• Mercedes statt Wolga
    https://www.spiegel.de/wirtschaft/mercedes-statt-wolga-a-9442743b-0002-0001-0000-000013507404?context=issue

    18.02.1990 • aus DER SPIEGEL 8/1990 - Tagsüber verhandelt er mit der Stadtverwaltung in Ost-Berlin, nachts ist er mit Kollegen in West-Berlin verabredet: Für Fahrgäste hat der Taxiunternehmer Herbert Zotzmann, 63, dieser Tage keine Zeit.

    Zotzmann ist der erste Vorsitzende der neugegründeten »Innung der Berliner Taxiunternehmer«, eines Zusammenschlusses von rund 160 selbständigen Taxifahrern in Ost-Berlin. Die wollen dafür sorgen, daß Taxis auf Ost-Berlins Straßen bald so selbstverständlich sind wie in jeder anderen Großstadt.

    Bei seinen Gesprächen in beiden Teilen Berlins versucht Zotzmann, das Nötigste für einen Neuanfang des brachliegenden Taxigewerbes zu organisieren: Es geht vor allem um neue Autos und Funkfrequenzen für die Privatunternehmer.

    Einen wichtigen Gesprächspartner hat Zotzmann schon getroffen. Daimler-Benz-Chef Edzard Reuter, der vor 14 Tagen mit der Regierung in Ost-Berlin sprach, sagte am Rande der Visite Hilfe für die Taxiinnung zu. Die DDR-Chauffeure, die ihre Kunden zur Zeit noch mit alten Wolgas, Ladas und Wartburgs transportieren, sollen demnächst mit gebrauchten Mercedes-Taxis versorgt werden.

    Westdeutsche Taxiunternehmer, so die Vorstellungen bei Mercedes-Benz, könnten ihre Gebrauchten beim Kauf eines Neuwagens in Kommission geben. Generalüberholt und von Banken kreditfinanziert, könnten diese Wagen dann an Ost-Berliner Interessenten weitergereicht werden; über den Preis wird noch spekuliert.

    Daimler zögert wohl auch, weil die mögliche rasche Entwicklung zu einer Währungsunion die Voraussetzungen drastisch verändern könnte: Ein Preis in D-Mark läßt sich leichter kalkulieren, und auch die Frage der Finanzierung wäre in einem einheitlichen Wirtschaftsraum leichter zu lösen.

    In Ost-Berlin wächst indessen die Ungeduld. »Wir wollen so schnell wie möglich rund um die Uhr einsatzbereit sein«, sagt Zotzmann. Da hat er sich viel vorgenommen.

    Bislang war der Taxibetrieb in Ost-Berlin - zum Ärger der Kunden - im Griff des »BvB-Kombinatsbetriebes Taxi«, einem Teil der Berliner Verkehrsbetriebe. Das Kombinat bildete Leute zu »Berufskraftfahrern« aus, verwaltete Menschen und Fuhrpark. Auch die wenigen selbständigen Taxifahrer ließen ihre Wagen in der BvB-Zentrale in der Gehringstraße warten.

    Die Kleinunternehmer stört vor allem, daß der Staatsbetrieb die einzige legale Funkfrequenz betreibt. Für Taxibestellungen im Osten der Stadt (1,2 Millionen Einwohner) gibt es deshalb, außer einem Dutzend Telefonnummern für private Vermittlungen, nur den Zentralruf des Kombinats.

    Entsprechend ist der Service - der erfolgreiche Ruf nach einem Taxi gleicht einem Glückstreffer. Auch die wenigen 1986 legalisierten nebenberuflichen Lizenzfahrer und die illegal arbeitenden Privatleute schafften keine Abhilfe.

    Durch unsinnige Planauflagen wurde der Mangel noch verschärft. Die staatlichen Taxis durften auf 100 Kilometer nicht mehr als 16 Kilometer leer fahren. So standen die Staatschauffeure häufig in den Vororten, in die sie Fahrgäste gebracht hatten, und warteten auf Kunden - die suchten derweil im Stadtzentrum ein Taxi.

    Die Selbständigen konnten schon mangels eigener Funkfrequenz keine Entlastung schaffen. Seit 1980 war es ihnen zudem verboten, zusätzliche Fahrer für ihre Wagen einzustellen. Der im Westen übliche Mehrschichtbetrieb war damit unmöglich.

    Nun soll das alles ganz anders werden. Starthilfe bekommen die Ost-Berliner von den Kollegen aus dem Westteil der Stadt. »Wir helfen, wo wir können«, sagt Heinz Peter, 59, Präsident des Bundesverbandes der Taxiunternehmer.

    Als erstes stehen Nachhilfestunden in Gewerbe- und Steuerrecht auf dem Plan. Auch mit marktüblichen Kalkulationstechniken müssen die Ost-Berliner Unternehmer sich demnächst befassen.

    In Ost-Berlin kostet ein - subventionierter - Taxikilometer zur Zeit noch 80 Pfennig, die West-Berliner Taxifahrer nehmen 1,70 Mark. Eine Angleichung der Tarife ist nicht zu vermeiden, wenn die Selbständigen kostendeckend fahren wollen.

    Daß sie vielleicht mit höheren Preisen nicht mehr genug Kunden finden, müssen die Fuhrunternehmer in Ost-Berlin nicht befürchten. Während in West-Berlin fast 5000 Taxen fahren, gibt es im Ostteil der Stadt derzeit nur etwa 1500 hauptberufliche Chauffeure.

    Inzwischen haben zwar 1400 Ost-Berliner eine Lizenz für ein eigenes Taxiunternehmen beantragt, aber auch die würden sicher noch genügend Fahrgäste finden. »Groß-Berlin hat sechs Millionen potentielle Kunden«, sagt Heinz Peter mit Blick auf die Vereinigung der Stadt.

    Das haben auch die Kollegen in der Gehringstraße erkannt. Die Leitung und ein Großteil der 1300 Kombinatsfahrer wollen den Betrieb erhalten, als gut organisierten Konkurrenten der Kleinunternehmer.

    Die Rechtsform sei zwar noch »völlig offen«, sagt Wolfgang Nitz, amtierender Direktor des Staatsbetriebes. Aber wo es langgeht, ist allen klar: »Wir wollen das Profil des Betriebes moderner gestalten.«

    Die 650 uralten Wolgas des Kombinats werden die neue Zeit wohl nicht mehr miterleben. Auch Betriebsleiter Nitz weiß längst, wo es die besseren Taxis gibt - bei Daimler-Benz, wo auch die Konkurrenz kaufen möchte. f

    #Taxi #Berlin #DDR #Geschichte

  • Abschiedsbrief von Hans Modrow - »Eine letzte Chance« 
    https://www.jungewelt.de/artikel/419210.partei-die-linke-eine-letzte-chance.html

    Der Ältestenratsvorsitzende von Die Linke warnt vor dem Scheitern der Partei

    Der Vorsitzende des Ältestenrates der Partei Die Linke, Hans Modrow, hat in der vergangenen Woche einen Brief an die Kovorsitzenden der Partei, Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler, gerichtet, jW dokumentiert im Folgenden das bislang nicht veröffentlichte Schreiben, das als Beitrag zur Diskussion vor dem Parteitag im Sommer in Erfurt gedacht ist.

    Liebe Susanne, liebe Janine,

    zum ersten Mal seit vielen Jahren blieb ich dem stillen Gedenken in Berlin-Friedrichsfelde fern, konnte nicht gemeinsam mit Euch und vielen anderen jene ehren, auf deren Schultern unsere Partei steht. Ich fehlte nicht aus politischen Gründen, wie manch anderer, sondern aus gesundheitlichen: Ich lag im Krankenhaus. Die medizinischen Diagnosen sind nicht eben freundlich, weshalb ich es für angezeigt halte, meine Angelegenheiten zu regeln. Darum auch dieser Brief. Er soll zugleich mein Beitrag sein für die Diskussion im Vorfeld des Parteitages in Erfurt.

    Die Partei Die Linke – hervorgegangen aus WASG und PDS, und diese wiederum aus der SED, welche ihre organisatorischen Wurzeln in der KPD und der SPD hatte – befindet sich in einer kritischen Situation. Diese entstand nicht erst durch das desaströse Resultat bei den Bundestagswahlen. Das Ergebnis machte die innere Verfasstheit lediglich sichtbar. Wenn die Partei sich nicht im klaren ist, wofür sie steht und was ihr Zweck ist, wissen dies auch nicht die Wähler. Warum sollen sie ihre Stimme einer Partei geben, deren vordringlichstes Interesse darin zu bestehen scheint, mit SPD und Grünen eine Regierung bilden zu wollen? Dass diese Vorstellung offenkundig in der Führung und unter den Mandatsträgern dominiert, ist weder dem Wirken einzelner Genossinnen und Genossen zuzuschreiben noch das Resultat einer einzigen falschen Entscheidung. Es ist Folge einer jahrelangen, jahrzehntelangen Entwicklung. Wann dieser Prozess einsetzte, und wer ursächlich dafür verantwortlich zeichnet, lässt sich sowenig beantworten wie die Frage, ob der Realsozialismus nach dem 20. Parteitag der KPdSU 1956 oder mit dem Prager Frühling 1968 hätte gerettet werden können. Wir wissen es nicht.

    Alles auf den Prüfstand

    Wir kennen jedoch die demokratischen Spielregeln. Wir haben uns auf sie eingelassen, wie wir eben auch die gesellschaftliche Realität zur Kenntnis nehmen müssen, ob uns diese nun gefällt oder nicht. Schon Bismarck wusste und handelte entsprechend: »Wir müssen mit den Realitäten wirtschaften und nicht mit Fictionen.« Zu den demokratischen Spielregeln gehört es, dass nach einer krachenden Niederlage alles auf den Prüfstand gestellt werden muss. Die kritische Selbstbefragung schließt Personalien zwingend mit ein. Denn wenn alle Verantwortlichen im Amt bleiben, bleibt auch sonst alles beim alten. Es genügt nicht, Kreide zu fressen und Besserung zu geloben. Aus einem mit politischem Mandat ausgestatteten Saulus ist bislang noch nie ein Paulus geworden. Das war eine biblische Legende.

    Das Maß der Mitverantwortung ist bei jedem Parteimitglied unterschiedlich groß, am größten aber bei jenen, die die Partei führen. Der Bundesgeschäftsführer zum Beispiel trägt eine größere Verantwortung für Wahlstrategie und inhaltliche Ausrichtung der Partei als ein einfaches Parteimitglied – man kann sagen: eine entscheidende. Ansagen der Parteivorsitzenden finden eine höhere Verbreitung als die Meinung einer Basisgruppe; was in der Bundestagsfraktion gesagt wird, besitzt eine andere Wirkung als etwa eine Erklärung des Ältestenrates. Deshalb denke ich, dass ein Neustart nicht ohne personelle Konsequenzen erfolgen kann. Der Parteitag im Sommer in Erfurt ist nach meiner Überzeugung dafür die letzte Chance, es wird keine weitere geben.

    In der Partei, aus der ich komme, kursierte die Losung von der Einheit von Kontinuität und Erneuerung, wobei jedermann und jedefrau sah, dass die Erneuerung allenfalls Phrase war, um die Stagnation zu verdecken. Wohin dies am Ende führte, wissen wir alle. Marx irrte vielleicht doch, wenn er – Hegel zitierend – meinte, dass sich Geschichte zweimal zutrüge, »das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce«. Auch wenn sich Geschichte in Wahrheit nicht wiederholt, sind Analogien nicht völlig von der Hand zu weisen. Nach meinem Eindruck scheinen sich in unserer Partei bestimmte Prozesse zu wiederholen. Die SED ging zugrunde, weil die Führung selbstgefällig und arrogant, unbeirrt und unbeeindruckt ihren Kurs verfolgte und ignorierte, was die kritische Basis daran anstößig fand. Damit zerstörte diese Führung objektiv die Partei von oben. Das Ende ist bekannt.

    Am Ende meiner Tage fürchte ich die Wiederholung. Die politischen Folgen des Scheiterns vor mehr als 30 Jahren können wir im Osten Deutschlands besichtigen. Die Folgen des Scheiterns der Linkspartei werden ganz Deutschland und die europäische Linke insgesamt treffen. Das eine wie das andere ist irreparabel. Dessen sollten wir uns bewusst sein! Wir tragen darum eine große Verantwortung – jede Genossin, jeder Genosse und die Partei als Ganzes.

    Als Vorsitzender des Ältestenrates war ich mir immer dieser Verantwortung bewusst. Wir haben gemäß der Bundessatzung der Partei gehandelt: »Der Ältestenrat berät aus eigener Initiative oder auf Bitte des Parteivorstandes zu grundlegenden und aktuellen Problemen der Politik der Partei. Er unterbreitet Vorschläge oder Empfehlungen und beteiligt sich mit Wortmeldungen an der parteiöffentlichen Debatte.« Allerdings musste ich, mussten wir erleben, dass unsere Vorschläge und Empfehlungen ohne sichtbare Wirkung blieben, weshalb ich wiederholt auch öffentlich die Frage stellte, ob es dieses Gremiums überhaupt bedarf. Wir waren augenscheinlich überflüssig und lästig, was die Ignoranz deutlich zeigte. Unsere Erfahrungen brauchte niemand.

    In westdeutscher Hand

    Natürlich gibt es – wie in jeder Familie – auch in unserer Partei einen Generationenkonflikt. Die Neigung der Nachwachsenden, den Rat der Alten als Belehrung oder Bevormundung zu empfinden, ist mir nicht fremd: Ich war schließlich auch einmal jung. Zu diesem Konflikt kommt auch noch der der unterschiedlichen Herkunft. Wer im Osten geboren und aufgewachsen ist, hat eine andere Sozialisation erfahren als die Genossinnen und Genossen aus dem Westen. Sozialisation schließt ein: Bildung, Sprache, Umgangsformen, Mentalität, Erfahrung, Stabskultur … Das alles schwindet mit den Jahren, wie deren Träger auch verschwinden. Es wirkt jedoch nach. Über Generationen. Die Ostdeutschen, auch das muss gesagt sein, sind nicht die besseren Menschen. Sie sind anders. Das sollte sowohl in der Partei selbst als auch in ihrer politischen Arbeit bedacht werden. Geschieht das nicht, erhält man – wie jüngst geschehen – bei Wahlen die Quittung. Bundestagswahlen gewinnt man nicht im Osten, aber man verliert sie dort.

    Ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, dass auch die Partei wie seinerzeit das östliche Land inzwischen in westdeutscher Hand ist. Ihre Vertreter und Verbündeten geben den Ton an. Wie im Staat gibt es keine Einheit, ich nenne den Zustand Zweiheit. Und das scheint nunmehr auch in der Partei der Fall zu sein. Ja, ich weiß, die Zusammensetzung der Partei hat sich geändert, viele junge Leute aus West wie Ost sind hinzugekommen. Sie kommen vornehmlich aus Städten und nicht vom Lande, haben andere Bedürfnisse und Interessen als wir damals, als wir in ihrem Alter waren. Um so wichtiger ist, dass wir ihnen bewusst machen, aus welcher traditionsreichen Bewegung ihre/unsere Partei kommt, was ihre Wurzeln sind und wofür Generationen gekämpft haben: nämlich nicht für die Stabilisierung des kapitalistischen Systems, sondern für dessen Überwindung.

    Und den Charakter des Systems erkennt man nicht mit Hilfe des Ausschnittdienstes und der sogenannten sozialen Medien, sondern aus Theorie und Praxis und deren Verbindung. Ich scheue mich deshalb nicht, eine systematische politische Bildungsarbeit in der Partei zu fordern. Natürlich ist das kein Allheilmittel, aber nützlich, um die Welt zu erkennen und zu bestimmen, was die Aufgabe der Partei ist. Auch wenn deren Zustand im steten Wandel begriffen ist, ändert sich der Charakter der Klassengesellschaft nicht. Lautmalerei, Anglizismen und Gendern oder der Kampf gegen die Klimakatastrophe überwinden die sozialen Gegensätze in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft nicht. Das vermeintliche Verschwinden des Industrieproletariats hat doch die Arbeiterklasse nicht ausgelöscht. Die Sozialforschung spricht inzwischen vom Dienstleistungsproletariat, und meint jene abhängig Beschäftigten, die für wenig Geld arbeiten müssen, um zu existieren: Krankenschwestern und Pfleger, Verkäuferinnen im Supermarkt und Außendienstmitarbeiter in Logistikunternehmen, Angestellte bei der Post, im Handel, in der Gastronomie und im Tourismus und so weiter. Sie machen laut jüngsten Untersuchungen inzwischen bis zu 60 Prozent der Beschäftigten aus und sind kaum gewerkschaftlich organisiert. Sie sind ebenso Arbeiterklasse wie die etwa 18 Prozent in Industriebetrieben Tätigen. Diese nahezu vier Fünftel der Gesellschaft kommen in der Wahrnehmung unserer Partei kaum vor. Es ist ja keine Klasse, keine Mehrheit, nur eine Randerscheinung …

    Kampf um den Frieden

    Nicht weniger gefährlich ist diese absurde Äquidistanz zur Außenwelt. Man kann nicht zu allen Bewegungen und Staaten den vermeintlich gleichen ideologischen Abstand halten. Wer in das gleiche Horn stößt wie die kapitalistischen Kritiker Russlands und Chinas, Kubas, Venezuelas usw. macht sich objektiv mit ihren erklärten wirtschaftlichen und politischen Gegnern gemein. Wollen wir ihnen im Kalten Krieg behilflich sein beim Anrichten eines Scherbenhaufens wie in den Staaten des arabischen Frühlings, in Afghanistan, in der Ukraine und in anderen Staaten, wo die Geheimdienste und die Militärmaschinerie des Westens wüteten? Natürlich sollen wir nicht alles gutheißen, was in anderen Ländern geschieht. Aber bei unserer Beurteilung ist es nicht nur nützlich, sondern auch nötig, die Perspektive der anderen einzunehmen. Im Kampf um den Frieden darf es keine Neutralität geben. Der christlich-europäische Kulturkreis, aus dem wir ebenso kommen wie Karl Marx und der ganze Kapitalismus, kann nicht die Elle sein, mit der wir die Welt vermessen. Es gibt Kulturvölker, die uns Jahrtausende voraus sind. Und es gibt Prioritäten, die auch Willy Brandt setzte: Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.

    Liebe Susanne, liebe Janine, ich kann versprechen, Euch künftig mit Schreiben wie diesem zu verschonen. Meine Kraft ist aufgezehrt, ich kann nur auf die Enkel hoffen, die es besser ausfechten. Da schwingt Hoffnung mit. Und die stirbt bekanntlich zuletzt.

    Berlin, 17. Januar 2022

    In solidarischer Verbundenheit

    Hans Modrow

    Hans Modrow war von 1958 bis 1990 Abgeordneter der Volkskammer der DDR für die SED, deren Zentralkomitee er von 1967 bis 1989 angehörte. Von November 1989 bis April 1990 war er der vorletzte Ministerpräsident der DDR. Vom 3. Oktober 1990 bis 1994 war er Abgeordneter der PDS im Bundestag und von 1999 bis 2004 des Europaparlamentes. Er ist Vorsitzender des Ältestenrates der Partei Die Linke seit dessen Gründung 2007.

    Am Donnerstag, 27. Januar, feiert Hans Modrow seinen 94. Geburtstag. Er bittet statt um Blumengrüße um Spenden für die Tulpen-Aktion der Modrow-Stiftung. So sollen im kommenden Herbst 6.000 Tulpenzwiebeln auf dem OdF-Feld (Gräberfeld für Opfer des Faschismus) auf dem Zentralfriedhof in Berlin-Friedrichsfelde gesteckt werden.

    Modrow-Stiftung IBAN DE 64 1009 0000 2703 3300 05, Kennwort: Tulpen-Aktion

    #Allemagne #politique #gauche #DDR

  • Glühbirne: Die kleine Sonne verlischt
    https://taz.de/Gluehbirne/!5199761

    14.7.2007 vonHelmut Höge - Die Glühbirne soll ausgedient haben, weil sie zu viel Energie verbraucht. Wir erzählen ihre Geschichte, in der Syndikate, Terroristen und Siemens-Vorstände vorkommen.

    Die Glühbirne soll ausgedient haben - weil sie zu viel Energie verbraucht. Lassen wir sie noch einmal leuchten. Und erzählen ihre Geschichte, in der Syndikate, Terroristen und Siemens-Vorstände vorkommen

    In Europa gehen die Lichter aus - mindestens die Glühbirnen, das wünscht sich der Bundesumweltminister. Und prompt wurde im Feuilleton landauf, landab das Ende der Glühbirne - als weltweit gültiges Symbol für Fortschritt, Erfindungsgeist, Ideen und Sozialismus - gefeiert. Der Umweltminister Sigmar Gabriel will es mit seinem „Glühbirnenverbot“ Australien nachtun, wo sein Kollege im dort besonders aussichtslosen Kampf gegen das Ozonloch und den Klimawandel alle Glühbirnen des Kontinents bis 2010 durch so genannte Energiesparlampen ersetzen will.

    Die Glühbirne aber ist unsterblich. Obwohl oder weil sie eine Energieeffizienz hat, die umgekehrt proportional zu der des Glühwürmchens ist. Das infolge der Klimaerwärmung sich langsam bis Skandinavien ausbreitende Leuchtinsekt wandelt 93 Prozent der Energie in Licht und nur 7 Prozent in Wärme um, während die Glühbirne eher ein Heizgerät ist. Durch das Glühen ihrer Wolframwendel - „Seele“ genannt - im Inneren des gebärmutterförmigen Glaskolbens - entsteht eine Sonne en miniature. Das macht ihr Licht so angenehm. Im Gegensatz zu dem der Energiesparlampe, die nur eine umgebogene Leuchtstoffröhre ist, zudem giftstoffhaltig, was sie beim Zerbrechen gefährlich und ihre Entsorgung teuer macht. Und sie ist sauhässlich, ebenso ihr Licht. Außerdem hat man ihr, wie der Glühbirne, einen „geplanten Verschleiß“ eingebaut - im Sockel: Sie lässt sich nicht beliebig oft an- und ausschalten und bei Frost springt sie manchmal nicht an. All das ließe sich marktwirtschaftlich „regeln“. Von dort kommt jedoch der größte Einwand gegen den „Energiesparlampenschwindel“: Privathaushalte verbrauchen heute nur noch etwa 8 Prozent der Elektrizität für Licht, der Rest wird für immer mehr Elektrogeräte und Elektronik benötigt.

