• A vendre
    https://www.kleinanzeigen.de/s-anzeige/alte-strassenbahn/2703736974-234-3545
    Tramway de 1969

    Regelspurfahrzeuge - Gotha-Triebwagen T57
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Stra%C3%9Fenbahn_Chemnitz#Gotha-Triebwagen_T57

    Den Grundbestand regelspuriger Fahrzeuge für das neue Straßenbahnsystem sollten Zweirichtungstriebwagen des VEB Waggonbau Gotha bilden. Die ersten Fahrzeuge trafen 1959 in Karl-Marx-Stadt ein und wurden bis 1964 durch Einrichtungswagen ergänzt. Somit standen Mitte der 1960er Jahre 36 Trieb- und 55 Beiwagen zur Verfügung. Sie standen bis 1967 im Dienst der Verkehrsbetriebe Karl-Marx-Stadt und wurden anschließend an andere Straßenbahnbetriebe in der DDR abgegeben.

    Gothaer Waggonfabrik - Thüringer Flug- und Fahrzeugbauunternehmen
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Gothaer_Waggonfabrik

    1894 begann Bothmann mit dem Straßenbahnwagenbau und lieferte 1904 die ersten drei elektrischen Straßenbahnen für die Stadt Gotha.

    Gothawagen T57
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Gothawagen_T57

    Einheitsstraßenbahnwagen
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Einheitsstra%C3%9Fenbahnwagen

    in Deutschland 1938/39 projektierte, nach einheitlichen Kriterien zu fertigende Straßenbahntrieb- und -beiwagen


    Bw 1626 der Berliner Verkehrsbetriebe (West) hinter einem Verbandstrieb- und -beiwagen an der Rudower Spinne (1963)

    #tramway #Berlin #DDR #nostalgie

  • Stasi-Akte der RAF : Wie die DDR die West-Terroristen der Roten Armee Fraktion sah
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/stasi-akte-der-raf-wie-die-ddr-die-west-terroristen-der-roten-armee

    Rien de nouveau, cet article est comme une introduction d’un épisode d’une série télévisée du style « ce que vous avez peut-être manqué ».

    17.3.2024 von Maritta Adam-Tkalec - Zwischen Roter Armee Fraktion und Stasi herrschte ein spannungsvolles Verhältnis. Ein Blick in die Stasi-Akten nach dem Auffliegen von Daniela Klette.

    Eine Panzerfaust mit Gefechtskopf, eine Kalaschnikow, in Tupperdosen sortierte scharfe Munition, eine Pistole mit zwei gefüllten Magazinen, ein Störsender, eine Sturmhaube, mehrere Handys und Ausweise, 40.000 Euro in bar, 1,2 Kilogramm Gold. Die Ausstattung der 40 Quadratmeter kleinen Kreuzberger Sozialwohnung von Daniela Klette spricht gegen die Vorstellung, sie sei eine Terroristen-Rentnerin gewesen. Die RAF-Frau war voll einsatzfähig. Ihre jüngste Aktion ist auch noch gar nicht so lange her: Am 25. Juni 2016 war sie mutmaßlich dabei, als mit einer Panzerfaust und einem Sturmgewehr in Cremlingen ein Geldtransport überfallen wurde. Die Täterinnen und Täter erbeuteten 400.000 Euro.

    Daniela Klette ist mein Alter. Auf unterschiedlichen Seiten des Eisernen Vorhanges aufgewachsen, lebten wir in derselben Zeit in zwei Universen. Doch in der Welt geschahen dieselben Dinge. Zum Beispiel in Lateinamerika: Ein bewaffneter Aufstand junger Revolutionäre in Kuba endete 1959 mit dem Wechsel solch charismatischer Helden wie Fidel Castro und Che Guevara vom Busch in die Machtzentralen. Posterboy „Che“ trug die Revolution weiter nach Bolivien. Ihm folgte Tania, La Guerrillera, eine junge Frau aus der DDR. Beide starben den Heldentod.

    Die DDR-Medien berichteten kontrolliert und sparsam

    Spannender als FDJ-Nachmittage. Ich begann 1974 Lateinamerikawissenschaften zu studieren, hörte dort von der antiimperialistischen Tupamaro-Stadtguerilla. Als Ulrike Meinhof, Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Horst Mahler 1970 nach diesem Vorbild die Rote Armee Fraktion (RAF) gründeten, spielte das in meinem Leben keine Rolle – der von den USA angezettelte Putsch in Chile 1973 aber eine umso größere.

    Aus dem Westfernsehen wusste man in der DDR von der „Baader-Meinhof-Bande“, von Attentaten, Morden, Festnahmen, Befreiungsversuchen, Unterstützern, Hungerstreiks, Selbstmorden im Gefängnis. DDR-Medien berichteten äußerst sparsam. Meldungen wie die vom 1. März 1975 in der Berliner Zeitung (wortgleich in allen anderen politischen Medien) waren wie immer in solchen heiklen Fragen zentral von der für Propaganda zuständigen Abteilung des SED-Zentralkomitees über die Nachrichtenagentur ADN übermittelt: „Entführer von Lorenz stellen Forderungen, Täter verlangen Freilassung von Mitgliedern der Baader-Meinhof-Gruppe und ein Flugzeug.“

    Peter Lorenz, Landesvorsitzender der Berliner CDU, war am 27. Februar 1975, drei Tage vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus, von der West-Berliner Stadtguerilla Bewegung 2. Juni (benannt nach dem Todestag von Benno Ohnesorg) entführt worden. Die Erpressung endete erfolgreich: Inhaftierte Terroristen kamen frei, die meisten wurde in den Jemen ausgeflogen. Als sich der „2. Juni“, dieses West-Berliner Gewächs, 1980 auflöste, schlossen sich einige klandestine Kampfgrüppler, darunter Inge Viett und Juliane Plambeck, der RAF an, um den „bewaffneten Kampf“ weiterzuführen.

    So karg die Informationen für die Ost-Öffentlichkeit blieben, so intensiv befasste sich das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) mit der Terrorszene. Wie man nach 1990 aus deren Akten nachvollziehen konnte, sorgten sich die DDR-Behörden, der Terror könnte überschwappen und der Staat DDR so wie die BRD erpresst werden.

    Terrorgefahr für die DDR abwehren

    Beispielhaft sei aus dem Eröffnungsbericht zur OPK (operative Personenkontrolle) „Klausen, Gerhard“ gegen Wolfgang Grams vom 21. Januar 1985 zitiert. Man wolle Informationen über das Mitglied der sogenannten dritten Generation der RAF (zu der auch Daniela Klette gehört) sammeln. Unter Punkt 3 steht, Ziel der OPK sei insbesondere „die Aufklärung von Aktivitäten, die sich gegen die DDR und die anderen sozialistischen Länder richten“ könnten, „um daraus entstehende Gefahren und Risiken für die DDR oder die anderen sozialistischen Länder abzuwehren“.

    Neu war die MfS-Befassung mit der RAF im Jahr 1985 mitnichten. Ende der 1970er-, Anfang der 1980er-Jahre gab es immer wieder Anlass für höchste Wachsamkeit. Ein in den Stasi-Unterlagen gefundenes Dokument vom 30. November 1977 vergleicht die Entführung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer (5. September 1977) und die des CDU-Politikers Peter Lorenz zwei Jahre zuvor. Besorgt konstatiert die Stasi gesteigerte Brutalität des Vorgehens, die wiederholte Erpressung des Staates und das „Vorhandensein eines offensichtlich gut organisierten Systems des Zusammenwirkens von Terrorgruppen verschiedener Länder“.

    Vom 1. April 1981 datiert das Dokument „Eröffnungsbericht zum Operativ-Vorgang, Stern I‘“, der die RAF operativ bearbeiten sollte und zum Ziel hatte „Sicherheitsrisiken und Gefahren für die DDR und ihre Verbündeten“ einzuschränken beziehungsweise zu verhindern. Nach einer Zusammenfassung der Terrorakte der ersten RAF-Generation ging es im Wesentlichen um die sogenannte zweite Generation, die nach der Zerschlagung der ersten die „terroristische Tätigkeit“ wieder aufgenommen und sich mit der Bewegung 2. Juni zusammengeschlossen habe. Konkret nennt der Bericht fünf Personen, darunter Christian Klar und Inge Viett.

    Mit Letzterer war das MfS zu jenem Zeitpunkt schon persönlich bekannt: Inge Viett reiste häufig über den Flughafen Berlin-Schönefeld ein und aus. Viele Reisen führten in den Nahen Osten. Im Frühjahr 1978 sprach sie Oberst Harry Dahl, Leiter der für Terrorabwehr zuständigen Hauptabteilung, an. Der kannte ihre wahre Identität, sie staunte. Man redete zwei Stunden miteinander. Viett durfte weiterreisen.

    Stasi-Leute holen RAFler aus Prager Haft

    Als sie und zwei Mit-Terroristinnen nach einer weiteren Gewaltaktion mit falschen Papieren in Prag festgenommen wurden, verlangte Viett Kontaktaufnahme mit der Stasi. Das MfS schickte drei Mann nach Prag. In einem Dokument vom 30. Juni 1978 ist nachzulesen, wie das tschechische Innenministerium und die DDR-Geheimdienstler beschließen, „auf keinen Fall eine Auslieferung dieser Personen an die BRD vorzunehmen“. Die drei Frauen reisten über den Grenzübergang Schmilka in die DDR ein. MfS-Offiziere fuhren sie von dort in das konspirative Objekt 74, ein Forsthaus nahe Briesen. Dort ergab sich Gelegenheit zu umfangreicher Informationsabschöpfung, hochinteressant, so kurz nach dem „Heißen Herbst“ 1977.

    Weitere im Bundesarchiv lagernde MfS-Akten belegen, wie genau die Stasi über die RAF informiert war, wie sie die identifizierten Terroristen über Jahre, sogar mit Waffen, unbehelligt reisen ließ und sie gelegentlich unterstützte. Als Grund wird Angst angeführt: Die DDR habe nicht selbst ins Visier der RAF geraten wollen.


    Sechs Frauen und zwei Männer zeigt das Fahndungsplakat nach der Ermordung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer. Von links oben nach rechts unten: Inge Viett, Juliane Plambeck, Angelika Speitel, Susanne Albrecht, Sigrid Sternebeck, Willy Peter Stoll, Adelheid Schulz, Christoph Wackernagel. Viett, Albrecht und Sternebeck gehörten zu den Aussteigern, die in der DDR untertauchten.

    Inge Viett traf ihren Bekannten, Oberst Dahl, Ende Mai 1980 wieder. Acht RAF-Leute wollten aussteigen, man suchte nach einem Ort im Ausland, vielleicht in Afrika. Dahl trug das Problem Minister Erich Mielke vor. Dass der persönlich entschied, diese sollten in der DDR bleiben, klingt plausibel.

    Zu den ersten acht, die mit neuer Identität in die DDR-Gesellschaft eingegliedert wurden, kamen zwei Jahre später auch Inge Viett und Henning Beer. Alle zehn waren schrecklichster Gewalttaten überführt. Insgesamt 34 Morde und mehr als 200 Verletzte gehen auf das Konto der RAF. Die der westdeutschen Justiz entzogenen Aussteiger dienten der DDR-Staatssicherheit nun als Faustpfand, falls die noch aktiven Terroristen sich gegen die DDR richten sollten. (Übrigens mied man in den DDR-Medien die Bezeichnung Rote Armee Fraktion – womöglich, um keine Assoziation mit den sowjetischen Befreiern zu erzeugen.)
    Romantische Erinnerung an bewaffneten Kampf gegen Nazis

    Man kann vermuten, dass neben der Sorge um die Sicherheit der DDR die Erinnerung ihres männlichen Spitzenpersonals an die eigene Jugend im Widerstand eine Rolle gespielt hat. Viele hatten im Untergrund gelebt, mit der Waffe gekämpft – ob in Spanien, der Resistance oder im Innern. Erich Mielke selber konnte nach der Wende vor Gericht nachgewiesen werden, dass er und sein Mittäter Erich Ziemer am 9. August 1931 auf dem Berliner Bülowplatz (heute Rosa-Luxemburg-Platz) im Auftrag der KPD die beiden Polizisten Paul Anlauf und Franz Lenck mit Pistolen aus vier bis fünf Metern hinterrücks erschossen hatten. Das war ein Anschlag auf die Republik. Die Mörder entkamen nach Moskau.


    Harry Dahl, Leiter der Terrorabwehr des MfS, am 19.Februar 1997 im Kriminalgericht Berlin-Moabit. Er war wegen Strafvereitelung angeklagt und wurde schließlich freigesprochen.

    Aber wie bewertete die DDR-Führung den linken Terrorismus? Die MfS-Dokumente bleiben im sachlichen Ton, nennen Terror ausdrücklich Terror – keine Beschönigung, keine Relativierung. Was man von der RAF zu halten hatte, gab ein ganz besonderer Meinungsbeitrag vor, den die Berliner Zeitung am 20. Mai 1973 aus der Literaturnaja Gaseta (leicht gekürzt) nachdruckte. Dort war er am 4. April erschienen. Solch ein Text kam niemals auf Initiative der Redaktion ins Blatt. Das kam von ganz, ganz oben. Man darf davon ausgehen, dass in den Wochen dazwischen auf allerhöchsten Ebenen über die Publikation debattiert worden war.

    Der Autor Michail Basmanow beschäftigt sich unter der Überschrift „Wem nützt der revolutionäre Extremismus“ mit linksradikalen maoistischen, trotzkistischen und anarchistischen Strömungen in der Welt, die „vorgeben, den Kampf der Arbeiterklasse zu führen, dabei aber objektiv zu Feinden und Verrätern der Sache des Sozialismus werden“. Er nennt sie Bombenwerfer und Banditen, die ihr Tun als revolutionär ausgeben.

    Zum Schaden der sozialistischen Sache

    Basmanow nennt Horst Mahler einen anarchistischen Ideologen, der zum „Schlag gegen das Nervensystem des Kapitalismus“ aufgerufen hatte, praktisch aber habe es sich um Banküberfälle und Raub gehandelt. Dass Andreas Baader und Ulrike Meinhof mit Sprengstoffanschlägen „revolutionäres Bewusstsein“ schaffen würden, bezweifelt er.

    Angesichts ähnlicher Gruppen in Japan, Spanien, Frankreich, Kanada, China et cetera fragte er, wie es zu solchen „Rückfällen“ kommen könne, wo doch „die revolutionäre Weltbewegung stark und reif ist wie nie zuvor“. Schließlich fügte die „Diversions- und Terrortätigkeit“ der „Superrevolutionäre“ dem „kapitalistischen System nicht einmal Kratzer“ zu, vielmehr brächte sie die „revolutionäre, antiimperialistische Bewegung überhaupt in Misskredit“.

    Die These vom „Terroristen-Hort DDR“ – so lautete der Spiegel-Titel 25/1995 – widerlegen die Akten. Die Ex-Terroristen waren aus dem Verkehr gezogen und ruhiggestellt. Der Bundesgerichtshof sprach Oberst Dahl 1998 von Vorwürfen wie Strafvereitelung frei.

    Daniela Klette, seit 1975 in linksextremen Gruppen unterwegs, unter anderem in der Anti-Nato-Bewegung und der Roten Hilfe, kam in den 1980ern mit Mitgliedern der RAF in Kontakt und startete ihre Laufbahn als Terroristin 1989/1990. Die DDR als sichere Zuflucht hörte zu jener Zeit gerade auf zu existieren, die Aussteiger flogen auf.

    Als die RAF 1998 ihre Selbstauflösung erklärte, fand Daniela Klette im Kreuzberger Antiimperialisten-Milieu Zuflucht. Ende der 1980er hatte die Grüne Antje Vollmer eine Kampagne zur Freilassung der Inhaftierten gestartet, „Leute, mit deren Irrtümern ich generationenverhaftet bin“, wie sie 1995 im Interview mit der Berliner Zeitung sagte. Inge Viett, die in der DDR gelebt hatte, wurde 1992 wegen versuchten Mordes zu 13 Jahren Haft verurteilt, kam nach fünf Jahren wieder in Freiheit, betätigte sich als linke Aktivistin und starb 2022 in Falkensee. Andere leben heute noch und schweigen bis ins Grab.

    #Allemagne #DDR #histoire #terrorisme

  • DDR-Geschichte mal wieder negativ und falsch dargestellt : Neue Ausstellung im HKW Berlin
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/ddr-geschichte-mal-wieder-negativ-und-falsch-dargestellt-neue-ausst


    https://fr.wikipedia.org/wiki/Maison_des_cultures_du_monde_(Berlin)

    Quand on annonce une expo sur la vie en RDA tu peux être sûr qu’on t’y racontera une série de mensonges et demi-vérités. Là les propagandistes du capitalisme triomphant s’attaquent au sort des ouvriers du tier monde généralement bien accueillis et traités dans le premier état socialiste allemand.

    La nouvelle exposition au Haus der Kulturen der Welt à Berlin veut te faire croire le contraire. On se demande s’il y un rapport avec l’adresse de l’institution dans la rue la qui porte le nom de l’auteur de la politique de refoulement (« rollback ») de l’URSS John Foster Dulles.
    https://fr.wikipedia.org/wiki/John_Foster_Dulles

    14.03.2024 von Ulrich van der Heyden - Das Haus der Kulturen der Welt will mit seiner Ausstellung „Echos der Bruderländer“ die Lebensrealität von Migranten in der DDR abbilden. Unser Autor übt Kritik.

    Seit einigen Jahren wird die Spaltung der deutschen Gesellschaft immer deutlicher, nicht nur bemerkbar an oben und unten, sondern auch zwischen Ost und West; wobei der Frust der Ostdeutschen immer deutlicher zum Ausdruck kommt.

    Parteipolitisch artikuliert sich dieser an der Zunahme radikaler Positionen und sozial-gesellschaftlich – worauf in dieser Zeitung mehrfach hingewiesen worden ist – in der breiten Kritik an den Folgen der staatlichen Vereinigung. Die Kollegen Dirk Oschmann und Katja Hoyer haben auf die Gefahren dieser Entwicklung in ihren Büchern deutlich aufmerksam gemacht. Zumindest angesprochen wird in diesen, dass es nicht nur die bekannten Ungleichheiten zwischen Ost- und Westdeutschen auf den Gebieten der Renten, der Gehälter, des Besitzes und anderer materiell zu charakterisierenden Folgen sind, die frustrieren.

    Auch in der Repräsentanz in Politik und Wirtschaft sieht es bis heute nicht anders aus, was Desillusionierung und Enttäuschung über die mehr als dreißig Jahre andauernde „deutsche Einheit“ hervorrufen.

    Ebenso ist die Tatsache zu berücksichtigen, dass ihre Geschichte verfälscht, zu einseitig oder mit den unglaublichsten Fiktionen verquickt in Medien und Wissenschaft dargestellt wird. Zu den die ostdeutsche Bevölkerung partiell und temporär erbosenden Tatsachen gehört, dass ihnen quasi flächendeckend Rassismus in den Medien und nun auch in einer Ausstellung im Haus der Kulturen der Welt zugeschrieben wird.
    Falschdarstellungen und Fake News

    Dabei wird gern auf Falschdarstellungen und Fake News über die Beziehungsgeschichte der DDR zu den Ländern des Globalen Südens zurückgegriffen, vor allem über die Bedingungen für in die DDR gekommene Menschen aus jenen Regionen. So kann auch auf der aktuellen Website des Hauses der Kulturen der Welt festgestellt werden, wie weitab von den Fakten ein Narrativ des Lebens von Ausländern, vor allem von sogenannten Vertragsarbeitern, gezeichnet wird, welches diese letztlich beleidigt.

    Auch hier scheint sich das jahrelang mit staatlichen Mitteln alimentierte Bild von einem Kapitel der DDR-Geschichte auf Kosten der Erzählungen der Beteiligten sowie der Ergebnisse relevanter seriöser Forschungen im allgemeinen Narrativ durchgesetzt zu haben. Dabei gab es in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre durchaus relevante Aussagen von vielen Ausländern, die sich zu dieser Frage zu Wort meldeten.
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    Solche Ego-Dokumente, Interviews und andere heute als wichtige Originalquellen zu bezeichnenden Schriftstücke werden jedoch von vielen Historikern, wie auch von den Kuratoren der Ausstellung, kaum zur Kenntnis genommen. Und so soll ein Narrativ ausgebaut werden, welches die meisten ehemaligen DDR-Bürger nicht akzeptieren können.

    Nicht umsonst berichtete die Historikerin Katja Hoyer in dieser Zeitung, dass, als sie für ihre Forschungen notwendige Fragen an ostdeutsche Interviewpartner stellte, man ihr oft entgegnete: „Wenn das Wort DDR schon fällt in irgendeiner Dokumentation, dann schalten wir weg.“

    Wie erfolgreich weithin das gepflegte Narrativ ist, macht die Website der Veranstaltungen unter der Überschrift „Echos der Bruderländer“ deutlich. Selbst eine Journalistin der Berliner Zeitung schließt sich der dort postulierten Vorstellung an. Demnach sollen die Leben von, wie es auf der offiziellen Seite heißt, „zwischen 1949 und 1990 migrierten Hunderttausende(n) Menschen“ in die DDR „bislang weitgehend unerzählt“ geblieben sein.

    Das verwundert, denn in dem aktuellsten Buch allein zu den Vertragsarbeitern aus Mosambik weisen etwa 50 Druckseiten aufgelistete Publikationen zur Thematik hin. Die Ignorierung der durchaus vorhandenen Literatur macht deutlich, dass, wenn es um Kenntnisse der DDR-Geschichte geht, das eigene Unwissen als Stand der Forschungen ausgegeben wird.

