisch in den Räumen der tageszeitung gegründet. (Detlef Borchers)

  • Revue du 7/02 – Gazprom séduit par les centrales électro-thermiques françaises
    http://www.lecourrierderussie.com/2014/02/gazprom-electro-thermiques-francaises

    Le géant gazier russe Gazprom participe à un appel d’offres pour le rachat de deux centrales électro-thermiques françaises, actuellement en possession de la société autrichienne Verbund AGThe post Revue du 7/02 – Gazprom séduit par les centrales électro-thermiques françaises appeared first on Le Courrier de Russie.