    Als die Glühbirne sich mit dem Edison-Patent - das ein ganzes System vom Wechselstromgenerator über das Leitungsnetz und den Schalter bis zur Wendelgeometrie der Birne umfasst - langsam durchzusetzen begann, gab es in den G[Glühbirnen]-7- Ländern, heute sind es 8 (mit dem exsozialistischen Russland, das eine eigene ruhmreichere Glühbirnengeschichte hat), nur Monopolbetriebe im Westen. In Deutschland war das die von Werner von Siemens und Emil Rathenau gegründete Firma Osram. Die beiden Elektropioniere zerstritten sich an der Frage der Glühbirnen-Vermarktung. Gaslicht war billiger, und noch Anfang der Dreißigerjahre konnte sich ein Arbeiterhaushalt höchstens eine 15-Watt-Birne leisten, die nur wenige Stunden am Tag brennen durfte.

    Der jüdisch-protestantische Rathenau wollte das Bedürfnis nach dem neuen Licht auf gut amerikanische Art mit Reklame „wecken“. Zu diesem Zweck illuminierte er z. B. kostenlos ein Theater in München und in Berlin das Café Bauer Unter den Linden, wo er selbst im Keller den Generator mit Wasser kühlte, als der sich überhitzte. Siemens setzte dagegen preußisch-militaristisch auf Beeinflussungsstrategien - gegenüber Staaten und Verwaltungen. Rathenau zog sich bald aus dem Osram-Abenteuer zurück. Die Firma gehört bis heute zu Siemens, im Zuge der Nazieroberungen verleibte der Elektrokonzern sich vorübergehend auch noch Philips und Tungsram ein. In der einstigen „Stadt des Lichts“ werden seit der Wende keine Glühbirnen mehr hergestellt: 1994 wurden im alten Osram-Glühlampenwerk an der Warschauer Brücke, das zu DDR-Zeiten „Narva“ hieß, sämtliche „Arbeitsplätze im Licht“, wie man dort sagte, abgewickelt, und 2004 verlegte man die Glühbirnenproduktion im Spandauer Osramwerk in das Elsass: „Wir sind jetzt ein High-Tech-Betrieb!“, meinte die Telefonistin kichernd. Es werden dort jetzt Hochdrucklampen, u. a. für Straßenlaternen, hergestellt. Der wahre Osram-High-Tech findet im Regensburger Werk statt - in der Leuchtdioden-Entwicklung (die Fertigung befindet sich in Malaysia). Bei den so genannten LEDs meldet Siemens (Deutschland) seit langem mal wieder laufend Patente an. Und sie werden wohl bald auch - zu ganzen „Lichtwänden“ geclustert und in lebensverkürzender Weise hochgetrimmt - die Glühbirnen ersetzen.

    Ironischerweise ging der von Rathenau einst gegründete AEG-Konzern nicht an einem Mangel an Patenten pleite, sondern an der schlechten Vermarktung seiner Produkte. Schon Rathenau war mit seiner AEG dem Konkurrenten Siemens entgegengekommen: Erst gründeten sie zusammen mit Edison (General Electric) u. a. ein europäisches und dann ein internationales Elektrokartell: die IEA (International Electrical Association), mit Sitz in Pully bei Lausanne. Kartellexperten gehen davon aus, dass dieses Syndikat, das weltweit die Preise festlegte, Konkurrenten mit Dumpingpreisen und Patentrechtsprozessen niederkämpfte und gemeinsam festlegte, welches Land was produzieren durfte, sich erst 1999 auflöste. Mir selbst schrieb die IEA, sie hätte sich bereits 1989 aufgelöst. Dies wurde jedoch allgemein als zu schön, um wahr zu sein, bezeichnet. Wahr ist jedoch, dass General Electric Anfang der Achtzigerjahre unter Jack Welch aus der IEA austrat - und er den ganzen Konzern umkrempelte. Ende der Neunzigerjahre versuchte der Siemens-Chef von Pierer sich an einem ähnlichen „Konzernumbau“, „10-Punkte-Programm“ von ihm genannt, das dann von seinem Nachfolger Kleinfeld fortgeführt wurde - und wird: 2005 ließ er die Handysparte erst für 350 Millionen Euro bei dem taiwanesischen Konzern BenQ zwischenlagern und dann mit noch einmal 30 Millionen Euro abwickeln. Und nun wird der Communication-Bereich in ein Joint Venture mit Nokia ausgelagert, wobei Siemens wegen des unklaren Ausgangs der ganzen Korruptionsermittlungen und -prozesse gegen den Konzern noch einmal 300 Mio Euro drauflegte. Der Chefredakteur von Europolitan, Marc Sondermann, nannte diese „Verschlankung“: „eine der schwerwiegendsten strategischen Weichenstellungen in der 160 Jahre langen Konzerngeschichte“, dazu noch im Hauruckverfahren durchgezogen, so dass der nunmehrige Aufsichtsratschef von Pierer seinem Nachfolger Kleinfeld über die Presse mitteilen ließ, solche „’Parforceritte’ wie mit der Com-Sparte künftig gefälligst ausbleiben“ zu lassen. Deutlich werde dabei, so Marc Sondermann, „dass Kleinfeld aus der Erkenntnis, seinem Hause lägen konsumentennahe, von Marktinnovationen getriebene Technologiesprünge nicht, die radikalste aller Konsequenzen geschlossen hat: vollständiger und totaler Abschied aus dem Konsumentenmarkt“. (Die Hausgeräte werden bereits im Joint Venture mit Bosch produziert und das PC-Geschäft zusammen mit Fujitsu betrieben).

    Dieser ganze Konzernumbau hat zum Ziel, Anschluss an die neuen Kapitalströme zu finden. Vorher war Siemens eine Aktiengesellschaft, deren Aktionäre an „langfristigen Gewinnen durch Dividenden“ interessiert sein mussten, denn von einer „Performance der Siemens-Aktie“ konnte genau genommen keine Rede sein - sie ähnelte einer Staatsanleihe. Und der multinationale Konzern war ja auch noch eng mit „seinem“ Nationalstaat verknüpft. Nach seinem „Umbau“ wurde der Konzern auch für „Investoren“ interessant, die nur auf „kurzfristige Gewinne aus Aktienmärkten“ spekulieren. Die Aktionäre profitieren sogar davon, wenn Siemens sich weltweit mittels Schmiergeldern Aufträge verschafft, die er dann mit erhöhten Preisen wieder reinholt: So kosten z. B. medizintechnische Geräte von Siemens in Russland doppelt so viel wie in Deutschland. Und hier wiederum hält sich der Konzern am Finanzamt schadlos, wie die Spiegel-Journalisten H. R. Martin und H. Schumann in ihrem Buch „Die Globalisierungsfalle“ meinen: „So verlegte z. B. Siemens seinen Konzernsitz steuerrechtlich ins Ausland. Von den 2,1 Milliarden Mark Gewinn des Geschäftsjahres 1994/95 bekam der deutsche Fiskus nicht einmal mehr 100 Millionen, im Jahr 1996 zahlte Siemens gar nichts mehr.“ Auch anderswo nicht: „Das Imperium Siemens führte noch 1991 fast die Hälfte des Gewinns an die 180 Staaten ab, in denen es Filialen unterhält. Binnen vier Jahren schrumpfte diese Quote auf nur noch 20 Prozent.“ Gleichzeitig vermehrten sich bei der Bank aller Banken „Clearstream“ in Luxemburg die „unveröffentlichten Konten“ von Siemens, über die wahrscheinlich ein Großteil seiner Schmiergeldzahlungen abgewickelt wurde: „Die Aufnahme von Siemens sorgte für Wirbel“ in dieser den Banken vorbehaltenen Metabank, erinnert sich der ehemalige „Clearstream“-Manager Ernest Backes. Daneben hat sich Siemens auch in andere Richtung vorgearbeitet - und dabei stets die dicksten deutschen Forschungsgelder, Dritte-Welt-Entwicklungsprojekte und - nach der Wende - die meisten DDR-Betriebe abgegriffen. Daneben versuchte der Konzern erst das DDR-Glühlampenkombinat Narva auf die Abwicklungsliste der Treuhand zu setzen. Als der Betrieb dennoch neu ausgeschrieben wurde, teilten sie allen Interessenten mit, sie bräuchten sich nicht zu bewerben, denn sie würden das Werk selbst übernehmen - dabei hatten sie gar keine Kaufofferte abgegeben. Als dann General Electric den DDR-Vorzeigekonzern Elpro privatisieren wollte, überredete Siemens einen Tag vor Vertragsunterzeichnung die GE-Manager in Belgien, vom Kauf zurückzutreten, dafür wollten sie ihnen helfen, wieder im Iran ins Geschäft zu kommen. Als Samsung den Ökokühlschrankhersteller Foron übernehmen wollte, schrieben die Siemensianer den Koreanern in alter Elektrokartellführermanier, sie würden das als einen unfreundlichen Akt ansehen. Samsung zog daraufhin seine Kaufofferte zurück. Und als die Stromspannung wegen der EU von 220 auf 230 Volt erhöht wurde, verkürzte sich auch noch die Lebensdauer der Glühbirnen von 1.000 auf 800 Stunden. In der Vergangenheit hatte das Elektrokartell immer wieder Lebensdauerverkürzungen beschlossen - von 5.000 auf zuletzt 1.000, während die Glühbirnen im Ostblock bis zu 2.500 Stunden brannten und die in China 5.000. Den lebensdauerverkürzenden Kampf des Elektrokartells aus Gründen der Profitsteigerung schilderte Thomas Pynchon in seinem Roman „Die Enden der Parabel“ - aus der Sicht einer Glühbirne, die dagegen erfolgreich Widerstand leistete. Er dachte dabei konkret an eine Birne in der Feuerwehrwache von Livermore (Kalifornien), die dort bereits seit 1901 brennt (man kann sie sich im Internet anschauen). In Berlin erfand der Elektroniker Dieter Binninger 1983 eine Glühbirne, die 150.000 Stunden brannte - etwa so lange wie die DDR. Er baute sich - ständig von Osram molestiert - eine kleine Birnenproduktion in Kreuzberg auf und wollte dann zusammen mit der Commerzbank Narva übernehmen - stürzte jedoch kurz nach Abgabe ihrer Kaufofferte mit seinem Flugzeug ab. Laut Bild-Zeitung hatte auch die Ermordung des Treuhandchefs Detlef Rohwedder, der Narva wieder von der Abwicklungsliste genommen hatte, etwas mit Glühbirnen zu tun: In dem Moment, als er in seinem Wohnzimmer eine kaputte Birne durch eine neue ersetzt hatte und diese anknipste, wurde er erschossen. Günter Grass arbeitete diese plötzliche „Verdunklung“ später in seinen Treuhandroman „Ein weites Feld“ ein. Beizeiten bereits schrieb der Philosoph Ernst Bloch: „Die Glühbirne im schattenarm gewordenen Zimmer hat die Anfechtungen des Nachtgrauens weit gründlicher geheilt als etwa Voltaire.“ Der Immer-noch-Siemens-Chef Kleinfeld schwor kürzlich beim Bundeskartellamt, Siemens werde den Anfechtungen der Korruption schon bald gewachsen sein: „Die Leute sollen in fünf Jahren sagen können, wie Siemens das gehandhabt hat, ist ein Maßstab, wie man es machen sollte.“ Bulbshit!

    #technologie #histoire #DDR #Treuhand #Siemens #capitalisme #Mafia

  • Wie die Medienvielfalt im Osten nach der Wende verschwand
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/wie-die-medienvielfalt-im-osten-nach-der-wende-verschwand-li.187713

    17.10.2021, von Heiko Hilker - Viele DDR-Medien reformierten sich 1989 von Grund auf. Trotzdem hatten sie keine Chance im neuen System. Ein Medienpolitiker blick zurück.

    Von außen schien es unerklärlich: Medien, denen man vor Monaten nicht getraut hatte, wurden plötzlich massenhaft gelesen, gesehen oder gehört. Dabei hatte es in den Redaktionen nur wenige Veränderungen gegeben. Doch im Herbst 1989 reformierten sich viele DDR-Medien schnell und von innen heraus.

    Linientreue Chefredaktionen wurde ab- und neue Chefredakteure von den Belegschaften demokratisch an die Spitze gewählt. Man gab sich Redakteursstatute, und jüngere Redakteur kamen schnell als Seiteneinsteiger in die Redaktionen. 1990 gründeten sich über 120 neue Zeitungen in der DDR. Doch was wurde aus dieser Vielzahl und Vielfalt? Die Medienpolitik unter Helmut Kohl ließ die Marktwirtschaft wirken. Große Westverlage übernahmen die SED-Bezirkszeitungen.

    Wie neue Monopole, sogenannte Ein-Zeitungs-Kreise, entstanden und die Neugründungen aufgeben mussten, kann man in „Pressefrühling und Profit“ von Mandy Tröger nachlesen. Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wurde das etablierte BRD-System durchgesetzt. Die reformierten DDR-Programme hatten keine Chance.

    DT64, das Jugendradio, gewann Zeit, weil Zehntausende auf den Straßen demonstrierten, 300.000 Unterschriften sammelten und Mahnwachen initiierten. Entlang der alten Grenze gab es auch auf westdeutscher Seite mehr als 30 Freundeskreise, von Nürnberg über Kassel und Hannover bis nach Hamburg. Es war das erste ost-westdeutsche Integrationsradio. Ein Programm, das nicht nur von Ost- und Westdeutschen gemacht, sondern auch gehört wurde, das einen Hörerklub mit über 5000 Mitgliedern hatte, die mit den Macherinnen und Machern bei Hörertreffen auch über das Programm diskutierten. So hatte sich ein soziales Netzwerk gebildet – ohne dass man über die heutigen sozialen Netzwerke verfügte.

    Über Telefon, Fax und persönliche Treffen wurden Kontakte geknüpft und gepflegt und Austausch gesucht. Der MDR übernahm dieses erste ostwestdeutsche Integrationsprogramm, benannte es in „Sputnik“ um und verfrachtete es auf Satellit. Der Berliner Rundfunk wurde privatisiert, der Deutschlandsender Kultur in Deutschlandradio integriert. Eine relevante ostdeutsche Stimme mit entsprechender Reichweite gab es nicht mehr.

    Hätte es den Westdeutschen geschadet, Originalton Ost zu hören? Wurde in dieser Zeit der Grundstein für die heutige mediale Spaltung Deutschlands mit gesetzt, wie Lutz Mükke in einer Studie feststellt? Während man derzeit aus fast jedem Ereignis einen Jahrestag generiert, Veranstaltungen organisiert und darüber berichtet, lässt man die Reform der DDR-Medien bis heute unkommentiert.

    Alle Erfahrungen jener wenigen Monate des medialen Aufbruchs und der journalistischen Selbstbestimmung, unter welchen Bedingungen Medien gesellschaftlich relevant und Journalismus in der Bevölkerung verankert sein können, was Medien in Phasen des gesellschaftlichen Wandels leisten können, fallen so durchs Raster.

    Im Herbst vor 30 Jahren wurden der DDR-Rundfunk abgewickelt und ARD-Strukturen (MDR, ORB, NDR) im Osten etabliert. Mehr als 10.000 Journalistinnen und Journalisten mussten hoffen, unter westdeutschen Intendanten und Direktoren arbeiten zu dürfen. Doch wer verknöcherte Strukturen reformieren will, sollte nicht nur neue Technologien und Publikums- und Zukunftsdialoge als Heilsbringer sehen. Damit allein ist gesellschaftlich relevanter Journalismus nicht möglich.

    Ein Blick zurück könnte offenbaren, unter welchen Voraussetzungen Medien der öffentlichen und individuellen Meinungs- und Willensbildung, also der Demokratie, dienen können. Nicht alles muss neu erfunden werden. Oftmals hilft es mehr, sich auf seine Wurzeln zu besinnen.

    Der Autor war Mitbegründer des Netzwerks zum Erhalt des Jugendradios DT64 und medienpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Sächsischen Landtag.

    #DDR #capitalisme #médias

  • The Separation and Reunification of Germany: Rethinking a Natural Experiment Interpretation of the
    Enduring Effects of Communism

    461-2020_becker.pdf
    https://warwick.ac.uk/fac/soc/economics/research/centres/cage/manage/publications/461-2020_becker.pdf

    German separation in 1949 into a communist East and a capitalist West and their reunification
    in 1990 are commonly described as a natural experiment to study the enduring effects of
    communism. We show in three steps that the populations in East and West Germany were far
    from being randomly selected treatment and control groups. First, the later border is already
    visible in many socio-economic characteristics in pre-World War II data. Second, World War
    II and the subsequent occupying forces affected East and West differently. Third, a selective
    fifth of the population fled from East to West Germany before the building of the Wall in 1961.
    In light of our findings, we propose a more cautious interpretation of the extensive literature on
    the enduring effects of communist systems on economic outcomes, political preferences,
    cultural traits, and gender roles. Keywords: political systems, communism, preferences, culture, Germany

    • Merci pour ce lien :-)

      Third, roughly one-fifth of the East German population moved to West Germany between 1945 and the building of the Berlin Wall in 1961, and this out-migration was likely selective with respect to political and economic preferences.

      Bref comme disait Wolfgang Neuss sur la situation à Berlin-Ouest à la fin des années 1960 "qu’on devait se rejouir du départ des connards. Il voulait dire que les riches et les élites avaient quitté la ville qui se retrouvait transformée dans une sorte d’ilôt occupé par les petits gens et les révoltés. On trouvait la même situation en RDA sauf que dans le premier état socialiste sur le sol allemand la sélection de révoltés se limitait aux antifascistes des temps passés. Mués en détenteurs d’un pouvoir emprunté aux victorieux soldats de l’armée soviérique ces anciens résistants n’arrivaient pas à resoudre la contradiction entre leur passion pour la création d’un un pays socialiste libéré des anciens oppresseurs et leurs propres implications dans les crimes stalinieńs.

      C’est un texte très intéressant même si sa perspective n’est aucunement défini par le besoin d’apprendre des erreurs commises par les camarades au pouvoir à Berlin-Est.

      A lire : https://seenthis.net/messages/932598

      #DDR #histoire #politique #sociologie #communisme #socialisme

  • Die Abrafaxe: Die Comic-Helden aus Berlin sind erfolgreicher als Micky Maus
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/die-abrafaxe-die-comichelden-aus-berlin-sind-erfolgreicher-als-mick


    Jörg Reuter et Jens Schubert

    24.9.2021 von Jens Blankennagel - Der Anfang ist immer weiß und leer, und das seit nunmehr 550 Heften. Am Anfang liegt auf dem Schreibtisch von Jörg Reuter immer ein großes Blatt Papier. Am Ende jedes Monats hat er mit seinen Kollegen dieses Blatt und weitere 51 Seiten mit kleinen und großen bunten Zeichnungen gefüllt und ein Comic-Heft geschaffen. Spannend, lustig und immer auch lehrreich.

    Es ist nicht irgendein Comic, es gehört zur legendären Mosaik-Reihe. Das ist nicht nur die älteste noch immer existierende Comic-Serie aus deutscher Produktion, sondern auch die erfolgreichste. Für die Comic-Szene sind die Mosaiks das, was Rotkäppchen für die Sekt-Branche ist: ein zu DDR-Zeiten begehrtes Produkt, das nach dem Mauerfall nicht verschwand, sondern den wirtschaftlichen Niedergang im Osten überlebte – und sich dann als Marktführer in ganz Deutschland etablierte.
    Druckauflage von 100.000 Exemplaren

    Konkurrenz bekommt das Magazin vor allem von den Geschichten über Micky Maus. Alle zwei Wochen erscheint ein Micky-Maus-Heft, alle vier Wochen ein Mosaik. Beide haben eine Druckauflage von etwa 100.000 Exemplaren. Die Entenhausen-Geschichten stammen von Zeichnern aus aller Welt. Die Geschichten der Abrafaxe stammen aus den Pinseln jener acht Zeichner, die in dieser Stadtvilla im Berliner Westend arbeiten.

    Dort liegt auch an diesem Tag ein weißes Blatt Papier auf dem Tisch von Jörg Reuter, er ist der künstlerische Leiter, ein gelassener Mann mit langem, weißem Haar, immer eine Tasse grünen Tee griffbereit und natürlich einen spitzen Bleistift. Neben dem leeren Blatt liegt eine Art Regie-Anweisung von Jens Schubert, dem Mann, der die Abenteuer der Abrafaxe erfindet.

    Benjamin Pritzkuleit
    Die Helden: Die Vorlagen für die drei Abrafaxe (oben), darunter die Hauptfiguren der neuen Serie.

    Die drei Kobolde sind die Helden im Mosaik: Abrax, der Wagemutige, ist blond; Brabax, der Kluge, ist rothaarig und Califax, der Gutmütige, hat schwarzes Haar. Seit 45 Jahren reisen sie durch Jahrhunderte und Kontinente. Alle zwei Jahre endet eine ihrer Reisen.

    Gerade waren sie am Ende des 19. Jahrhunderts in der Südsee. Ein Junge namens Pitipak hatte sich verirrt, und sie versuchten, ihn zu seiner Familie zu bringen: Sie reisten von Insel zu Insel, ritten auf Delfinen, suchten einen Schatz, lernten deutsche Kolonialherren kennen und vor allem die Riten der Ureinwohner. Im bislang letzten Heft betraten sie in einer Ruine einen Raum mit grellem Licht. Und die Fans wussten: Der nächste Zeitsprung steht bevor – hier endet dieses Abenteuer und im nächsten Heft beginnt ein neues. Wohin es die Abrafaxe nun verschlägt, wissen nur die Menschen in der Villa hier. Die Fans werden es am Freitag am Kiosk erfahren.

    Jörg Reuter schaut auf die Regie-Anweisungen von Jens Schubert. Der Autor hat für jede Comicseite eine grobe Skizze gefertigt, die kein Laie entschlüsseln kann. Auf einem Bild stehen zum Bespiel fünf Kegel mit Buchstaben auf der Brust: L, I, S, B und A. „Das A steht für Abrax, das B für Brabax, die anderen sind die Haupthelden der neuen Geschichte“, sagt Reuter. „Die Ritter Sigismund und Lantfrid sowie der Händler Isaak.“ Vorn rechts liegt eine Art Mehlsack mit einem „G“.