    Vertragsarbeiter aus Mosambik

    Wenn man sich der Geschichte einer der größten Gruppierungen der in der DDR zeitweilig lebenden Ausländer, der Mosambikaner, zuwendet, wird deutlich, dass über diese schon recht viel berichtet worden ist, unter anderem auch über eine von dieser Zeitung aufgedeckte Mord-Lügenstory.

    Die Palette der Unwahrheiten reicht weit. So wird immer wieder auch im Artikel der Berliner Zeitung über „Bruderland ist abgebrannt“ (1.3.24) behauptet, dass die DDR „nach Arbeitskräften“ rief oder sie gar anwarb und sich diese aus der Dritten Welt holte. Dies ist nur zu einem ganz geringen Maße zutreffend gewesen, denn Arbeitskräfte holte man sich zunächst aus den benachbarten Ländern, wie Polen und Ungarn – so wie es in modernen Gesellschaften keine Seltenheit ist.

    Die Vertragsarbeiter (der Begriff wurde erst nach der deutschen Vereinigung eingeführt, um dieses solidarische Projekt des untergegangenen Staates zu diskreditieren; in der DDR hießen sie „ausländische Arbeitskräfte“), vor allem diejenigen aus Vietnam und Afrika, kamen aus ihren Heimatländern, um dem verbrecherischen Angriffskrieg und dem Bomberterror der USA in Vietnam oder um dem von der Nato, vom südafrikanischen Apartheidstaat und den portugiesischen ehemaligen Kolonialherren unterstützten Bürgerkrieg in Mosambik zu entfliehen.

    Die konterrevolutionären Banden der Renamo, ausgestattet mit Waffenlieferungen und militärischem Know-how auch aus der Bundesrepublik, hatten schreckliche Verbrechen begangen, die heute kaum noch Erwähnung finden.

    Durch den blutigen Terror wurde der Aufbau einer eigenständigen Industrieproduktion verhindert – was u. a. von der DDR im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützt wurde –, sodass die durchaus ehrgeizigen Ziele nicht umgesetzt werden konnten. Die jungen Menschen kamen also nicht nach Europa, um die DDR-Wirtschaft am Laufen zu halten oder gar zu retten (was zwischen einem viertel und maximal einem Prozent der in der Produktion eingesetzten Arbeitskräfte wohl kaum realistisch anmutet), sondern um kostenfrei einen Beruf zu erlernen, ihr Leben zu retten und ihre Familien und ihr Land zu unterstützen.

    Bis zur Wende geheim gehaltene „Nutzungsberechnungen zum Einsatz ausländischer Werktätiger in der Volkswirtschaft der DDR aus dem Jahre 1987“ besagen, „daß die erbrachten Leistungen mocambiquischer Werktätiger im Vergleich zu DDR-Werktätigen ca. 80 % betragen.“ Als der erste Vertrag, den die Regierungen der DDR und Mosambiks 1979 abgeschlossen hatten, auslief, wollte wohl nicht zuletzt aus diesem Grunde die DDR den Vertrag nicht verlängern.

    Maputo drängte mit Verweis auf das bekannte solidarische Engagement der DDR auf eine Verlängerung und schlug vor, dass nicht mehr so viele Kosten entstehen würden, wenn es keine Berufsausbildung mehr gäbe; ihre Leute könnten also als ungelernte Hilfsarbeiter beschäftigt werden. Darauf ließen sich die DDR-Vertreter nicht ein und so kam es, dass die ostdeutsche Bevölkerung, ohne dass darüber gesprochen wurde, weiterhin Solidarität übte, was im Übrigen – wie mehrere wissenschaftliche Veranstaltungen und Publikationen belegen – in der Wissenschaft nicht bestritten wird.

    Kann es da verwundern, wenn man sich über diese die Wirklichkeit verzerrenden Veranstaltungen in der großen kulturellen Einrichtung an der Spree verärgert zeigt? Auf der Website der aktuellen Ausstellung heißt es nämlich: „Obwohl die DDR die Fairness ihrer Arbeitsbedingungen und die Möglichkeiten beruflicher Weiterentwicklung hervorhob, erlebten ‚Vertragsarbeiter‘ und Migrant:innen im Allgemeinen Ausbeutung, beengte Wohnverhältnisse, Überwachung, den Entzug gewisser Freiheiten und Rechte (wie etwa das Recht, schwanger zu werden oder eine Beziehung zu führen), rassistische und fremdenfeindliche Angriffe, einbehaltene Löhne und gebrochene Versprechen sowohl der entsendenden Regierungen als auch der Führung der DDR.“

    Dazu sei nur angeführt, dass allein die Mosambikaner etwa 1500 Kinder zeugten, die Urlaubs- und Gesundheitsdienste ihrer Betriebe nutzten, es gemeinsame Freizeitveranstaltungen gab, kollegiale und familiäre Kontakte mit deutschen Kollegen gab, die Vertragsarbeiter mehr Geld verdienten als junge Wissenschaftler, Ärzte und andere Berufsgruppen in der DDR.

    Wer sich genauer mit der Thematik beschäftigt, wird feststellen, dass sich „Ehemalige“ über ihre Zeit in der DDR anders äußern, als es das hier vermittelte Bild nahelegt. Jenes sieht anders aus als Isolation, Überwachung, Entzug gewisser Freiheiten und Rechte. Auch das muss gesagt werden: Wenn mosambikanische Frauen schwanger wurden, mussten sie zwar nach Hause zurückkehren oder abtreiben.

    Aber das war nicht deshalb festgelegt worden, weil die DDR-Bonzen dies so wollten, sondern, weil dies der Wunsch der mosambikanischen Regierung war. Wer seine verblendende Anti-DDR-Sicht gegen die der afrikanischen Realität eintauscht, wird die Gründe hierfür erkennen. Die Wohnheime hatten gute Standards, in der Regel gleich oder besser ausgestattet als Arbeiter- bzw. Studentenheime. Die viel beklagte Einbehaltung eines Teils der Lohnzahlungen gab es und war den Betroffenen bekannt. Es handelte sich um einen von der mosambikanischen Regierung vorgesehenen Teil des Lohns, der bereits in den Betrieben ausgerechnet und an den mosambikanischen Staat überwiesen wurde.

    Nach Beendigung ihres Vertrages und bei Rückkehr erhielten dann die mosambikanischen Arbeiter diese Summe in ihrem Land in der Währung Metical ausgezahlt, was bis 1989 auch erfolgte. Danach, als die „ausländischen Arbeitskräfte“ auf Drängen der westlichen Berater in den zu übernehmenden Betrieben als Erste entlassen und nach Hause geschickt wurden, änderte sich dies.

    Nicht der Sympathie für den sozialistischen Staat verdächtige westdeutsche Diplomaten untersuchten diesen „Fall“ und konnten konstatieren, dass die DDR allen ihren Verpflichtungen nachgekommen war. Das hinderte jedoch nicht zwei Frauen vor einiger Zeit daran, eine Petition ins Leben zu rufen, die „Respekt und Anerkennung“ der angeblich von der DDR um ihren Lohn betrogenen Vertragsarbeiter einforderte.

    Wie seriös diese Aktion war, lässt sich daran ersehen, dass auf Anfragen des Verfassers an die Initiatorinnen des Schreibens, wie denn ihr Wissensstand zur Geschichte der Vertragsarbeiter sei, die Antwort lautete, sie haben schon einmal in einer Ausstellung ein Bild von Mosambikanern gesehen.

    Das hinderte jedoch den alarmierten Vorgesetzten, den Direktor eines zeithistorischen Instituts in Potsdam, nicht daran, der Angelegenheit freien Lauf zu lassen, sodass diese nun dem Bundestag vorliegt. Die Behandlung von Ausländern, die in der DDR gelebt haben, wird von diesen im Allgemeinen dankbar memoriert – wie mehrere Forschungen belegen. So wie kürzlich in einer Dissertation über den ANC-Exil in der DDR exemplarisch nachgewiesen werden konnte.

    Tausende Menschen aus der Dritten Welt fanden hier Schutz vor Mord, Terror, Bomben, Napalm, Rassismus, Hunger und Armut. Diese sehen das Land, das ihnen Rettung anbot, fast ausnahmslos positiv. Es bleibt die Hoffnung, dass die verschiedenen Veranstaltungen zu den „Echos aus den Bruderländern“ an die in der internationalen Wissenschaft nicht bezweifelte solidarische Grundhaltung der DDR-Bevölkerung erinnern werden.

    In Mosambik wird übrigens gerade darüber diskutiert, ob ehemals für die Vertragsverhandlungen zuständige Politiker nach Deutschland kommen sollten, um über die von der Berliner Zeitung vor einiger Zeit exemplarisch aufgedeckten Fake News über die Vertragsarbeiter aufzuklären.

    Prof. Dr. mult. Ulrich van der Heyden ist Historiker, Politikwissenschaftler und Spezialist für die Kolonialgeschichte Afrikas, tätig an FU, HU und in Südafrika sowie Autor zahlreicher Bücher.

    #DDR #histoire #solidarité_internationale #Berlin #Tiergarten #John_Foster_Dulles_Allee #HdKW #anticommunisme

  • Thread by MouinRabbani on Thread Reader App – Thread Reader App
    https://threadreaderapp.com/thread/1768186345623560206.html

    THREAD: Who was there first? The short answer is that the question is irrelevant. Claims of ancient title (“This land is ours because we were here several thousand years ago”) have no standing or validity under international law.

    For good reason, because such claims also defy elementary common sense.

    Neither I nor anyone reading this post can convincingly substantiate the geographical location of their direct ancestors ten or five or even two thousand years ago. If we could, the successful completion of the exercise would confer exactly zero property, territorial, or sovereign rights.

    As a thought experiment, let’s go back only a few centuries rather than multiple millennia. Do South Africa’s Afrikaners have the right to claim The Netherlands as their homeland, or even qualify for Dutch citizenship, on the basis of their lineage?

    Do the descendants of African-Americans who were forcibly removed from West Africa have the right to board a flight in Atlanta, Port-au-Prince, or São Paolo and reclaim their ancestral villages from the current inhabitants, who in all probability arrived only after – perhaps long after – the previous inhabitants were abducted and sold into slavery half a world away?

    Do Australians who can trace their roots to convicts who were involuntarily transported Down Under by the British government have a right to return to Britain or Ireland and repossess homes from the present inhabitants even if, with the help of court records, they can identify the exact address inhabited by their forebears? Of course not.

    In sharp contrast to, for example, Native Americans or the Maori of New Zealand, none of the above can demonstrate a living connection with the lands to which they would lay claim.

    To put it crudely, neither nostalgic attachment nor ancestry, in and of themselves, confer rights of any sort, particularly where such rights have not been asserted over the course of hundreds or thousands of years. once again be speaking Arabic.

    If they did, American English would be the predominant language in large parts of Europe, and Spain would once again be speaking Arabic.
    Nevertheless, the claim of ancient title has been and remains central to Zionist assertions of not only Jewish rights in Palestine, but of an exclusive Jewish right to Palestine.

    For the sake of argument, let’s examine it. If we put aside religious mythology, the origin of the ancient Israelites is indeed local.

    In ancient times it was not unusual for those in conflict with authority or marginalized by it to take to the more secure environment of surrounding hills or mountains, conquer existing settlements or establish new ones, and in the ultimate sign of independence adopt distinct religious practices and generate their own rulers. That the Israelites originated as indigenous Canaanite tribes rather than as fully-fledged monotheistic immigrants or conquerors is more or less the scholarly consensus, buttressed by archeological and other evidence. And buttressed by the absence of evidence for the origin stories more familiar to us.

    It is also the scholarly consensus that the Israelites established two kingdoms, Judah and Israel, the former landlocked and covering Jerusalem and regions to the south, the latter (also known as the Northern Kingdom or Samaria) encompassing points north, the Galilee, and parts of contemporary Jordan. Whether these entities were preceded by a United Kingdom that subsequently fractured remains the subject of fierce debate.

    What is certain is that the ancient Israelites were never a significant regional power, let alone the superpower of the modern imagination.

    There is a reason the great empires of the Middle East emerged in Egypt, Mesopotamia, Persia, and Anatolia – or from outside the region altogether – but never in Palestine.

    It simply lacked the population and resource base for power projection. Jerusalem may be the holiest of cities on earth, but for almost the entirety of its existence, including the period in question, it existed as a village, provincial town or small city rather than metropolis.
    Judah and Israel, like the neighboring Canaanite and Philistine entities during this period, were for most of their existence vassal states, their fealty and tribute fought over by rival empires – Egyptians, Assyrians, Babylonians, etc. – rather than extracted from others.

    Indeed, Israel was destroyed during the eighth century BCE by the Assyrians, who for good measured subordinated Judah to their authority, until it was in the sixth century BCE eliminated by the Babylonians, who had earlier overtaken the Assyrians in a regional power struggle.

    The Babylonian Exile was not a wholesale deportation, but rather affected primarily Judah’s elites and their kin. Nor was there a collective return to the homeland when the opportunity arose several decades later after Cyrus the Great defeated Babylon
    and re-established a smaller Judah as a province of the Persian Achaemenid empire. Indeed, Mesopotamia would remain a key center of Jewish religion and culture for centuries afterwards.

    Zionist claims of ancient title conveniently erase the reality that the ancient Israelites were hardly the only inhabitants of ancient Palestine, but rather shared it with Canaanites, Philistines, and others.

    The second part of the claim, that the Jewish population was forcibly expelled by the Romans and has for 2,000 years been consumed with the desire to return, is equally problematic.

    By the time the Romans conquered Jerusalem during the first century BCE, established Jewish communities were already to be found throughout the Mediterranean world and Middle East – to the extent that a number of scholars have concluded that a majority of Jews already lived in the diaspora by the time the first Roman soldier set foot in Jerusalem.

    These communities held a deep attachment to Jerusalem, its Temple, and the lands recounted in the Bible. They identified as diasporic communities, and in many cases may additionally have been able to trace their origins to this or that town or village
    in the extinguished kingdoms of Israel and Judah. But there is no indication those born and bred in the diaspora across multiple generations considered themselves to be living in temporary exile or considered the territory of the former Israelite kingdoms rather than their lands of birth and residence their natural homeland, any more than Irish-Americans today feel they properly belong in Ireland rather than the United States.
    Unlike those taken in captivity to Babylon centuries earlier there was no impediment to their relocation to or from their ancestral lands, although economic factors appear to have played an important role in the growth of the diaspora.

    By contrast, those traveling in the opposite direction appear to have done so, more often than not, for religious reasons, or to be buried in Jerusalem’s sacred soil.

    Nations and nationalism did not exist 2,000 years ago. Nor Zionist propagandists in New York, Paris, and London incessantly proclaiming that for two millennia Jews everywhere have wanted nothing more than to return their homeland, and invariably driving home rather than taking the next flight to Tel Aviv. Nor insufferably loud Americans declaring, without a hint of irony or self-awareness, the right of the Jewish people to Palestine “because they were there first”.

    Back to the Romans, about a century after their arrival a series of Jewish rebellions over the course of several decades, coupled with internecine warfare between various Jewish factions, produced devastating results.

    A large proportion of the Jewish population was killed in battle, massacred, sold into slavery, or exiled. Many towns and villages were ransacked, the Temple in Jerusalem destroyed, and Jews barred from entering the city for all but one day a year.

    Although a significant Jewish presence remained, primarily in the Galilee, the killings, associated deaths from disease and destitution, and expulsions during the Roman-Jewish wars exacted a calamitous toll.

    With the destruction of the Temple Jerusalem became an increasingly spiritual rather than physical center of Jewish life. Jews neither formed a demographic majority in Palestine, nor were the majority of Jews to be found there.

    Many of those who remained would in subsequent centuries convert to Christianity or Islam, succumb to massacres during the Crusades, or join the diaspora. On the eve of Zionist colonization locally-born Jews constituted less than five per cent of the total population.

    As for the burning desire to return to Zion, there is precious little evidence to substantiate it. There is, for example, no evidence that upon their expulsion from Spain during the late fifteenth century, the Sephardic Jewish community,
    many of whom were given refuge by the Ottoman Empire that ruled Palestine, made concerted efforts to head for Jerusalem. Rather, most opted for Istanbul and Greece.
    Similarly, during the massive migration of Jews fleeing persecution and poverty in Eastern Europe during the nineteenth century, the destinations of choice were the United States and United Kingdom.

    Even after the Zionist movement began a concerted campaign to encourage Jewish emigration to Palestine, less than five per cent took up the offer. And while the British are to this day condemned for limiting Jewish immigration to Palestine during the late 1930s, the more pertinent reality is that the vast majority of those fleeing the Nazi menace once again preferred to relocate to the US and UK, but were deprived of these havens because Washington and London firmly slammed their doors shut.

    Tellingly, the Jewish Agency for Israel in 2023 reported that of the world’s 15.7 million Jews, 7.2 million – less than half – reside in Israel and the occupied Palestinian territories.
    According to the Agency, “The Jewish population numbers refer to persons who define themselves as Jews by religion or otherwise and who do not practice another religion”.

    It further notes that if instead of religion one were to apply Israel’s Law of Return, under which any individual with one or more Jewish grandparent is entitled to Israeli citizenship, only 7.2 of 25.5 million eligible individuals (28 per cent) have opted for Zion.

    In other words, “Next Year in Jerusalem” was, and largely remains, an aspirational religious incantation rather than political program. For religious Jews, furthermore, it was to result from divine rather than human intervention.

    For this reason, many equated Zionism with blasphemy, and until quite recently most Orthodox Jews were either non-Zionist or rejected the ideology altogether.

    Returning to the irrelevant issue of ancestry, if there is one population group that can lay a viable claim of direct descent from the ancient Israelites it would be the Samaritans, who have inhabited the area around Mount Gerizim, near the West Bank city of Nablus, without interruption since ancient times.

    Palestinian Jews would be next in line, although unlike the Samaritans they interacted more regularly with both other Jewish communities and their gentile neighbors.

    Claims of Israelite descent made on behalf of Jewish diaspora communities are much more difficult to sustain. Conversions to and from Judaism, intermarriage with gentiles, absorption in multiple foreign societies, and related phenomena over the course of several thousand years make it a virtual certainty that the vast majority of Jews who arrived in Palestine during the late 19th and first half of the 20th century to reclaim their ancient homeland were in fact the first of their lineage to ever set foot in it.

    By way of an admittedly imperfect analogy, most Levantines, Egyptians, Sudanese, and North Africans identify as Arabs, yet the percentage of those who can trace their roots to the tribes of the Arabian Peninsula that conquered their lands during the seventh and eighth centuries is at best rather small.

    Ironically, a contemporary Palestinian, particularly in the West Bank and Galilee, is likely to have more Israelite ancestry than a contemporary diaspora Jew.

    The Palestinians take their name from the Philistines, one of the so-called Sea Peoples who arrived on the southern coast of Canaan from the Aegean islands, probably Crete, during the late second millennium BCE.

    They formed a number of city states, including Gaza, Ashdod, and Ashkelon. Like Judah and Israel they existed primarily as vassals of regional powers, and like them were eventually destroyed by more powerful states as well.

    With no record of their extermination or expulsion, the Philistines are presumed to have been absorbed by the Canaanites and thereafter disappear from the historical record.

    Sitting at the crossroads between Asia, Africa, and Europe, Palestine was over the centuries repeatedly conquered by empires near and far, absorbing a constant flow of human and cultural influences throughout.

    Given its religious significance pilgrims from around the globe also contributed to making the Palestinian people what they are today.

    A common myth is that the Palestinian origin story dates from the Arab-Muslim conquests of the seventh century. In point of fact the Arabs neither exterminated nor expelled the existing population, and the new rulers never formed a majority of the population.

    Rather, and over the course of several centuries, the local population was gradually Arabized, and to a large extent Islamized as well.

    So the question as to who was there first can be answered in several ways: “both” and “irrelevant” are equally correct.
    Indisputably, the Zionist movement had no right to establish a sovereign state in Palestine on the basis of claims of ancient title, which was and remains its primary justification for doing so.

    That it established an exclusivist state that not only rejected any rights for the existing Palestinian population but was from the very outset determined to displace and replace this population was and remains a historical travesty.

    That it as a matter of legislation confers automatic citizenship on millions who have no existing connection with the land but denies it to those who were born there and expelled from it, solely on the basis of their identity, would appear to be the very definition of apartheid.

    The above notwithstanding, and while the Zionist claim of exclusive Israeli sovereignty in Palestine remains illegitimate, there are today several million Israelis who cannot be simply wished away.

    A path to co-existence will need to be found, even as the genocidal nature of the Israeli state, and increasingly of Israeli society as well, makes the endeavor increasingly complicated.

    The question, thrown into sharp relief by Israel’s genocidal onslaught on the Palestinian population of the Gaza Strip, is whether co-existence with Israeli society can be achieved without first dismantling the Israeli state and its ruling institutions. END

    @johannes_rath 2. While the circumstances of their arrival in the western hemisphere are fundamentally different, their situation today is not all that different from e.g. Italian-Americans or Japanese-Americans.

    @johannes_rath 3. Unlike Palestinians, African-Americans have neither asserted claims or rights to their former homes and homeland, nor sought to have these recognized, nor achieved an internationally-recognized right of return

    • Contrairement aux Australiens et Africains les Allemands et les juifs sionistes ont le droit de réclamer leurs terres et maisons historiques après la disparition des entités légales qui protégeaient ses habitants récents.

      Do Australians who can trace their roots to convicts who were involuntarily transported Down Under by the British government have a right to return to Britain or Ireland and repossess homes from the present inhabitants even if, with the help of court records, they can identify the exact address inhabited by their forebears? Of course not.

      Voilà moment cela s’est passé en Allemagne.