    Jörg Reuter, 61 Jahre alt, greift zum Bleistift und zieht auf dem Blatt zuerst die Rahmen für die Bildertafeln. Dann überträgt er die Regieanweisungen. Bei ihm werden aus schwer definierbaren Kegeln gut erkennbare Figuren: Reuter achtet aber nicht auf die Gesichter – die kommen später –, sondern drauf, dass die Akteure gut im Raum verteilt sind, dass der eine Ritter immer größer sein muss als der andere und dass Abrax tatsächlich sehen kann, dass Brabax ihm zuwinkt. Nun zeichnet er den Mehlsack mit dem „G“ vorn im Bild. Nach 40 Bleistiftstrichen ist klar, dass es ein Hund ist. „Das ist Gertrud. Ein Geschenk für den Kalifen von Bagdad.“

    Benjamin Pritzkuleit
    Die Titelseiten: Am Freitag erscheint das 550. Heft der Abrafaxe. Sie haben damit mehr als doppelt so viele Abenteuer erlebt wie die Digedags.

    Damit ist das Geheimnis gelüftet: Die Abrafaxe reisen in den Orient. „Auch wenn es um längst vergangene Zeiten geht, versuchen wir immer, ein wenig den Zeitgeist zu treffen“, erzählt Jens Schubert. Der 58-Jährige hat Kulturwissenschaften studiert und kam 1986 als Praktikant eher zufällig zu Mosaik, nun erfindet er die Geschichten. Ein Jahr, bevor eine Zeitreise endet, fängt die Planung für die nächste Reise an.

    Als 2017 der Beginn der Reformation vor 500 Jahren gefeiert wurde, waren die Abrafaxe in Wittenberg und auf der Wartburg. „Ich wollte keine langweilige Lobhudelei auf Martin Luther“, sagt Schubert und erzählt, dass der Reformator in anderen Comics den Hammer schwingt und seine Thesen höchstselbst an die Tür der Schlosskirche nagelt. Dies hätte ein Professor damals nie getan, sondern ein Gehilfe. „Bei uns machte es der schlaue Brabax. Bei uns ist Luther kein unfehlbarer Überheld, sondern auch ein Getriebener mit hellen und dunklen Seiten.“
    Luther brachte zehn Prozent mehr Auflage

    Das erzählt er im Flur, um die Zeichner nicht zu stören. In diesem Flur wird auch der feine Humor deutlich, der in diesem Haus gepflegt wird. Dort hängt ein Gemälde – die Abrafaxe dicht gedrängt in einer Sardinendose. Die Geschichte dazu: Ein befreundeter Künstler wollte ein Gemälde fertigen. Sie konnten sich das Motiv aussuchen und sagten: „Male sie einfach in Öl.“ So kamen die Abrafaxe in die Dose.

    Schubert sagt, dass die Luther-Serie zehn Prozent mehr Auflage gebracht habe. Wohl auch, weil zwei Drittel der Leser eine Ostsozialisation haben und die Geschichte in ihrer Heimat spielte. Also schickten die Macher die Abrafaxe danach zu den Stätten der Hanse, nach Leipzig, Magdeburg, Stralsund und Lübeck. „Aber wir wollen auch auf den anstehenden Brexit reagieren“, sagt der Autor. Deshalb ging es zusätzlich nach Brügge, London und Nowgorod. „Wir wollten zeigen, wie wichtig Handel und Kooperation schon damals in Europa waren.“ Das wurde ganz spielerisch miterzählt.

    Berliner Zeitung/Jens Blankennagel
    Gemälde: die Abrafaxe in Öl.

    Doch die Erfolgsidee führte zu einem Problem: Die Helden waren zweimal hintereinander in einer ähnlichen Zeit. Vier Jahre lang war für die Zeichner alles ziemlich gleich: Kleidung, Städte, Fahrzeuge. Und bevor Langeweile aufkam, musste der größtmögliche Bruch her: das andere Ende der Welt, die Südsee. Und auch da gab es einen Bezug zu Jetzt-Zeit, zu Corona. „Es war wie früher in der DDR, als die Geschichten an unerreichbaren Schauplätzen spielten und auch das Fernweh der Leser bedienten“, sagt Schubert. „Als die Südsee-Hefte erschienen, war Lockdown, alle hockten zu Hause, und die Abrafaxe erlebten stellvertretend Abenteuer unter Palmen.“

    Drinnen bei den Zeichnern hat Jörg Reuter das leere Blatt mit Bleistiftskizzen gefüllt. Er legt es auf einen Stapel, nimmt das nächste Blatt und zeichnet. Der Stapel neben ihm wächst, immer wieder kommen nun andere Zeichner, nehmen sich ein Blatt und machen mit ihren Pinseln aus den Bleistiftskizzen gestochen scharfe Tuschezeichnungen.

    Es gibt eine klare Arbeitsteilung: Thomas Schiewer zeichnet fast immer die drei Haupthelden. Sie müssen perfekt getroffen sein. Auf seinem Schreibtisch stehen Becher mit Dutzenden Pinseln, vor ihm hängt eine Vorlage der drei Helden und neben ihm liegt ein Blatt mit Tausenden schwarzen Strichen, auf dem Blatt streicht er die Pinsel ab. Schiewer, 52, erzählt die gleiche Geschichte, die hier alle erzählen. Als sie jung waren, wollten sie Künstler werden, Gemälde erschaffen. Sie bewarben sich an Kunsthochschulen und wurden abgelehnt – stets mit derselben Begründung: Sie zeichnen zu comichaft. Thomas Schiewer lernte dann Keramiktechnik und bewarb sich einfach mal so beim Mosaik. „Ich dachte, die nehmen mich nie, und nun zeichne ich die Haupthelden“, sagt er. „Ein Traum.“

    Benjamin Pritzkuleit
    Eine Szene: Auf dem oberen Bild läuft der Händler Isaak vor dem Hund Gertrud weg.

    Er beugt sich wieder über den Tisch und zeichnet seine Lieblingsfigur: Califax, der gerade vom Hund abgeleckt wird. Als er die Figur vollendet hat, legt er das Blatt wieder auf den Stapel des künstlerischen Leiters. Dann nimmt sich der nächste Zeichner das Blatt und zeichnet jene Figuren, für die er zuständig ist. Es ist eine Art Fließbandarbeit, aber mit einer künstlerischen Herausforderung. Diese Zeichner können Welten erzaubern, in die ihnen Hunderttausende Leser folgen.
    Genauso ein Kult wie die berühmten Digedags

    Die Abrafaxe sind inzwischen genauso Kult wie ihre Vorgänger, die Digedags aus der Feder von Hannes Hegen. Diese Figuren füllten die Mosaik-Hefte von 1955 bis 1975. Für viele Kinder in der DDR waren sie das Nonplusultra, das Mosaik war der einzig wahre Ost-Comic. Unpolitisch, wild, verrückt und – kaum zu glauben – völlig unsozialistisch.

    Die Hefte waren kaum zu bekommen, echte „Bückware“ an den Kiosken. Sie wurden zu Sammlerstücken. Viele Fans hoben sie auf und hofften, dass sie mal Kinder haben würden, die sich auch gern in die weite Welt träumen. In den Heften gibt es ganzseitige Bilder, die vom dramaturgischen Aufbau her an die Gemälde alter Meister erinnern. Und sie sind hervorragend gezeichnet, quasi Weltniveau. Das bestätigen Fachleute noch heute.

    Deshalb ist es überraschend, dass auch jenes Druckerzeugnis der DDR, das am westlichsten war, nach dem Mauerfall fast in die Insolvenz geschickt wurde. Dass erst ein Werbefachmann aus dem Westen kommen musste, um den Traditions-Comic zu retten. Nun arbeiten die Zeichner in einer Villa tief im Westen von Berlin. Eine interessante Pointe der deutsch-deutschen Geschichte.

    Berliner Zeitung/Jens Blankennagel
    Die Heimat: An der Tür des Verlages in Berlin-Westend ist ganz klar zu sehen, wer hier zu Hause ist.

    Dort nimmt Andreas Pasda jetzt ein Blatt vom Tisch des künstlerischen Leiters und zeichnet den Kaufmann Isaak. Das ist eine der Figuren, die er in den nächsten zwei Jahren zeichnen wird. Pasda, 59, schaltet die Lampe an und kontrolliert seinen Kaufmann. Er findet, dass der schwarze Schuh eine Winzigkeit zu groß geraten ist. Er nimmt einen Pinsel, taucht die hauchdünne Spitze in Deckweiß und macht den Schuh etwas kleiner. „Alle Zeichnungen werden von Hand gemacht. Das ist wichtig für die Wirkung der Bilder.“ Er zeigt zum Vergleich Comics, die am Computer entstanden. Alle Striche sind gleich dick. „Mit dem Pinsel variiert die Stärke der Striche, das gibt den Figuren viel mehr Dynamik“, sagt er.
    Die erste jüdische Hauptfigur im Mosaik

    „Isaak ist unsere erste jüdische Hauptfigur“, sagt Jens Schubert, der Autor. „Es geht um das Jahr 800.“ Das Römische Reich ist längst geteilt. Im Westen herrscht Kaiser Karl der Große im Frankenreich. Daneben gibt es Byzanz im Osten. „Die Herrscher beider Reiche kämpften darum, wer der wahre Kaiser ist“, sagt er. Karl der Große will sich mit dem Kalifen von Bagdad verbünden, dem Herrscher aus 1001 Nacht. „Dazu schickt er zwei Ritter los. Und die Abrafaxe sind dabei.“

    Auch diese Geschichte hat einen Bezug zu heute. „Ich sage nur: Syrien, Afghanistan. Es geht um das Verhältnis zwischen Orient und Okzident. Wir zeigen, wie weltoffen die islamische Welt damals war.“ Deshalb fahren zwei christliche Ritter zu einem islamischen Herrscher – ihr Begleiter ist ein jüdischer Kaufmann, weil er Arabisch kann. Die Abrafaxe reisen zwar wieder weit zurück in die Jahrhunderte, sind aber nahe am Puls der Zeit.

    Und noch ein Geheimnis kann verraten werden: Bei den Zeichnern hängt ein schmales Blatt Papier, auf das alle Hauptfiguren des neuen Abenteuers als Vorlage gezeichnet sind – auch ein weißer Elefant, den es tatsächlich gegeben haben soll.

    Eine Sache war den Machern immer heilig: Die historischen Fakten müssen stimmen. Wenn in der Luther-Serie der Maler Lucas Cranach als Bürgermeister von Wittenberg auftritt, dann war er es auch. Schon zu DDR-Zeiten erzählten Studenten, dass sie mit den Fakten aus den Mosaik-Heften die ersten beiden Semester ihres Geschichtsstudiums überstehen konnten.

    Berliner Zeitung/Jens Blankennagel
    Recherche: Bilder aus dem Orient und das Foto eines arabischen Schachspiels aus dem 12. Jahrhundert.

    Wie ernst diese Korrektheit genommen wird, zeigt sich auch an diesem Tag. Das vorherige Heft ist eigentlich fertig. Alle Seiten sind im Computer eingescannt und für den Druck bereit. Doch eine Sache muss Reuter noch ändern. Im Heft trifft Isaak erstmals den schlauen Brabax. Sie spielen Schach. Da das Spiel ursprünglich aus Indien stammt, wurden die Spielfiguren indisch-detailliert gezeichnet. Dann stellte sich heraus, dass sie im arabischen Raum sehr viel schlichter aussahen. Reuter zeigt ein Foto aus einem New Yorker Museum mit iranischen Schachfiguren aus dem 12. Jahrhundert.

    Nun macht er ein paar Handgriffe am Computer und schon sehen die Schachfiguren aus wie in jener sagenumwobenen Zeit, durch die die Abrafaxe nun reisen. „Fertig“, sagt er. Das Heft kann in den Druck. Wohin es die Abrafaxe nach dem Orient-Abenteuer verschlagen wird, weiß auch in diesem Raum noch niemand.

    https://www.abrafaxe.com


    MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag + PROCOM Werbeagentur GmbH

    Lindenallee 5
    14050 Berlin-Westend
    Germany

    Telefon : +49.30.30 69 27 0
    Telefax : +49.30.30 69 27 29
    E-Mail : info@abrafaxe.de, info@zack-magazin.de
    Internet : www.abrafaxe.com, www.abrafaxe.de, www.zack-magazin.com, www.annabellacaramella.de

    #Allemagne #bande_dessinée #DDR

  • L’#Inserm met en évidence de nouvelles #pathologies liées aux #pesticides

    Les liens sont de plus en plus évidents entre usage des pesticides et certains #cancers, en particulier chez les agriculteurs et chez les enfants. C’est ce que montre une nouvelle étude de l’Inserm, huit ans après celle qui faisait référence jusqu’à présent.

    https://www.mediapart.fr/journal/france/070721/l-inserm-met-en-evidence-de-nouvelles-pathologies-liees-aux-pesticides
    #santé #maladie #industrie_agro-alimentaire #agriculture #rapport

    • Pesticides et santé – Nouvelles données (2021)

      Ce document présente la synthèse issue des travaux du groupe d’experts réunis par l’Inserm dans le cadre de la procédure d’expertise collective pour répondre à la demande de cinq directions de l’État, la Direction générale de la prévention des risques, la Direction générale de la santé, la Direction générale du travail, la Direction générale de la recherche et de l’innovation, ainsi que le secrétariat général du ministère de l’Agriculture et de l’Alimentation. Ce travail s’inscrit dans le cadre de l’actualisation du rapport d’expertise collective Inserm intitulé Pesticides : Effets sur la santé, publié en 2013.

      Ce travail s’appuie essentiellement sur les données issues de la littérature scientifique disponible en date du premier trimestre 2020. Plus de 5 300 documents ont été rassemblés à partir de l’interrogation de différentes bases de données (PubMed/ Medline, Scopus, Cairn...) et des recherches complémentaires ont été effectuées par les experts ou en collaboration avec le Pôle expertise collective. Le Pôle expertise collective de l’Inserm, rattaché à l’Institut thématique Santé publique, a assuré la coordination de cette expertise.

      Les pesticides regroupent l’ensemble des produits utilisés pour lutter contre les espèces végétales indésirables et les organismes jugés nuisibles. Qu’il s’agisse de pesticides autorisés aujourd’hui ou utilisés par le passé (dont certains sont rémanents), ils suscitent des inquiétudes concernant leurs effets possibles sur la santé humaine et plus largement sur l’environnement. Afin de mieux apprécier leurs effets sanitaires, l’Inserm a été saisi en 2018 par cinq directions générales ministérielles en vue d’actualiser l’expertise collective intitulée « Pesticides : Effets sur la santé » publiée en 2013.

      L’expertise collective de 2021 dresse un bilan des connaissances dans le domaine au travers d’une analyse critique de la littérature scientifique internationale publiée depuis 2013. Plus de 5 300 documents ont été rassemblés et analysés par un groupe d’experts multidisciplinaire. L’expertise commence par une analyse sociologique de la montée des préoccupations concernant les pesticides et une présentation des connaissances sur l’exposition aux pesticides de la population française, puis elle aborde une vingtaine de #pathologies dont les #troubles_du_développement_neuropsychologique_et_moteur de l’enfant, les #troubles_cognitifs et anxio-dépressifs de l’adulte, les #maladies_neurodégénératives, les cancers de l’#enfant et de l’adulte, l’#endométriose et les #pathologies_respiratoires ainsi que thyroïdiennes. Une dernière partie est consacrée à des pesticides ou familles de pesticides particuliers : le #chlordécone, le #glyphosate et les #fongicides_inhibiteurs_de_la_succinate_déshydrogénase (#SDHi). La présomption d’un lien entre l’exposition aux pesticides et la survenue d’une pathologie est appréciée à partir des résultats des #études_épidémiologiques évaluées et est qualifiée de forte, moyenne ou faible. Ces résultats sont mis en perspective avec ceux des #études_toxicologiques pour évaluer la plausibilité biologique des liens observés.

      Exposition en milieu professionnel

      En considérant les études sur des populations qui manipulent ou sont en contact avec des pesticides régulièrement, et qui sont a priori les plus exposées, l’expertise confirme la présomption forte d’un lien entre l’exposition aux pesticides et six pathologies : #lymphomeslymphomes_non_hodgkiniens (#LNH), #myélome multiple, cancer de la #prostate, #maladie_de_Parkinson, troubles cognitifs, #bronchopneumopathie chronique obstructive et #bronchite chronique. Pour les LNH, il a été possible de préciser des liens (présomption forte) avec des substances actives (#malathion, #diazinon, #lindane, #DDT) et avec une famille chimique de pesticides (#organophosphorés), et pour la maladie de Parkinson et les troubles cognitifs avec les #insecticides organochlorés et les organophosphorés, respectivement. Il s’agit essentiellement de pesticides pour lesquels les études se sont appuyées sur des biomarqueurs permettant de quantifier l’exposition. Les études toxicologiques confirment que les mécanismes d’action de ces substances actives et familles de pesticides sont susceptibles de conduire aux effets sanitaires mis en évidence par les études épidémiologiques.

      Des liens ont été identifiés pour d’autres pathologies ou événements de santé avec une présomption moyenne. C’est le cas notamment pour la maladie d’#Alzheimer, les troubles anxio-dépressifs, certains cancers (#leucémies, système nerveux central, vessie, rein, sarcomes des tissus mous), l’#asthme et les #sifflements_respiratoires, et les pathologies thyroïdiennes.

      Exposition pendant la #grossesse ou l’#enfance

      Les études épidémiologiques sur les cancers de l’enfant permettent de conclure à une présomption forte de lien entre l’exposition aux pesticides de la mère pendant la grossesse (exposition professionnelle ou par utilisation domestique) ou chez l’enfant et le risque de certains cancers, en particulier les leucémies et les tumeurs du système nerveux central.

      Les études de cohortes mères-enfants ont permis de caractériser les liens entre l’exposition professionnelle ou environnementale (c’est-à-dire en population générale) des mères pendant la grossesse et les troubles du développement neuropsychologique et moteur de l’enfant. Il est difficile de pointer des substances actives en particulier, mais certaines familles chimiques de pesticides sont impliquées, avec un niveau de présomption fort, notamment les #insecticides organophosphorés et les #pyréthrinoïdes dont l’usage a augmenté en substitution aux insecticides organophosphorés. Le lien entre les #organophosphorés et l’altération des #capacités_motrices, cognitives et des fonctions sensorielles de l’enfant est confirmé et les nouvelles études sur les #pyréthrinoïdes mettent en évidence un lien entre l’exposition pendant la grossesse et l’augmentation des #troubles_du_comportement de type internalisé tels que l’#anxiété chez les enfants. Les données expérimentales sur des rongeurs suggèrent une #hyperperméabilité de la barrière hémato-encéphalique aux #pyréthrinoïdes aux stades les plus précoces du développement, confortant la plausibilité biologique de ce lien. De plus, comme le montrent les études récentes d’expologie, ces insecticides, qui ont été à la fois utilisés en #agriculture mais également dans les sphères domestiques, induisent une contamination fréquente des environnements intérieurs.

      Exposition des #riverains des #zones_agricoles

      Les populations riveraines des zones agricoles peuvent être concernées par la dérive des produits épandus sur les cultures. En effet, des études suggèrent une influence de la #proximité aux zones agricoles sur la #contamination par les pesticides du lieu de vie, variable selon les substances, leur mode d’application et la manière d’estimer l’exposition. Des études écologiques ou cas-témoins avec géolocalisation reposant sur la caractérisation de l’activité agricole au voisinage des adresses de résidences suggèrent un lien entre l’exposition des riverains des terres agricoles et la maladie de #Parkinson, et également entre la #proximité_résidentielle à des zones d’#épandages de pesticides (rayon <1,5 km) et le comportement évocateur des troubles du spectre autistique chez l’enfant. Cependant, ces études présentent des limites importantes liées à l’évaluation fine de l’exposition ou à l’absence de données individuelles, ce qui rend le niveau de présomption faible.

      Focus sur le chlordécone, le glyphosate et les inhibiteurs de la succinate déshydrogénase

      Le chlordécone, #insecticide utilisé aux #Antilles_françaises dans le passé, persiste de nos jours dans les milieux naturels insulaires. La consommation des denrées alimentaires contaminées a entraîné une contamination de l’ensemble de la population. La présomption forte d’un lien entre l’exposition au chlordécone de la population générale et le risque de survenue de #cancer_de_la_prostate a été confirmée. En considérant l’ensemble des données épidémiologiques et toxicologiques disponibles, la causalité de la relation est jugée vraisemblable.

      Concernant l’herbicide glyphosate, l’expertise a conclu à l’existence d’un risque accru de LNH avec une présomption moyenne de lien. D’autres sur-risques sont évoqués pour le #myélome multiple et les #leucémies, mais les résultats sont moins solides (présomption faible). Une analyse des études toxicologiques montre que les essais de #mutagénicité sur le glyphosate sont plutôt négatifs, alors que les essais de #génotoxicité sont plutôt positifs, ce qui est cohérent avec l’induction d’un stress oxydantstress oxydant. Les études de cancérogenèse expérimentale chez les rongeurs montrent des excès de cas, mais ne sont pas convergentes. Elles observent des #tumeurs différentes, pour les mâles ou les femelles, qui ne se produisent qu’à des doses très élevées et uniquement sur certaines lignées. D’autres mécanismes de #toxicité (effets intergénérationnels, perturbation du microbiote...) sont évoqués qu’il serait intéressant de considérer dans les procédures d’évaluation réglementaire.

      Pour les fongicides SDHi, qui perturbent le fonctionnement mitochondrial par l’inhibition de l’activité SDH, un complexe enzymatique impliqué dans la respiration cellulaire et le #cycle_de_Krebs, il n’existe à ce jour pratiquement aucune donnée épidémiologique portant sur les effets possibles de ces substances sur la santé des agriculteurs ou de la population générale. Les études toxicologiques ou mécanistiques montrent que certains SDHi pourraient être considérés comme des #perturbateurs_endocriniens au moins chez les modèles animaux utilisés (poissons). Alors que les SDHi ne présentent aucune génotoxicité, certains montrent des effets cancérogènes chez les rongeurs mais ce résultat est discuté sur la base d’un mécanisme de cancérogenèse non extrapolable aux humains. Des recherches sont nécessaires pour améliorer l’évaluation du potentiel cancérogène des SDHi, et plus généralement des composés non génotoxiques, et pour combler les lacunes dans les données humaines par le renforcement de la biosurveillance et l’exploitation des cohortes existantes.

      En conclusion

      L’expertise souligne l’importance de réévaluer périodiquement les connaissances dans ce domaine. La confirmation et la mise en évidence de présomptions fortes de liens entre certaines pathologies et l’exposition aux pesticides doivent orienter les actions publiques vers une meilleure protection des populations. Ces questions relatives aux liens entre une exposition aux pesticides et la survenue de certaines pathologies s’inscrivent dans une complexité croissante, la littérature faisant apparaître une préoccupation concernant les effets indirects de certains pesticides sur la santé humaine par le biais des effets sur les #écosystèmes. L’#interdépendance en jeu mériterait d’être davantage étudiée et intégrée, au même titre que les aspects sociaux et économiques afin d’éclairer les prises de décisions lors de l’élaboration des politiques publiques.

      https://www.inserm.fr/information-en-sante/expertises-collectives/pesticides-effets-sur-sante

      Pour télécharger l’étude :


      https://www.inserm.fr/sites/default/files/2021-07/Inserm_ExpertiseCollective_Pesticides2021_RapportComplet_0.pdf

      #toxicologie #thyroïde #autisme

  • Sonderzug nach Pankow
    https://www.nthuleen.com/teach/lyrics/sonderzug.html

    Udo Lindenberg, 1983

    Entschuldigen Sie, ist das der Sonderzug nach Pankow?
    Ich muss mal eben dahin, mal eben nach Ost-Berlin.
    Ich muss da was klären mit eurem Oberindianer:
    Ich bin ein Jodeltalent ...
    Und will da spielen mit ’ner Band.

    Ich hab ’ne Flasche Cognac mit und das schmeckt sehr lecker,
    das schlürf’ ich dann ganz locker mit dem Erich Honecker.
    Und ich sag’ »Hey Honey, ich sing’ für wenig Money
    im Republikpalast, wenn ihr mich lasst.«
    All die ganzen Schlageraffen dürfen da singen
    dürfen ihren ganzen Schrott zum Vortrage bringen.
    Nur der kleine Udo, nur der kleine Udo
    der darf das nicht und das verstehen wir nicht.

    Ich weiß genau, ich habe furchtbar viele Freunde,
    in der DDR ...
    Und stündlich werden es mehr.
    Oh, Erich, eh, bist du denn wirklich so ein sturer Schrat?
    Warum lässt du mich nicht singen im Arbeiter- und Bauernstaat?

    Ist das der Sonderzug nach Pankow?
    Ist das der Sonderzug nach Pankow?
    Entschuldigung, der Sonderzug nach Pankow?

    Ich hab ’ne Flasche Cognac mit und das schmeckt sehr lecker,
    das schlürf’ ich dann ganz locker mit dem Erich Honecker.
    Und ich sag’ »Hey Honey, ich sing’ für wenig Money
    im Republikpalast, wenn ihr mich lasst.«
    All die ganzen Schlageraffen dürfen da singen
    dürfen ihren ganzen Schrott zum Vortrage bringen.
    Nur der kleine Udo, nur der kleine Udo
    der darf das nicht und das verstehen wir nicht.

    Honey, ich glaub’, du bist doch eigentlich auch ganz locker.
    Ich weiß, tief in dir drin, bist du doch eigentlich auch ein Rocker.
    Du ziehst dir doch heimlich auch gerne mal die Lederjacke an
    Und schließt dich ein auf’m Klo und hörst West-Radio.
    Hallo, Erich, kannst mich hören? Hallo, Hallöchen, Hallo!
    Hallo, Honey, kannst mich hören? Hallo, Hallöchen, Hallo!

    (Towarischtsch Erich! Meshdu protschim, werchownij sowjet ne imejet nitschewo protiw gastrolej Gospodina Lindenberga w GDR! = Genosse Erich, im übrigen hat der Oberste Sowjet nichts gegen ein Gastspiel von Herrn Lindenberg in der DDR)

    #auf_deutsch #Songtext #DDR #musique

  • La fabrique de l’ignorance

    Comment, des ravages du tabac au déni du changement climatique, on instrumentalise la science pour démentir... la science. Une vertigineuse investigation dans les trous noirs de la recherche et de l’information.

    Pourquoi a-t-il fallu des décennies pour admettre officiellement que le tabac était dangereux pour la santé ? Comment expliquer qu’une part importante de la population croie toujours que les activités humaines sont sans conséquence sur le changement climatique ? Les pesticides néonicotinoïdes sont-ils vraiment responsables de la surmortalité des abeilles ? Pourquoi la reconnaissance du bisphénol A comme perturbateur endocrinien n’a-t-elle motivé que de timides interdictions ? Au travers de ces « cas d’école » qui, des laboratoires aux réseaux sociaux, résultent tous de batailles planifiées à coups de millions de dollars et d’euros, cette enquête à cheval entre l’Europe et les États-Unis dévoile les contours d’une offensive méconnue, pourtant lancée dès les années 1950, quand la recherche révèle que le tabac constitue un facteur de cancer et d’accidents cardiovasculaires. Pour contrer une vérité dérangeante, car susceptible d’entraîner une réglementation accrue au prix de lourdes pertes financières, l’industrie imagine alors en secret une forme particulière de désinformation, qui se généralise aujourd’hui : susciter, en finançant, entre autres, abondamment des études scientifiques concurrentes, un épais nuage de doute qui alimente les controverses et égare les opinions publiques.

    Agnotologie
    Cette instrumentalisation de la science à des fins mensongères a généré une nouvelle discipline de la recherche : l’agnotologie, littéralement, science de la « production d’ignorance ». Outre quelques-uns de ses représentants reconnus, dont l’historienne américaine des sciences Naomi Oreskes, cette investigation donne la parole à des acteurs de premier plan du combat entre « bonne » et « mauvaise » science, dont les passionnants « découvreurs » des méfaits du bisphénol A. Elle expose ainsi les mécanismes cachés qui contribuent à retarder, parfois de plusieurs décennies, des décisions vitales, comme le trucage des protocoles, voire la fabrication ad hoc de rats transgéniques pour garantir les résultats souhaités. Elle explique enfin, au plus près de la recherche, pourquoi nos sociétés dites « de l’information » s’accommodent si bien de l’inertie collective qui, dans le doute, favorise le business as usual et la consommation sans frein.

    https://www.arte.tv/fr/videos/091148-000-A/la-fabrique-de-l-ignorance

    #science #faits_scientifiques #ignorance_délibérée #abeilles #pesticides #néo-nicotinoïdes #apiculture #recherche #tabac #industrie_du_tabac #industrie_agro-alimentaire #big_tobacco #recherches_de_diversion #diversion #déni_scientifique #fabrique_du_doute #doute #responsabilité #RoundUp #round_up #manipulation #contreverse #agnotologie #ignorance_stratégique #DDT #perturbateurs_endocriniens #bisphénol-A (#BPA) #amiante #appel_d'Heidelberg #compétition #udone_science
    #film #film_documentaire #documentaire

    –—

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  • Rechts und Radikal – Warum gerade im Osten ? | Doku & Reportage | rbb
    https://www.rbb-online.de/doku/o-r/rechts-und-radikal.html

    Ce reportage nous apprend que dalle mais c’est un joyeux tour chez nos nazis préférés. Pour ceux qui regrettent que Michael Kühnen, l’homosexuel nazi le plus célèbre, soit mort du SIDA depuis lomgtemps, il est ranimé comme le font les médias avec Jimi Hendrix, ce personnage de la contreculture étatsunienne. Là grâce à ce reportage c’est un petit pervers qu’on fait accéder au panthéon nazi. Tous les autres vieux sont là aussi, alors si vous ne les avez encore jamais rencontré, voilà l’occasion de les observer en train de raconter leurs moments de gloire à une jeune journaliste typiquement ARD .

    Les questions de l’a vie sous le capitalisme actuel est les faux arguments nazis contre ses horreurs ne sont jamais évoquées. Les auteurs dévéloppent l’idée que la RDA aurait servi à la fois de congélateur et d’incubateur pour les germes nazis soigneusement conservés.

    A travers une série d’interviews on gagne l’impression que nous sommes finalement tous comme les nazis, tellement ils sont bons et humains. Contrairement à nous ils ont au moins une conviction profonde : le combat pour un meilleur avenir de l’Allemagne est incontournable.

    A chier.

    https://www.youtube.com/watch?v=TgyGglZUENY


    Le groupe Slime n’est pas nazi du tout. Il fallait simplement un contrepoids à cette collection d’abrutis.

    Die Autoren blicken auf eine Zeit im Osten Deutschlands zurück, die ihre braunen Schatten bis heute wirft. Sie porträtieren drei Neonazis der Wendezeit, begleiten einen AfD-Politiker, fragen bei Historikern und Zeitzeugen nach den Ursachen.

    A regarder en ligne (en France avec TOR ou un VPN)
    https://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/videos/rechts-und-radikal-video-108.html

    Nach dem Mauerfall rückten führende Neonazis aus dem Westen in die untergehende DDR ein. Sie trommelten für die braune Revolution und trafen auf fruchtbaren Boden. West-Neonazi Worch schwärmt noch heute von den „personellen Ressourcen“ für die radikale Rechte. „Die Wiedervereinigung funktionierte nirgends so gut wie bei den Neonazis“, beschreibt Ingo Hasselbach, einer der bekanntesten ostdeutschen Ex-Neonazis, die rechte Szene nach der Wende. Der Umsturz blieb aus. Aber rechte Einstellungen und rechte Gewalt sind in Ostdeutschland bis heute besonders präsent.
    Die AfD hat zwar alle Parlamente erobert, doch ihre größten Erfolge erringt sie durchweg in den neuen Bundesländern. Und die Gefahr, Opfer einer rechtsextremen Gewalttat zu werden, ist im Osten besonders groß. Woran liegt das? Die Suche nach Antworten führen Autorin Birgit Wärnke und Autor Julian Feldmann tief in die DDR-Vergangenheit. Denn dort hatten sich trotz antifaschistischer Staatsdoktrin rund 200 neonazistische Gruppen wie die „SS-Division Walter Krüger Wolgast“ oder die „Lichtenberger Front“ entwickeln können, berichtet Bernd Wagner, ehemaliger DDR-Kriminalpolizist. Wagner leitete die „AG Skinhead“, ein geheimes Forschungsprojekt des DDR-Innenministeriums. Seine brisanten Erkenntnisse durfte er vor dem Mauerfall nicht veröffentlichen: 15.000 Rechtsradikale zählte er in der DDR.

    Auch zahlreiche Dokumente aus der Stasi-Unterlagenbehörde belegen neonazistische und rassistische Gewalttaten in der DDR. Obwohl es Neonazis offiziell gar nicht geben durfte. Der Zusammenbruch des Staates spielte den Rechten in die Hände. „Faschos waren allgegenwärtige Begleiter meiner Kindheit“, sagt Hendrik Bolz. Der 1988 geborene Rapper „Testo“ des Hip-Hop-Duos „Zugezogen Maskulin“ wuchs in Stralsund auf. Mit einem Text über seine Jugendjahre löste Bolz 2019 eine Debatte über die sogenannten „Baseballschlägerjahre“ aus.

    Das Erstarken der Neonazis nach der Wende wirkt bis heute nach und reicht bis weit in die Mitte der Gesellschaft: Erst die Erfolge der NPD, dann die Massendemos von Pegida, schließlich der flächendeckende Siegeszug der AfD. Die habe die „Sprach- und Alternativlosigkeit durchbrochen", sagt Hans-Christoph Berndt. Er ist Fraktionschef der AfD im Brandenburger Landtag. Der Nachfolger des rechtsextremen Andreas Kalbitz ist zudem auch Vorsitzender des Vereins „Zukunft Heimat“, der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wird.
    Film von Birgit Wärnke und Julian Feldmann

    Erstsendung: 26.01.2021/rbb

    Rechts und Radikal - Reportage & Dokumentation - ARD | Das Erste
    https://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/rechts-und-radikal-100.html

    Die Story im Ersten: Rechts und Radikal - Warum gerade im Osten?

    Nach dem Mauerfall rückten führende Neonazis aus dem Westen in die untergehende DDR ein. Sie trommelten für die braune Revolution und trafen auf fruchtbaren Boden. West-Neonazi Worch schwärmt noch heute von den „personellen Ressourcen“ für die radikale Rechte. „Die Wiedervereinigung funktionierte nirgends so gut wie bei den Neonazis“, beschreibt Ingo Hasselbach, einer der bekanntesten ostdeutschen Ex-Neonazis, die rechte Szene nach der Wende.

    Der Umsturz blieb aus. Aber rechte Einstellungen und rechte Gewalt sind in Ostdeutschland bis heute besonders präsent. Die AfD hat zwar alle Parlamente erobert, doch ihre größten Erfolge erringt sie durchweg in den neuen Bundesländern. Und die Gefahr, Opfer einer rechtsextremen Gewalttat zu werden, ist im Osten besonders groß. Woran liegt das?

    In der DDR gab es zahlreiche neonazistische Gruppen

    Die Suche nach Antworten führen Autorin Birgit Wärnke und Autor Julian Feldmann tief in die DDR-Vergangenheit. Denn dort hatten sich trotz antifaschistischer Staatsdoktrin rund 200 neonazistische Gruppen wie die „SS-Division Walter Krüger Wolgast“ oder die „Lichtenberger Front“ entwickeln können, berichtet Bernd Wagner, ehemaliger DDR-Kriminalpolizist. Wagner leitete die „AG Skinhead“, ein geheimes Forschungsprojekt des DDR-Innenministeriums. Seine brisanten Erkenntnisse durfte er vor dem Mauerfall nicht veröffentlichen: 15.000 Rechtsradikale zählte er in der DDR. Auch zahlreiche Dokumente aus der Stasi-Unterlagenbehörde belegen neonazistische und rassistische Gewalttaten in der DDR. Obwohl es Neonazis offiziell gar nicht geben durfte. Der Zusammenbruch des Staates spielte den Rechten in die Hände. „Faschos waren allgegenwärtige Begleiter meiner Kindheit“, sagt Hendrik Bolz. Der 1988 geborene Rapper „Testo“ des Hip-Hop-Duos „Zugezogen Maskulin“ wuchs in Stralsund auf. Mit einem Text über seine Jugendjahre löste Bolz 2019 eine Debatte über die sogenannten „Baseballschlägerjahre“ aus.
    Das Erstarken der Neonazis nach der Wende reicht bis in die Mitte der Gesellschaft

    Das Erstarken der Neonazis nach der Wende wirkt bis heute nach und reicht bis weit in die Mitte der Gesellschaft: erst die Erfolge der NPD, dann die Massendemos von Pegida, schließlich der flächendeckende Siegeszug der AfD. Die habe die „Sprach- und Alternativlosigkeit durchbrochen“, sagt Hans-Christoph Berndt. Er ist neuer Faktionschef der AfD in Brandenburg. Der Nachfolger des rechtsextremen Andreas Kalbitz ist zudem auch Vorsitzender des Vereins „Zukunft Heimat“, der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wird.

    Birgit Wärnke und Julian Feldmann blicken in ihrem Film auf eine Zeit zurück, die ihre braunen Schatten bis heute wirft. Sie porträtieren drei Neonazis der Wendezeit, begleiten einen AfD-Politiker, fragen bei Historikern und Zeitzeugen nach den Ursachen. In ihrer akribischen Recherche zeigen sie seltene Archivaufnahmen und unveröffentlichte Dokumente aus der Stasi-Unterlagenbehörde. Der Film zeichnet rechte Kontinuitätslinien nach und analysiert ihre prägende Wirkung auf das wiedervereinigte Deutschland.

    #Allemagne #DDR #nazis

  • Charité-Ärztin Ingeborg Rapoport : „Der Sozialismus wird kommen“
    https://www.berliner-zeitung.de/zeitenwende/charite-aerztin-ingeborg-rapoport-der-sozialismus-wird-kommen-li.13

    In der 3. Staffel der Charité-Serie spielt Nina Kunzendorf die Ärztin Inge Rapoport. Wer war sie? Und warum glaubte sie, die DDR sei das bessere Deutschland?

    11.1.2021, von, Charlotte Misselwitz


    Inge Rapoport als Exilantin in den USA.

    Berlin„Das war meine letzte politische Aktion“, sagte Inge Rapoport 2015 zu mir am Telefon. Sie war gerade aus Hamburg zurückgekehrt, wo sie im Alter von 102 Jahren ihren Doktortitel erhielt. Ihre Stimme war schwach, erschöpft von den Interviews mit deutschen und internationalen Medien. Immer wieder musste sie erzählen, wie sie als Jüdin ihre Doktorarbeit nicht verteidigen konnte und warum sie 1938 in die USA emigrierte. Wie sie dort begann, sich politisch zu engagieren und als Ärztin zusammen mit ihrem Mann Mitja Rapoport die damalige Black-Power-Bewegung für die Bürgerrechte der Afroamerikaner unterstützte. Und wie dann beide unter dem republikanischen Senator des von Wisconsin, Joseph McCarthy, als Kommunisten die USA verlassen mussten, weil er zur Jagd auf Linke blies.

    Wie viele der Juden in der DDR war sie der Überzeugung, die DDR sei das bessere Deutschland gewesen.

    Inge Rapoport sprach immer von ihrem Wohnzimmer in Berlin-Pankow aus. Eine kleine gebrechliche Frau mit weißen kurzen Haaren und einem für ihr Alter ungewöhnlich ebenmäßigen Gesicht. Sie saß umringt von schweren Lesegerätschaften, die runden Augen in die Ferne gerichtet, erzählte, wie sie 1952 in die DDR kam, Professorin für Pädiatrie wurde und die Neonatologie an der Ost-Berliner Charité aufbaute. Sie ergänzte, es sei eine „Freude“ gewesen, in einem Gesundheitssystem „für alle“ zu arbeiten. Und hatte sie endlich das Thema auf den Sozialismus gebracht, klang ihre Stimme plötzlich glockenrein: „Er wird ja auch kommen – irgendwann.“

    Die meisten Interviewer verbuchten solche Aussagen als ostalgisch, überholt oder gar politisch inkorrekt. Nur wenige wussten, Ingeborg Rapoport war schon vor der DDR-Staatsgründung links gewesen und ist es bis zu ihrem Tod 2017 geblieben. Wie viele der Juden in der DDR war sie der Überzeugung, die DDR sei das bessere Deutschland gewesen, sie schreckte auch keine eventuelle Diskreditierung als Verteidigerin des „Unrechtsstaates“ DDR ab. Und doch war sie für mich, die in ihrem Pankower Umfeld aufwuchs, eine Mentorin, eine Mahnerin an einstige Diskurse und Ideen, aber auch ein Frauenvorbild, in dem Karriere, Familie und große Liebe vereinbar waren.

    In Berlin lebten sie und ihr Mann Mitja gegenüber der Familie des Bildhauers Fritz Cremer, des Schriftstellers Bodo Uhse, den Parylas, Schauspielern aus Österreich und vielen mehr. In ihrem Haus in Pankow, eine bescheidene Hommage an den Bauhaustil, erzählte sie, wie sich schon ihr Umfeld als junge Frau um ihre Sorglosigkeit sorgte. In den USA, dem Land ihrer ersten Emigration ab 1938, sagte Inge den Chefs der größten Elite-Unis ins Gesicht, dass sie nicht einmal den kleinsten Anteil ihrer Studiengebühren bezahlen könne. Nur mit Stipendien kletterte sie die amerikanische Karriereleiter hinauf: Women’s Medical College, Johns Hopkins Hospital, Children’s Hospital in Cincinnati. Status hatte für sie nichts mit Geld zu tun. In der Durchreiche von ihrer Küche wurde auf gelben Sprelacart-Holzplanken der Käsekuchen gereicht. Er war immer frisch aufgebacken, saftig und „aus dem Tiefkühlfach, von Aldi“, wie sie kichernd erklärte.

    Inge Rapoport, als Kind eines „Kolonialkaufmanns“ im afrikanischen Kamerun geboren, war in Hamburg aufgewachsen, jüdische Mutter, christlicher Vater. Der verschleuderte das Vermögen der Mutter, bevor er sie verließ. Die Tochter spielte mit dem Gedanken, nicht zu heiraten. Sie kannte einige Frauen, die damals um ihres Berufes willen ebenso entschieden hatten. Aber Mitja Rapoport saß in der Kommission für die Neubewerbungen am Krankenhaus in Cincinnati und ließ diejenige kommen, über die es hieß, sie schere sich nicht um Geld. Sie heirateten, bekamen vier Kinder. Inge lernte durch Mitja die kommunistische Partei der USA (CPUSA) kennen, trat ein und engagierte sich an der Seite ihres Mannes für eine gerechte Umverteilung finanzieller Mittel und die Gleichberechtigung der Schwarzen.

    Ich weiß nicht genau, was es heißt, Jüdin zu sein. Aber ich habe Solidarität mit einem Volk, das verfolgt wird.
    Inge Rapoport über Rassismus in den USA

    „Ich weiß nicht genau, was es heißt, Jüdin zu sein. Aber ich habe Solidarität mit einem Volk, das verfolgt wird“, sagte sie einmal. Sie hatte vor ihrer Flucht aus Deutschland erlebt, wie Juden nicht mehr in Krankenhäusern behandelt werden durften. Dann, in den USA, durfte sie als Rettungsärztin schwarze Patienten nicht in die weißen Krankenhäuser bringen lassen, schreibt sie in ihrer Autobiografie. Sie fand offenbar Heilung im Erkennen des eigenen Schmerzes bei anderen Gruppen – auch wenn die Erfahrungen nicht identisch waren. Und die linke Weltanschauung verlieh dem einfach nur die Theorie: Solidarität.