      En 1948 et 1990 respectivement les habitants de la Palestine et de la #RDA perdaient le droit à leur propriété ou leur appartement loué si un propriétaire suivant le droit d’un état historique y réclamait ses terres, son château où sa maison.

      En Allemagne en 1990 l’état bourgeois agissait suivant la devise « restitution avant dédommagement » et obligait un nombre important d’institutions sociales et d’individus à quitter leurs locaux et habitations. Les nouveaux anciens propriétaires furent de riches capitalistes, nobles et héritiers dont beaucoup de juifs qui avaient préféré rester aux USA ou en Israël plutôt quede récupérer leurs biens après 1945/1949.

      En ce qui concerne l’Israël l’histoire est encore plus absurde et injuste car après 2000 ans il n’y a plus de cadastre ou hêritier direct pouvant réclamer un bien précis.

      L’état bourgeois allemand a suivi les revendications des associations juives de restituer les biens des familles juives éteintes à des associations juives sans autorité légale. On ne sait d’ailleurs pas bien qui a touché les sommes importantes après la vente des biens immobiliers par ces associations.

      On trouve de nombreux cas pour ce type d’enrichissement des nantis en cherchant pour « Rückgabe vor Entschädigung ».
      https://de.m.wikipedia.org/w/index.php?search=R%C3%BCckgabe+vor+Entsch%C3%A4digung&title=Spezial%

      #Allemagne #Wiedervereinigung #DDR #BRD #capitalisme #Volkseigentum #propriêtê #contre-révolution

  • Gisela May und Manfred Wekwerth
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Mutter_Courage_und_ihre_Kinder

    XXII.Berliner Festtage

    Letzte Regiehinweise gibt der Intendant des Berliner Ensembles, Manfred Wekwerth (r.), der Titeldarstellerin Gisela May in der Neuinzenierung von Bertolt Brechts „Mutter Courage und ihre Kinder“. Das Theater am Schiffbauerdamm bringt dieses Schauspiel am 3. Oktober 1978 als Beitrag zu den XXII. Berliner Festtagen heraus.

    Abgebildete Personen:

    May, Gisela: Schauspielerin, Sängerin, DDR (GND 118579487)
    Wekwerth, Manfred Prof. Dr.: Präsident der Akademie der Künste (AdK), Intendant des Berliner Ensembles, Zentralkomitee (ZK) der SED, DDR

    – Episches Theater
    https://de.wikipedia.org/wiki/Episches_Theater
    – Kunstwerke in der „Ästhetik des Widerstands“
    https://de.wikipedia.org/wiki/Kunstwerke_in_der_%E2%80%9E%C3%84sthetik_des_Widerstands%E2%80%9C
    – Mutter Courage und ihre Kinder
    https://de.wikipedia.org/wiki/Mutter_Courage_und_ihre_Kinder

    – Gisela May
    https://de.wikipedia.org/wiki/Gisela_May
    – Manfred Wekwerth
    https://de.wikipedia.org/wiki/Manfred_Wekwerth
    – Bertolt Brecht
    https://de.wikipedia.org/wiki/Bertolt_Brecht

    – Brecht-Weigel-Museum
    https://www.adk.de/de/archiv/gedenkstaetten/gedenkstaetten-brecht-weigel.htm
    Chausseestraße 125, 10115 Berlin, +49(0)30-20057-18 44, brechtweigelmuseum@adk.de

    – Brecht-Weigel-Haus
    https://de.wikipedia.org/wiki/Brecht-Weigel-Haus
    Bertolt-Brecht-Straße 30, 15377 Buckow, Tel. 033433 / 467

    #Berlin #Mitte #Schiffbauer_Damm #Chausséestraße #théâtre #DDR #Stadtrundfahrt #Buckow

  • Bedrohtes Zeitungsarchiv in Berlin: Shanghai als rettender Hafen
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1180632.zeitgeschichte-bedrohtes-zeitungsarchiv-in-berlin-shanghai-als-re


    Nach China ausgewanderte Ordner: So sah das Zeitgeschichtliche Archiv vor gut einem Jahr im Berliner Osten aus. Foto: nd/Patrick Volknant

    La Chine sauve des archives scientifiques allemandes.

    11.3.2024 von Patrick Volknant - Mit der Vernichtung, erzählt Archivchef Harald Wachowitz, hatte man eigentlich schon begonnen. Dann traf sie doch noch ein: die rettende Botschaft. Von einer leer stehenden Industriehalle im Osten Berlins aus sollen Millionen historische Zeitungsartikel die weite Reise nach China antreten. Neue Heimat für das Zeitgeschichtliche Archiv aus Marzahn-Hellersdorf wird die Fremdsprachenuniversität in Shanghai.

    »In China ist ja alles ein bisschen größer«, sagt Wachowitz zu »nd«. In den Sammlungen der Universitätsbibliothek sei genug Platz, um rund 95 Prozent der einst über 27 Millionen Zeitungsartikel seines Archivs unterzubringen. Die Erleichterung ist dem Archivchef anzumerken. Was seit 2004 in Marzahn-Hellersdorf lagerte, war auch Deutschlands umfangreichste Presseartikel-Sammlung, an der sich deutsch-deutsche Geschichte nachvollziehen lässt. Ein Großteil stammt aus dem 1971 in der DDR begründeten Institut für internationale Politik und Wirtschaft, das politische Entwicklungen in der BRD erforschen sollte.

    Den Wert des Zeitgeschichtlichen Archivs ließ sich Wachowitz mehrfach von fachkundigen Stellen bestätigen. Helfen konnte trotzdem niemand, als das Archiv einem Neubau der Berliner Opernstiftung weichen sollte. Noch 2021 hatte der damalige Kultursenator Klaus Lederer (Linke) eine Übernahme durch die Berliner Staatsbibliothek befürwortet; zuletzt stand die Unterbringung in einem Neubau des DDR-Museums im Raum. Doch alle Ansätze scheiterten.

    Online-Hilferuf bringt die Wende

    So aber ist es der digitale Hilferuf einer Freundin des Zeitgeschichtlichen Archivs, der die Wende bringt. Im chinesischen Messenger-Dienst We Chat berichtet sie im März 2023 von der bereits begonnen Vernichtung der historischen Dokumente. »Was dann folgte, war ein Sturm der Hilfsbereitschaft«, sagt Wachowitz: Hunderte Mails und Telefonanrufe aus Asien, aber auch aus den USA und Westeuropa trudeln ein.

    Kleine Teile der Sammlung finden so bereits Unterschlupf, vom Schwarzwald bis nach London. Was im Zeitgeschichtlichen Archiv an Zeitungen über die Filmkunst der DDR vorhanden war, tritt die Reise gen USA an, zur »Defa Film Library at University of Massachusetts«. »Es war mir überhaupt nicht klar, dass in Massachusetts zu Defa-Filmen geforscht wird«, sagt Wachowitz.

    Bis zur alles entscheidenden Mail dauert es nach dem We Chat-Post gerade einmal 24 Stunden: Ein Professor der Fremdsprachenuniversität in Shanghai bekundet das Interesse seiner Universität, den Bestand zu retten. Nach der Antwort des Archivchefs folgt die Zusage aus China. Das Zeitgeschichtliche Archiv sei »eine Schatztruhe«, von der die Forschung unendlich profitieren könne, schreibt der Professor. »Eine kleine Bitte habe ich noch: Könnten Sie die Teilvernichtung ein wenig aufschieben?«

    Bezirk fordert Mietzahlungen ein

    Als Wachowitz die Beseitigung der historischen Pressetexte abbricht, sind 20 Kubikmeter Unterlagen vernichtet – nur ein Bruchteil dessen, was auf dem Spiel stand. Bis zum letzten Moment, bevor die übrigen Zeitzeugnisse verschifft werden, hilft Wachowitz beim Konfektionieren. Die Universität in Shanghai finanzierte sowohl das Verpacken als auch den Transport. In China liegt das Zeitgeschichtliche Archiv nun in einem Lager, bevor es in die Bibliothek überführt wird.

    »Immerhin wird das Fachpublikum weiter in den Genuss kommen«, sagt Wachowitz, der das Archiv gerne in Deutschland behalten hätte. An der Universität, so hofft er, könnten die Artikel früher oder später digitalisiert werden. Zweifel an der Aufrichtigkeit des chinesischen Interesses hat er nicht. »Der Eigennutz besteht allein darin, das Archiv für Forschung und Lehre zu nutzen. Es gibt keinen faulen Deal.«

    Ganz abschließen kann Wachowitz trotzdem nicht. Weil das Archiv länger als vorgesehen in der bis dahin mietfreien Halle geblieben ist, hat der Bezirk Anfang des Jahres Mietzahlungen eingefordert. Bezirksstadtrat Stefan Bley (CDU) versucht derzeit, mit der Senatsfinanzverwaltung eine »auch haushaltsrechtlich belastbare Lösung« zu finden, wie er dem Archivchef schreibt. Wachowitz selbst fehlt es aber an Zuversicht: »Ich bereite mich auf einen Rechtsstreit vor.«

    #Allemagne #Chine #DDR #archives #sciences #histoire #politique

  • Das mediale Erbe der DDR - Ein kleines bisschen wie im Westen
    https://medienerbe.hypotheses.org/3527

    Est-ce que les musiques composées ou enrégistrées en #RDA sont-elles libres de droits ? Non, parce que d’abord en RDA/DDR existait une société des droits d’auteur en musique « AWA ». Ses membres ont rejoint la société GEMA qui les représente depuis l’an 1990.

    Cet article décrit la transition AWA/GEMA vue par une employée qui a travaillée pour les deux sociétés.

    Musik ist ein mediales Erbe. Und ein Konsumgut. Und eine Einnahmequelle. Auch im Sozialismus. Was vielleicht nur wenige wissen: Analog zur bundesdeutschen GEMA etablierte sich in der DDR die „AWA“, „die Anstalt zur Wahrung der Ausführungs- und Vervielfältigungsrechte auf dem Gebiet der Musik“. Zu ihren Mitgliedern gehörten „Die Puhdys“, „Silly“ oder Reinhard Lakomy. Die Studentin der Kommunikationswissenschaft Christina Zander kennt die GEMA aus ihrem Berufsalltag. Um mehr über das DDR-Pendant zu erfahren, interviewte sie eine ehemalige AWA-Mitarbeiterin, die anonym bleiben möchte. Die Erkenntnisse aus Recherche und Gespräch hat Zander zusammengefasst. Nicht nur eine Fußnote: Eine Fusion aus GEMA und AWA lehnte die GEMA 1990 ab – Grund dafür dürfte die Angst vor „DDR-Altlasten“ gewesen sein.

    Die „GEMA“ des Ostens?

    Zur AWA, der musikalischen Verwertungsgesellschaft der DDR

    von Christina Zander

    Eine kurze Geschichte der musikalischen Verwertungsgesellschaften

    Das Jahr 1903 markiert im deutschen Urheberrecht einen Umbruch im medialen Verwertungswesen: Die „Tantiemenbewegung“ nahm ihren Anfang. Damals wurde die „Genossenschaft Deutscher Tonsetzer“ (kurz: GTD) und die von ihr getragene „Anstalt für musikalisches Aufführungsrecht“ (kurz: AFMA) gegründet. Die AFMA war das Ergebnis einer langen Entwicklung und die Antwort auf zwei Versuche zur Einrichtung einer Anstalt für musikalisches Aufführungsrecht (Schmidt , Riesenhuber, Mickler 2008: 5).

    Ein besonderes Wahrnehmungsrecht entstand erst 1933 mit dem „Gesetz über die Vermittlung von Musikaufführungsrechten“. Auf Basis dieses Gesetzes wurde die STAGMA (Staatlich genehmigte Gesellschaft zur Verwertung musikalischer Urheberrechte) gegründet, die dann von 1933-1945 im NS-Staat eine rechtliche Monopolstellung innehatte, sofern es um die Wahrnehmung von musikalischen Urheberrechten ging. Dadurch wurde dem NS-Staat eine effektive Kontrolle aller öffentlichen Musikaufführungen ermöglicht. Lag ein Konfliktfall vor, konnte die Polizei direkt eingreifen. Ein Konflikt konnte durch die Berechtigten selbst nicht gelöst werden (Schmidt, Riesenhuber, Mickler 2008: 17).

    Nach dem zweiten Weltkrieg verlief die Entwicklung in Ost und West unterschiedlich. Die „Gesellschaft für musikalische Aufführungs-und mechanische Vervielfältigungsrechte“ (kurz: GEMA) konnte in der Bundesrepublik unter Fortgeltung des „STAGMA-Gesetzes“ von 1933 Rechtsnachfolgerin der STAGMA werden (ebd.: 20). Parallel dazu entstand in der DDR eine Verwertungsgesellschaft mit Namen „Anstalt zur Wahrung der Aufführungs- und Vervielfältigungsrechte auf dem Gebiet der Musik“ (kurz: AWA). Dies weckte mein Interesse und so habe mich auf die Suche nach jemanden gemacht, der selbst bei der AWA arbeitete, heute auch noch bei der GEMA beschäftigt ist und mir aus eigener Erfahrung über die Arbeit in der musikalischen Verwertungsgesellschaft in der DDR berichten konnte. Glücklicherweise konnte ich für meine Arbeit eine ehemalige AWA-Mitarbeiterin gewinnen. In unserem Gespräch ging es vor allem um Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen AWA und GEMA.

    Anfang und Ende der AWA

    Die Abkürzung AWA steht für „Anstalt zur Wahrung der Aufführungs-und Vervielfältigungsrechte auf dem Gebiet der Musik“ und stellte das Pendant zur GEMA dar. Die AWA vertrat, wie auch die GEMA, die Interessen der Musikschaffenden in der DDR. Gegründet wurde die AWA am 01.01.1951 als eine rechtlich eigenständige Einrichtung, welche aber als „volkseigener Betrieb“ dem Ministerium für Kultur unterstand. Formal konnte die AWA selbstständig arbeiten, sie wurde jedoch in allen Belangen durch das Ministerium für Kultur geführt. Die GEMA hingegen ist ein wirtschaftlicher Verein gemäß § 22 BGB, der als solcher seine Rechtsfähigkeit kraft staatlicher Verleihung erlangt hat und ansonsten nur den allgemeinen Gesetzen (insbesondere auch des Wettbewerbs- und Kartellrechts) unterliegt. Am 14.08.1953 hatten sich die GEMA und AWA darauf geeinigt, dass mit Wirkung vom 01.01.1951 die Urheber und Verleger in der DDR und des „Demokratischen Sektors von Groß-Berlin“ (Ostberlin) dem In-und Ausland gegenüber nur noch durch die AWA vertreten wurden und nicht, wie bisher, von der GEMA (Schulze 1981: 99).

    Am 02.10.1990 wurde die AWA im Zuge der Wiedervereinigung kurzfristig aufgelöst. Die AWA befand sich jedoch noch etliche Jahre in Liquidation und bestand rund fünf Jahre als „Gesellschaft in Liquidation“ weiter. Die ehemalige Mitarbeiterin der AWA beschrieb, dass sich die AWA während dieser Zeit der Abwicklung nur noch „mit sich selbst“ beschäftigt habe, unter anderem mussten Lösungen für die hauseigenen Immobilien gefunden werden. Viele Mitarbeitende wären nach der Wiedervereinigung nur noch zwei bis drei Monate für die AWA tätig gewesen, um den Übergang der Geschäfte zur GEMA zu begleiten. Für sie selbst war die Verbindung zur AWA nach der Wende allerdings bereits beendet.

    Wäre denn keine Fusion denkbar gewesen? Meine Gesprächspartnerin war zur Zeit der Auflösung Abteilungsleiterin in der AWA und deshalb oftmals in der Generaldirektion in Berlin. Der ehemalige Generaldirektor der AWA wünschte sich damals eine „starke“ AWA und unterbreitete der GEMA im Mai 1990 den Vorschlag einer Fusion. Meine Gesprächspartnerin erinnert sich noch heute an seine Worte: „Wenn es eine Fusion geben soll, dann wird die AWA auch so weiterarbeiten wie bisher.“ Dazu kam es jedoch nicht, das stand Ende Juli 1990 fest. Eine Fusion entsprach nicht den Vorstellungen der GEMA. Grund dafür könnte gewesen sein, dass die GEMA keine „Altlasten“ aus der DDR übernehmen wollte. Die Übernahme der Mitglieder der AWA war für den 01.12.1990 oder den 01.01.1991 vorgesehen. Ab dem 03.10.1990 existierte dann nur noch die GEMA als musikalische Verwertungsgesellschaft in der Bundesrepublik.

    Der Prozess der Abwicklung

    Wie stand es während des Auflösungsprozesses hinsichtlich der Kommunikation mit den Mitarbeitenden und den Mitgliedern der AWA? Wurden insbesondere die Mitarbeitenden umfassend in den Prozess miteingebunden und informiert? Da sich meine Gesprächspartnerin damals in einer Führungsposition befand, war sie intensiv in den Auflösungsprozess involviert. An eine Geheimhaltungspflicht kann sie sich nicht erinnern. Alles wurde offen an die Mitarbeitenden kommuniziert, denn es stand viel Arbeit an. Da am 01.07.1990 in der DDR die D-Mark gesetzliches Zahlungsmittel wurde, musste sichergestellt werden, dass die Einkünfte der Mitglieder auf der DDR-Staatsbank, der Sparkasse und dem Postscheckamt auch weiterhin verfügbar waren. Ende Juli stand fest, dass die AWA in der GEMA aufgehen wird. Die Mitarbeitenden fragten sich, wie es mit ihnen weiterginge, wie mit den ihnen zustehenden Urlaubstagen sowie ihren Arbeitszeiten verfahren würde. Das Tagesgeschäft lief weiter, aber es war eine zeitgleich eine sehr aufregende Zeit. Am 02.10.1990 wurde den Mitarbeitenden der AWA dann ein Aufhebungsvertrag und gleichzeitig ein (zunächst) befristeter Arbeitsvertrag mit der GEMA angeboten. Dieser wurde auch von allen unterschrieben. Personen, die kurz vor der Rente standen, wurden in diesen Prozess allerdings nicht mit eingebunden.

    Auch die Standorte der AWA, die sogenannten Bezirksdirektionen, wurden erst einmal beibehalten. Es gab insgesamt acht Bezirksdirektionen und eine Generaldirektion, die in der GEMA allerdings nicht als solche, sondern als eine der Außenstellen der GEMA weitergeführt wurden. Meine Gesprächspartnerin selbst hat in der Bezirksdirektion Chemnitz gearbeitet, die dann zur Außenstelle Chemnitz der GEMA wurde. Dresden erhielt ebenfalls eine Bezirksdirektion. Bis 1997 hat die GEMA alle Außenstellen aufgelöst und umstrukturiert. Die Standorte der AWA waren in Chemnitz, Leipzig, Dresden, Magdeburg, Halle, Erfurt, Berlin und Schwerin. Nicht für jeden DDR-Bezirk existierte ein eigener AWA-Standort. So wurde beispielsweise Neubrandenburg von Schwerin und Suhl von Erfurt aus betreut. Die Generaldirektion hatte ihren Standort in Ost-Berlin, in der Storkower Straße. Die heutige GEMA hat ihre Generaldirektionen in Berlin und München, das Kundencenter befindet sich in Dresden und die Geschäftsstellen liegen in Stuttgart, Nürnberg, Wiesbaden, Hamburg und nochmals Berlin (GEMA 2021).

    Insgesamt hatte die AWA vor der Wende ca. 8000 Mitglieder. Demgegenüber hatte die GEMA damals ca. 25.000 Mitglieder, also deutlich mehr. Bis heute hat sich die Anzahl der Mitglieder mehr als verdreifacht und liegt bei ungefähr 80.000. Alle 8000 Mitglieder der AWA hatten damals ein Schreiben und die Möglichkeit bekommen, der GEMA ohne Mitgliedsbeitrag beizutreten. Da die AWA aufgehört hatte zu existieren, war es für die Urheber:innen wichtig, dass ihr Anspruch auf ihre Rechte nicht verloren geht. Die Rechte wurden dann an die GEMA übertragen, so dass alle Urheber:innen der AWA weiterhin geschützt waren. Unter den Mitgliedern der AWA waren namhafte Künstler wie „Die Puhdys“, „Silly“ oder Reinhard Lakomy. Sie entschieden sich nach der Wende alle für eine Mitgliedschaft in der GEMA. „Die Puhdys“ waren in der DDR eine echte Kultband. Sie wurden viel und oft gehört und waren auch in der Bundesrepublik beliebt.

    Die Struktur der AWA

    Wie bereits erwähnt, unterstand die AWA dem Ministerium für Kultur und war insofern ein wichtiges Instrument, um die Kulturpolitik der SED, der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, durchzusetzen. Damit verbunden war die Einhaltung der sogenannten „60/40“-Regel. Diese Vorgabe besagte, dass 60 % des Repertoires der DDR-Musik vorbehalten war, 40 % durften von Künstler:innen aus dem Ausland kommen. Dies hing mit den Devisen zusammen, denn die AWA musste auch die Verteilung der Erlöse mit anderen Schwester- und Urheberrechtsgesellschaften vornehmen. Wie bei der GEMA mussten z.B. Veranstalter die Musikfolgen, also die Reihenfolge der Titel, welche auf der jeweiligen Veranstaltung gespielt wurden, melden. Dabei wurde strikt auf die Aufteilung 60/40 geachtet – sie wurde in der DDR streng kontrolliert.

    Der „Vorstand“ der AWA nannte sich Generaldirektor und hatte seinen Dienstsitz in der Generaldirektion in Berlin. Einen Aufsichtsrat gab es ebenfalls, dieser nannte sich Mitgliederbeirat und bestand aus Urheber:innen und Textdichter:innen. Bei der GEMA besteht der heutige Aufsichtsrat aus den Berufsgruppen der Verleger:innen, Textdichter:innen und Komponist:innen (GEMA 2021). Auch die AWA vertrat diese drei Berufsgruppen, also Textdichter:innen, Verleger:innen und Komponist:innen. Außerdem hatte die AWA bilaterale Verträge mit 36 Urheberrechtsgesellschaften in 25 Ländern und war somit auch als internationale Verwertungsgesellschaft anerkannt.

    In unserem Gespräch konnten wir durchaus einige Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen beiden Verwertungsgesellschaften feststellen. Es gab jedoch, insbesondere in Bezug auf die Arbeitsweise und die Struktur, keine grundlegenden Unterschiede zwischen der AWA und der GEMA – entgegen meiner Annahmen. Ein wesentlicher Unterschied bestand jedoch darin, dass die Schutzfrist, also die Frist innerhalb derer die Urheber:innen für ihre Werke vergütet werden, bei der AWA 50 Jahre und bei der GEMA 70 Jahre betrug. Dies hat sich nach der Wende positiv für die Urheber:innen der ehemaligen DDR ausgewirkt, da ihre Werke nach Beitritt in die GEMA länger geschützt wurden. Die AWA hat auf regionaler Ebene Pauschalverträge z.B. mit dem Deutschen Sportbund oder Parteien geschlossen, wie auch die GEMA heute Pauschalverträge, z.B. mit Parteien oder YouTube hat. Die oben erwähnten Musikfolgen mussten schon damals auch in West-Deutschland vom Veranstaltungsbetreiber ausgefüllt und an die GEMA geschickt werden. Bei der AWA geschah übernahm das das Ordnungsamt, die AWA stellte die entsprechenden Lizenzen aus. Ein weiterer Unterschied war, dass es bei der AWA keinen Betriebsrat gab, der sich für die Belange der Belegschaft eingesetzt hätte. Bei den Mitarbeitenden wurde der Wunsch nach einem Betriebsrat immer größer. Glücklicherweise hat sich dies nach der Wende schnell ergeben.

    Wie war bei der AWA die Vergütung geregelt? Sie erfolgte nach demselben Prinzip wie bei der GEMA. Die angemeldeten Werke wurden zunächst gelistet. Nach einem festgelegten Punktesystem hat die AWA dann die entsprechenden Tantiemen an die Künstler:innen im In-und Ausland ausgezahlt. Auf der Grundlage der genannten internationalen Verträge konnte die AWA auch die Rechte von DDR-Musikschaffenden im Ausland schützen. Wurden z.B. „Die Puhdys“ im Westen gespielt, haben diese einen prozentualen Anteil in Devisen-Valuta ausbezahlt bekommen. Valuta war ein übergreifendes Zahlungsmittel in der DDR.

    Hat man für die Arbeit bei der AWA eine spezielle Ausbildung gebraucht? Nein. Wie bei der GEMA war keine bestimmte Ausbildung vorausgesetzt. Die AWA hatte rund 300 Mitarbeitende. In 8 Bezirksdirektionen wurden ca. 15-20 Mitarbeitende beschäftigt. Im Vergleich dazu hatte die GEMA damals ungefähr 1.200 Mitarbeitende. Heute arbeiten bei der GEMA mehr als 1.000 Mitarbeitende.

    Fazit

    Für mich war das Gespräch sehr wertvoll. Meine Erwartung war, dass zwischen GEMA und AWA viel größere Unterschiede bestanden. Konzepte und Arbeitsweise ähnelten sich jedoch sehr. Trotzdem sind die Leitmotive des DDR-Staatsapparates in der AWA verwirklicht worden. Meine Gesprächspartnerin hat die Zeit bei der AWA als sehr positiv empfunden und denkt heute noch nicht ungern daran zurück. Die AWA ist ein gutes Beispiel für das „mediale Erbe der DDR“. Nicht zuletzt deshalb, weil viele ehemalige AWA-Bands heute noch von der GEMA vertreten werden.

    Literatur:

    Manuela Maria Schmidt, Karl Riesenhuber, Raik Mickler: Geschichte der musikalischen Verwertungsgesellschaften in Deutschland. In: Reinhold Kreise, Jürgen Becker, Karl Riesenhuber (Hrsg.). Recht und Praxis der GEMA. Handbuch und Kommentar. Berlin: De Gruyter 2008. S. 5-24.

    Erich Schulze: Urheberrecht in der Musik. Berlin: De Gruyter 1981.

    Empfohlene Zitierweise:

    Christina Zander: Die “GEMA” des Ostens? Zur AWA, der musikalischen Verwertungsgesellschaft der DDR. In: Michael Meyen (Hrsg.): Das mediale Erbe der DDR 2022. https://medienerbe.hypotheses.org/3527.

    #DDR #droit_d_auteur #histoire #musique

  • Geheim und totgeschwiegen : Meinungsforschung in der DDR
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/geheim-und-totgeschwiegen-meinungsforschung-in-der-ddr-li.2177359

    La RDA avait son institut de sondages qui fournissait des informations pertinentes sur les opinions de la population du petit pays. Quand le vent commencait à tourner et les retours montraient des indices pour l’éloignement de la population du parti et du gouvernement l’institut fermait ses portes - sur ordre du grand chef Erich Honnecker. J’ai pu constater à ce moment même au sein de la nomenklatura une impression d’impuissance face à la sclérose politique causée par les vieux combattants antifascistes. Il avaient encore dix ans jusqu’à la défection du peuple et l’effondrement de leur oeuvre historique.

    19.1.2024 von Heinz Niemann - Es hat sie wirklich gegeben, Meinungsforschung zwischen 1964 und Ende 1978. Das Institut für Meinungsforschung (IfM) wurde auf Initiative Ulbrichts gegründet.

    Ein Institut wie das zur Meinungsforschung war im ganzen Osten ein Unikat. Zwar war das IfM nicht völlig geheim geblieben, zumindest der Spiegel vermeldete in seiner Ausgabe vom 15. Mai 1965 seine Gründung, wobei der Verfasser sich belustigt über „Schmerzen der Wende in der ideologischen Massenarbeit“ mokierte, weil „die Volksbefrager sich an der neuen Perspektive stießen: Bislang darauf dressiert, Ulbrichts Untertanen auf Staatskurs zu scheuchen, fühlten sie sich wie Wachhunde, die plötzlich Pfötchen geben sollten.“ Denn jetzt war die Meinung der Leute nicht mehr nur auszuspähen, sie musste ihnen auch gelassen werden.

    So mahnt denn ein Merkblatt, das an die Meinungsforscher verteilt wurde, nachdrücklich: „Du musst … beachten, dass jede Beeinflussung zu unterbleiben hat, die die Antwort der Befragten in eine bestimmte Richtung lenken könnte.“

    Meinungen über „politisch-ideologische Probleme“

    Um auch bei den involvierten Funktionären alle Unklarheiten auszuräumen, folgte ein Beschluss des Politbüros vom 10. August 1965 an die Ersten Sekretäre der Bezirks- und Kreisleitungen, der hervorhob: „Das Institut hat die Aufgabe, mit den Mitteln der soziologischen Forschung für die Parteiführung möglichst exakte Informationen über die Meinung der Bevölkerung der DDR zu wichtigen politisch-ideologischen Problemen des umfassenden Aufbaus des Sozialismus in der DDR und der nationalen Politik in beiden deutschen Staaten zu liefern.“ Doch die Öffentlichkeit erfuhr nichts mehr von diesem Institut; ausgenommen die Befragten.

    Befragt – ausschließlich schriftlich in VEB mit der „Klumpen-Auswahl“ (ganze Betriebsbereiche einbeziehend) und postalisch repräsentativ ausgewählte Bevölkerungsgruppen – wurden im Laufe der Jahre rund eine halbe Million Probanden, was 268 Berichte erbrachte, als Geheime Dienstsache in limitiertem Umfang von 25 Exemplaren den Mitgliedern und Kandidaten des Politbüros übermittelt.

    Deren mit seriöser Methodik und meist fast 85-prozentiger Rücklaufquote (durch Gruppenbefragung) erfasste Quellen führten zu validen Daten, die nach Bekanntwerden 1993 in Medien fast durchweg heftig bestritten und von der etablierten Wissenschaft rasch totgeschwiegen wurden. Dies war nicht überraschend, denn für den Zeitraum von etwa 1965 bis 1976/77 ließen sie unter anderem den Schluss zu, dass es in der Bevölkerung eine über 80 Prozent liegende Zustimmung zu den Grundlinien der Partei- und Staatspolitik gegeben hat.

    Das auf den Aufbau des Sozialismus ausgerichtete SED-Regime hatte nur zwei Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch des nazistischen Dritten Reichs und trotz meist nicht sehr friedlichen Wettstreits mit einem ökonomisch überlegenen System im reicheren Teil Deutschlands eine historisch beachtliche Leistung vollbracht. (Eine ganze Reihe von Umfragen unterschiedlicher Einrichtungen, darunter auch die des Instituts für Jugendforschung aus Leipzig, haben nach dem Fall der Mauer mit meist über 50 Prozent liegenden positiven Ergebnissen diese generelle Stimmungslage bestätigt.)

    Es war naheliegend, darauf hinzuweisen, dass ein System mit klarer Akzeptanz und mehrheitlicher Zustimmung des Volkes ein hohes Maß an historisch-politischer Legitimität erfährt, weil – um es mit Hume zu sagen: All governments rest on opinion!

    Das war natürlich ein Angriff auf das Herzstück des öffentlichen Diskurses zur Delegitimierung des SED-Regimes und wurde mit sarkastischen Hinweisen auf Millionen Flüchtlinge, auf eine völlig auszuschließende seriöse Arbeitsweise des Instituts und mit der „Klarstellung“ beantwortet, dass die unter dem Zwang des Regimes stehenden befragten Probanden es niemals gewagt hätten, offen und ehrlich zu antworten.

    Als sich bei abgewickelten, aber nicht ganz zum Schweigen gebrachten Gesellschaftswissenschaftlern Widerspruch regte, waren die Verfechter des öffentlichen Narrativs empört. Allein nach Unterschieden von Legalität und Legitimität zu fragen, könne man nur als apologetische Klimmzüge von Leuten verstehen, die ihr Versagen, ihre Mittäterschaft und ihre Schuld nicht eingestehen wollen.

    Ein verkehrtes Gesamturteil?

    Die geltende Verfassungstheorie und das Recht machen die Legitimität eines Staates allein von den Ergebnissen legaler Wahlen abhängig. Legalität wird der DDR damit erst nach den Wahlen vom März 1990 zuerkannt, womit sie für die Zeit davor ohne Probleme zum Unrechtsstaat deklariert werden kann. Die geretteten Berichte stützen zumindest bedingt ein entgegengesetztes Gesamturteil, dass das gesellschaftliche System der DDR mehrheitlich – um mit Habermas zu sprechen – alles in allem für „anerkennungswürdig“ gehalten wurde, da es perspektivisch die Realisierung seiner (sozialen und humanistischen) Ideen versprach.

    Die Validität der Zahlen in den Berichten des IfM ausführlich darzustellen, würde hier den Rahmen sprengen. Paradoxerweise ist schließlich sogar das Ende der Meinungsforschung dafür ein Beleg. Als nach dem IX. Parteitag der SED 1976 statt eines Aufschwungs die Umfragen zunehmend negative Ergebnisse lieferten, ließ Honecker beschließen, das Institut unter fadenscheinigen Begründungen aufzulösen. Gegen alle bestehenden gesetzlichen Vorschriften für den Umgang mit solchen Akten befahl er, dass alle Unterlagen der Mitarbeiter einzusammeln und restlos zu vernichten seien.

    Nur 41 seinerzeit von einzelnen leitenden Mitarbeitern im ZK-Apparat nicht zurückgegebene Berichte wurden bisher aufgefunden. In dem riesigen Konvolut der Archivalien des ehemaligen Parteiarchivs dürften noch weitere überlebt haben und stünden der Forschung – wenn gewollt – zur Verfügung. An wenigen Beispielen soll in gebotener Kürze ihr Wert demonstriert werden, der auch durch die Tatsache gestärkt wird, dass es sich um Probanden handelte, die aufgrund des verbreiteten Empfangs westdeutscher Medien nicht durch ein herrschendes Informationsmonopol einseitig manipulierbar waren.

    Im Mai/Juni 1965 wurden in acht Bezirken der DDR 2367 Fragebogen an Einwohner verschickt und von Interviewern eingesammelt. Gefragt wurde nach einigen Problemen der nationalen Politik in beiden deutschen Staaten. Der Rücklauf betrug 1185, also rund 52 Prozent. Eine Quote, von der heutige Umfragen nur träumen können.

    Auf die Frage, welche der beiden existierenden Regierungen das Recht hätte, im Namen des ganzen deutschen Volkes aufzutreten, sprachen sich 55,5 Prozent für die DDR, 2,3 Prozent für die BRD, 19,2 Prozent für beide Regierungen und 18,6 Prozent für keine von beiden aus.

    Die Frage, ob die Ansicht der Bundesrepublik richtig sei, dass die DDR kein souveräner Staat wäre, beantworteten 80,6 Prozent mit Nein und 7,1 Prozent mit Ja. Für die Entwicklungstendenz ist die Beachtung der Verteilung nach Altersgruppen wichtig. Bis 25 Jahre lag der Nein-Anteil bei 85,8 Prozent, bei den über 50-Jährigen sank er bis auf 77,8 Prozent.

    Ende Juli, Anfang August 1966 wurden zu Problemen der westdeutschen Politik in sechs Großbetrieben, 403 Kreisstädten und fünf Bezirken 3219 Fragebogen eingesetzt, von denen 2324 ausgewertet werden konnten. Die Frage, ob der Alleinvertretungsanspruch der westdeutschen Regierung gerechtfertigt sei, wurde von 92,6 Prozent verneint. Auf die Frage, welches Ziel damit verfolgt würde, meinten 80,6 Prozent, um ihren Machtbereich auf die DDR auszudehnen, nur 13,4 Prozent erwarteten die Vereinigung Deutschlands auf (westlicher) demokratischer Grundlage.

    Verbesserung sozialer Lage begünstigt Stimmungswandel

    Für den Stimmungswandel spielte die Verbesserung der sozialen Lage eine wesentliche Rolle. Eine Umfrage zu Problemen der Wirtschaft und Politik vom Februar 1967 in zehn VEB im Bezirk Halle mit 1954 ausgegebenen und 1626 auswertbaren Bögen erbrachte zur Frage nach den persönlichen wirtschaftlichen Verhältnissen mit 37,1 Prozent „sehr gut/gut“, 50,3 Prozent „teils-teils“ und 9,6 Prozent „nicht gut/schlecht“ ein Ergebnis, das bei einem Anteil von 75 Prozent Produktionsarbeitern als positiv zu bewerten war. Bei der Frage, wo es mehr soziale Sicherheit für den Arbeiter gebe, blieb der Westen mit 3,6 Prozent gegenüber 89,9 Prozent im Osten geschlagen. Fast deckungsgleiche Ergebnisse wurden im Bezirk Erfurt gemessen.

    In gewissem Sinne stellten der Verlauf und das Ergebnis des Volksentscheids über die neue Verfassung von 1968 ein besonders gewichtiges Indiz für die Legitimierung des ostdeutschen Staates dar. Bisher einmalig in der deutschen Geschichte konnte ein Volk über die Verfassung seines Staates befinden, vorbereitet durch eine ebenfalls noch nie dagewesene breite Aussprache über ihren Entwurf. Das IfM war gleich zweifach im Einsatz.

    Auf Ulbrichts Ersuchen waren im Vorfeld vier Umfragen mit 5368 Probanden gemacht worden, die ein sehr positives Abstimmungsergebnis erwarten ließen. Zwischen 50 und 60 Prozent hatten danach den Entwurf gründlich gelesen, rund 20 Prozent zumindest überflogen. Die wahrscheinliche Zustimmungsrate lag zwischen knapp 80 und 85 Prozent, was sich am Wahltag weitgehend bestätigte. Bei einer Wahlbeteiligung von 98,05 Prozent gab es 94,49 Prozent Ja-Stimmen, 409.733 Nein-Stimmen, der Rest (24.353) war ungültig. In der Hauptstadt gab es 90,96 Prozent Ja-Stimmen. Das IfM hatte in einigen Wahllokalen zum Beispiel in Dresden veranlasst, dass alle Wähler die Kabinen aufsuchen sollten, wofür allerdings kein Bericht aufgefunden wurde. Kolportiert wurde seinerzeit, dass es dort bei „Kabinenzwang“ vier bis fünf Prozent weniger Ja-Stimmen gegeben hätte. Bei Honecker mussten es dann wieder 99,9 Prozent sein.

    Als Fazit kann festgehalten werden: Die Charakterisierung der DDR als zweite Diktatur, als Unrechtsstaat von Anfang bis Ende, wird der Entwicklung und dem historischen Platz der DDR in der gesamtdeutschen Geschichte in keiner Weise gerecht.

    Sicherlich wird es auch in weiterer Zukunft noch Differenzen und wissenschaftlichen Streit um die Beurteilung verschiedenster Tatbestände und Prozesse zwischen den Fachleuten und politischen Kombattanten wie im gesellschaftlichen Diskurs geben, aber eine Trennlinie könnte sie weiterhin in zwei Lager teilen, und diese Grenze wird durch die jeweilige Antwort auf die Frage nach der historisch-politischen Legitimität der DDR als einer von zwei politisch-moralisch gerechtfertigten Alternativen nach Nazi-Faschismus und Weltkrieg markiert sein.

    #DDR #histoire #socialisme #politique #statistique #sondage

  • Stadtplan Ostberlin 1986
    https://landkartenarchiv.de/vollbild_ddr_stadtplaene.php?q=stadtplan_berlin_25T_1986

    Bemerkenswert : Eingezeichnet ist die für DDR-Bürger unzugängliche unterirdische S-Bahn zwischen Anhalter Bahnhof (unterirdisch, Kreuzberg) über Bahnhof Unter den Linden (geschlossen), Friedrichstraße (unten, nur für Westberliner), Oranienburger Straße (geschlossen), Nordbahnhof (geschlossen) nach Humboldthain (oberirdisch, im Wedding).

    #DDR #Berlin #Westberlin #Ostberlin #Geschichte #Kartografie #S-Bahn

  • DDR-Geschichte : Abenteuer mit der Freundschaftsbrigade in Afrika
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/ddr-geschichte-abenteuer-mit-der-freundschaftsbrigade-in-afrika-li.

    L’état socialiste allemand poursuivait une politique d’aide au développement solidaire. Des milliers de jeunes diplomés y participaient et construisaient des logements et d’autres infrastructures. A la fin d’un projet les partenaires locaux en prenaient la gestion autonome. L’auteure raconte son expérience personnelle .


    Fast 13.000 Lastwagen W50 lieferte die DDR nach Angola, manche rollen noch heute. Hier zwei Exemplare im Jahr 2020 in der Stadt Calulu.

    14.1.2024 von - Maritta Adam-Tkalec - Ein Weg in die Welt führte für etliche Tausend junge Leute nach Asien, Afrika und Lateinamerika – für viele Monate zur Entwicklungshilfe. Was für eine Erfahrung!

    Die Freie Deutsche Jugend musste ran, sobald die DDR Außerordentliches anging – ob der Bau einer Erdgastrasse in der Sowjetunion, des Zentralflughafens Berlin-Schönefeld, des Kernkraftwerks Lubmin oder der Umbau der alten Berliner Mitte zur repräsentativen DDR-Hauptstadt.

    Zentrale Jugendobjekte profitierten von der Allgegenwart der FDJ, die über straffe Strukturen für solche klar definierte und zeitlich begrenzte Projekte verfügte.

    Solche Großvorhaben setzten natürlich auch auf die Begeisterungsfähigkeit junger Leute, in der Anfangszeit der DDR mit Riesenerfolg. Dem Aufruf zur Aktion „Max braucht Wasser“ 1949 folgten 2400 Jugendliche und bauten eine Wasserleitung von der Saale zum Stahlwerk Maxhütte in Unterwellenborn. Die Schüler und Studenten schliefen in Güterwagen mit Kanonenöfen und legten die fünf Kilometer lange Leitung binnen 90 Tagen.

    Im Geiste dieses legendären Vorbilds zogen 1964, vor 60 Jahren, die ersten FDJ-Freundschaftsbrigaden in junge Nationalstaaten. Sie sollten Dörfer aufbauen, aber auch von der Solidarität der DDR mit den ehemals kolonial unterdrückten Völkern künden – als Botschafter im Blauhemd. Entsandt wurden keineswegs allein von Idealismus getriebene Laien, sondern qualifizierte und nach persönlicher Eignung ausgewählte Leute – SED-Mitgliedschaft erwünscht, aber es ging auch ohne.
    Freundschaftsbrigaden aus der DDR in 26 Staaten

    Die ersten reisten als Agrarberater ins 1960 unabhängig gewordene Mali, kurz darauf begann eine Brigade in Algerien mit dem Wiederaufbau eines im Unabhängigkeitskampf gegen Frankreich zerstörten Ortes. 1966 ging eine Brigade an den Aufbau eines Musterdorfes in Sansibar, samt einer Berufsschule für Schlosser, Klempner sowie Tischler und einer Moschee.

    „Über ein Vierteljahrhundert lang arbeiteten wir in 26 Staaten an mehr als 40 Standorten und halfen mit, dort aus der Jugend Tausende eigene Fachleute für die Wirtschaft auszubilden“, schreibt eine Gruppe ehemaliger Brigadisten zu Beginn des Jahres 2024 zum 60. Jahrestag an einstige Mitaktivisten.