    „Ich bin nicht religiös.“ Keine Mesusa an der Tür, auch die Menora konnte man lange suchen. Aber sie ergänzte immer: „Ich bin Kommunist.“ Inge verwendete die männliche Bezeichnung, die im vereinigten Deutschland heute als diskriminierend gilt. Für sie war es ein Zeichen von Gleichberechtigung. Und die Kurve der sichtbar geringeren Säuglingssterblichkeit in der DDR im Vergleich zur BRD fällt ausgerechnet in ihren Wirkungsbereich zwischen 1966 bis Ende der 70er-Jahre als erste europäische Professorin für Neonatologie.

    Anfang der 50er-Jahre, noch in den USA, zog sich um Inge und ihre Familie die politische Schlinge des McCarthyismus. Sie und ihr Mann wurden mehrmals in der Lokalzeitung, dem Cincinnati Enquirer, in ihren politischen Aktivitäten, sogar als Ärzte, diffamiert. Unter anderem hatten beide in ihren Kreisen für die Unterzeichnung des Stockholmer Appells zur Ächtung von Atomwaffen geworben.

    Im Sommer 1950 kehrte sie wegen einer Vorladung frühzeitig von einer Israelreise zurück und organisierte heimlich die Ausreise zusammen mit den drei kleinen Kindern - über New York nach Zürich und schließlich nach Wien. Samuel Rapoport (so der eigentliche Vorname ihres Mannes) hatte eine Anstellung an der Universität Wien angeboten bekommen, die jedoch der amerikanische Geheimdienst CIC vereitelte – durch die Drohung, die Zahlung amerikanischer Gelder einzustellen. Der Biochemiker Mitja Rapoport hatte auch Aussicht auf eine Anstellung am renommierten Weizmann-Institut der Wissenschaften in Israel, aber die Situation der Palästinenser, die in ihren Augen unterdrückt wurden, hielt das Ehepaar vor einem Leben im jüdischen Staat zurück.

    Die DDR war keine sofortige Option, wegen der Deutschen und des Holocausts, und auch als Wissenschaftsstandort. Aber nachdem ihre Kollegin und enge Freundin Katie Dodd in den USA ihren Posten am Krankenhaus in Cincinnati verlor, hatten sie genug. „Hier in der DDR gab es ja viele jüdische Reimmigranten, die nicht nach Westdeutschland gegangen wären, sondern die ganz spezifisch die DDR optimieren wollten.“ Inge Rapoport sprach auch zehn Jahre nach der Wende von „hier“ und „DDR“ in dem einzigen Interview, das ich je mit ihr geführt habe, dem aber stundenlange Telefonate unter dem Vorwand der Korrekturen folgten.

    Wir redeten im Esszimmer am Tisch für die ganze Familie, deren Kinder und Enkelkinder mittlerweile bis in die USA verstreut waren. Mitja Rapoport saß weiter hinten in seinem Arbeitszimmer. Inge meinte, sehr schnell Fuß gefasst zu haben in der DDR in einer Zeit, die viele als die Hochsaison der antikosmopolitischen Prozesse in der Sowjetunion erinnern. Sie wurden als Eingeladene behandelt, konnten schnell arbeiten, gutes Geld verdienen, wurden mit Wohnungen versorgt. Dass einige Juden und Nichtjuden in der DDR verhaftet oder in „Funktionssperren“ versetzt wurden, kommentierte sie damit, dass das alles mit Stalins Tod 1953 vorbei gewesen sei, obwohl einige von ihnen ihre Parteimitgliedschaft und auch ihre Positionen erst 1956 zurückbekamen.

    Allerdings tauchte zwei Jahre vor Inges Tod ein Historiker auf, wie die Tochter Susan Richter heute erzählt. Er hatte einen Brief an die damalige Kontrollkommission der Prozesse gefunden, von den Rapoports geschrieben, eine Mischung aus Selbstanzeige und Verteidigung eines Wiener Freundes, der vor dem Prager Gericht unter Spionageverdacht stand. Hatten sie und Mitja vielleicht doch Angst gehabt, dass es sie treffen könnte? Und warum hat Inge das vergessen?

    Susan Richter erinnert sich, wie Inge Anfang der 70er-Jahre auf dem Balkon ihrer neuen Wohnung eine Befestigung für die Fahne zum DDR-Geburtstag suchte. Und die Tochter herausplatzte: „Mama, ich will keine DDR-Fahne aufhängen!“ Bestürzung der Mutter. Die Tochter war wie viele der Zweiten Generation der Juden in der DDR kritischer und mit oppositionellen Nachbarn wie meinen Eltern befreundet. In den Diskussionen akzeptierte Inge zwar DDR-Kritik, aber der Tenor blieb: Das DDR-System war das Beste für alle, man müsse die Menschen eben zu ihrem Glück zwingen.

    30 Jahre nach der Wende sagt Susan Richter: „Die heutige Entwicklung zeigt, für manche Menschen ist so ein System wohl besser.“ Sie sieht nun, was ihre Mutter wohl in der vom Kapitalismus gespaltenen Welt sah: den Frust der unterbezahlten Arbeitnehmer und Arbeitslosen, die Kluft zwischen Arm und Reich. Damals wurde der Frust auf die Juden gelenkt, diesmal sind es die Migranten. Wie oft, fragt die Tochter sich, wird die heutige Berliner Republik den Zusammenschluss von der rechtsnationalen AfD mit Freien Demokraten und Christdemokraten wie in Thüringen 2020 noch verhindern können?

    Inge Rapoport quälte vor ihrem Tod vor allem der Rückschritt in ein ungerechter werdendes Gesundheitswesen seit der Wiedervereinigung.
    Charlotte Misselwitz

    Thüringen 2020 hat Inge Rapoport nicht mehr erlebt. Sie quälte vor ihrem Tod vor allem der Rückschritt in ein ungerechter werdendes Gesundheitswesen seit der Wiedervereinigung. In ihrer Autobiografie beschreibt sie zudem, wie sie als emeritierte Professorin mit ansah, dass Kollegen aufgrund von Stasi-Verbindungen gekündigt wurden. Mehrere bekamen zwar vom Arbeitsgericht die Unzulänglichkeit der Vorwürfe bestätigt, weshalb auch ihre Entlassung hinfällig war. Aber ihre Stelle bekamen sie trotzdem nicht zurück. „McCarthyismus“, entfuhr es Inge immer wieder. Dass die Werke ihres Nachbarn Fritz Cremer im Deutschen Historischen Museum in Berlin „als ‚Schandmale des sozialistischen Realismus‘ verhöhnt wurden“, ließ sie in ihrer Autobiografie schreiben, sie hätte gern den „Urhebern dieser Bilderstürmerei (..) meinen Zorn und meine Verachtung gezeigt“. Zweimal musste sie erleben, wie Menschen aufgrund ihrer Verbindungen zu linksgerichteter Politik aus dem Verkehr gezogen wurden. Und das zweite Mal war wohl die Wiederholung einer traumatischen Erfahrung.


    Inge Rapoport mit 102 Jahren in ihrer Wohnung in Pankow.

    Im Pankower Domizil begann eine Zeit, in der Inge ihre eigene „Täterschaft“ reflektierte. Wo sie wem in der Charité vielleicht den Weg versperrt oder zu anderer Leute Ungunsten agiert hatte. Neben dem Gefühl, an etwas Wichtigem mitgewirkt zu haben, das nun in Scherben lag, wurde ihr ungewollt ihre jüdische Herkunft wieder bewusst: „Ich hatte mir einstmals geschworen, nie wieder in Deutschland zu leben – und hatte die DDR ausgenommen von diesem Schwur, als eine andere Art Deutschland, als Teil einer großen sozialistischen Völkergemeinschaft. Nun lebe ich wieder im alten Deutschland.“ Am Ende nagte an ihr der Gedanke, ihren Kindern doch keine Heimat gegeben zu haben. Anders als die Schwägerin Betty, die ihre Kinder in Israel aufzog.

    In ihrem wochenlangen Sterbebett nahm sie Anrufe aus Israel, den USA, England oder sonstwo entgegen. Unter denen, die sich bei der 104-Jährigen meldeten, waren kaum Gleichaltrige. Es waren eher Studenten, jüngere Freunde, Verwandte, Genossen. Sie hat nicht ahnen können, wie viele hundert Menschen zu ihrer Beerdigung in Berlin-Niederschönhausen kamen. Schon am Sterbebett wurde ihr der Zirkus manchmal zu viel. „Jede Träne 10 Cent“, sagte sie. Inge Rapoport wäre Millionärin heute. Der einzige Trost: Sie hätte auch diesen Reichtum verschmäht.

    Dies ist die gekürzte Fassung eines Porträts über Ingeborg Rapoport für die
    . Die Autorin Charlotte Misselwitz ist in Ost-Berlin geboren und arbeitet publizistisch in Radio und Print mit dem Schwerpunkt auf deutsch-israelische Themen. Sie hat 2020 ihre Doktorarbeit zur „Narrativen Rückspiegelung von Stereotypisierungen des Muslimischen in deutschen und israelischen Medien“ an den Universitäten in Essen und Tel Aviv absolviert.

    #Berlin #histoire #médecine #femmes #néonatalogie #DDR #USA

  • The lives of others: Ute Mahler’s images of the real East Germany – in pictures | Art and design | The Guardian
    https://www.theguardian.com/artanddesign/gallery/2021/jan/06/ute-mahler-images-real-east-germany-in-pictures

    The lives of others: Ute Mahler’s images of the real East Germany – in pictures
    Friends united … Aue, Circus Hein, 1973. Photograph: Ute Mahler/Ostkreuz – Agentur der Fotografen GmbH

    In 1974, the German photographer set out to convey the truth about how people really lived in the communist GDR – depicting her fellow citizens with a ‘timeless coolness’

    #ddr #photographie

  • L’ex-Allemagne de l’Est, bonne élève de la rénovation énergétique
    https://reporterre.net/L-ex-Allemagne-de-l-Est-bonne-eleve-de-la-renovation-energetique

    En ex-Allemagne de l’Est, la rénovation énergétique va bon train : depuis 2015, les émissions de CO2 ont ainsi diminué de plus de 30 % dans la ville de Neuruppin. L’objectif ? Un parc immobilier neutre en carbone d’ici 2050. Pour cela, les communes s’appuient sur une politique incitative et comptent notamment sur les réseaux de chauffage urbain.

    #allemagne #énergie #climat #ddr

  • Willi Sitte - Angela Davis und ihre Richter

    East Germany’s Love Affair With Angela Davis - The New York Times
    https://www.nytimes.com/2020/10/26/arts/design/angela-davis-exhibition-dresden.html

    An exhibition looks back at a point in the 1970s when the philosopher and activist was a state-promoted hero behind the Iron Curtain.

    #art #peinture #DDR #USA #politique #racisme

  • Der Fall Diogo : Wie aus einem tragischen Unfall ein brutaler Neonazi-Mord wurde
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/manuel-diogo-wie-aus-einem-tragischen-unfall-ein-brutaler-neonazi-m

    Mode d’emploi : Comment se faire de l’argent en publiant des accusations mensongères contre l’ancien état socialiste allemand.

    1986 stirbt der Mosambikaner Manuel Diogo bei einer Zugfahrt in Brandenburg. Für die DDR-Behörden ist es ein Unfall. Ein westdeutscher Historiker behauptet 30 Jahre später, es war ein rassistisches Verbrechen. Was ist damals wirklich geschehen?

    30.9.2020 - 18:58, Anja Reich und Jenni Roth

    Der letzte Tag im Leben von Manuel Diogo ist der 29. Juni 1986, ein Sonntag. In Mexiko-Stadt spielt die westdeutsche Nationalelf im WM-Finale gegen Argentinien. In Sachsen-Anhalt macht sich eine Gruppe mosambikanischer Vertragsarbeiter aus ihrem Dorf Jeber-Bergfrieden auf den Weg nach Dessau, um in einer Kneipe das Spiel zu sehen. Die Argentinier um Diego Maradona gewinnen mit 3:2. Um 22.01 Uhr steigen die Mosambikaner in Dessau in den Zug Richtung Belzig, der sie zurück nach Jeber-Bergfrieden bringen soll, aber einer von ihnen kommt nie an. Manuel Diogo, 23 Jahre alt, Holzfacharbeiter im Sägewerk von Jeber-Bergfrieden, wird um 0.45 Uhr an den Gleisen zwischen Bad Belzig und Wiesenburg gefunden, tot.

    Die Transport- und Kriminalpolizei ermittelt, Zeugen werden befragt. Schnell steht fest: Es war ein Unfall. Manuel Diogo war betrunken, schlief im Zug ein, verpasste den Ausstieg, sprang auf freier Strecke aus dem Zug, vermutlich, um zurück zum Bahnhof Jeber-Bergfrieden zu laufen, und wurde dabei vom entgegenkommenden Güterzug erfasst. Seine Freunde merkten erst, dass er fehlte, als sie vom Bahnhof zurück zu ihrer Unterkunft liefen.

    Die Akten zum Fall sind umfangreich, Hinweise auf Manipulationen gibt es nicht. Dennoch kommt 30 Jahre später eine ganz andere Version des Falles an die Öffentlichkeit: Manuel Diogo verbringt den Tag nicht in Dessau, sondern zusammen mit einem Freund in Berlin. Der bringt ihn zum Ostbahnhof, setzt ihn in den Zug Richtung Dessau. Neonazis steigen ein, schlagen ihn zusammen, fesseln ihn an Füßen und Beinen, lassen seinen Körper an einem Seil aus dem Zug hängen, sein Schädel wird dabei zertrümmert, die Leiche in Teile zerstückelt an den Gleisen gefunden. Ein brutaler, rassistischer Mord, von den DDR-Behörden und der Staatssicherheit unter den Teppich gekehrt, die Täter bis heute nicht bestraft.

    2014 verbreitet Harry Waibel die Version vom Mord in seinem Buch „Der gescheiterte Antifaschismus – Rassismus in der DDR“. Waibel ist ein 74-jähriger Historiker aus Baden-Württemberg, der sich Antifaschist nennt, in Berlin-Schöneberg wohnt und in Archiven nach rassistischen Vorfällen in der DDR sucht. Auf den „Mord an Manuel Diogo“ sei er in der Stasi-Unterlagenbehörde gestoßen, sagt er. Er sagt nie Todesfall, immer nur Mord. Er sagt auch: „Der gesamte Nazismus, Antisemitismus wurde doch vertuscht in der DDR.“

    Fast zeitgleich schreibt ein ehemaliger Vertragsarbeiter und Boxer namens Ibraimo Alberto ein Sachbuch über sein Leben. „Ich wollte leben wie die Götter. Was in Deutschland aus meinen afrikanischen Träumen wurde“ erscheint 2014 bei Kiepenheuer & Witsch. Alberto schildert darin, wie er zusammen mit einem Freund in Mosambik für den Auslandseinsatz ausgebildet wird, mit ihm 1981 in Berlin-Schönefeld landet und wie dieser Freund ihn fünf Jahre später in Berlin besucht und in derselben Nacht von Neonazis ermordet wird. Der Freund heißt Manuel Diogo.

    Drei Jahre nach der Veröffentlichung seines Buches, 2017, taucht Ibraimo Alberto als Zeuge in einem MDR-Beitrag auf. Darin wird die Mordszene im Zug mit Schauspielern nachgestellt. Am Ende des Beitrages wird der Zuschauer Zeuge, wie das MDR-Team vor einer Hütte in Mosambik steht und der alten Mutter Manuel Diogos die Nachricht vom Neonazi-Mord überbringt. Die Frau bricht in Tränen aus.

    Im Jahr 2019 nimmt sich auch der Schriftsteller Max Annas des angeblichen Mordfalles an. „Morduntersuchungskommission“ beschreibt, wie ein ostdeutscher Kommissar den Tod eines Vertragsarbeiters aufklären soll, herausfindet, dass es ein rassistisches Verbrechen war und die Behörden von ihm verlangen, daraus einen Unfall zu machen. Das Buch, vom Rowohlt-Verlag als „der erste große Kriminalroman, der in der DDR spielt“ beworben, von den deutschen Feuilletons als „wahre Geschichte“ hochgelobt, erscheint im Juli 2019 und wird im Dezember 2019 mit dem „Deutschen Krimipreis“ ausgezeichnet. „Ein eminent politisches Buch nach einem historischen Fall“, heißt es in der Jurybegründung.

    Es gibt Lesungen, Talkshowauftritte, ein Café in der brandenburgischen Stadt Belzig, nicht weit vom Fundort der Leiche, startet eine Anti-Rassismus-Initiative. In Leipzig erinnert eine Ausstellung an Diogo. Ibraimo Alberto reist 2015 mit einer Delegation von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Afrika und wird vom ehemaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble mit dem Preis „Botschafter für Demokratie und Toleranz“ ausgezeichnet.

    Als im Mai 2020 in den USA der Afroamerikaner George Floyd von einem Polizisten ermordet wird und die „Black Lives Matter“-Bewegung auch nach Deutschland schwappt, stellt die Linken-Abgeordnete Andrea Johlige eine Kleine Anfrage an den Landtag in Brandenburg, Stichwort: „Todesfall Diogo“. Sie fordert, dass die Staatsanwaltschaft neue Ermittlungen einleitet. Das Medienecho ist riesig. Und tatsächlich: Am 29. Juni 2020 gibt die Staatsanwaltschaft Potsdam bekannt, den Fall neu aufzurollen. Ein Kriminalkommissar wird beauftragt, die Ermittlungen von damals zu prüfen und Zeugen erneut zu vernehmen.

    Und so beginnt 34 Jahre später alles noch einmal von vorne. Die Berliner Zeitung recherchiert – fast zeitgleich mit dem Kriminalkommissar – im Fall Diogo, fährt nach Sachsen-Anhalt, telefoniert mit ehemaligen Vertragsarbeitern in Mosambik, spricht mit dem Heim- und Werkleiter aus dem Sägewerk, mit Anwohnern, Historikern, der Linken-Politikerin, kontaktiert die Buch- und MDR-Autoren. Es geht um die Frage, ob es Mord war oder ein Unfall. Im 30. Jahr der deutschen Einheit geht es aber auch darum, wie und von wem DDR-Geschichte umgeschrieben wird.

    Manuel Diogo ist 18 Jahre alt, als er auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld landet. Zwei Jahre zuvor, im Februar 1979, haben die Regierungen der DDR und der Volksrepublik Mosambik ein „Abkommen über die zeitweilige Beschäftigung mosambikanischer Werktätiger“ vereinbart. Es ist der 21. Oktober 1981 und kalt. Die Vertragsarbeiter werden auf verschiedene DDR-Betriebe aufgeteilt: Motorradwerk Zschopau, Bahnmeisterei Erfurt, Elektroglas Ilmenau, Getränkekombinat Leipzig. Manuel Diogo gehört zur kleinsten Gruppe: 25 Männer, „Holzindustrie Oranienbaum“, heißt es in den Unterlagen des DDR-Staatssekretariats für Arbeit und Löhne.

    Es ist eine weite Reise von Mosambik in die DDR, und nach Jeber-Bergfrieden, wo es außer dem größten Sägewerk der DDR nur noch einen Konsum und eine Gaststätte gibt, scheint die Reise noch weiter zu sein. Kein einziger Ausländer lebt hier, Schwarze kennen die Dorfbewohner nur aus dem Fernsehen. Klaus Nitze holt Diogo und die anderen mit dem Bus aus Schönefeld ab. Er ist ihr Heimleiter und bringt sie in ihre Unterkunft gleich neben dem Werk: pro Zimmer zwei Mann, zwei Betten, zwei Tische, zwei Schränke. Nitze hat zur Vorbereitung extra ein halbes Jahr Portugiesisch gelernt, merkt aber schnell, dass die Sprache das geringste Problem ist: „Da standen auf einmal 25 Leute in Sandalen, ohne Wintermantel, ohne Kutte, die meisten nur mit Sechsklassenabschluss. Wir haben ihnen gesagt, Kleidung haben wir nicht mit, aber der Bus ist warm.“ Im Wohnheim standen Teller mit belegten Käse- und Wurstbrötchen bereit. Niemand rührte das Essen an. „So was kannten die nicht.“

    Am nächsten Tag fahren Nitze und seine Frau mit der Gruppe nach Dessau zum Einkaufen: Schuhe, Stiefel, Parkas, lange und kurze Unterwäsche. Nach drei Monaten Deutsch-Intensivkurs beginnt die Arbeit. Harte Arbeit. Holzstämme spalten, schneiden, lagern, Drei-Schicht-System, oft Sonderschichten am Wochenende. Manuel Diogo meldet sich freiwillig für die Sonderschichten, für die es extra Prämien gibt. „Er war der Ruhigste und Fleißigste von allen“, sagt Nitze, „immer bestrebt, Geld zu machen, nur nicht negativ aufzufallen, und der Einzige, der es nach kurzer Zeit zum Gabelstaplerfahrer geschafft hat.“

    Seine Kollegen bekommen oft Frauenbesuch, trinken Alkohol, fahren zur Disko in die umliegenden Städte. Auch Manuel hat eine Freundin, Susanne aus Dessau. Eines Tages nimmt er den Werkleiter Günter Geyer mit zu Susanne nach Hause, stellt seinen Chef ihren Eltern vor, wie einen Vater. Zu Geyer hat Manuel, der als Einzelgänger gilt, die engste Beziehung von allen, das stellen auch die Ermittler nach seinem Tod fest. Der Werkleiter selbst nennt Manuel einen Freund. Er habe ihn nach der Arbeit zu Hause besucht, mit ihm Bier getrunken und geredet. Wissbegierig sei er gewesen, einer, der sich nicht in den Vordergrund drängt. Günter Geyer hat Tränen in den Augen, wenn er sich an ihn erinnert.

    Spricht man mit Menschen, die ihn kannten, wird aus Manuel Diogo, dem Vertragsarbeiter, dem Neonazi-Opfer, ein junger Afrikaner, der auf der Suche nach dem Glück ist, auch nach sich selbst. Da ist der Mann aus Jeber-Bergfrieden, der damals 14 war, heute in San Francisco lebt und am Telefon von den Besuchen in Manuels Zimmer erzählt und den gemeinsamen Mopedtouren. Da ist die ehemalige Kollegin, die schwärmt, wie nett „der Bengel“ gewesen sei, ein Frauenschwarm, aber nicht nur. „Der Manuel hatte es auch mit Männern.“ Und einmal, sagt sie, habe sie ihn in Frauenkleidern am Bahnhof gesehen. Sein damaliger Zimmernachbar sagt, Manuel habe sich prostituiert, daher das viele Geld. Klaus Nitze sagt: „Ach Quatsch! Die Damen kamen doch alle freiwillig.“ „Unsere Mosis“ nennen die Leute in Jeber-Bergfrieden die Mosambikaner, manchmal auch „Schokos“ oder „Neger“. Das habe man früher eben so gesagt, sagt Nitze.