    Straße mit DDR-Plattenbauten in Sansibar – Ergebnis der Arbeit einer FDJ-Freundschaftsbrigade imago

    Diese Einsätze in Asien, Afrika und Lateinamerika sind heute wenig bekannt. Die nach der Wende verfassten, dürftigen Studien fallen hoffnungslos einseitig aus. Zumeist fußen sie auf bürokratischen Arbeitsberichten oder auf den in der Regel als ideologischer Kulissenzauber produzierten „Brigadetagebüchern“.

    Die ehemals Beteiligten erinnern sich an Schönes und Schwieriges: „Im engen freundschaftlichen Kontakt – oft weit entfernt von den Zentren der Einsatzländer und unter komplizierten Bedingungen mit einfachen Mitteln – gaben wir mit großem persönlichem Einsatz unsere beruflichen Erfahrungen und Fähigkeiten aus dem Bauwesen, dem Handwerk, dem Gesundheitswesen und der Landwirtschaft an unsere jungen, wissbegierigen Freunde vor Ort weiter.“ Einsatzbereitschaft auch über die Aufgabe hinaus und Bescheidenheit verschafften den Brigaden hohes Ansehen – zumindest hört man das noch heute aus den Gastländern.

    In Angola arbeiteten mehr als 20 Jahre lang Hunderte Kfz-Schlosser, -Elektriker, -Klempner, Fahrschullehrer, auch einige Ärzte und Krankenschwestern. Die Autorin dieses Textes war als Dolmetscherin von Juli 1978 bis März 1979 dabei, davon fünf Monate in der südlichen Basis Lobito, eindrucksvoll gelegen zwischen Gebirge, Wüste und Atlantik. Das größte denkbare Abenteuer ihrer bis dahin 22 DDR-Lebensjahre.

    Abenteuerlust, Neugier auf die ganz andere Welt da draußen und die Aussicht, dauerhaft Reisekader zu werden – das nennt auch Roland Scholz, von 1978 bis 1988 (mit Unterbrechung) Leiter der Zentralen Einsatzleitung der Brigaden in Angola, als Hauptmotive für die Entscheidung, sich für viele Monate, ohne Familie in unkomfortable Lebensumstände zu begeben, in Mehrbettzimmer, große Hitze, meist ohne Klimaanlage, mit instabiler Wasser- und Stromversorgung – und Myriaden von Malariamücken.


    Auch nach dem Ende der DDR arbeitete das Krankenhaus Carlos Marx in Managua weiter. Es war 1985 als eines der größten Solidaritätsprojekte der DDR gegründet worden. 2008 reiste Margot Honecker aus ihrem Exil in Chile zum Besuch an.Esteban Felix/AP

    Angola wuchs zu einem der größten Einsätze von Freundschaftsbrigaden. Doch die Zuständigkeit lag bis 1986 gar nicht beim Zentralrat der FDJ, sondern in den Händen von Fachministerien (Verkehr und Maschinenbau). Auch rührte der Einsatz nicht allein aus dem Motiv, Angola nach dem Ende der portugiesischen Kolonialmacht 1975 zu helfen.

    Die DDR hatte handfeste Interessen: politische, weil sich die neue Führung Angolas für einen sozialistischen Weg offen zeigte, und wirtschaftliche. Die Kaffeepreise auf dem Weltmarkt waren 1977 extrem gestiegen, die devisenschwache DDR litt und das Volk murrte, weil es nicht genug „guten Bohnenkaffee“ gab. Angola verfügte über erstklassige Kaffeeanbaugebiete. Statt „Max braucht Wasser“ galt nun „Heinz und Erika brauchen Kaffee“.

    Als der Kaffee in der DDR plötzlich eine teure Mangelware wurde

    Reiseweltmeister DDR: Von wegen Urlaub im Zwangskollektiv

    1977 fädelte Werner Lamberz, Mitglied des SED-Politbüros, den Deal Kaffee gegen Lastwagen aus Ludwigsfelde ein, was einer Direktumwandlung von DDR-Mark in Dollar gleichkam. Allradgetriebene W50, geeignet für den Einsatz in gebirgigen Kaffeeplantagen, hatte man auf Lager – Restbestände von Militärlieferungen, ursprünglich für Verbündete in der arabischen Welt produziert, daher die saharagelbe Lackierung. Seinerzeit munkelte man, sie seien für den Einsatz im Jom-Kippur-Krieg 1973 gedacht gewesen. Das hieße: im Aggressionskrieg gegen Israel.

    Den Lkw-Service in Angola sollten die Freundschaftsbrigaden etablieren und obendrein Kaffeeschälmaschinen reparieren – alles schnell, improvisierend, kostengünstig. Wer als Brigadist nach Angola wollte, sollte neben der Fachqualifikation auch Grundwehrdienst geleistet haben, tropentauglich, verheiratet und Parteimitglied sein. In meiner Brigade erfüllten die wenigsten die letzten beiden Punkte. Auch ich nicht – ledig, parteilos.

    Westgeld für zu Hause

    Das Gehalt (plus Tropenzuschlag) wurde zu Hause gezahlt, Unterkunft und Verpflegung hatte laut Vertrag der angolanische Staat zu stellen, dazu ein Taschengeld in der Landeswährung Kwanza im Gegenwert von 90 US-Dollar pro Monat. Wer das nicht verbrauchte, konnte es als Devisengutschein nach Hause transferieren. Das machten alle. Für die Privatkasse betrieb jeder je nach Talent einen (DDR-offiziell streng verbotenen) Tauschhandel. Billige Ruhla-Armbanduhren waren der Renner.

    Zum Vorteil für alle geriet die in der „ersten Heimwerkerdiktatur auf deutschem Boden“ (so ein namhafter Historiker) antrainierte Fähigkeit zum Improvisieren. Also: mit wenig oder nur halb passendem Material kreativ umgehen und das fehlende zu „organisieren“. Für Schlosser einer Autowerkstatt in Angola waren Schrottplätze und Unfallstellen solche Quellen. Dort lagen Ersatzteile – leider auch in kurz nach der Lieferung verunfallten W50.

    Bildstrecke


    _Völkerfreundschaft live: Der kubanische Koch (Mitte) aus der Nachbarschaft hat gefüllte Tintenfische serviert. Dolmetscherin Maritta hats geschmeckt. Maritta Tkalec


    Brigadist vor FDJ-Fahne im Gemeinschaftsraum der Basis Lobito. Maritta Tkalec


    Unterkunft der FDJ-Brigade Lobito, vom Atlantikstrand aus gesehen, ehemals Wohnungen portugiesischer Postbeamter. Maritta Tkalec


    Weihnachten 1978/79 am Atlantikstrand, eine eher traurige Versammlung Maritta Tkalec


    Der Schriftsteller Jürgen Leskien, der die Arbeit der Brigade einige Monate lang begleitete, schenkt Hochprozentiges aus. Maritta Tkalec

    Ansonsten floss viel Energie in den Alltag: Sauberes Wasser herbeischaffen, Moskitonetze und Stromgenerator erzwingen, Bananenkisten durch ein paar Möbelstücke ersetzen, Kontakt zur Brauerei pflegen, denn Bier hebt die Laune in jedem Schützengraben und diente in Angola als Tauschwährung. Der Bauer des Ananasfeldes mit köstlichen Riesenfrüchten nahm gerne Bier, während der deutsche Farmer, seit Jahrzehnten ansässig im Hochland von Gabela, sich über ein Neues Deutschland freute.

    Vom Mut des jeweiligen Basisleiters hing ab, wie viel Abenteuer möglich war: Ausflüge ins Umland, in atemberaubende Landschaften, in abgelegene Dörfer, mit dem kubanischen Krabbenfischer auf den Atlantik, zur nächtlichen Festa mit Trommeln unter Palmen, der Besuch in der Zaubermittel-Apotheke eines Heilers. Wer zu Hause von solchen Erlebnissen berichten konnte, war der beneidete Star der Familienfeier.

    Für die Partei- und Jugendarbeit gab es in Luanda zwei Verantwortliche, aber Lobito lag Hunderte Kilometer weit weg. Als sie uns besuchten, hing natürlich im „Wohnzimmer“ die gebügelte FDJ-Fahne. Das Verbot, über die Arbeitskontakte hinaus keine Beziehungen in die Bevölkerung hinein zu pflegen, unterhöhlte die propagierte Grundidee von der Freundschaft der Völker, ließ sich aber umgehen.

    Roland Scholz erinnert sich an die politische Stimmung der Brigadisten: „Der Solidaritätsgedanke war nicht motivierend. Und von FDJ war da anfangs noch gar nichts.“ Dennoch: Die Bereitschaft, den angolanischen Nachbarn zu helfen, den Werkstattkollegen etwas beizubringen war groß – Ehrensache ebenso wie der reparierte Motor, auch wenn es mal über den Feierabend hinausging.


    W50 als Busersatz im kubanischen Baracoa. Auch in Kuba arbeitete eine Freundschaftsbrigade. Sarang/CC0 1.0 Universal

    Immer wieder rückten wir camaradas alemães aus zu Sonderaktionen am Wochenende oder wenn die örtliche Verwaltung ein besonders großes Problem hatte. Zu offiziellen Anlässen wie Kundgebungen an Feiertagen oder Kulturereignissen erschienen wir im Blauhemd. Man war froh über jede Abwechslung.

    Heimweh und Seelenkasper

    Und nicht jeder blieb in den langen Monaten fern von zu Hause – ohne Telefon und nur alle vier Wochen Postlieferung – psychisch stabil. Da konnten die Palmen noch so rauschen und der Atlantik in der Sonne blitzen: Zu Weihnachten kam zum Heimweh der Seelenkasper, nach reichlich Bier flossen auch die vom Vater oder Opa gehörten Landsersprüche. Ansonsten erlebten wir eine Region im Krieg. Die Rebellenorganisation der Unità überfiel Transporte, zündete Bomben vor Krankenhaus und Volksladen. Es galt nächtliche Ausgangssperre. Kubanische Militärs wohnten in der Nachbarschaft.

    In den DDR-Zeitungen, die über die Freundschaftsbrigaden berichteten, fehlte das Wort „Solidarität“ niemals – dennoch blieben die Texte überwiegend in offiziösem und emotional trockenem Tonfall. Unkontrollierte Begeisterung für Abenteuer in Afghanistan, Somalia, Guinea-Conakry oder Kuba zu wecken, lag offenbar nicht in der Absicht. Dafür bekamen wir den vermessenen Anspruch zu hören, man stehe als Brigadista gemeinsam mit den natürlichen Verbündeten in den Entwicklungsländern an „vorderster Front im Kampf für den weltweiten Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus/Kommunismus“.

    Gleichwohl: Die Männer der DDR-Führung meinten es mit der Botschaft der Brigaden – Internationalismus und Solidarität – ernst. Bei Begegnungen mit Vertretern junger Nationalstaaten gingen ihnen die Herzen auf. Auch die Taschen. Als Dolmetscherin habe ich das erlebt: Wenn DDR-Offizielle Afrika besuchten, brach sich sentimentale Erinnerung an die Träume der eigenen Jugend Bahn. Wirtschaftlich ertragreich arbeiteten die Freundschaftsbrigaden nicht. Doch sie brachten Renommee – wichtig in den Jahren, als die DDR um staatliche Anerkennung kämpfte, dann bei Abstimmungen in der Uno und schließlich bei der Suche nach Wirtschaftspartnern.

    Die DDR kannte sich aus im Metier Berufsausbildung; und jeder hielt das für nützlich und sinnvoll. Die Partner wussten, dass die DDR-Brigaden mit Plan und Auftrag auch in entlegenen Gegenden arbeiteten, koordiniert und nicht nach dem Gießkannenprinzip.

    Der Berliner Afrikaspezialist Professor Ulrich van der Heyden hat in seiner Studie „Freundschaftsbrigaden, Peace Corps des Ostens“ die Strategie der Berufsausbildung beschrieben: die Besten aus den Berufsausbildungszentren zur Lehrmeisterausbildung in die DDR schicken, nach deren Rückkehr Übernahme der Projekte in lokale Hände.

    Das Ziel bestand von vornherein darin, sich wieder aus dem Projekt herausziehen, statt dauerhafte Abhängigkeiten zu erzeugen. Vorbildlich im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe. In den wenigen Projekten, die nach der Wiedervereinigung vom DED (Deutscher Entwicklungsdienst) übernommen wurden, verloren die Ortskräfte die Verantwortung. Dies erfuhr Ulrich van der Heyden von einer DED-Mitarbeiterin. Die DDR-Erfahrung interessierte nicht mehr.

    #histoire #DDR #RDA #Angola #FDJ #tier_monde #Afrique #solidarité_internationale

  • Der geheime SEZ-Architekt Günter Reiß: „Mir blutet das Herz, wenn ich mein Werk heute sehe“
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/der-geheime-sez-architekt-guenter-reiss-li.2175883


    Für unseren Fotografen hat Günter Reiß noch einmal vor dem Gebäude posiert, das er einst entworfen hat. Leicht fiel ihm das in Anbetracht des Zustands des SEZ nicht. Foto Emmanuele Contini

    14.1.2024 von Anne Vorbringer - Dass Günter Reiß die einstige DDR-Badeberühmtheit SEZ geplant und geprägt hat, durfte lange niemand wissen. Jetzt erzählt er seine Geschichte.

    „Der Großstadtbürger verfügt heute über ausreichend Freizeit, die er zunehmend zur Erholung und Entspannung bei sportlicher Betätigung nutzt. Dem Ziel, Einrichtungen für Publikumssport und Freizeitbetätigung im Stadtzentrum von Berlin (DDR) zu schaffen, diente ein im Sommer 1977 erarbeitetes Rahmenprogramm zur Errichtung einer großzügigen Freizeitanlage.“ Dieser Text steht in einem Magazin des Bauunternehmens Hochtief aus dem Jahr 1982. Es geht darin um das SEZ an der Kreuzung Leninallee/Dimitroffstraße (heute Landsberger Allee/Ecke Danziger Straße) in Friedrichshain, das ein Jahr zuvor mit großem Pomp eröffnet worden war.

    Weiter heißt es im Heft: „Kommerzielle Überlegungen standen im Hintergrund, die erholende, entspannende, sportlich-spielerische Wirksamkeit war entscheidend. Das Sport- und Erholungszentrum wurde am 20. März 1981 nach dreijähriger Planungs- und Bauzeit fertiggestellt. Berlin wurde um ein Stück künstlerisch gestalteter Wasser- und Erholungslandschaft reicher.“

    All das ist lange her – und um das SEZ ist es inzwischen schon seit vielen Jahren schlecht bestellt. Jetzt hat der Senat als Wiedereigentümer entschieden, dass der gesamte Komplex abgerissen werden soll. Auf unseren Social-Media-Kanälen und in zahlreichen Leserbriefen, die die Berliner Zeitung in den letzten Tagen erreichten, zeigt sich jede Menge Unverständnis, Traurigkeit, Wut über die Abrisspläne.

    Es hat sich aber auch ein Mann bei uns gemeldet, der in ganz besonderer Weise mit dem SEZ verbunden ist. Günter Reiß, heute 83 Jahre alt, hat das SEZ damals als Architekt bei Hochtief maßgeblich geplant und entworfen. Sein Name ist auch im oben genannten Heft als einer der Entwurfsverfasser genannt. Offiziell aber durfte Reiß lange nicht auftauchen, besonders auf der DDR-Seite nicht. Bis heute ist häufig von schwedischen Architekten die Rede, die das SEZ geplant hätten. Doch das ist nur die halbe Wahrheit, wie uns Günter Reiß beim Besuch in der Redaktion erzählt.

    Er hat die Pläne von damals mitgebracht, die Originalentwürfe für das SEZ, die seinen Namen tragen. Er breitet sie vor sich auf dem Tisch aus, dann erzählt er seine Geschichte.


    Die Entwürfe sind alle noch da: Günter Reiß zeigt Skizzen und Originalpläne vom SEZ.

    Herr Reiß, wann haben Sie zum ersten Mal von den Plänen für ein neues Sport- und Erholungszentrum in Ost-Berlin gehört?

    Das war 1977, damals arbeitete ich als Architekt bei Hochtief in West-Berlin. Dort erreichte uns ein Schreiben von der Aufbauleitung Sondervorhaben Berlin, die in der DDR prominente Bauprojekte wie den Palast der Republik organisiert hat. Der dortige Chef, Erhardt Gißke, wollte Hilfe von Hochtief bei der Planung eines multifunktionalen Zentrums für Sport und Erholung, eben das spätere SEZ. Also malten wir Pläne, warfen Kreise und Linien aufs Papier, entwarfen die einzelnen Bereiche, schickten Skizzen hin und her, von Ost nach West und zurück. Immer alles schön doppelt, damit in den DDR-Dokumenten nur die Aufbauleitung Sondervorhaben stand, und im Westen eben der West-Konzern Hochtief.

    Als Anfang 1978 die offizielle Ausschreibung vom zuständigen Außenhandelsunternehmen Limex kam, haben unsere Chefs bei Hochtief gesagt, jetzt müssen wir auf den Putz hauen. Also zeichnete ich los, Tag und Nacht, im Büro und zu Hause. In unserer Küche habe ich sogar Gardinenmuster gefärbt. Schließlich bekamen wir den Auftrag, aber mein Name durfte bei den DDR-Offiziellen nicht auftauchen.

    Warum denn nicht, schließlich waren das doch Ihre Entwürfe?

    Ich bin 1972 aus dem Ostteil der Stadt nach West-Berlin geflüchtet. Wenn herausgekommen wäre, dass ein DDR-Flüchtling beteiligt ist, hätte unser Entwurf in dem Wettbewerb keine Chance gehabt. Also wurde der Name nicht genannt. Ich war auch nie auf der Baustelle, war bei der Eröffnung nicht dabei. Ich habe das SEZ, mein Herzensprojekt, erst viel später gesehen.

    Wie konnten Sie, ohne vor Ort zu sein, so ein Prestigeprojekt planen?

    Ich kannte die Ecke sehr gut. In meiner Ost-Berliner Zeit habe ich in der Heinrich-Roller-Straße gewohnt, also nur einen Steinwurf von der Leninallee entfernt. Ein weiterer Vorteil: Als in der DDR ausgebildeter Architekt und Ingenieur kannte ich die Technischen Normen, Gütevorschriften und Lieferbedingungen (TGL), also sozusagen die DIN-Normen des Ostens.

    Warum haben Sie sich damals entschieden, die DDR zu verlassen?

    Ich hatte Freunde in West-Berlin, die uns geholfen haben. Sie haben mit einem österreichischen Spediteur die Fluchtroute über die Tschechoslowakei und Österreich nach West-Berlin organisiert. Ein Jahr später gelang es dann auch, meine Frau nachzuholen. Was soll ich sagen, uns ging es eigentlich gut in der DDR, wir wurden nicht verfolgt oder so was. Ich wollte nicht zur Armee, hatte Bedenken, doch noch eingezogen zu werden. Aber sicher waren wir auch ein wenig arrogant. Wir dachten, auf der anderen Seite der Mauer wartet bestimmt Größeres, Besseres auf uns.

    Und mit dem SEZ haben Sie dann vor der Wiedervereinigung sozusagen schon ein deutsch-deutsches Projekt geplant.

    Ja, nur dass das damals niemand wissen sollte. Doch die eigentliche architektonische Leistung, vom Entwurf über die Ausführungsplanung bis hin zur Statik, die lag bei uns, bei Hochtief. Eine schwedische Baufirma bekam dann den Auftrag für die Ausführung der Stahlbetonarbeiten – nach unseren Entwürfen.

    Jedenfalls habe ich mich damals richtig reingekniet. Als Planer hatte ich das Areal genau vor mir, und auch die Ideen flossen nur so aus mir heraus. Besonders wichtig war mir das Kaskadenbecken. Meine Frau und ich sind viel gereist und waren immer begeistert von Wasserfällen in der Natur. Im SEZ bot sich dieser Geländesprung an: Die Wasserkaskade folgte dem Höhengefälle zwischen dem Wellenbad und der anderen, weiter unten gelegenen Badehalle über verschiedene Becken.

    Wenn man ehrlich ist, war das ein sehr avantgardistischer Entwurf, den die DDR allein nicht hätte umsetzen können. Schon beim Palast der Republik kam ja zum Beispiel der Stahl der Grundkonstruktion aus Schweden. Und so ist im SEZ eben neben Materialien aus Meißen oder vom VEB Stuck und Naturstein, neben organisatorisch-planerischer Expertise aus dem Osten, auch viel Know-how aus dem Westen eingeflossen. Die großen Glasfronten zum Beispiel: Die Scheiben dafür kamen aus Westdeutschland.


    Große Fensterfronten, prismatische Glasdächer, leichte Materialien und ein Außenbecken, in dem man auch im Winter schwimmen konnte: Das SEZ war State of the Art. Fito Peter Meissner

    Was ist aus Ihrer Sicht neben dieser wenig bekannten Zusammenarbeit das Besondere an der SEZ-Architektur?

    Es ist ein offener, moderner Bau mit einer damals sehr fortschrittlichen Wärmerückgewinnungstechnik. Überhaupt haben wir alles auf dem neuesten Stand der Technik geplant, die Eingangsautomatik, die Duschen, die Trennwände, das Beleuchtungskonzept. Die DDR hat sich nicht lumpen lassen, wenn es um ihre Vorzeigeprojekte ging.

    Als das SEZ eröffnet wurde, verglich man es in den Zeitungen mit einem Ufo, das auf einmal gelandet war. Die Entstehung war für DDR-Verhältnisse ungewöhnlich, weil es vorher nicht die üblichen jahrelangen Planungen gegeben hatte. Das lag daran, dass es praktisch eingekauft wurde. Und so war es dann auch nach zwei Jahren Bauzeit schon fertig.

    Nach der Eröffnung wollten alle DDR-Bürger rein, die langen Schlangen vor dem SEZ waren legendär.

    Es war ein Bad für die Bevölkerung. Und es war einfach schön, weil es so viel zu bieten hatte. Nicht nur Badespaß, sondern Eislaufen, Rollschuhlaufen, Gymnastik, Ballsport, Bowling, Restaurants, Kneipen, Theater … Hier wurde gefeiert und geträumt. Das SEZ war so eine Art Karibik-Ersatz.


    Weit mehr als eine Schwimmhalle: Hier sitzen Freundinnen 1988 mit ihren Rollschuhen auf einer Bank und warten auf die nächste Runde.

    Weit mehr als eine Schwimmhalle: Hier sitzen Freundinnen 1988 mit ihren Rollschuhen auf einer Bank und warten auf die nächste Runde.Pemax/Imago

    Dass Sie trotz Ihrer Planung nicht beim Bau und der Eröffnung dabeisein konnten, dass Ihr Name nicht auftauchte, wie war das für Sie?

    Da ich all mein Herzblut für das SEZ aufbrachte, war das sicher nicht immer einfach. Aber ich habe mir von meinen Kollegen immer berichten lassen, wie es auf der Baustelle aussah, habe Fotos vom Rohbau gesehen, wie der VEB Ausbau Berlin nach unseren Skizzen den Innenausbau richtig toll umgesetzt hat.

    Besonders stolz war ich darauf, dass wir für den Brandschutz ohne Asbest auskamen. Als man später nach der Wende nach einem Grund für den SEZ-Abriss suchte, kam Asbest zumindest nicht in Frage, so wie beim Palast der Republik. Wir haben das SEZ mit einem anderen System geschützt, da habe ich mich schon drüber gefreut.

    Ansonsten taucht ja mein Name inzwischen in Architekturführern über die sogenannte Ostmoderne auf – und auch im Wikipedia-Artikel über das SEZ werde ich genannt.

    Wann haben Sie Ihr Werk zum ersten Mal live und in Farbe gesehen?

    Das war 1988, als mein Vater starb. Damals durfte ich zu seiner Beerdigung nach Dresden fahren, und auf der Rückfahrt hielten meine Familie und ich am SEZ. Es war 18 Uhr und wir aßen etwas unten in der Bowlingbahn. Ich fand’s toll, endlich dort zu sein. Es war so, wie ich es geplant hatte.

    Kurz danach fiel die Mauer, nach und nach wurden der Betrieb der Sportstätten und der Veranstaltungsbetrieb eingestellt und fast die gesamte SEZ-Belegschaft entlassen. Auch der Badebetrieb lief nach der Wende nicht mehr so gut. Haben Sie eine Erklärung dafür?

    Die Menschen wollten raus aus Berlin, sie wollten reisen oder in eines der neu erbauten Freizeit- und Thermalbäder nach Brandenburg fahren. Wirtschaftlich war das SEZ nicht mehr zu betreiben. Das war es ja in der DDR schon nicht: Die Eintritts- und Restaurantpreise waren hochsubventioniert und es gab ehrlicherweise viel zu viele Mitarbeiter.


    Den Spaß im Wellenbad ließ sich die DDR was kosten: Die Eintrittspreise waren hochsubventioniert.

    Nun verfällt das Gebäude schon seit Jahren.

    Der Senat wollte es damals einfach nur loswerden. Ich habe die Geschichte natürlich verfolgt. Nachdem das SEZ 2003 für einen Euro an den Leipziger Investor verkauft wurde, bin ich sogar an Herrn Löhnitz herangetreten, habe ihm meine Hilfe angeboten. Aber er wollte davon nichts wissen. Ich glaube, er hatte immer nur das Grundstück und nie das SEZ im Sinn.

    Mitte der Neunzigerjahre habe ich sogar mal Entwürfe gemacht für den Bezirk und den Senat. Es gab Investoren, die ein Kino im SEZ installieren wollten oder ein Sportkaufhaus. Daraus ist leider nie etwas geworden. Es ist schon sehr komisch, dass das Areal damals an Herrn Löhnitz ging.

    Und nun kommt die Nachricht, dass der Senat den Abriss des SEZ plant. Was geht da in Ihnen vor?

    Zunächst einmal ist es keine Überraschung, wenn man den Bebauungsplan kennt, der ja schon seit ein paar Jahren existiert. Es ist eine traurige Geschichte, die sich aber wohl nicht mehr verhindern lässt. Ich jedenfalls habe keine Macht, ich habe alles getan, was ich konnte.


    €Verfall hinterm Bauzaun: Seit Jahren schon bietet das einstige Vorzeigebad einen traurigen Anblick._

    Was meinen Sie: Ist das SEZ wirklich nicht mehr zu retten?

    Es ist immer alles möglich, wenn genug Menschen da sind, die etwas wollen. Die ganzen Anlagen auf Vordermann zu bringen, würde sehr viel Geld kosten. Und es fehlt der politische Wille. Das SEZ wird abgerissen, weil man jetzt halt viele Wohnungen braucht. Die könnte man natürlich auch am Rande des Tempelhofer Feldes bauen, und zwar sehr viel mehr als auf dem SEZ-Areal.

    Viele unserer Leser schreiben, die Abrissentscheidung sei typisch für den Umgang mit Gebäuden, die für Ostdeutsche von Bedeutung waren.

    Ich verstehe diesen Eindruck. Am SEZ hängen viele Erinnerungen, aber den Planern und Politikern fehlt in dieser Hinsicht oft jegliches Feingefühl. Ich jedenfalls war zur Ostpro-Messe vor vier Jahren das letzte Mal im SEZ und musste da sofort wieder raus. Alles war zerfleddert, überall lag Schrott herum, die neuen Farbanstriche waren furchtbar, es fehlten Decken und Böden. Mir blutete das Herz, als ich sah, was aus meinem SEZ geworden ist.

    Zur Person

    Günter Reiß, geboren 1940 in Dresden, studierte an der dortigen Technischen Universität Architektur und arbeitete dann noch zwei Jahre als Assistent an der Uni. In dieser Zeit war er an Planungen in der Leipziger Ostvorstadt und diversen Wohnungsbauprojekten beteiligt. 1969 wechselte er nach Ost-Berlin zu Hermann Henselmann an die Bauakademie.

    Drei Jahre später flüchtete er aus der DDR und lebte fortan in West-Berlin, wo er zunächst beim Hochtief-Konzern angestellt war. Seit 1981 ist er als selbstständiger Architekt tätig und arbeitet mit seiner Frau, die ebenfalls Architektin ist, noch immer an Bauprojekten in und um Berlin. Günter Reiß plante noch weitere Schwimmhallen und Kinos in der Stadt, so leitete er unter anderem einen Umbau des Filmpalastes Berlin, der heutigen Astor Film Lounge am Kurfürstendamm.

    #DDR #Berlin #Friedrichshain #Dimitroffstraße #Leninallee #Landsberger_Allee 77 #Danziger_Straße #Sport #Schwimmen #Freizeit #Sozialismus #SEZ #Architektur

  • Der größte DDR-Hit und die wahre Geschichte dahinter: „Über sieben Brücken musst du gehn“
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/peter-maffay-herbert-dreilich-ueber-sieben-bruecken-karat-sozialism


    Peter Maffay und Herbert Dreilich, Sänger von Karat, singen gemeinsam „Über sieben Brücken musst du gehn“.

    12.1.2024 von Werner Fritz Winkler - Ein Schriftsteller auf einer Großbaustelle, eine Liebe zwischen Polen und der DDR, ein Film-Song, der nicht erscheinen sollte: Das ist die Geschichte der Karat-Ballade.

    Für nicht wenige Ostdeutsche ist das Lied „Über sieben Brücken musst du gehn“ eine Art Hymne. Quasi ein Symbol ostdeutscher Lebensleistung, die eng mit ihrem Leben, ihren Gefühlen und ihrer Sozialisierung verbunden ist. Dagegen sind noch immer nicht wenige „Altbundesbürger“ überrascht, wenn sie erfahren, dass der Hit nicht von Peter Maffay getextet und komponiert wurde.

    Die beiden Hauptakteure, der Literat Helmut Richter sowie der Musiker und Komponist Ulrich „Ed“ Swillms, denen wir diese Rock-Ballade verdanken, weilen nicht mehr unter uns. Sie starben am 3. November 2019 bzw. am 27. Juni 2023. Aber bis heute lassen sich die einzigartige Geschichte und die emotionalen Erinnerungen an dieses Lied, das bisher in 30 Sprachen übersetzt und von mehr als 100 Interpreten gesungen wurde, fortschreiben. Die Geschichte des Liedes ist zugleich auch ein Zeugnis der Widersprüche und Konflikte, mit denen Künstler der DDR umgehen mussten.

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    Im Frühjahr 1967 erhält der seit drei Jahren freiberuflich tätige Journalist und Schriftsteller Helmut Richter eine Einladung in das Leipziger Ernst-Thälmann-Haus, dem Sitz des FDGB. Dort wird ihm vom Kultursekretär ein Vertrag für ein Auftragswerk vorgelegt. Die Zielstellung lautet: Literarische Begleitung der Arbeit auf der Großbaustelle des Braunkohlenkraftwerks Thierbach. Dessen Bau ist ein Gemeinschaftsprojekt des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW), dem Gegenstück des Ostblockes zur EWG, der heutigen Europäischen Union. Die Kraftwerksbauer nehmen den „Schreiberling“ für mehre Monate bei sich auf.

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    Helmut Richter: Er schrieb „Über sieben Brücken musst du gehn“

    Auf dieser Vertrauensbasis entstehen mehrere Reportagen. Sie handeln von der Zusammenarbeit, dem Zusammenleben und den Problemen der polnischen, sowjetischen, ungarischen und deutschen Arbeiter und Ingenieure auf der Baustelle und darüber hinaus. Aber auch von Missständen berichtet er. Und er schreibt von der jungen Liebe zwischen dem polnischen Brigadier Roman und einer Deutschen. Sie wollen heiraten, doch die Hochzeit platzt. Diese Episode beschäftigt Richter auch Jahre später noch.

    Das Braunkohlenkraftwerk Thierbach während des Baus.

    Sofortige Beachtung finden seine Schilderungen des Alltags und vom Miteinander der unterschiedlichen Nationalitäten auf der Großbaustelle. Im Rundfunk werden Lesungen gesendet. Der mit 15.000 DDR-Mark dotierte FDGB-Literaturpreis ist im Gespräch. 1969 erscheinen die Reportagen unter dem Titel „Schnee auf dem Schornstein“ in einem kleinen Taschenbuch im Mitteldeutschen-Verlag. Geplant als „Schwerpunkttitel“ zu Ehren des 20. Jahrestages der DDR. Auflagenhöhe: 5000 Stück. Das gelb-schwarze Büchlein ist überall im Angebot, auch im Buchladen im ZK der SED.

    Von dort ziehen Anfang September 1969 plötzlich dunkle Wolken auf. Der Grund: Mitarbeiter der Abteilung Maschinenbau und Metallurgie finden das Buch nicht linientreu. Nach ihrer Überzeugung wird über „Ereignisse vom Aufbau des KW Thierbach ohne Wahrung des Vertraulichkeitsgrades ausführlich berichtet“ und Probleme der Zusammenarbeit der RGW-Länder nicht „wahrheitsgemäß“ geschildert. Des Weiteren sind sie der Auffassung, die „Klassenwachsamkeit“ wird nicht eingehalten und Staats- und Wirtschaftsfunktionäre werden verunglimpft. Die Information geht zunächst an den ZK-Sekretär für Wirtschaft, Günter Mittag. Wenig später erhält sie auch Erich Honecker, damals schon der zweitmächtigste Mann im Parteiapparat.

    Nach einer teilweise kontrovers geführten Diskussion setzen sich Ende November 1969 die Hardliner durch. Das Buch wird aus dem Handel genommen. Die noch vorhandenen 1600 Exemplare im Lager des Leipziger Kommissions- und Großbuchhandels werden eingestampft. Auch das in der Deutschen Bücherei in Leipzig hinterlegte Belegexemplar darf nicht mehr ausgeliehen werden.

    Für Helmut Richter folgt eine Zeit der großen Enttäuschung. Richter ahnt zu diesem Zeitpunkt nicht, dass die in Kritik geratenen und verbotenen Reportagen zur Triebfeder für sein größtes literarisches Werk und zu einer deutschsprachigen Rockballade werden. Die Erlebnisse auf der Thierbacher Großbaustelle lassen ihn nicht los. 1975 entsteht die deutsch-polnische Liebesgeschichte „Über sieben Brücken musst du gehn“.


    Helmut Richter im Jahr 2002.

    Die Kritik an Richter hält jedoch weiter an. Seine Arbeiterfiguren und realistischen Beschreibungen der gelebten Freundschaft der sozialistischen Bruderländer werden als „problematisch“ eingeschätzt. Mitte der 70er-Jahre verschärft sich das politische Klima in der DDR. Die ersten 10.000 DDR-Bürger stellen einen Antrag auf Ausreise. Der Liedermacher Wolf Biermann wird 1976 ausgebürgert und wenig später siedelt Manfred Krug in die BRD über. Ein anderes, weltoffeneres Erscheinungsbild zeigt dagegen die Volksrepublik Polen. Auf Märkten werden amerikanische Jeans, Schallplatten, die in der DDR nicht erhältlich sind, und sogar Symbole der amerikanischen GI aus dem Vietnamkrieg angeboten. Der politisch verordnete Freundschaftsgedanke wird vom Ansturm auf diese Waren überlagert.

    Ed Swillms von Karat: Wie der Song komponiert wurde

    Der DDR-Fernsehfunk erhält deshalb den Auftrag, möglichst schnell einen Film zum Thema Freundschaft mit dem polnischen Volk zu machen. 1976 kauft er überraschend die Rechte an Richters Liebesgeschichte. Der bis vor kurzem noch geschmähte Literat darf das Szenarium für den Film mit den Hauptfiguren Gitta Rebus, einer deutschen Chemielaborantin, und dem polnischen Bauarbeiter Jerzy Roman schreiben. Ort der Handlung sind das Braunkohlenveredlungswerk Espenhain, im Film Zaspenhain genannt, und die Thierbacher Großbaustelle. Verknüpft werden das während des Zweiten Weltkrieges in dieser Region erlittene Schicksal polnischer Zwangsarbeiter und die Nachwirkungen auf eine deutsch-polnische Liebesbeziehung in der Gegenwart.


    Die Band Karat. Ganz links: Ed Swillms.

    Gedreht wird der Film in Hagenwerder bei Görlitz, Pößneck in Thüringen und in Borna bei Leipzig. Die Regie für den Film führt Hans Werner. Es ist sein erster Film. Bisher hat er als Regieassistent des Erfolgsregisseurs Lothar Bellag („Daniel Druskat“) gearbeitet. Der hatte „keinen großen Bock“ auf diesen Film und meldete sich krank. Trotz der vielen ungeklärten Probleme nutzt Werner diese Chance. Sofort hat er eine große „Baustelle“: Es gibt noch keine Filmmusik. Viele der damals populären Komponisten werden angefragt. Doch keiner hatte Zeit oder Lust.

    Werner bringt schließlich den Keyboarder und Komponisten der jungen Rockband Karat, Ulrich „Ed“ Swillms, ins Gespräch. Dieser braucht etwa 14 Tage, bis er die zündende Idee hat. Schließlich wird das Ganze über den Preis, 4000 Westmark, auf den Weg gebracht. Erst am Ende der Dreharbeiten entsteht die Idee, dem Film einen Titelsong zu geben. Die Textzeile „Über sieben Brücken musst du geh’n“ soll ihn emotional aufwerten. Richter stellt sich dieser Herausforderung. Er hat bis dahin noch nie einen Songtext geschrieben. Die Erinnerungen an sein eigenes Schicksal sind ihm hilfreich. Er kam 1945 als Flüchtlingskind aus Tschechien nach Deutschland.


    Karat bei einem Auftritt 1976.

    Ende 1977 wird die Rockballade unter ungünstigen Bedingungen in einem Studio in Berlin-Grünau produziert. Sänger ist Herbert Dreilich (verstorben am 12.12.2004) der Frontmann von Karat. Die Übergabe des Demobandes erfolgt bei einem Treffen im Interhotel Gera. Mehr scherzhaft sagt Helmut Richter nach dem ersten Anhören: Das wird ein Welthit. Am Abend des 30. April 1978 wird der Film im Ersten Programm des Fernsehens der DDR erstmals ausgestrahlt. Völlig überraschend laufen unmittelbar nach dem Abspann in Adlershof die Telefone heiß. Die Anrufer, darunter auch 28 aus West-Berlin und der BRD, wollen wissen, wann und wo es die Schallplatte mit dem Titelsong zu kaufen gibt.

    Peter Maffay bittet um Erlaubnis für eine Coverversion

    Um das zu erreichen, müssen wiederum einige DDR-typische Hürden genommen werden. Es wird die Meinung vertreten, Text und Musik seien zu sentimental und es gebe Titel, die die Ziele des Sozialismus besser widerspiegeln. Zu den prominenten Befürwortern gehört die einflussreiche Autorin Gisela Steineckert. Als die Platte endlich gepresst ist und in den Handel kommen soll, fehlt es im Druckhaus Gotha an der roten Farbe für das Plattencover. Sie war wegen des Druckes der vielen Plakate für den 1. Mai ausgegangen. Noch im selben Jahr siegt die Gruppe Karat mit dem Lied beim Internationalen Schlagerfestival in Dresden. Eine Teilnahme des Filmes bei einem renommierten Festival in Prag wird dagegen von den DDR-Oberen verhindert. Der Grund: Die Schauspielerin Barbara Adolf, Darstellerin der Mutter von Gitta Rebus, ist im selben Jahr in die BRD übergesiedelt. Bei der Abnahme des Films kommentiert der anwesende Karl-Eduard von Schnitzler („Der schwarze Kanal“) den Satz „Ich gehe hier nicht weg!“ ihrer Figur mit den Worten: „Jetzt hat sie es sich wohl anders überlegt.“


    Karat bei der „ZDF-Hitparade“ 1982.

    Der Erfolgsgeschichte des Titelsongs konnten diese ideologischen Machtspiele nichts anhaben. 1979 erscheint von Karat das Album „Über sieben Brücken“, welches wenig später unter dem Namen „Albatros“ in der BRD veröffentlicht wird. Insgesamt liegen die Verkaufszahlen in den folgenden Jahren in Ost und West fast bei einer Million. Als Peter Maffay den Song zum ersten Mal im Rundfunk hört, ist er sofort begeistert und bemüht sich um Kontakt zu Karat. 1980 trifft er die Gruppe bei einem Konzert in Wiesbaden. Er bittet sie um Erlaubnis für eine Coverversion. Karat willigt ein und Maffay arrangiert das Lied neu. Die markanteste Veränderung wird das Saxofon-Solo. Der Song erlangt in dieser Version eine noch größere Bekanntheit. Maffays Album „Revanche“ verkauft sich mit dem Titel über zwei Millionen Mal. Ab 1990 singen Maffay und Karat ihn auch bei gemeinsamen Auftritten.

    Weitgehend unbekannt geblieben ist – die Hauptfiguren Gitta und Jerzy sind keine Erfindung. Sie gab es tatsächlich. Beide trugen im Film und der ihm zugrundeliegenden Liebesgeschichte nur andere Namen. Sie arbeiteten und wohnten einige Jahre in der Industriegemeinde Espenhain. Im Unterschied zum Film haben beide geheiratet und ein gemeinsames Kind. Später ziehen sie nach Hoyerswerda. Die Beziehung hält nicht und er kehrt nach der Trennung in seine Heimat zurück. Nur die Geschichte, dass die Figur Jerzy das Kind von polnischen Zwangsarbeitern ist, welches in Espenhain zur Welt kam und dessen Vater dort starb, hat Richter frei erfunden.

    Ostdeutsche Identität: „Im Westen wird auch nur mit Wasser gekocht“

    Ideologie und Urlaubsreisen in der DDR: Welche Rolle spielten die FDGB-Gewerkschaften?

    Bis ins hohe Alter hielt Helmut Richter freundschaftliche Verbindungen zu den Menschen aus der Kohleregion im Süden von Leipzig. Sein Grabstein aus Rochlitzer Porphyr auf dem Gohliser Friedhof in Leipzig trägt die Inschrift „Über 7 Brücken musst du gehn“. Wenige Tage vor Weihnachten 2023 hat der Leipziger Schriftsteller Ralph Grüneberger Richters Leben und Werk in einem sehr persönlichen Filmporträt („Über sieben Brücken. Helmut Richter“) der Öffentlichkeit präsentiert.

    Werner Fritz Winkler lebt im Leipziger Südraum und kannte Helmut Richter persönlich. Er erinnert mit Vorträgen an den Film und das Lied „Über sieben Brücken musst du gehn“.

    #histoire #DDR #RDA #Allemagne #culture #musique #politique

  • Exklusiv: Der Senat will das SEZ an der Landsberger Allee komplett abreißen
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/sez-an-der-landsberger-allee-der-senat-will-das-alte-ddr-bad-abreis


    Und Tschüß, Berlin hat wieder ein Wellenbad weniger. Dabei war die schicke SEZ-Anlage besser als alle Westbäder zusammen.

    Blub-Britz (abgerissen) und Spreewaldbad-Kreuzberg (kalt, bibber...) waren und sind Mist im Vergleich zum SEZ Leninallee Ecke Dimitroffstraße. Aber da wollnwa ja nich wieda hin, Sozialismus, igittigitt ! Könnte ja als Virus beim Schwimmen übertragen werden. Dann lieba jejen Kowitt impfen. Wirkt aba och nich jejen Sozialismus.