    Manchmal gibt es Ärger mit deutschen Männern, Schlägereien in Discos. Es geht um Frauen, es wird viel getrunken. Auch Manuel, von dem es immer hieß, er rühre keinen Tropfen an, fängt an zu trinken. 1985 beschließt die mosambikanische Regierung, 60 Prozent des Lohnes der Vertragsarbeiter einzubehalten und erst nach ihrer Rückkehr auszuzahlen. Etwa um die gleiche Zeit fliegt Manuel Diogo das erste Mal nach Hause, in einer großen Holzkiste nimmt er „Werte in Höhe von 25.000 Mark“ mit, heißt es in der Akte, darunter eine MZ, ein Motorrad. Nach seiner Rückkehr in die DDR verkauft seine Familie die Sachen, er erfährt es erst hinterher, erzählt sein Zimmernachbar. Manuel Diogos Träume scheinen zu zerplatzen. Er lässt sich nichts anmerken, arbeitet „ohne Tadel“ weiter. In der Akte heißt es: „Seit diesem Zeitpunkt ist zu verzeichnen, dass häufig und in größeren Mengen als bisher Alkohol getrunken wurde.“

    Auch am Abend des 29. Juni 1986, des WM-Finales. Manuel Diogo sitzt mit seinen Kollegen in der Dessauer Kneipe vor dem Bildschirm. So erzählen es vier der noch lebenden Mosambikaner aus der Runde. Der Deutsche Roland Hohberg, der 1991 zusammen mit ehemaligen DDR-Vertragsarbeitern den Rückkehrerverein Adecoma in Mosambik gründete, hat sie für die Berliner Zeitung befragt. Sie erzählen, dass sie gute Laune gehabt und getrunken hätten – ziemlich viel sogar: Im Obduktionsbericht heißt es, Manuel Diogo habe fast 1,4 Promille im Blut und 1,8 Promille im Urin gehabt, es wird ein „deutlicher Alkoholgeruch der inneren Organe“ festgestellt.

    Der Zug Richtung Belzig ist in ihrer Erinnerung leer, von Neonazis keine Spur. Manuel setzt sich etwas abseits, schläft ein, geht zur Toilette. Die Mosambikaner steigen aus, ohne Manuel – so betrunken hätten sie nicht mehr nach ihm geschaut, sagen sie heute. Die Zugbegleiterin ist laut Akten die Letzte, die Manuel Diogo lebend sieht: Er liegt schlafend auf dem Gang.

    Es ist der 30. Juni 1986, gegen ein Uhr nachts, als der Lokführer Markward Michel, damals 42 Jahre alt, angefunkt wird: Im Raum Borne liege ein lebloser Körper im Gleis. Michel soll ihn suchen. Er fährt los, ganz langsam, erst zu weit, dann wieder zurück, bis er ihn im Licht der Scheinwerfer sieht: Manuel Diogo liegt auf dem Bauch, zwischen den Gleisen, das Hemd hochgerutscht. Er trägt eine graue Jeans, Sandalen an den Füßen. Michel steigt aus, für ihn ist sofort klar: ein Unfall. In seinem Haus im brandenburgischen Grubo nimmt er Blatt und Papier und zeichnet auf, wie er sich den Unfallverlauf vorstellt. Diogo ist, als er aus dem Zug sprang, zwischen zwei Wagen geraten, an einem Haken hängengeblieben, ein paar Meter mitgeschleift worden, liegen geblieben und überfahren worden. „Anders geht es gar nicht. Der hat ausgesprochenes Pech gehabt.“

    Michel informiert die Transportpolizei, die informiert den Heimleiter. Klaus Nitze schätzt, dass es drei, halb vier Uhr morgens ist, als es an seiner Haustür Sturm klingelt. Er und seine Frau sind wach, sie kommen gerade von einem Geburtstag im nahen Roßlau. Er soll mit in die Pathologie nach Belzig fahren und Manuel identifizieren. Die Fahrt hat sich bis heute bei Nitze eingeprägt, auch das letzte Bild von Manuel. In einer Art Aluminiumschüssel, so lang und breit wie sein Wohnzimmertisch, habe er gelegen, der Körper mit einem weißen Tuch bedeckt, ein Fuß sei zu sehen gewesen, „verkehrtherum“. Und das Gesicht. „Ich habe gleich gesehen, das ist Manuel.“ Die Gerichtsmedizin stellt als Todesursache eine offene Schädelfraktur mit Zertrümmerung der Schädelbasis und weitere schwere innere Verletzungen fest. Ihr Fazit: „Alle festgestellten Verletzungen deuten auf einen Sturz mit anschließendem Anfahren im Liegen, Mitschleifen und teilweise Überfahren eines Reichsbahnfahrzeugs hin.“

    Ein paar Stunden später versammeln sich die Kollegen im Büro des Heimleiters im Sägewerk. In seiner Erinnerung zeigen sie keine Trauer, vielleicht sind sie im Schock. Niemand spricht von Mord. Die Polizei befragt Zeugen, Kollegen, Diogos Freundin, die Zugführerin, den Lokführer, den Werkleiter. Die Mosambikaner können sich 34 Jahre später nicht mehr daran erinnern. Aber ihre Protokolle befinden sich in den Ermittlungsakten, Auszüge davon liegen im Archiv der Stasi-Unterlagenbehörde und im Landesarchiv Brandenburg. Es ist keine Rede von Neonazis, es gibt keinen Hinweis darauf, dass hier ein Mord verheimlicht wurde.

    Und doch scheint es mehr als 30 Jahre später festzustehen, wird aus der Mordtheorie des Historikers Harry Waibel eine Tatsache. Je öfter sie erzählt wird, desto wahrer wird sie. Und desto wütender wird im anderen Teil der Stadt, in Berlin-Mitte, ein anderer Historiker, der sich mit dem Fall beschäftigt: Ulrich van der Heyden, 66 Jahre alt, geboren in Ueckermünde, Afrika-Experte, Autor des Buches: "Das gescheiterte Experiment. Vertragsarbeiter aus Mosambik in der DDR-Wirtschaft (1979-1990)“.

    Vor zehn, zwölf Jahren sei er auf die Akten gestoßen, sagt van der Heyden in seinem Büro in einem Hinterhof der Humboldt-Universität. Dass es ein Unfall war, daran habe er nie gezweifelt. „Da war niemand sonst im Zug außer der Schaffnerin. Die Kumpels sind vorher ausgestiegen. Die waren alle betrunken.“ Das sei öfter passiert, auch, dass sie den Ausstieg verpasst hätten. „Die waren ja von Hause aus keinen Alkohol gewöhnt.“

    Bereits vor einem Jahr habe er Verlagshäuser und den MDR auf die Fehler in der Berichterstattung zum Fall Diogo hingewiesen. Er habe sogar Christian Bergmann, einen der MDR-Autoren, in sein Büro eingeladen, ihm die Akten gezeigt und um Richtigstellung gebeten. Als nichts passierte, legte er Beschwerde beim Rundfunkrat und bei der Intendantin des MDR ein. Die Antwort: eine Unterlassungserklärung. Van der Heyden schaltete einen Anwalt ein und protestiert weiter. Er spricht von Fake News, von einem Skandal à la Relotius. Ulrich van der Heyden schreibt schnell, redet schnell und regt sich schnell auf. Wie im Fall Diogo Fakten verdreht werden, aber auch darüber, dass Menschen wie Harry Waibel, die nie in der DDR gelebt haben, das Leben dort bewerten, auch seines.

    „Lügen-Harry“ nennt van der Heyden den Historiker aus dem Westen. Waibel kontert:„ Der van der Heyden lügt sich doch einen zurecht.“ Er sitzt in seiner Wohnung in Schöneberg, die gleichen Akten vor sich auf dem Tisch, und erzählt seine Version der Geschichte. „Ein Eisenbahner der Reichsbahn sah die Leichenteile und informierte die Transportpolizei.“ Mit der Untersuchung habe auch die Vertuschung begonnen. „Als Gerichtsmediziner feststellten, dass er 1,4 Promille Alkohol im Blut hatte, wurde bekannt gegeben, er war betrunken und ist aus dem Zug gestürzt, so war die Legende der Stasi.“

    Warum handelt es sich um eine Legende?

    „Na, weil die Stasi alles vertuscht hat, was nicht in die Linie gepasst hat!“

    Aber hätte die Stasi die Vertuschung dann nicht in die Akten geschrieben?

    „Das war doch eine militärische Organisation! Wer sich gegen die herrschende Linie gestellt hätte, hätte mit unangenehmen Folgen rechnen müssen.“

    Waibel redet sich in Rage, auch für ihn ist es mehr als ein Kriminalfall. Er sei froh, sagt er, dass der MDR die Sache aufgegriffen habe. Das Buch von Ibraimo Alberto sei ja nicht wahrgenommen worden. Seit dem MDR-Beitrag sei das anders. Mit den Autoren, erzählt er, arbeite er schon lange zusammen, habe ihnen oft Akten für ihre Beiträge zur Verfügung gestellt, auch die von Diogo. Er lasse sich dafür von den Journalisten bezahlen. Von was solle er sonst leben, sagt er. Harry Waibel ist, das begreift man, wenn man an seinem Wohnzimmertisch sitzt, der Spindoctor hinter der Geschichte, der Mann, der Akten verteilt und Informationen streut. Ihm, dem Historiker aus dem Westen, glauben alle, seinetwegen ermittelt die Staatsanwaltschaft 34 Jahre später. Er ist sogar stolz darauf: „Mein Wissen hat mich dazu gebracht, diese steile These aufzustellen“, sagt er.

    Es geht, auch das begreift man in diesem Moment, gar nicht um Wissen, um Fakten, sondern um Meinungen, Überzeugungen, Haltungen. Ähnlich wie einst in der DDR. Und vielleicht ist das auch der Grund, warum sich ausgerechnet die mit dem Fall vertrauten Ostdeutschen in ihrer Empörung so einig sind: Klaus Nitze, der Heimleiter, hat den MDR-Beitrag, der in anderen Versionen und mit anderen Titeln inzwischen auch bei 3Sat, Arte und einer Sendung über DDR-Kriminalfälle lief, auf einer Geschäftsreise in einem Hotelzimmer gesehen. „Alles verdreht“, findet er. Roland Hohberg vom Rückkehrerverein Adecoma in Mosambik ist fassungslos, wie die ehemaligen Vertragsarbeiter, um die er sich kümmert, vom MDR manipuliert wurden. Er habe dem Sender Interviews vermittelt. Daher wisse er, dass die Journalisten ihre Gesprächspartner im Glauben gelassen hätten, der Neonazi-Mord sei bewiesen. „Die haben Suggestivfragen gestellt, die wollten nur eine Story, die gut ins politische Panorama passt.“

    Und was sagen die anderen? Die Autoren, die Verlage, der MDR, die Jury des Deutschen Krimipreises? Warum sind ihnen nie Zweifel an der Mordthese gekommen, nie Widersprüche aufgefallen?

    Auf die Fragen gibt es nur schriftliche Reaktionen. Und der MDR lässt sich mit seiner Antwort auf den Vorwurf der Suggestivfragen nicht einmal zitieren. Auch mit all den anderen Antworten nicht. Als Beweis für die Mordtheorie verweist die Kommunikationsabteilung des öffentlich-rechtlichen Senders lediglich auf ein Interview mit dem ehemaligen mosambikanischen Botschafter, in dem der sagt, die DDR-Behörden hätten ihm berichtet, dass Skinheads Manuel Diogo umgebracht haben. Die DDR-Behörden, das war in dem Fall das Staatssekretariat für Arbeit und Löhne, bei dem Ralf Straßburg für den Einsatz der mosambikanischen Vertragsarbeiter zuständig war. Straßburg sagt, es sei immer von einem Unfall die Rede gewesen: „Es stimmt einfach nicht, dass wir irgendjemandem erklärt hätten, dass Manuel Diogo aus dem Zug gestoßen wurde.“

    Max Annas, der Krimiautor, teilt mit, er habe sich in Schreibklausur für sein neues Buch begeben und momentan keine Zeit für ein Gespräch. Die Jury des Deutschen Krimipreises schreibt, Annas’ Buch sei ein historischer Kriminalroman, der – von einem tatsächlichen Fall angeregt – eine fiktive Geschichte erzählt. Der Verlag Kiepenheuer & Witsch schreibt, Ibraimo Albertos Lektor sei bereits im Ruhestand und in seiner Datscha in Russland „gerade schwer erreichbar“.

    Ibraimo Alberto selbst verweist in einer Mail auf die Interviews, die er bereits gegeben hat. Er habe alles gesagt. Sieht man sich dann aber die Interviews mit ihm im Fernsehen an, liest sein Buch, fragt man sich, was der ehemalige Vertragsarbeiter von dem Streit um den Tod seines Landsmannes überhaupt versteht, was seine Rolle dabei ist.

    Albertos Buch ist seine Autobiografie, und es taucht tatsächlich darin immer wieder ein junger Mann namens Manuel auf. Alberto ist mit Manuel Diogo zusammen zur Schule gegangen, war mit ihm im Ausbildungslager, saß mit ihm im Flugzeug und landete zusammen mit ihm am 16. Juni 1981 in Berlin-Schönefeld. Manuel und er trugen einen grauen Arbeitsanzug, heißt es. Und: „Meiner war zwei Nummern zu klein und der von Manuel um einiges zu groß.“ Wie Neonazis ihn später fesselten und folterten, beschreibt er so detailliert, als sei er dabei gewesen. Unter einem Foto steht: „Mein Freund Manuel war eins der ersten Mordopfer Rechtsradikaler in der DDR. Die Täter kamen mit milden Strafen davon.“ Obwohl ja nie Täter ermittelt wurden und es nie einen Prozess gab. Mit dem Namen seines Freundes scheint er etwas durcheinander zu kommen. Manchmal heißt er Manuel, manchmal Manuel Antonio. Und vergleicht man die Ankunftsdaten, stellt sich heraus, dass sie gar nicht zusammen in Schönefeld angekommen sein können: Manuel Diogo ist nicht im Juni 1981 in Berlin gelandet, sondern erst Ende Oktober.

    Haben sich die Männer überhaupt gekannt?

    Die ehemaligen mosambikanischen Kollegen Diogos sagen, sie hätten nie von Ibraimo Alberto gehört. Manuel wäre auch niemals alleine mit dem Zug nach Berlin gefahren, sie seien immer in der Gruppe unterwegs gewesen.

    Konfrontiert man Ibraimo Alberto mit den Widersprüchen, antwortet er mit einem vagen Eingeständnis: Vielleicht erinnere er doch manches falsch, nach so langer Zeit, schreibt er. Womöglich habe Manuel doch in einem anderen Flugzeug gesessen. Und ja, er sei ja auch kein Augenzeuge der Tat gewesen, er erinnere sich nur an ein Gespräch in der mosambikanischen Vertretung, bei dem man ihm erzählt habe, dass ein Mosambikaner im Zug bei Dessau von Skinheads ermordet worden sei. „Warum hätte ich an dieser Aussage zweifeln sollen?“

    Seine Geschichte aber ist in der Welt. Und die MDR-Bilder sind es auch. Selbst in der Erinnerung von Zeitzeugen ist die Dokumentation Wirklichkeit geworden. Eine ehemalige Kollegin von Manuel Diogo, die mit einem der ehemaligen Vertragsarbeiter zwei Kinder hat, sagt: „Das war grausam, wurde ja im Fernsehen gezeigt. Die hatten diese Springerstiefel an.“ Fragt man sie, was nicht heute, sondern in den Tagen nach Manuel Diogos Tod erzählt wurde, sagt sie: „Na ja, da dachte man, er war betrunken oder hat die Tür falsch aufgemacht.“

    Manuel Diogos Mutter ist 2017 in Mosambik in der Gewissheit gestorben, ihr Sohn sei von Neonazis umgebracht worden. Auch für Harry Waibel steht das fest. Egal, was die Recherchen der Berliner Zeitung ergeben haben, egal, zu welchen Erkenntnissen die Staatsanwaltschaft Potsdam kommen wird. „Erwarten Sie da nichts Großes“, sagt er. „Denken Sie nur an die NSU-Morde.“

    Er macht weiter mit seinen Forschungen über die DDR. In alten Akten des Außenministeriums habe er 150 Namen von Ausländern gefunden, die eines „unnatürlichen Todes“ starben, erzählt er. Vor wenigen Tagen hat er diese 150 Namen der Stasi-Unterlagenbehörde geschickt. Da sucht man jetzt nach den Akten.

    #DDR #immigrés

  • Wider besseres Wissen (Tageszeitung junge Welt)
    https://www.jungewelt.de/artikel/388954.handelsbeziehungen-wider-besseres-wissen.html

    Voici une analyse détaillée du dématèlement de l’économie est-allemande à partie de 1990. On n’a que rarement l’occasion de lire des textes d’une qualité comparable. On apprend deux choses :
    1. L’industrie de l’Allemagen de l’Est était très moderne et mieux adaptée aux besoins des marchés de l’Europe de l’Est que les entreprises en #RFA.
    2. Les nouveaux dirigeants venus de l’Ouest furent incapables de comprendre se contexte, alors ils ne prenaient pas de décisions permettant une transformation des entreprises modernes et leur adaptation au monde de la concurrence capitaliste.

    23.10.2020 von Jörg Roesler - Vor rund 30 Jahren schlossen die BRD und die UdSSR den »deutsch-sowjetischen Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit«. Das ergänzende Wirtschaftsabkommen ging auf Kosten des Osthandels der DDR-Betriebe.

    Am 9. November 1990 wurde zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR der »Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit«, kurz Partnerschaftsvertrag, geschlossen. Bei diesem Abkommen handelte es sich – in der Sprache der Diplomatie – um einen Generalvertrag, dem eine Reihe von Einzelverträgen zugeordnet war. Diese regelten unter anderem die zeitliche Begrenzung der Stationierung sowjetischer Truppen im Osten Deutschlands, die Zusammenarbeit mit der sowjetischen Regierung im Bereich Rechtshilfe, Kriegsgräber- und Denkmalpflege sowie die Neugestaltung des Außenhandels zwischen beiden Vertragsstaaten. Am selben Tag wurde der »Vertrag über die Entwicklung einer umfassenden Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wirtschaft, Industrie, Wissenschaft und Technik« unterzeichnet – eines von mehreren Folgeabkommen, die notwendig wurden, nachdem Bundeskanzler Helmut Kohl und DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière die Verträge zur »Vereinigung« beider deutscher Staaten im Juli 1990 unterzeichnet und Anfang Oktober in Kraft gesetzt hatten.

    Die Vertragspartner gaben sich einige Mühe, die Bevölkerung über die Bedeutung der Verträge zu informieren und diese in der Öffentlichkeit populär zu machen: Der Bundeskanzler empfing den sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow feierlich in Bonn. Beide Staatsmänner versicherten, dass der »Generalvertrag« die »Epoche der Konfrontation« zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion beenden und eine neue Ära in den bilateralen Beziehungen beider Staaten einleiten würde. Die deutsch-sowjetische Zusammenarbeit sei zu intensivieren und weiter auszugestalten.
    Einspruch der Experten

    Die bundesdeutsche Politik und die Presse stimmten bezüglich der erzielten Abkommen Lobeshymnen an, auch auf die zur Wirtschaftskooperation getroffenen Vereinbarungen. Der DDR-Außenhandel mit der Sowjetunion – so wurden die »alten« und die »neuen« Bundesbürger informiert – sei bis Ende der 1980er Jahre zwar bedeutend und vom Umfang her so groß wie der mit der Bundesrepublik gewesen. Allerdings habe er unter systembedingten Beschränkungen gelitten. Diese hätten sich daraus ergeben, dass die SED-Wirtschaftsführung »keinen Überblick über die wirklichen kurz-, mittel- und langfristigen Kosten« und somit »keine rationale Basis für die Teilnahme am internationalen Handel« gehabt habe. Im Zweifelsfalle habe sie sich daher »vermutlich immer für die Eigenproduktion entschieden«.¹

    Mit anderen Worten, die Möglichkeiten, die der internationale Handel bot, seien im Warenaustausch der DDR mit der UdSSR nie ausgeschöpft worden. Diese Zeiten seien nunmehr als Ergebnis der Einführung der Marktwirtschaft bundesdeutschen Typs auf dem Gebiet der DDR und dank Perestroika auch in der Sowjetunion vorbei. Das deutsch-sowjetische Handelsabkommen ermögliche nunmehr auch den Betrieben Ostdeutschlands, von den Vorzügen des Freihandels mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) ungehindert Gebrauch zu machen. Auf bisher aus planwirtschaftlichen bzw. politischen Gründen verordnete Aus- und Einfuhren könnten die ostdeutschen Betriebe nunmehr zugunsten gewinnorientierten Austauschs verzichten. Ostexporte unter diesen neuen Bedingungen würden dann zur generellen Stabilisierung und zum Aufschwung auch der ostdeutschen Wirtschaft beitragen.

    Diese Auffassungen über die Chancen der ehemaligen DDR-Unternehmen, deren Handel mit den Staaten Osteuropas entsprechend den neuen vertraglichen Regelungen nun nicht mehr durch den Staat bevormundet werde, teilten jedoch nicht alle Wirtschafts- und Handelsexperten der Bundesrepublik. Einspruch kam von Mitarbeitern des in Westberlin angesiedelten Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und Wissenschaftlern der deutschen Niederlassung des renommierten McKinsey-Instituts aus den USA.