    4.1.2024 von Anne Vorbringer - Wie aus einer Antwort auf eine Anfrage der Linken im Abgeordnetenhaus hervorgeht, plant Schwarz-Rot „den Abriss des gesamten Gebäudebestands“. Im Dezember hörte sich das noch anders an.

    Als die Berliner Zeitung Anfang Dezember bei der Senatsfinanzverwaltung zur Zukunft des SEZ und einem möglichen, drohenden Abriss des einstigen DDR-Vorzeigespaßbades nachfragte, gab sich eine Sprecherin noch vage: „Die Details der Rückgabe des Grundstücks und dessen weiterer Entwicklung werden zeitnah geklärt. Deshalb kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren Details nennen.“

    Man verwies auf die Pressemitteilung zum Thema, die nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs darauf verwies, dass das Land Berlin nun wieder über das Grundstück des Sport- und Erholungszentrums (SEZ) an der Landsberger Allee verfügen und dieses neu entwickeln könne.

    Finanzsenator Stefan Evers (CDU) ließ verlauten: „Das SEZ geht zurück an das Land Berlin und kommt damit endlich wieder den Berlinerinnen und Berlinern zugute. Das ist eine großartige Nachricht. Ich danke allen Beteiligten, die sich in diesem viel zu langen Rechtsstreit mit viel Herzblut für die Interessen der Allgemeinheit eingesetzt haben. Jetzt geht es darum, aus dieser Fläche gemeinsam das Beste für Berlin zu machen.“
    Zukunft des SEZ-Areals: gemischt genutzter Standort mit hohem Wohnanteil

    Nun scheint klar zu sein, wie es um die Zukunft des SEZ wirklich bestellt ist. Der Berliner Zeitung liegt eine Anfrage des Linke-Politikers Damiano Valgolio vor, der als direkt gewählter Abgeordneter im Friedrichshainer Westen die aktuelle Berichterstattung zum Anlass genommen hat, beim Senat selber mal nachzufragen.

    In der Antwort der Senatsverwaltung für Finanzen auf die schriftliche Anfrage Valgolios heißt es zunächst: „Der Senat beabsichtigt, den vom Abgeordnetenhaus am 13. Dezember 2018 beschlossenen und durch Frau Senatorin Lompscher festgesetzten Bebauungsplan umzusetzen. Es soll ein gemischt genutzter Standort mit hohem Wohnanteil entstehen, zudem werden Flächen für einen dringend erforderlichen Schulstandort mit gedeckten und ungedeckten Sportanlagen geschaffen. Zudem ist u.a. der Bau von ca. 500 Wohnungen vorgesehen. Der Bebauungsplan schreibt auch vor, dass mindestens 30 Prozent der zu errichtenden Wohnungen für einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen vorzusehen sind.“

    Zu den Fragen, ob es ein Gutachten zur Bausubstanz des SEZ geben werde und ob der Senat einen Abriss oder Teilabriss der Gebäude beabsichtige, heißt es: „Die Umsetzung des Bebauungsplans wird den Abriss des gesamten Gebäudebestands erfordern. Es ist beabsichtigt, die Bausubstanz auf dem Grundstück so weit wie möglich wiederzuverwerten, um die CO₂-Belastung durch den Neubau so gering wie möglich zu halten. Hierzu ist eine differenzierte Untersuchung des Gebäudebestandes erforderlich.“

    Der Senat argumentiert weiter, der Erhalt des SEZ als Sport- und Freizeitstätte sei Ziel der vor 20 Jahren erfolgten Privatisierung gewesen. „Zwischenzeitlich sind keine Investitionen erfolgt, die einen dauerhaften Erhalt des im März 1981 eröffneten Gebäudekomplexes hätten sicherstellen können. Der Bebauungsplan widerspräche zwar nicht dem Bestandsschutz der bestehenden Gebäude. Ein dauerhafter Sportbetrieb dürfte aber ausgeschlossen sein. Keines der Gebäude steht unter Denkmalschutz. Die frühere öffentliche Sportnutzung ist durch eine spezialgesetzliche Regelung bereits Ende 2002 aufgegeben worden. Die Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark ist fußläufig ca. 650 Meter vom SEZ entfernt.“

    Damiano Valgolio kritisiert die Abriss-Entscheidung: „Unsere Anfrage hat ergeben, dass der Senat die SEZ-Gebäude ohne Prüfung der Bausubstanz abreißen will. Das ist ein Fehler, das SEZ ist ein wichtiges Stück Ost-Berliner Stadtgeschichte. Stattdessen muss der Senat nun als Erstes ein Baugutachten in Auftrag geben, um festzustellen, welche Teile des Gebäudes weiter für Sport- und Freizeitbetrieb genutzt werden können. Ziel muss es sein, einen möglichst großen Teil des historischen Ensembles zu erhalten und schnell ein Freizeitangebot zu schaffen, das der Tradition des SEZ gerecht wird.“

    Das Grundstück an der Ecke Landsberger Allee/Danziger Straße war 2003 vom Land Berlin an einen Investor verkauft worden. Seit 2016 wurde vor Gericht verhandelt, ob der damalige Käufer seine vertraglichen Pflichten eingehalten hat. Das Kammergericht hat im Jahr 2022 entschieden, dass der Investor das SEZ-Gelände an das Land zurückgeben muss. Eine hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde des Investors hat der Bundesgerichtshof kürzlich abgewiesen. Das Land Berlin kann wieder über das Grundstück verfügen.

    #DDR #Berlin #Friedrichshain #Dimitroffstraße #Leninallee #Landsberger_Allee 77 #Danziger_Straße #Sport #Schwimmen #Freizeit #Sozialismus #SEZ

  • Absurdität und Arroganz: Was Wolfgang Schäubles Wirken im Einigungsprozess den DDR-Bürgern brachte
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/absurditaet-und-arroganz-was-wolfgang-schaeubles-wirken-im-einigung


    Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (l.) und DDR-Staatssekretär Günther Krause bei der Unterzeichnung der Urkunden zum Einigungsvertrag am 31.08.1990. In der Mitte DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière. Im Palais Unter den Linden in Berlin wurde der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik per 3. Oktober 1990 besiegelt.

    1.1.2024 von Hans Modrow, mtk| - Hans Modrow beschrieb in einer Rede in Zürich die Haltung der westdeutschen Eliten in den Jahren nach 1990 und die offiziöse Geschichtsschreibung: Sind wir inzwischen „ein Volk“?

    Der am Dienstag im Alter von 81 Jahren verstorbene CDU-Politiker Wolfgang Schäuble hat in den vergangenen Tagen vielfache Würdigung erfahren. In frischer Erinnerung sind seine Jahre als Minister in der Regierung Merkel und als Präsident des Deutschen Bundestages – als energischer Verteidiger der Demokratie. Sein Anteil als von Bundeskanzler Helmut Kohl beauftragter Verhandlungsführer am Zustandekommen des Vertrages über die deutsche Einheit im Jahr 1990 fand in den Nachrufen allenfalls kurze Erwähnung. Das mag einerseits an dem Gebot des Anstandes und der Pietät liegen, einem jüngst Verstorbenen nichts Schlechtes nachzureden, andererseits daran, dass der Inhalt dieses Vertrages das Leben der Bürger der alten Bundesrepublik wenig beeinflusste – und damit auch das der Nachrufautorinnen und -autoren.

    In einem von der ARD ausgestrahlten Nachruf erinnerte Richard Schröder, seinerzeit Vorsitzender der SPD-Fraktion in der letzten DDR-Volkskammer, dass die Seite mit dem Geld den Lauf der Verhandlungen bestimmt habe. Der Mann mit dem Geld war Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble gewesen. Er trat im Mai 1990 mit einem Entwurf des Einigungsvertrages an, dem DDR-Verhandlungsführer Günther Krause mit einem Fünf-Seiten-Papier begegnete.

    Etliche der im Vertrag festgelegten Regeln sollten in den kommenden Jahren das Leben der DDR-Bürger über den Haufen werfen – man denke nur an das Prinzip Rückgabe vor Entschädigung von Eigentum in der DDR, (Richard Schröder hatte sich für Entschädigung vor Rückgabe starkgemacht.), die von der Treuhand zu erledigende Komplettabwicklung des Volkseigentums und die Privatisierung in „pragmatischer Eile“ oder die Frage der Berufsabschlüsse. DDR-Bürgern wurde in Kapitel VII des Vertrages die Gnade eingeräumt, auf Antrag eine „Gleichwertigkeitsfeststellung“ zu erlangen.

    Wolfgang Schäuble, in den Nachrufen politisch auch als „harter Knochen“ bezeichnet, hat bis zum Schluss keinen Hinweis gegeben, ob er Teile des Vertragswerkes später als unglücklich und der inneren Einheit nicht dienlich empfand. Zwei Jahre nach Unterzeichnung des Vertrages durch Schäuble und seinen im Westen viel verspotteten DDR-Partner Günther Krause schrieb der Spiegel: „Das Dogma Eigentumsrecht, die Ideologie, dass der Grundbesitz des Einzelnen über allem steht, erweist sich immer stärker und bedrohlicher als schwerster Fehler bei der Gestaltung der Einheit.“ Als Folgen diagnostizierte das Blatt: „Der Hass auf die Raffkes aus dem Westen wächst.“ Das Vertrauen in den Rechtsstaat schmelze dahin. Über den Vereinigungsvertrag, das Werk des Juristen Schäuble, heißt es: „Ein juristisches Glanzstück war das nicht.“

    Im März 1990 hatte die DDR-Regierung unter Hans Modrow noch ein Gesetz erlassen, demgemäß Bürger die volkseigenen Grundstücke, auf denen ihr Eigenheim stand, noch günstig kaufen und so vor dem West-Zugriff schützen konnten. Das war eine der Maßnahmen, mit denen Hans Modrow, letzter Ministerpräsident der DDR mit Parteibuch der PDS, vormals SED, die Einheit vorbereitete. Er hatte die erste freie Wahl am 18. März 1990 vorbereitet, in der eine klare Mehrheit unmissverständlich den Wunsch nach rascher Wiedervereinigung ausdrückte. Die Machtübergabe an seinen CDU-Nachfolger Lothar de Maizière verlief ruhig und geordnet.

    Am 16. April 2019 hielt der kürzlich verstorbene Hans Modrow einen Vortrag an der international hoch anerkannten Schweizer Eidgenössischen Technischen Hochschule, ETH, in Zürich, in dem er ohne Bitterkeit die Absurdität und auch Arroganz der westdeutschen Eliten aufzeigt, die gegenüber ostdeutscher Lebenswirklichkeit bis heute durchgehalten wird. Eine Einladung einer deutschen Hochschule hatte er nie erhalten. Die Schweizer gaben ihm die Möglichkeit, eine solche Rede zu halten, die im eigenen Land keiner hören wollte. Wolfgang Schäuble wird in dem Text nicht namentlich genannt. Sein Wirken aber liegt an der Wurzel von Modrows Lebensbilanz.
    Maritta Tkalec

    Hier die Rede mit dem Titel „30 Jahre nach dem Fall der Mauer – Europa damals und heute“ im Wortlaut:

    In den frühen Siebzigerjahren erschien ein Roman des deutschjüdischen Schriftstellers Stefan Heym mit dem Titel „Der König David Bericht“. In diesem ging es im Wesentlichen darum, dass im Nachgang historische Vorgänge umgeschrieben wurden, damit diese die Gegenwart und vor allem den Auftraggeber rühmten. Die damalige Literaturkritik in West und Ost, nicht frei vom Zeitgeist, interpretierte diesen Vorgang auf unterschiedliche Weise. Heute, wo es nur noch Westen gibt, ist sie sich einig: Heym attackierte damit den Stalinismus, den Machtmissbrauch, die Zensur und auch den Antisemitismus.

    Dabei sind jene, die dies postulieren, sich nicht einmal bewusst, dass sie selbst eigentlich nicht frei sind von jenen Verhaltensmustern, die der DDR-Autor Heym kritisierte.

    Mit dem Herbst ’89, der DDR im Allgemeinen und ihrem Ende im Besonderen ist es nicht anders.

    Seit dreißig Jahren wird ein Bild vornehmlich von jenen gezeichnet, die entweder nicht dabei waren, oder aber von Menschen, die sich als Opfer der DDR verstehen. Nun stelle ich keineswegs in Zweifel, dass etliche Ostdeutsche aus unterschiedlichen Gründen in der DDR nicht heimisch wurden und lieber gingen als blieben. Aber in keinem Staat leben nur glückliche Menschen. Allenfalls im biblischen Paradies – doch auch dort wurde das Machtmonopol repressiv eingesetzt. Bekanntlich wurden die Bürger Adam und Eva ausgewiesen.

    In der offiziösen Geschichtsschreibung über die DDR dominiert die sogenannte Opferperspektive. Weil sie die These von der Befreiung stützt und dem vermeintlichen Sieger Lob und Legitimation für sein Tun verschafft. Eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Sicht findet allenfalls an der Peripherie und selten im akademischen Raum statt. Die vorherrschende Meinung war und ist die Meinung der in Politik, Medien und Wissenschaft Herrschenden. Widersprechende Zeitzeugen, so sie aus der politischen Klasse der DDR stammen, bekommen entweder einen Maulkorb oder das Etikett „Täter“ verpasst. Wer ein gutes Haar an dieser untergegangenen DDR lässt, gilt als ewiggestrig, als unbelehrbar, als dogmatisch und – was ja der Sinn dieser denunziatorischen Übung war und ist – als unglaubwürdig.

    Da hilft es auch nicht, wenn man die deutsche Frage in einen internationalen Kontext stellt, wenn man vom Kalten Krieg spricht und beide Seiten zu gleichen Teilen für diesen unfriedlichen Zustand verantwortlich macht. Schuld haben nur die einen: die Verlierer.

    Noch weniger hinnehmbar ist, dass man von der „zweiten deutschen Diktatur“ spricht und ein Gleichheitszeichen setzt zwischen dem verbrecherischen Nazi-Reich und der zweiten deutschen Republik, der DDR. Einige behaupteten sogar, der Strich auf dem Bahnhof Friedrichstraße in Berlin gliche dem auf der Rampe in Auschwitz. Und da es keine vergleichbaren Leichenberge gab, sprach man ersatzweise vom „Auschwitz der Seelen“. Dass dies nicht nur die Menschen empörte, die die Nazibarbarei in Konzentrationslager und im Exil überlebt hatten und zur Gründergeneration der DDR gehörten, muss ich nicht betonen.

    Erfahrung von Krieg und Gefangenschaft

    Ich selbst kam 1949 – in jenem Jahr, als die Bundesrepublik und die DDR gegründet wurden – aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Nicht nach Hause, denn das lag in Pommern und nunmehr in Polen. Die Nazis hatten mich 17-jährig in ihr letztes Aufgebot gesteckt, und ohne jemals einen Schuss abgegeben zu haben, durfte ich vier Jahre lang in den Weiten Russlands Holz schlagen. Aber, und deshalb setze ich dies an den Beginn meines Vortrags: Ich war damals auch mit jener Unwissenheit geschlagen, die die Herrschenden – damals also die Nazi-Clique – brauchen, um Menschen in den Krieg zu schicken. Gegen diese Unwissenheit setzten damals die Sowjets die Aufklärung. In den sogenannten Antifa-Schulen klärten sie deutsche Ex-Soldaten darüber auf, wer diesen Krieg gemacht hatte, warum er geführt wurde, wer davon profitierte und wer dafür bezahlen musste. Auch ich hörte dort zum ersten Male davon.

    Kriege werden immer um Territorien, um Rohstoffe und Absatzmärkte, um Macht und Einfluss geführt. Die Ideen, um deren Verbreitung angeblich immer gekämpft würde, und die vermeintliche Befreiung von in Knechtschaft gehaltenen Menschen, sind reine Propaganda. Die angebliche „Rettung des Vaterlandes“ und die „Beseitigung des jüdischen Bolschewismus“ kostete zwischen 1933 und 1945 mehr als fünfzig Millionen Menschen das Leben.

    Europa war nach dem 8. Mai 1945 – die Schweiz ausgenommen – ein Leichen- und Trümmerfeld. Und die Siegermächte der Antihitlerkoalition beschlossen in Potsdam die Nachkriegsordnung für den Kontinent. Am 30. Januar 1933 hatte das deutsche Großkapital die Nazis an die Macht gebracht, weil es sich von ihnen höhere Rendite erwartete. Ohne diesen 30. Januar 1933 wären zwölf Jahre später in Berlin nicht die Kapitulation besiegelt und Deutschland nicht militärisch besetzt worden. Unmittelbar danach brachen die Interessengegensätze zwischen den einstigen Verbündeten auf, es begann ein Kalter Krieg, der zur Spaltung nicht nur Deutschlands, sondern Europas führte. Die Teilung Deutschlands, die ich bei meiner Rückkehr vorfand, empfand ich stets als Quittung für den von Deutschland 1939 begonnenen Eroberungskrieg. Ich war damals elf Jahre alt und daran unschuldig. Doch ich war jetzt nicht nur um eine Erfahrung reicher, sondern nunmehr auch verantwortlich dafür, dass Faschismus und Krieg nie, nie wieder stattfinden durften. Ich hatte meine Lektion in der Kriegsgefangenschaft gelernt.
    „Lass uns dir zum guten dienen, Deutschland einig Vaterland“

    Die Teilung Deutschlands hielten wir im Osten für einen temporären Vorgang – zumal die Bildung der DDR im Nachgang zur Gründung eines Separatstaates in den drei westlichen Besatzungszonen erfolgt war. Zwangsläufig. Denn wenn es auf der einen Seite eine Bundesrepublik Deutschland gab, durfte auf der anderen Seite das sowjetisch besetzte Territorium nicht weiter eine Zone bleiben. Auch wenn absichtsvoll bis in die 1960er-Jahre Bundeskanzler Adenauer nur von der „Sowjetzone“ sprach und später das Kürzel DDR in Anführungszeichen gesetzt wurde.

    Erst als 1973 beide deutsche Staaten gleichberechtigte Mitglieder der Uno wurden, zog mit der Entspannungspolitik auch ein wenig Normalität in die deutsch-deutschen Beziehungen ein. Eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR durch die BRD, eine Respektierung ihrer Bürger als Staatsbürger eines anderen Landes erfolgte bis zum Ende 1990 jedoch nie. Aber noch einmal: Die DDR verstand sich mindestens in ihrer Anfangszeit als Provisorium, ihr Parlament hieß „Provisorische Volkskammer“, und in der Nationalhymne sangen wir (erstmals am 6. Oktober 1949): „Auferstanden aus Ruinen / und der Zukunft zugewandt, / lass uns dir zum Guten dienen, / Deutschland, einig Vaterland.“

    Meine Partei, die SED, forderte „Deutsche an einen Tisch!“, unterbreitete Vorschläge, wie man zu einer Konföderation käme, und wollte den anormalen Zustand – denn die Teilung Deutschlands wurde als widernatürlich empfunden – überwinden. Diese Teilung wurde in der BRD jedoch zementiert. Man lehnte dort die Stalin-Noten von 1952 ab, mit denen Moskau u. a. freie Wahlen in ganz Deutschland und den Abzug aller Besatzungstruppen vorgeschlagen hatte. Die Adenauer-Regierung forcierte stattdessen die Westintegration der Bundesrepublik und die Wiederbewaffnung und grenzte sich vom Osten ab.

    Der Beitritt der BRD zur Nato 1955 verursachte auf der Gegenseite die Bildung eines Warschauer Paktes, dem sich die DDR anschloss. Damit wurde die Westgrenze der DDR – im westdeutschen Sprachgebrauch fälschlich immer als „innerdeutsche Grenze“ bezeichnet – zur Ostgrenze der Nato in Europa und zur Westgrenze des östlichen Bündnisses.

    Damit fiel die Oberhoheit an dieser Trennlinie der Systeme den jeweiligen Führungsmächten zu. Nicht die BRD und die DDR, sondern Washington und Moskau diktierten im Wesentlichen die Bedingungen. Wie das Grenzregime gestaltet wurde, wer wo was zu tun und zu unterlassen hatte.
    Heikler Sonderfall Berlin

    Berlin, auf dem Territorium der DDR gelegen, war ein heikler Sonderfall: Dort saßen die vier Mächte und achteten darauf, dass die Stadt – in der es keine Grenze zwischen den Sektoren gab – weder von der einen noch von der anderen Seite regiert werden durfte. Und nach West-Berlin durften auf drei Trassen nur die Flugzeuge der Siegermächte verkehren. Unkontrolliert von deutschen Behörden.

    Unproblematisch hingegen war es auf der Erde. Mit einem Ticket für 20 Pfennig gelangte man mit der S-Bahn von Ost- nach West-Berlin und umgekehrt. Als DDR-Bürger bekam man, so man es wünschte, im Westen sofort einen westdeutschen Pass, denn die BRD maßte sich an, für alle Deutschen zu sprechen. Auch für die in Polen, der ČSSR und in der Sowjetunion lebenden. Bonn überzog entsprechend seiner Hallstein-Doktrin sogar Drittstaaten mit Sanktionen, sofern diese – im Unterschied zur BRD – die DDR und die Pässe ihrer Bürger anerkannten.

    Das führte zu zusätzlichen Spannungen, die im Juni 1961 die Staatschefs der beiden Großmächte in Wien bei ihrem ersten Gipfeltreffen zu beheben hofften. Chruschtschow und Kennedy einigten sich jedoch nur darauf, dass die Rechte der Westmächte in West-Berlin nicht angetastet, ihr Zugang zur einstigen Reichshauptstadt nicht behindert und die Sicherheit der West-Berliner durch sie geschützt werden durften. Dadurch blieb das grundsätzliche Problem – das der offenen Grenze zwischen Ost- und West-Berlin – ungelöst, worauf Moskau Anfang August entschied, diese Grenze zu schließen und eine Mauer rund um West-Berlin zu errichten. Die am 13. August 1961 getroffenen Maßnahmen wurden als Bündnisentscheidung deklariert. Das waren sie auch, denn alle Staaten des Warschauer Vertrages stimmten zu. Auch die DDR.