    Was empfahlen DDR- und Ostexperten des DIW wie Doris Cornelsen und Heiner Flassbeck den nun bundesdeutschen Unternehmen?² Die Vorschläge des DIW waren nicht von ideologischen Grundsätzen bestimmt, sondern orientierten sich an überprüfbaren Tatsachen. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen war die Branchenstruktur des DDR-Osthandels. Im Unterschied zur im Westen weit verbreiteten Auffassung, dass Staaten mit Planwirtschaft vor allem binnenwirtschaftlich orientiert waren, habe der Außenhandel in der DDR eine große Rolle gespielt. So wurde etwa im Jahr 1987 ein Sechstel der Gesamtproduktion der DDR exportiert. Mehr als ein Drittel der im Lande produzierten elektronischen Erzeugnisse, der Grundchemikalien, der Textilien, Konfektions- und Lederwaren fanden im Ausland ihren Absatz. Bei Maschinen und Ausrüstungen, Metallwaren, Glas- und Feinkeramik lag die Exportquote sogar bei über 25 Prozent. Wie bei einem hochentwickelten Industrieland zu erwarten, waren die Importe der DDR eher grundstofforientiert. Bezogen auf die inländische Produktion waren die Importe besonders hoch bei Erdöl und Erdölprodukten (68 Prozent) sowie bei Eisen und Stahl (44 Prozent). Derartige Importe konnten in großem Maßstab aus den osteuropäischen Ländern, vor allem der Sowjetunion und Polen, der Tschechoslowakei sowie Ungarn, bezogen werden. Diese Ausrichtung des DDR-Außenhandels rechnete sich. Im Durchschnitt, so hatten die Ostexperten des DIW in ihren Analysen festgestellt, deckten die Ostexporte in die Länder des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) die betrieblichen Produktionskosten plus die Gewinne, also die »Abführungen an den Staat«.

    Rentabilität war somit laut den DIW-Experten im Osthandel gegeben. Dementsprechend war er, auch in Zeiten, als der Kalte Krieg und damit der Wirtschaftskrieg zwischen Ost und West nachließ, weiter ausgebaut worden. Ende der 1980er Jahre hatte für die Industriezweige des Stahl-, Maschinen- und Fahrzeugbaus und der Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik in der DDR der Absatz in den sozialistischen Ländern eine drei- bis viermal so große Bedeutung wie der Absatz in den westlichen Industriestaaten. Die Experten des DIW, die ein Verfahren entwickelt hatten, wie man die Rentabilität des Handels der DDR mit den sozialistischen und den nichtsozialistischen Ländern vergleichbar machen konnte, hatten auf dieser Grundlage für das Ende der 1980er Jahre ermittelt, dass »im Handel mit dem sozialistischen Ausland insbesondere in den Industriezweigen der Elektrotechnik, Feinmechanik, Optik vergleichsweise hohe Stückerlöse erzielt« wurden. Sie waren – ausgehend von ihren eigenen Berechnungen – zuversichtlich, dass dies grundsätzlich auch nach der Währungsumstellung von DDR-Mark auf BRD-Mark so bleiben würde.
    Selbst McKinsey warnt

    Wie aber sahen Experten von anderen Forschungsinstituten die Chancen für die Betriebe der DDR unter den veränderten Bedingungen für den Handel mit den osteuropäischen Staaten im Herbst 1990? Was empfahl zum Beispiel die in Düsseldorf angesiedelte US-Beratungsfirma McKinsey der Bundesregierung und dem bundesdeutschen Management? Die Experten von McKinsey rieten wie die Experten vom DIW von einer totalen Neugestaltung des Osthandels der DDR-Betriebe ab. Sie plädierten in einer Studie³ ebenso für die Beibehaltung und den Ausbau des Handels der ostdeutschen Betriebe mit der Sowjetunion und den anderen Ländern des RGW, und zwar aus folgenden Gründen: »Die Ostmärkte, dabei insbesondere der Markt der UdSSR, sind unter mehreren Aspekten für die Entwicklung der neuen Länder von zentraler Bedeutung: Das bisherige DDR-Angebot ist in vielen Bereichen auf diese Nachfrage spezialisiert und kann sie ohne größere Investitionen mit bestehenden Produktionsanlagen bedienen. Die zumindest teilweise Aufrechterhaltung dieser Geschäfte stellt für viele Unternehmen eine Grundvoraussetzung dafür dar, dass sie den Übergang (in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) schaffen können.«

    Die deutsche Niederlassung von McKinsey plädierte darüber hinaus für die Unterstützung von Exporten in den RGW-Raum durch die Bundesregierung, um so »mittel- bis langfristig Handelsbeziehungen auf paritätischer Basis zu stärken.« Zur Stabilisierung des für die weitere Entwicklung der ostdeutschen Wirtschaftsunternehmen so wichtigen Osthandels, argumentierte McKinsey weiter, »ließen sich möglicherweise deutsch-russische Mischgesellschaften konzipieren, die eine wichtige Katalysatorrolle zwischen den Ländern einnehmen und die langfristige Wirtschaftsentwicklung stärken«. Die neuen Bundesländer würden so zum »Marktplatz und ›Training Center‹ des Ostens«.

    Doch eine solche Unterstützung für die DDR-Betriebe sahen die wirtschaftlichen Aspekte des deutsch-sowjetischen Partnerschaftsvertrages prinzipiell nicht vor. Die Bonner Politiker, auch diejenigen, die nunmehr für den Osthandel zuständig waren, und die die Verantwortung für die Gestaltung der Rahmenbedingungen des Handels der ostdeutschen Betriebe mit der Sowjetunion übernommen hatten, waren offensichtlich völlig überzeugt davon, dass der Markt »es schon richten würde«, wenn nur die den Warenaustausch angeblich bevormundenden und beschränkenden Planvorgaben der DDR-Regierung wegfallen würden.

    Diese ideologisch verblendeten Vorstellungen waren typisch für die Berater der Bundesregierung. Sie unterschätzten im Unterschied zu den angeführten Experten von McKinsey und vom DIW die neuen Probleme für den Handel der Ex-DDR-Betriebe. McKinsey hat diese in ihrer Studie so beschrieben: »Der Export in den RGW-Raum vollzieht sich nicht mehr innerhalb eines Weichwährungsgebietes mit der Umrechnungswährung Transferrubel. Die Exporte werden in voll kompatibler Hartwährung fakturiert. Sie stoßen damit auf die gleichen Probleme von internationalem Wettbewerb und Devisenverfügbarkeit wie der gesamte West-Ost-Handel.« Der schlagartige Wegfall der bisherigen Abschirmung müsse, so McKinsey, für den ostdeutschen Wirtschaftsraum zu einem Einbruch führen.

    Wovor McKinsey gewarnt hatte, trat tatsächlich ein. Die Berater der Bundesregierung, die die Ratschläge des DIW und des McKinsey-Instituts ignorierten, versagten mit ihren Prognosen hinsichtlich der wirtschaftlichen Aussichten der ostdeutschen Betriebe kläglich. Die Aufhebung des »Weichwährungsgebietes RGW« erschwerte darüber hinaus nicht nur den Export der ostdeutschen Unternehmen nach Osteuropa, sondern brachte auch für die Sowjetunion und die anderen RGW-Länder Devisenprobleme, die sie veranlassten, ihrerseits die Importe von bisher geschätzten DDR-Erzeugnissen, vor allem des Maschinenbaus und der Elektrotechnik, trotz deren hoher Qualität zurückzufahren.

    Angesichts der nackten Tatsachen entschied sich die Bundesregierung dann doch für »Stützungsmaßnahmen für den Export in die Sowjetunion« im Rahmen des »Gemeinschaftswerks Aufschwung Ost«. Zu diesen Maßnahmen gehörte die Verschiebung der völligen Deregulierung des Warenaustauschs Ostdeutschlands mit den Staaten des RGW auf den Beginn des neuen Jahres (1991). Von ihrem Umfang her kamen die Stützmaßnahmen der Bundesregierung jedoch längst nicht an das von den DIW- und McKinsey-Experten vorgeschlagene Regelwerk heran. Dementsprechend blieben positive Ergebnisse der bescheidenen Fördermaßnahmen weitgehend aus.

    Der Osthandel war somit nicht in der Lage, während der schwierigen Phase der Umstellung der ostdeutschen Industrieunternehmen infolge der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion ein Stabilitätsanker zu bleiben. Der Ostabsatz der ehemaligen DDR-Industriebetriebe ging nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zwischen Juli und Dezember 1990 von 48,9 auf 20,2 Millionen DM zurück. Die Bestellungen, die im Juli noch die Produktionskapazitäten der Industrie für die folgenden fünf Monate abgedeckt hatten, verringerten sich bis zum Dezember derart, dass nur noch zwei Monate im voraus abgedeckt waren.

    Das unter dem Dach des deutsch-sowjetischen Abkommens am 11. November 1990 vereinbarte Wirtschaftsabkommen verdient somit die Bezeichnung Partnerschaftsabkommen kaum, jedenfalls nicht was die Interessen Ostdeutschlands und seiner Industriebetriebe, die ihre Produktionsstruktur auf den Handel mit der Sowjetunion, Polen und anderen RGW-Mitgliedsländern ausgerichtet hatten, betraf.
    Alternative schrittweiser Übergang

    Rückblickend betrachtet kann man für die westdeutschen Verhandlungspartner deren Unkenntnis der Funktionsweise der RGW-Wirtschaft und eine daraus resultierende Befangenheit nicht als Entschuldigung gelten lassen. Vorschläge prominenter Wirtschaftsinstitute für die Gestaltung des Ost-West-Handels unter den seit 1990 veränderten Bedingungen lagen vor. Auch hätte ein Blick auf die Assoziationsverträge, die zeitlich parallel zum deutsch-deutschen Abkommen zwischen der EWG einerseits und Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei andererseits ausgehandelt und beschlossen wurden, ihnen zu denken geben müssen: Diese Abkommen hatten auf ökonomischem Gebiet das gleiche Ziel wie der deutsch-russische »Partnerschaftsvertrag« bezüglich des ostdeutschen Außenhandels: die Beseitigung des »Weichhandels« und den Übergang zum Freihandel zwischen den drei Staaten und den EWG-Ländern.

    Als Vorbild für die Vertragsgestaltung mit Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei betrachtete die EWG den »Partnerschaftsvertrag« jedoch nicht. Denn bei den Assoziierungsverträgen ging es nicht, wie im Falle des »Partnerschaftsvertrages« um die Errichtung einer Freihandelszone ad hoc wie auch im Falle der deutschen Währungsunion, sondern um eine stufenweise Einführung des freien Warenverkehrs. In den Bestimmungen zur Liberalisierung des Handels zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und ihren drei osteuropäischen Partnerländern wurden bei der Gestaltung des Ablaufs der Marktöffnung nicht nur die Interessen der EWG, sondern auch die Polens, Ungarns und der Tschechoslowakei berücksichtigt. Die drei Länder, die 1990 etwas mehr als ein Drittel ihres Außenhandels mit der westeuropäischen Wirtschaftsgemeinschaft abwickelten, hatten darauf bestanden, dass nach Vertragsabschluss eine Überschwemmung ihrer nationalen Märkte durch Waren aus den EWG-Ländern verhindert wurde. Für die meisten Handelsgüter gab es dementsprechend zunächst noch keine ungebremste Einfuhr in die osteuropäischen Vertragsländer. Bei einer Reihe von Produkten, wie bei Textilien und Stahl, sahen die Verträge darüber hinaus zunächst noch Mengenbeschränkungen für die Wareneinfuhr aus den EWG-Ländern vor, die die heimischen Industrien in den drei osteuropäischen Partnerländern eine gewisse Zeit schützten. Diese Importquoten wurden erst sukzessive aufgehoben. Dieser ausgehandelte »Liberalisierungsfahrplan« räumte den drei Partnerländern insgesamt vier bis fünf Jahre Zeit ein, ehe sie ihre Märkte den Anbietern aus EWG-Ländern vollständig öffnen mussten. Um die Festlegungen zum Tempo der Aufhebung dieses Handelschutzes, um die zeitlichen Abstände zwischen den einzelnen Liberalisierungsschritten, war zäh gerungen worden.

    Der im Ergebnis dieser Verhandlungen die Interessen beider Seiten berücksichtigende »Liberalisierungsfahrplan«, so schätzten ihn jedenfalls die das Vertragswerk untersuchenden Experten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ein, »räumt den drei Partnerländern vier bis fünf Jahre Zeit ein, ehe sie ihre Märkte den Anbietern aus den EWG-Ländern völlig öffnen müssen«. Diese vertraglich geregelten Beschränkungen für den ungeschützten Warenverkehr, betonte man im DIW, seien unbedingt notwendig, »angesichts des schwierigen Weges, den die drei Länder vor sich haben, um ihre Volkswirtschaften marktwirtschaftlichen Regeln anzupassen«. Entsprechende Sonderbestimmungen hätten wegen der sehr ähnlichen Interessenlage der DDR und ihrer östlichen Nachbarländer auch in den deutsch-sowjetischen »Partnerschaftsvertrag« für den Osthandel der ostdeutschen Betriebe eingebaut werden müssen und auch können. In der Retrospektive waren die vier bis fünf Jahre, die den osteuropäischen Vertragspartnern von der EWG gewährt wurden, genau die Zeit, die der DDR-Wirtschaft für ihre Umstellung auf den westeuropäischen Markt fehlte.
    Gezielte Wirtschaftsschädigung

    Auch das EWG-Mitglied Bundesrepublik Deutschland stimmte im übrigen den drei Assoziierungsverträgen zu. Warum bezog man seitens der Bundesregierung bei der Abfassung des Wirtschaftsvertrages vom 9. November 1990 diese von ihr hinsichtlich der anderen RGW-Länder offensichtlich geteilte Einsicht über die Notwendigkeit behutsamen Vorgehens nicht auch auf die DDR?

    Die Herstellung der Anschlusses an die BRD, über die Kohl und de Maizière seit März 1990 verhandelt hatten, hätte Sonderregelungen im Bereich der zeitweisen Beibehaltung von Zöllen für Industriewaren ostdeutscher Produzenten beim Handel mit osteuropäischen Staaten durchaus vertragen. Das große Ausmaß der wirtschaftlichen Schäden für die ostdeutsche Industrie hätte damit vermieden werden können. Das beweist ein Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung in Ungarn, Polen und der Tschechoslowakei. In keinem der drei Länder brach die Wirtschaftsleistung nach 1990 so stark ein wie in der ehemaligen DDR. Der Treuhandanstalt wäre weniger Anlass gegeben worden, den Umgestaltungsprozess, dem sich die DDR-Betriebe unterziehen mussten, so brutal durchzuführen.

    Beim Aushandeln des am 9. November 1990 unterzeichneten Generalvertrages zwischen der Bundesrepublik und der UdSSR hätte man, damit er die dafür ausgewählte Bezeichnung Partnerschaftsvertrag verdiente, die Interessen der DDR-Wirtschaft, deren historische Prägung durch den RGW-Handel berücksichtigen und den ostdeutschen Betrieben Zeit geben müssen, sich schrittweise auf die neue außenwirtschaftliche Situation einzustellen. Mit anderen Worten, der ostdeutschen Wirtschaft hätte Gelegenheit gegeben werden müssen, wie bei den Verhandlungen Polens, Ungarns und der Tschechoslowakei mit der EWG ihre eigenständigen Interessen quasi als dritten Partner in den Vertrag einzubringen, um ihn damit auch für die Ostdeutschen zu einem Partnerschaftsvertrag zu machen.

    Anmerkungen

    1 Christian Heimann: Systembedingte Ursachen des Niedergangs der DDR-Wirtschaft. Peter Lang-Verlag, Frankfurt a.M. 1997, S. 76

    2 Vgl. unter anderem den Wochenbericht 6/90 des DIW vom 8.2.1990 zur »Reform der Wirtschaftsordnung in der DDR und die Aufgaben der Bundesrepublik«

    3 McKinsey & Co.: Überlegungen zur kurzfristigen Stabilisierung und langfristigen Steigerung der Wirtschaftskraft in den neuen Bundesländern. Düsseldorf 1991

    #crise #DDR #économie #politique #Allemagne

  • The Socialit Sausage That Changed The World (and Schnitzel...)
    https://youtube.com/watch?v=AcxQBkdughc

    Apart quelques imprécisions historiques c’est une excellente déscription des modifications apportées à un produit quand il est adopté dans des cultures différentes.

    La manière de servir un Jägerschnitzel en RDA était différente de la manière présentée dans la vidéo. Les consignes officielles rendaient obligatoires quelques légumes en accompagnement, les pâtes n’étaient pas forcément retournées dans une sauce tomate et on servait souvent des pommes de terres en purée ou frites à la poele à la place des nouilles.

    J’aime sa démonstration de la fabrication de la saucisse du docteur.

    Homemade Doctor Sausage Recipe
    250g lean pork
    50g beef
    90g milk
    8g salt
    3g sugar
    0,5g ground cardamom
    0,1g ground nutmeg
    3 eggs (3x60g)
    10 drops (1g) of red food coloring

    Communist Tomato Sauce (for about 2 servings of pasta)
    100g butter
    1 onion, minced
    1 Tbsp flour
    1 Tbsp tomato paste
    1/4 tsp salt
    1/2 tsp sugar
    1/2 cup ketchup

    #cuisine #saucisse #alimentation #histoire #capitalisme #socialisme #DDR #URSS #USA

  • Dresdner Erfindergeist: Die Geschichte der „Taxi-Tüftler“ | MDR.DE
    https://www.mdr.de/zeitreise/ddr/taxameter-made-in-gdr-100.html
    https://cdn.mdr.de/zeitreise/ddr/taxometer-dresden-114_v-variantBig16x9_wm-true_zc-ecbbafc6.jpg?version=47833

    Mitte der 1980er Jahre gelingt einem Dresdner Team aus Technikern und Ingenieuren eine kleine Revolution: Sie entwickeln den ersten elektronischen Bordrechner für DDR-Taxifahrzeuge – den Taxameter. Nach vierjähriger Entwicklungszeit kann er in Serienproduktion gehen. Und die Zeiten von Zettelwirtschaft und Kopfrechen im Taxi sind damit vorüber. Was aus heutiger Sicht banal klingt, ist damals eine Höchstleistung.

    Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK Vorlesen
    Taxen sind in der DDR Mangelware. Und: Die vorhandene Technik in selbigen ist hoffnungslos veraltet. Abgerechnet wird mit Bleistift und per Kopfrechnen. Die Fehlerquellen bei der Endabrechnung sind hoch, die Fahrgäste oft unzufrieden, weil sie sich übers Ohr gehauen fühlen. Daher soll Anfang der 1980er Jahre das „digitale Zeitalter“ in die Taxen einziehen. Modern und fälschungssicher soll das Abrechnungssystem sein - mit Hilfe eines kleinen Bordcomputers. Doch ganz so einfach ist es dann doch nicht.

    Vorgänger des Taxameters: Sieben Kilo schwer
    Im Wissenschaftlich-Technischen Zentrum des Kraftverkehrs Dresden (WTZK) soll ein Kollektiv aus Technikern und Ingenieuren ein hochwertiges Taxameter entwickeln. Frühere Versuche, ein Gerät auf den Markt zu bringen, sind bislang gescheitert. „Wir hatten früher so ein Monstergerät, sehr groß, sieben Kilogramm und es war unheimlich kompliziert gebaut. So ein Gerät hätte man nie produzieren können“, erinnert sich Chef-Entwickler Eberhard Treufeld.

    Also muss ein neues Gerät her: Der Botax 80. 1981 wird er vom Ministerium für Verkehrswesen in Auftrag gegeben. Doch eigentlich ist es ein unmögliches Unterfangen im starren System der Planwirtschaft, mit extremer Bürokratie und eingeschränkter Kommunikation, eine solche Entwicklung zu betreiben. Diplom-Ingenieur Ralf-Peter Nerlich aus dem Entwickler-Team Botax 80 erinnert sich: „Es war natürlich bedingt durch die Planwirtschaft immer so, dass man einfach nicht frei einkaufen konnte. Das heißt also, man musste dringenden Bedarf nachweisen.“ Doch welchen dringenden Bedarf für den Bau eines Taxameters gibt es? Keinen.

    Zusammenarbeit mit dem Militär

    Hilfe verspricht die Kooperation mit der benachbarten Militärakademie Dresden. Die NVA kann mikroelektronische Bauteile, die es in der DDR nicht zu kaufen gibt, aus dem nicht-sozialistischen Ausland beziehen. „Und wir haben da auch eine sehr gute Beziehung hergestellt zwischen der Militärakademie Dresden und dem WTZ Kraftverkehr und damit hatten wir ganz andere Möglichkeiten, um Ressourcen zu bekommen“, erklärt Eberhard Treufeld, der damalige Leiter der Gruppe Mikroelektronik.

    Rückschläge: „...zeigte mehrere Tausend Mark an“

    Zwar haben die Dresdner Ingenieure nun genügend Material, doch es gibt Rückschläge. „Den ersten Schock erlebten wir, als wir neben einer Straßenbahn fuhren und sich ein Funkenschweif an der Oberleitung bildete“, erinnert sich Treufeld. „Der Fahrpreis sprang plötzlich auf mehrere Tausend Mark. Wir waren mit dem Problem der elektromagnetischen Verträglichkeit konfrontiert – totales Neuland – totaler Stress – die Serienproduktion wurde schon vorbereitet!“ Doch die Ingenieure schaffen es zusammen mit einem Team aus Zwickau, die Probleme zu beheben.

    Manipulation mit einer Büroklammer

    Vom Eichamt der DDR erhält der Botax 80 1985 die Zulassung. Insgesamt werden 12.000 Geräte produziert und schrittweise in allen Taxifahrzeugen der DDR verbaut. Doch auch um die ersten Geräte zu prüfen, ist das Team auf die Erfahrungen der Taxifahrer angewiesen. „Als Entwickler hatten wir ein wunderbares Verhältnis mit den Taxifahrern und mit den Betrieben. Wir haben uns dort geholfen“, so Treufeld. So werden dem Team aus Dresden Informationen über schwarze Schafe gemeldet, die in der Anfangsphase versuchen, mittels Draht oder Büroklammern die Daten zu löschen. 

    Mit Botax 80 ist die Zeit von Bleistift und Kopfrechnen vorbei. Und es gibt mit dem Botax 2000 sogar einen Nachfolger - allerings nur als Fertigungsmuster. Denn nach dem Ende der DDR waren nur noch die Taxameter westlicher Bauart gefragt. Die DDR-Modelle des Taxameters wurden entsorgt.

    #DDR #Taxi #Geschichte #Taxameter

  • Für DDR-Taxis begann 1985 die Digitalzeit - Oiger
    https://oiger.de/2018/10/12/fuer-ddr-taxis-begann-1985-die-digitalzeit/169629

    Dresdner Entwickler übergeben Taxi-Bordcomputer an die Technischen Sammlungen

    Inhalt

    1 Dresdner Entwickler übergeben Taxi-Bordcomputer an die Technischen Sammlungen
    2 Privatwirtschaftliche Inseln in der DDR-Staatsökonomie
    3 Pi mal Daumen mal Tacho
    4 Copycats: Aufgesägter Zilog-Chip wurde DDR-Standard-Prozessor
    5 Dr. Botax repariert die alte Hightech

    Dresden, 12. Oktober 2018. 1985 begann im DDR-Taxigewerbe das Digitalzeitalter: Die Taxifahrer bekamen nach und nach das „Botax 80“ in den Wolga, Moskwitsch oder Wartburg montiert. Dieses in Dresden entwickelte Taxameter war mit ostdeutscher Mikroelektronik bestückt, berechnete die Entgelte und machte (weitgehend) Schluss mit Fahrpreis-Manipulationen. Das damalige Entwicklerkollektiv um Dr. Eberhard Treufeld vom früheren „Wissenschaftlich-Technischen Zentrum des Kraftverkehrs“ (WTZK) hat einen dieser alten Taxi-Bordcomputer nun restauriert und den Technischen Sammlungen Dresden (TSD) gestiftet. „Ein Dresdner Produkt, das gut in unsere Sammlung passt“, betonte Kustos Dr. Ralf Pulla. „Wir werden es bald in unser Abteilung Rechentechnik ausstellen.“

    Privatwirtschaftliche Inseln in der DDR-Staatsökonomie

    Zudem erzählt das „Botax 80“ über eine besondere Facette ostdeutscher Wirtschaftspolitik: Anders als in den meisten anderen sozialistischen Ländern beseitigten die Kommunisten in der DDR die Privatwirtschaft nicht völlig. Die SED-Oberen hielten die Privaten zwar klein, wussten aber, wie sehr diese zum Lebensstandard im Lande beitrugen. Dazu gehörte auch das Taxigewerbe: Lange Wartezeiten waren keine Seltenheit und allein der staatliche Fuhrpark konnte den steigenden Bedarf nicht mal annähernd decken. In Dresden beispielsweise gab der VEB Taxi Dresden den Ton an und steuerten die Fahrgast-Vermittlung. Aber nur reichlich 100 der bis zu 500 Taxis in der Stadt fuhren in staatlicher Regie, der Rest gehörte den genossenschaftlich organisierten privaten Taxifahrern. Die Wirtschaftslenker bevorzugten den VEB zum Beispiel bei der Zuteilung der großen russischen Wolgas. Auch konnten die angeblich „volkseigenen“ Taxis ihren Kraftstoff steuerfrei für 75 Pfennig den Liter tanken, die Genossenschaftler mussten 1,50 Mark zahlen.

    Karlheinz Otte (links) leitete über viele Jahre den VEB Taxi Dresden. In den 1980ern erprobten seine Fahrer als erste das elektronische Taxameter “Botax 80”, das das WTZK-Kollektiv von Dr. Eberhard Treufeld (rechts) entwickelt hatte. Foto Heiko Weckbrodt

    Pi mal Daumen mal Tacho

    Was beide einte, war die altmodische Abrechnung: „Das war umständlich und eine Heidenarbeit“, erinnert sich der langjährige Leiter des VEB Taxi Dresden, Karlheinz Otte. „Die Fahrer haben den Kilometerstand vom Tacho abgelesen, wenn der Fahrgast einstieg und ausstieg.“ Die Kilometerzahl war dann innerorts mit 65 Pfennig zu multiplizieren, außerorts mit 70 Pfennig, Extragepäck und Nachtzuschläge zu addieren, plus zehn Pfennig Wolga-Aufschlag. Bei manchem Fahrer mag auch die Versuchung groß gewesen sein, dabei zu manipulieren – der Passagier war ja froh, überhaupt ein Taxi erwischt zu haben.

    Copycats: Aufgesägter Zilog-Chip wurde DDR-Standard-Prozessor
    1981 beauftragte das Verkehrsministerium in Berlin schließlich das ihr unterstellte WTZK in Dresden, einen einheitlichen Bordcomputer für das komplizierte Tarif-System in den DDR-Taxis zu entwickeln. Das Kollektiv um Dr. Treufeld setzte auf damals modernste DDR-Technik: DDR-Ingenieure hatten zuvor den 8-Bit-Prozessor Z80 der US-Firma Zilog kopiert, verbessert und als U 880 der danach gierenden ostdeutschen Volkswirtschaft präsentiert. Eine auch gegen Wärme und Kälte abgehärtete Variante dieses Chips wurde zum Herzstück des DDR-Standardtaxameters. 1983/84 ging der Botax 80 in die Serienproduktion. Über 12 000 Stück wurden noch in einem Reichsbahn-Elektronikbetrieb in Medingen produziert, dann ging die DDR unter – und mit ihr verwandelten sich all die mühsam entwickelten Taxameter samt Taxis schlagartig in einen Schrottberg. „Nach der Wende wollte keiner mehr im Wolga fahren, alle nahmen nur noch die Mercedes-Taxis“, erzählt der frühere VEB-Chef Karlheinz Otte. Die Taxameter lagen aufgetürmt im Hof.


    Das “Botax 80” war ein elektronisches Taxameter, entwickelt vom Wissenschaftlich-Technischen Zentrum des Kraftverkehrs“ (WTZK) in Dresden. Foto (bearbeitet): Heiko Weckbrodt

    Dr. Botax repariert die alte Hightech

    Heute geistern einzelne Botax-80-Geräte immer mal wieder durchs Internet, werden von Sammlern bei Ebay für Preise bis zu 300 Euro ersteigert. Mittlerweile gilt der Ingenieur Ralf-Peter Nerlich, der kurz vor der Wende noch in Erfurt am Nachfolgegerät „Botax 2000“ tüftelte, als eine Art „Dr. Botax“: Wie nur wenige andere hat er sich in die Details dieser ehemaligen DDR-Hightech vertieft, hat sie repariert, mit modernen Intel- und Arduino-Computern gekoppelt, die ursprüngliche Software ausgelesen und rekonstruiert und virtuelle Wolga-Simulatoren angeschlossen. Einen Original-Botax hat er gemeinsam mit dem früheren Dresdner Entwickler-Kollektiv ersteigert, wieder in Schuss gebracht und heute den TSD übergeben.

    #DDR #Taxi #Geschichte #Taxameter

  • Zwei, die nur schwer zusammenkommen konnten: Der Taxameter und die DDR
    https://www.haufschild.de/old/taxi/ddrtaxme.html

    Auf dem Gebiet der ehemaligen DDR war ursprünglich keine Taxameterproduktionsstätte ansässig. Erst am 01.01.1951 wurde der kleine Handwerksbetrieb Rosmislowsky & Schwarz in Potsdam-Babelsberg eröffnet, der bis zu seiner Auflösung am 01.08.1958 acht Mitarbeiter beschäftigte. Der Feinmechaniker und Maschinenbau-Ingenieur Heinz Rosmislowsky und der Kaufmann H. Schwarz gründeten die Firma. Der Betrieb reparierte Kfz-Anzeigegeräte, Tachometer, Kühlwasserthermometer sowie Taxameter und erledigte Tarifumstellungen. Geräte aus dem Gebiet der gesamten DDR wurden per Post zur Reparatur eingesandt. Auftraggeber waren die volkseigenen Kraftverkehrsbetriebe und Taxiunternehmer.
    Nicht nur Reparaturen führte das junge Unternehmen durch, sondern sie stellten auch Zubehörteile in eigener Fertigung her. So produzierte die Werkstatt u.a. Angleichsgetriebe zur Wegstreckenanpassung und Wellenmuttern. Auch die Konfektionierung von Wellen zum Antrieb von Tachometern gehörte zur Produktpalette. Im Jahr 1953 bekam die Firma den Auftrag, einen Tachographen für den Einsatz in der Moskauer Metro zu entwickeln. Heinz Rosmislowsky entwickelte den Prototyp. Die Probeläufe in der Kremlmetropole verliefen erfolgreich. Jedoch ging das neu entwickelte Produkt nie in Serie, da die Produktionskapazitäten der privaten Firma nicht ausreichten. Die Voraussetzungen zum Produzieren, d.h. Werkzeuge, Maschinen und Material, wurden entsprechend der politischen Doktrin zur Ausweitung des volkseigenen Sektors vorzugsweise an staatliche Firmen verteilt. Privatunternehmen litten unter systematischer Behinderung.
    Aber auch in staatlichen Firmen fand sich keine Möglichkeit zur Herstellung des Tachographen. Die Planwirtschaft zeigte von Beginn an keine Flexibilität, neuen Innovationen gebührenden Raum zu geben.
    Heinz Rosmislowsky ließ sich von diesen systembedingten Enttäuschungen nicht entmutigen und entwickelte kurz darauf den ersten Prototyp seines Taxameters. Dieser hatte noch sehr kleine Ziffern des Fahrpreisanzeigers und eine nicht ausreichende Anzahl von Kontrollzählern. Heinz Rosmislowsky entwickelte seinen Taxameter weiter, der erst die Typenbezeichnung EF 58, dann EF 60 erhielt.
    Die Besonderheit des Gerätes war die kompakte Bauweise und der elektrische Aufzug des Uhrwerks für die Wartezeit. Einen elektrischen Uhrwerksaufzug weist ansonsten erst der ab 1958 produzierte Kienzle-Taxameter „T12“ auf. Heinz Rosmislowskys Taxameter war technisch auf der Höhe der Zeit. Ein Angleichsgetriebe, um den Taxameter an verschiedene Fahrzeuge anpassen zu können, war im Gerät integriert. Die Verwendung der Original-Tachowelle, die den Taxameter und über eine Verbindungswelle gleichzeitig den Tachometer antrieb, vereinfachte den Einbau in das Taxi. Bis auf den Gangregler des Uhrwerks und die Zahlenrollen der Zählerwerke waren die Versuchsmuster reine Handarbeit. In unzähligen Arbeitsstunden wurden die Platinen aus Messing gebaut, Zahnräder und Formteile gefräst und gefeilt sowie Achsen gedreht. Das Gehäuse, geformt und geschweißt aus Blech, wurde mit Hammerschlag lackiert. Viel handwerkliches Geschick und Erfindergeist wurden investiert, jedoch das Projekt stand unter keinem guten Stern. Politischem Druck zur Verstaatlichung mußte sich auch diese Firma beugen. Die Schließung des Betriebes erfolgte am 30.08.1958.
    Der VEB Apparatebau Babelsberg übernahm einen Teil der Mitarbeiter bzw. die ehemaligen Besitzer. Die restlichen Mitarbeiter fanden eine Anstellung in der PGH (Produktions-Genossenschaft des Handwerks) Kfz-Meßgeräte, die auf dem Gelände der Firma Rosmislowsky & Schwarz neu gegründet wurde. Heinz Rosmislowsky arbeitete als Entwicklungsingenieur in dem VEB.

    Die Leipziger Messe stellte 1958 einen funktionsfähigen Prototyp des von Rosmislowsky entwickelten Taxameters vor. Bestellungen aus der ehemaligen UdSSR, der CSSR und Ungarn gingen für den Taxameter ein. Im Rahmen des staatlichen Plans sollte der Taxameter für den gesamten europäischen Raum gefertigt werden. Die Dewag Werbung Potsdam legte einen Verkaufsprospekt des „Taxameter EF60“ im Namen der Firma „Transportmaschinen Export-Import, Deutscher Innen- und Außenhandel der DDR“ auf. Große Hoffnungen wurden geweckt, das Projekt scheiterte jedoch aus ganz ähnlichen Gründen wie die Herstellung des Tachographen. Wiederum fehlten Werkzeuge und Bearbeitungsmaschinen. Hinzu kam die chronische Rohstoffknappheit in der DDR.
    Für die Nichterfüllung des wie eine „Heilige Kuh“ zu behandelnden Produktionsplanes mußte ein Schuldiger gefunden werden. Was lag näher, als den ehemaligen „Kapitalisten“, der sich auch noch strikt weigerte, in die Partei einzutreten, als politisch unzuverlässig hinzustellen und ihm die Nichterfüllung des Planes zuzuschreiben.

    Anfang 1961 warnte ein Kollege Rosmislowsky. Die Staatssicherheit nahm den „unzuverlässigen“ Entwicklungsingenieur ins Visier. Gerade noch rechtzeitig konnte er auf einer Dienstreise nach Ost-Berlin (die S-Bahn fuhr damals noch von Potsdam durch West-Berlin nach Ost-Berlin) die Gelegenheit nutzen, um wie viele seiner Zeitgenossen zu fliehen. Die Jahre vor dem Mauerbau waren gekennzeichnet durch „die Abstimmung mit den Füßen“. Mit seiner Familie zog Rosmislowsky nach Baden-Württemberg. Was lag näher für den Konstrukteur eines Taxameters, als bei der Firma Kienzle anzufangen. Bis zu seiner Pensionierung 1975 arbeitete er in Villingen als Schulungsleiter und gab seine Erfahrungen den Mitarbeitern im Technischen Kundendienst weiter.
    Der nächste Versuch, einen mechanischen Taxameter für die DDR herzustellen, wurde Mitte der 60er Jahre in einem Magdeburger VEB unternommen. Die beiden Prototypen endeten jedoch kläglich in einer Vitrine der Entwicklungsabteilung. In den 70er Jahren entwickelte das Elektroamt (Eigenbetrieb des Magistrats von Ost-Berlin) einen Prototyp den Taxameter „Elta-1“. Der bereits auf elektronischer Basis arbeitete. Auch dieses Projekt wurde jedoch von den Mühlen der Planwirtschaft zermahlen.

    Im RGW (Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe) gab es weitere Versuche mit Taxametern. Der polnische Taxameter „Poltax“ glich der Kienzle-Uhr „T8“, es wurden 50 Uhren in die DDR eingeführt. Dieses ab Mitte der 60er Jahre in Poznan von der Firma Powogaz hergestellte Gerät besaß eine recht hohe Ausfallquote, die durch das Wartezeitwerk bedingt war. Dazu kam, daß die Taxifahrer der VEB Taxikombinate nicht mit Taxametern fahren wollten. Sie erhoben sich zwar nicht zu Streiks wie 1907 ihre Kollegen in Rom, als dort die Taxameter amtlich eingeführt wurden. Ihr Widerstand aber fand andere Wege. Die Uhren wurden angebohrt und Streichhölzer in das Werk gesteckt, dies demolierte das Taxameterwerk und machte die Uhren unbrauchbar.

    Eine russische Uhr bot zwei Taxenstufen; damit war sie aber für den, durch eine differenziertere Tarifordnung gekennzeichneten, ostdeutschen Markt nicht geeignet. Ein weiterer Versuch mit einem bulgarischen Taxameter, der dem Kienzle-Taxameter „T12“ ähnelte, scheiterte daran, daß die Wartezeit nicht funktionierte und das Ziffernwerk nicht der DDR-Währung angepaßt werden konnte.
    Die einzigen Taxameter, die nach dem Krieg neu - in nennenswerten Stückzahlen - in die DDR eingeführt wurden, waren Uhren, die Rentner (meistens erlaubten die Behörden nur ihnen solche Reisen) privaten Taxiunternehmern von Besuchsreisen in den Westen mitbrachten. Einige private Taxameter-Reparaturfirmen, wie die Ostberliner Firma Sagert oder die Magdeburger Firma Mewes, reparierten und bauten die mitgebrachten Kienzle-Uhren ein. So blieben die Kontakte zwischen den ehemaligen Geschäftspartnern dank persönlicher Beziehungen erhalten.

    Trotz der vielen Rückschläge gab es weitere Versuche, einen eigenen Taxameter in der DDR zu entwickeln und herzustellen. Das „wissenschaftlich-technische Zentrum des Kraftverkehrs“ in Dresden, das dem Ministerium für Verkehr unterstellt war, entwickelte 1980 den Prototyp eines Taxameters unter dem Namen „Botax 80“. Parteitagsbeschlüsse, die vorsahen, wissenschaftliche Neuerungen sofort in die Produktion einzuführen, entsprachen nur insofern der Realität, als sie auf einen chronischen Mißstand der Planwirtschaft Bezug nahmen, hatten aber im Alltag keine Auswirkungen. Wider Erwarten schaffte es die Bürokratie, für den „Botax 80“ in der „Rekordzeit“ von fünf Jahren einen Hersteller zu finden. Die staatliche Firma „WTPM Deutsche Reichsbahn“ in Meiningen wurde vom Verkehrsministerium verpflichtet, den Taxameter herzustellen.

    Nach Erprobungen in Dresden und Berlin stellte man allerdings konstruktive Mängel fest. Der Taxameter störte nämlich teilweise den Funk. Findige Berliner Taxifahrer entdeckten sogar Möglichkeiten der Fahrpreismanipulation. Nach diversen technischen Veränderungen entwickelte sich der „Botax 80“ endlich zum Standardgerät in den DDR-Taxen. Er bot zwei Tarife mit mehreren Tarifstufen.

    Ein Politkrimi, mit einem Taxameter in der Hauptrolle.
    1988 ging ein neuer Prototyp, der „Botax 2000“, in die Erprobungsphase beim VEB Taxi-Berlin. Bereits 1989 war das Gerät serienreif. Mit der Wende kam allerdings auch für den „Botax 2000“ das Ende. Nur 30 Geräte wurden insgesamt hergestellt. Dennoch konnte dieser Taxameter Erstaunliches leisten. Er war frei programmierbar und hatte eine hohe Speicherkapazität, so daß jede Fahrt genau aufgezeichnet werden konnte. Die Umschaltung von Tag- auf Nachttarif erfolgte automatisch. Das Gerät verfügte über eine Datenschnittstelle für Magnetkarten, die zu Dienstbeginn und -ende des Taxifahrers die Daten des Taxameters aktualisierte und zur Abrechnung einem Zentralrechner zur Verfügung stellte.
    Ein Blick in das Innere des Taxameters verrät, was diese umfangreichen Funktionen ermöglichte. Toshiba-Chips sowie Chips „Made in Korea“ machten den Taxameter zu einem Spitzenprodukt, sicher auch im internationalen Vergleich.
    Aber gerade diese mikroelektronischen Chips standen zu DDR-Zeiten noch ganz oben auf der aus dem „Kalten Krieg“ stammenden „Cocom-Liste“, die zur Ausfuhr in den Ostblock verbotene Waren aufführte. Solche Chips hätten also gar nicht in einem DDR-Taxameter verwendet werden können. Sie sind illegal (vorbei an den Kontrollen des Zolls der westlichen Länder), im Auftrag der damaligen Machthaber, in die DDR eingeführt wurden.

    Nach der Auflösung der Eichämter in den 60er Jahren eichte der VEB Kraftverkehr seine Taxameter selbst. Damit entfiel eine unabhängige Kontrollinstanz, die die richtige Einstellung der Taxameter garantierte. Durch Veränderungen am Impulsgeber war der „Botax 80“ leicht manipulierbar. Doch nicht nur diese vorsätzlichen Betrügereien hatten Einfluß auf den Fahrpreis. Für die Wolga-Taxen gab es oft keine neue Originalbereifung, so daß die Taxen mit größeren Reifen fuhren. Damit änderte sich natürlich auch die Wegstrecke, die das Rad bei einer Umdrehung zurücklegte. Der Fahrpreis konnte also für die gleiche Strecke variieren, ohne daß vorsätzlicher Betrug im Spiel war. Der Kunde konnte kaum durch die Wahl eines Taxis mit größeren Rädern ein Schnäppchen schlagen, denn er mußte froh sein, wenn er überhaupt eines fand. Der Taxifahrer wurde geradezu vom herrschenden System gezwungen, den Taxameter zu manipulieren. Dies geschah gleichsam „mafiaartig“ zwischen Rostock und Suhl.

    Die Kontingentlisten der Fünfjahrespläne enthielten für den einzelnen Taxifahrer bzw. -betrieb genaue Vorgaben. Ein Wartburg verbrauchte diesem Plan zufolge im Sommer wie auch im Winter 10,8 Liter Kraftstoff auf 100 km. Der Fahrer durfte pro Monat ca. 3 000 km fahren. In Zeiten großer Benzinknappheit konnten es auch nur 1800 km sein. Bei diesen 3 000 km bekam der Taxifahrer einen Kontingentschein von 324 Litern zugeteilt. Die Behörden kontrollierten auch die Taxiuhren der privaten Taxiunternehmer, ob nicht etwa die Kilometerbegrenzung überschritten war. Das Tanken ohne Kontingentschein war verboten. Natürlich konnte kein Taxifahrer bei so geringen erlaubten Fahrleistungen ausreichend Geld verdienen. Manipulationen gehörten zum überleben des Gewerbes.
    Der in den Taxen der ehemaligen DDR nach der Wende am meisten verbreitete Taxameter „Botax 80“ war nicht nach bundesdeutschem Maßstab eichfähig. Da die gerade selbständig gewordenen Taxiunternehmer in den neuen Bundesländern Kosten sparen mußten, wollten sie möglichst ihre alten Taxameter weiterbenutzen. Eine Erfurter Firma entwickelte kleine konstruktive Veränderungen, die den „Botax 80“ frei programmierbar machten. Mit Hilfe dieses Umbaus ist er eichfähig und damit selbst 1993 noch einsetzbar.

    #DDR #Taxi #Geschichte #Taxameter

  • Parasite !
    https://infokiosques.net/spip.php?article1721

    Punaises de lit, gale, poux, lentes, etc., comment s’en débarrasser sans utiliser de produits chimiques, voire, comment s’en accomoder ! Sommaire : - Intro / Giz Fragments préliminaires à une théorie de la lose / Anon. Se débarrasser des poux et des lentes sans se noyer dans des produits chimiques / Léa Verdun, une fiction d’action directe / Giz Compléments documentaires Conclusion #P

    / Infokiosque fantôme (partout), Corps, santé

    #Infokiosque_fantôme_partout_ #Corps,_santé
    https://infokiosques.net/IMG/pdf/parasite-cahier.pdf
    https://infokiosques.net/IMG/pdf/parasite-pageparpage.pdf