    Aber es war eben nicht die DDR und schon gar nicht Walter Ulbricht, der den Mauerbau befahl.

    Und es waren eben nicht die Kommunisten allein, die Deutschland und Europa geteilt haben, was wahrheitswidrig seither behauptet wird. Der Mauerbau und seine Konsequenzen waren die Folge der Politik beider Seiten. Die Logik des Kalten Krieges erzwang Aktion und Reaktion, auf die Provokation der einen folgte die der anderen Seite. Ich gehörte damals der Leitung der Berliner SED-Organisation an und weiß, worüber ich rede. Nicht jeder Schritt war von Vernunft diktiert.

    Erst die Einsicht, dass zwischen den beiden Blöcken ein militärstrategisches Gleichgewicht bestünde, führte zur Entspannung. Beide Seiten wussten: Schieße ich als Erster, sterbe ich als Zweiter. Die Möglichkeit wechselseitiger Vernichtung führte zur Einsicht, dass man sich arrangieren müsse, um friedlich miteinander zu existieren. Das führte erstmals in der Geschichte zur Schaffung eines Systems kollektiver Sicherheit, geknüpft durch eine Vielzahl bilateraler und multilateraler Verträge.

    Die Krönung dieser globalen diplomatischen Anstrengungen war die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, deren Schlussdokument 1975 von Staats- und Regierungschefs der 33 Staaten des Kontinents sowie der USA und Kanadas in Helsinki unterzeichnet wurde.

    Dieses in Jahrzehnten entstandene Netzwerk vertrauensbildender Abkommen und Vereinbarungen überstand viele Belastungen – selbst den Untergang des Ostblocks. Der gegenwärtig in Washington herrschende Präsident und die ihn stützenden Kräfte vermochten es allerdings, dieses System binnen zweier Jahre zu liquidieren. Seither bestimmen wieder Argwohn und Misstrauen die Weltpolitik und es wird, wenn überhaupt, Jahrzehnte brauchen, um dieses Vertrauen wiederherzustellen.

    Wir lernten in der Folgezeit nicht nur mit der Bombe zu leben, sondern auch mit der Mauer. Beide aber sollten verschwinden. Das war nicht nur der Wunsch vieler Menschen im Westen, sondern auch im Osten. Honecker nannte die Raketen, die auf deutschem Territorium stationiert und mit Atomsprengköpfen bestückt waren, „Teufelszeug“ und verlangte ihren Abzug. In dieser Hinsicht war er sich mit Bundeskanzler Kohl einig. Sie erklärten am 12. März 1985 in Moskau gemeinsam, dass „die Unverletzlichkeit der Grenzen und die Achtung der territorialen Integrität und Souveränität der Staaten in Europa in ihren gegenwärtigen Grenzen“ (...) „grundlegende Bedingungen für den Frieden“ seien. Und: „Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg, von deutschem Boden muss Frieden ausgehen.“

    Honecker, der zwei Jahre später als Staatsgast die Bundesrepublik bereiste, wollte durchaus auch die Mauer durchlässiger machen. Er war zwar beim Abendessen mit Kohl in Bad Godesberg am 7. September 1987 der Auffassung, „dass Sozialismus und Kapitalismus sich ebenso wenig vereinigen lassen wie Feuer und Wasser“, womit er gewiss nicht Unrecht hatte. Doch in Neunkirchen im Saarland meinte er Tage später, dass man auf einen Zustand hinarbeiten wolle, dass die Verhältnisse an dieser Grenze so sein würden wie die an der Grenze zu Polen oder zur Tschechoslowakei.

    Nun will ich Honecker nicht zum Heiligen machen. Es gibt reichlich Gründe, ihn auch kritisch zu beurteilen. Aber was wahr ist, sollte auch als historische Wahrheit zur Kenntnis genommen werden. Wäre Honecker nicht am 29. Mai vor 25 Jahren in Chile verstorben, sondern vielleicht schon sechs, sieben Jahre früher und zwar im Amte, dann wäre halb Bonn nach Berlin geeilt, um dem ostdeutschen Staatsmann die letzte Ehre zu erweisen. Erst als er gestürzt und die DDR zu Grabe getragen war, wurde er zu jenem Schuft erklärt, als der er heute öffentlich geschmäht wird.

    Ganz nebenbei: Als der Wehrmacht-Leutnant Helmut Schmidt – dem wiederholt eine „einwandfreie nationalsozialistische Haltung“ von seinen Vorgesetzten attestiert wurde – Leningrad belagerte und in jener Zeit mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet wurde, saß Honecker im faschistischen Zuchthaus Brandenburg-Görden. Dort saß er ganze zehn Jahre für seine antifaschistische Gesinnung ein. Schmidt wurde später Bundeskanzler, Honecker Staats- und Parteichef. Schmidt ist heute ein Denkmal und sein Wohnhaus in Hamburg Museum, Honecker hat nicht einmal ein Grab in Deutschland. Wogegen ich im Übrigen auch bin. Denn ich fürchte, dass es nicht sicher wäre angesichts der üblen Nachrede, die er seit seinem Abgang von der politischen Bühne erfährt.

    Das alles gehört in Erinnerung gerufen, wenn wir über den 9. November 1989 reden. Denn der sogenannte Mauerfall hat eine Vor- und nicht nur eine Nachgeschichte. Außerdem fiel die Mauer erst 1990, als die Bagger und Mauerspechte kamen. An jenem 9. November öffnete die DDR Grenzübergangsstellen, und sie tat dies, weil a) einer aus der Führung auf einer Pressekonferenz fahrig und unkonzentriert die Sperrfrist übersah, die der Reiseverordnung beigegeben war, und weil b) diese Meldung übers Westfernsehen sogleich über die Mauer flog und viele DDR-Bürger an Grenzübergänge lockte. Sie wollten sehen, ob Schabowskis „sofort, unverzüglich“ auch zuträfe.

    Und nun tritt ein Moment hinzu, das für die Moral und den Anstand der DDR-Grenzer spricht. Nicht einer griff zur Waffe. Sie taten in dieser Minute das einzig Richtige, weil Vernünftige: Sie öffneten die Übergänge.

    Warum gab es in der DDR keine bürgerkriegsähnlichen Zustände wie etwa in anderen Staaten, in denen ebenfalls das sozialistische System sowjetischer Prägung implodierte? Warum blieb alles friedlich, floss kein Blut? Der Staat besaß das Gewaltmonopol, er hatte die Waffen – die Demonstranten Kerzen.

    Die sozialistische Staatsmacht kapitulierte nicht vor Kerzen und Friedensgebeten, sondern vor der Einsicht, dass man nicht auf das eigene Volk schießen darf. Solche Skrupel waren zum Beispiel der sozialdemokratischen Führung fremd, die die Novemberrevolution 1918 an die Macht gebracht hatte. Die schloss einen Pakt mit den kaiserlichen Militärs und ließen auf Menschen wie auf Hasen schießen. Nicht nur auf Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.

    Und später, als die Rechten marschierten, vermieden diese Sozialdemokraten den Schulterschluss mit den Linken. Auf ihre 94 Nein-Stimmen gegen das Ermächtigungsgesetz der Nazis am 24. März 1933 sind sie mit allem Recht stolz. Sie waren die Einzigen, die im Reichstag gegen die Entmündigung der Parlamentarier und des Parlaments, gegen die Abschaffung der Demokratie und die Errichtung der faschistischen Diktatur stimmten.

    Die 81 Abgeordneten der KPD, die gesamte Fraktion, konnten es nicht mehr: Diese Abgeordneten waren bereits verhaftet oder auf der Flucht wie eben auch 26 SPD-Parlamentarier.

    Der Bruderkrieg im linken Spektrum hatte die Nazidiktatur möglich gemacht, weshalb der Umkehrschluss lautete: Wir brauchen die Einheit, um Wiederholung zu verhindern! Sie wurde im Osten auf der Parteiebene vollzogen und im Westen aktiv verhindert. Die Sozialistische Einheitspartei sollte die Geschicke der DDR bis 1989 leiten. Ich war, wie es immer heißt, der letzte Ministerpräsident der SED. Mein Nachfolger Lothar de Maizière kam von der CDU und verantwortete den Beitritt.
    Kohls Fahrplan zur Einheit

    Die staatliche Vereinigung der beiden Staaten wurde weder in Bonn noch in Berlin beschlossen. Sie wurde auch nicht vom Volk der DDR erzwungen. Die Mehrheit jener, die im Herbst ’89 demonstrierten – darunter nicht wenige der etwa 2,3 Millionen Mitglieder der SED –, wollten eine andere, eine bessere, eine sozialistische DDR. Erst später wurde aus dem Ruf „Wir sind das Volk!“ die Parole „Wir sind ein Volk!“

    Mit dem Ruf „Wir sind das Volk!“ stellte der Souverän klar, wer laut Verfassung das Sagen im Lande hatte. Die andere Parole wurde gewissermaßen von außen hereingetragen. Aus der von mir angedachten Vertragsgemeinschaft mit der Bundesrepublik wurde nichts. Bundeskanzler Kohl präsentierte am 28. November 1989 einen Zehn-Punkte-Plan, mit dem er ein „Selbstbestimmungsrecht der Deutschen“ einforderte.

    Diesen Fahrplan hatte er mit US-Präsident Bush abgestimmt, sonst mit niemandem. Gorbatschow fühlte sich übergangen, die deutsche Teilung war für ihn ein Ergebnis der Geschichte. Aber Kohl hielt sich nicht an seine eigene Zusage, die er 1985 gemeinsam mit Honecker gemacht hatte: Die Unverletzlichkeit der Grenzen und die Achtung der territorialen Integrität und Souveränität der Staaten in Europa in ihren gegenwärtigen Grenzen sind eine grundlegende Bedingung für den Frieden. Damit war auch die Souveränität der DDR und ihre territoriale Integrität gemeint.

    Die Gefahr von Kohls Fahrplan wurde in Moskau sehr wohl erkannt. Der sowjetische Außenminister Schewardnadse ließ seinen Kollegen Genscher wissen: „Nicht einmal Hitler hat sich Derartiges erlaubt!“

    Ende Januar 1990 war ich bei Michail Gorbatschow und präsentierte ihm mein Konzept, das ich unter eine Zeile aus unserer Nationalhymne von 1949 gestellt hatte: Deutschland einig Vaterland. In einem Vierstufenplan sollte die Einheit über eine Vertragsgemeinschaft mit konföderativen Elementen, die Bildung einer Konföderation von DDR und BRD mit gemeinsamen Organen, die Übertragung von Souveränitätsrechten beider Staaten an Machtorgane der Konföderation und schließlich die Bildung eines einheitlichen deutschen Staates in Form einer Deutschen Föderation oder eines Deutschen Bundes durch Wahlen erfolgen. Diesen Plan stellte ich am 1. Februar 1990 auf einer Pressekonferenz in Berlin vor.

    Allerdings hatten Gorbatschow und Kohl andere Pläne. Kohl reiste mit „Bimbes“ nach Moskau, versprach der Sowjetunion Nahrungsmittelhilfen von 220 Millionen D-Mark, um die Moskau nachgesucht hatte, und bekam dort einen Freifahrtschein.

    Am 10. Februar erklärte der Bundeskanzler vor der Presse in der sowjetischen Hauptstadt: „Ich habe heute Abend an alle Deutschen eine einzige Botschaft zu übermitteln. Generalsekretär Gorbatschow und ich stimmen darin überein, dass es das alleinige Recht des deutschen Volkes ist, die Entscheidung zu treffen, ob es in einem Staat zusammenleben will.“
    Wo die Entscheidungen fielen

    Das deutsche Volk wurde nicht gefragt. Die Entscheidungen wurden in Bonn und in Washington getroffen, die Widerstände in London und Paris, wo man gegen eine Vereinigung war, wurden ausgeräumt. Moskau konnte und wollte sich nicht mehr widersetzen: Das Land lag wirtschaftlich danieder, die Strategie der USA, die UdSSR totzurüsten, war erfolgreich gewesen. Wie eben auch die Nachkriegsstrategie der USA in Europa aufgegangen ist. Sie bestand aus zwei Prämissen: Erstens wollten sie sich dauerhaft in Europa festsetzen, zweitens die Sowjets aus Zentraleuropa verdrängen. 1994 zogen die letzten russischen Soldaten aus Deutschland ab.

    Die Amerikaner sind noch immer da.

    Im Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz lagern noch immer Nuklearwaffen.

    Die Nato steht inzwischen an der russischen Grenze.

    Die USA haben wichtige Rüstungsbegrenzungsverträge mit den Russen aufgekündigt.

    Washington droht selbst Verbündeten mit Sanktionen, wenn diese die Boykottmaßnahmen gegen Russland unterlaufen.

    Die EU steht in Nibelungentreue fest zu den USA. Die Chance zu einer eigenständigen Politik, die eine Emanzipation von den USA zwingend voraussetzt, wurde bis dato nicht genutzt.

    Deutschland verhält sich so wenig souverän wie vor 1989 unter den Bedingungen der Zweistaatlichkeit.

    1999 beteiligte sich die Bundesrepublik erstmals seit 1945 an einem Angriffskrieg – den der Nato in Jugoslawien. Aktuell ist die Bundeswehr in dreizehn Staaten und Regionen in sogenannten Friedensmissionen unterwegs.

    Und innenpolitisch? Sind wir inzwischen „ein Volk“?

    Wir haben die staatliche, jedoch keine innere Einheit. In dreißig Jahren wurde es nicht geschafft, den inneren Frieden herzustellen. Die Lebensbedingungen in West und Ost sind verschieden. Nachdem man jahrelang dafür die SED und die „marode Wirtschaft“ der DDR verantwortlich machte, kommt man inzwischen nicht umhin einzugestehen, dass bei der Vereinigung Fehler gemacht worden seien. Das Wort von der Kolonisierung macht die Runde. Wichtige Funktionen in Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft werden unverändert von Westdeutschen besetzt, und diese ziehen wiederum ihresgleichen nach. Obgleich die Arbeitslosigkeit im Osten so niedrig ist wie seit 1990 nicht, es spürbare Bemühungen gibt, Renten und Gehälter dem Westniveau anzunähern, bleibt immer noch eine bemerkenswerte Differenz. Nach dreißig Jahren!

    Es ist auch weniger die soziale Ungerechtigkeit, die die Menschen im Osten bedrückt. Es ist die ungebrochene Vormundschaft, die über sie ausgeübt wird. Ihnen wird ihre Vergangenheit interpretiert, vorgeschrieben, gedeutet. In letzter Konsequenz ist es eine fortgesetzte Entmündigung. Der Vertrauensverlust in die Institutionen des Staates – Parteien eingeschlossen – ist so groß wie nie. Die Stunde der braunen Rattenfänger ist da. Faschisten saßen schon immer im Bundestag. Noch nie aber mit einer eigenen Fraktion ...

    Der Historiker in Heyms Roman „Der König David Bericht“, der mit der „richtigen“ Geschichtsschreibung beauftragt wurde, hieß Ethan ben Hoshaja. In Erinnerung an diesen Mann und seine Mission kann ich nur sagen: Solange die deutschen Ethans das Monopol auf die DDR-Geschichte, auf die Deutung von Mauerbau und Mauerfall besitzen, werden sich die Ostdeutschen bevormundet fühlen.

    Auch deshalb bin ich Ihnen dankbar, dass Sie mir Gelegenheit gaben, hier heute zu sprechen. In Zürich, in der Schweiz.

    Eine solche Einladung habe ich bisher von keiner deutschen Universität oder Fachhochschule erhalten. Und es gibt weit über dreihundert davon.

    Muss ich noch mehr sagen?

    #DDR #histoire

  • Sommergäste (1976), russisch Datschniki Дачники
    https://de.wikipedia.org/wiki/Sommerg%C3%A4ste_(1976)

    Sommergäste ist ein 1975 gedrehter und 1976 erschienener deutscher Spielfilm von Peter Stein, nach einem Theaterstück (1904) von Maxim Gorki. Stein besetzte diese filmische Umsetzung einer seiner zuvor an der Schaubühne am Halleschen Ufer gezeigten Inszenierungen mit seinen damaligen Ensemblestars Bruno Ganz, Otto Sander, Edith Clever und Jutta Lampe in den Hauptrollen.
    ...
    Sommergäste entstand Mitte 1975 auf der Pfaueninsel in Berlin. Die Uraufführung fand am 29. Januar 1976 statt, Massenstart war der 6. Februar 1976. In der DDR wurde der Film das erste Mal nachweisbar am 12. März 1977 im Berliner Kino Studio Camera in der Oranienburger Straße 54 aufgeführt.

    Steins Sommergäste-Inszenierung an der Schaubühne erwies sich als ungewöhnlicher Erfolg, sie wurde seit der Premiere im Dezember 1974 nahezu 150 Mal gezeigt

    Zieglerfilm
    https://www.zieglerfilmkoeln.de/produktionen/kino/produktion/sommergaeste.html

    Regie Peter Stein
    Drehbuch Botho Strauß, Peter Stein (Mitarbeit)
    Produktion Regina Ziegler mit dem Ensemble der Berliner Schaubühne Musik Peter Fischer
    Kamera Michael Ballhaus
    Schnitt Siegrun Jäger

    Summerfolk
    https://en.wikipedia.org/wiki/Summerfolk

    Summerfolk (Russian: Дачники, romanized: Dachniki) is a play by Maxim Gorky written in 1904 and first published in 1905 by Znaniye (1904 Znaniye Anthology, book Three), in Saint Petersburg.

    Full of characters who “...might have stepped out of a Chekhovian world”, it takes place in 1904—the same year that Anton Chekhov died. The play dramatises the Russian bourgeois social class and the changes occurring around them.[4] In Russia the play premiered on 10 November 1904 at the Komissarzhevskaya Theatre in Saint Petersburg.

    The British premiere of the play was given by the Royal Shakespeare Company at the Aldwych Theatre in London on 27 August 1974. It was directed by David Jones, who introduced several of Gorky’s plays to Britain.

    The Royal Shakespeare Company and BAM: A Brief History
    https://blog.bam.org/2013/03/the-royal-shakespeare-company-and-bam.html

    The 1974 season was so successful that the RSC returned for repertory engagements in the spring of both ’75 and ’76, including David Jones’ production of Gorky’s Summerfolk. Lichtenstein thought it was so successful that he tapped Jones a few years later for the position of artistic director of the BAM Theater Company, BAM’s short-lived experiment at maintaining an in-house repertory company largely modeled on the RSC.

    Dacha - Wikipedia
    https://en.wikipedia.org/wiki/Dacha

    https://de.wikipedia.org/wiki/Datsche

    Die Aufhebung der Leibeigenschaft führte in den 1860er Jahren zu einem Niedergang der Landbesitzer, die ihr Land nun häufig verkaufen mussten, wodurch sich die Datsche als Sommerfrische für wohlhabendere Städter etablierte. 1904 verewigte Maxim Gorki die Sommertage auf der Datsche im Theaterstück Sommergäste (russisch Дачники; transkribiert datschniki). In der Zeit nach der Oktoberrevolution, als die Eigentumsverhältnisse an Grund und Boden noch nicht geregelt waren, nahmen Stadtbewohner brachliegende Parzellen in Besitz und erschlossen sie als Zweitwohnsitz.

    En RDA / #DDR 3,4 millions des 16 millions d’abitants possédaient une datcha . Ceci signifiait que même sans en posséder soi-même on connaissait toujous quelqu’un chez qui passer les weekends et l’été á la campagne.

    entstand eine große Anzahl von Siedlungen, insbesondere an Ufern der zahlreichen Seen im Norden der DDR. Die Vergabe wurde vom Staat geregelt. Die Datschen waren vom Hauptwohnsitz aus meist innerhalb einer Stunde zu erreichen. Es wird geschätzt, dass es in der DDR etwa 3,4 Millionen Datschen gab – „die weltweit höchste Dichte an Gartengrundstücken“.

    Maxim Gorky / Gorki - Dachniki (1905)
    http://gorkiy-lit.ru/gorkiy/pesy/dachniki/dachniki.htm

    Mit Gorki im Birkenwald - Maxim Gorki: Sommergäste
    https://www.die-deutsche-buehne.de/kritiken/mit-gorki-im-birkenwald

    Theater:SchaubühnePremiere:22.12.1974Regie:Peter Stein

    Foto: Sommergäste, 1974 © Anne Fritsch Text:Anne Fritsch am 2. April 2020

    Nie hätte ich gedacht, dass ich mal eine Kritik schreibe über eine Inszenierung, die älter ist als ich. (Aber ich hätte auch sonst einiges nie geglaubt, was gerade Wirklichkeit ist.) Nun also ist es soweit. Das Streamen, aus der Not des Corona Shut-Downs geboren, macht’s möglich. Am 22.12.1974 hatten Gorkis „Sommergäste“ in der Schaubühne am Halleschen Ufer Premiere. Regie führte Peter Stein. Ein Jahr später verfilmte er die Inszenierung mit dem Kameramann Michael Ballhaus.

    Es ist dies eine eigentümliche Mischung aus Theater und Film, ein bisschen Freilufttheater, ein bisschen Stationendrama. Hier wird nichts verfremdet, nichts aktualisiert. Hier sieht die russische Datscha aus, wie man sich eine russische Datscha vorstellt: weiße Sprossenfenster, ein niedriger Bau aus Holz inmitten eines Birkenwäldchens. Denn die Birken, die liebt der Russe ja bekanntlich. Die Möbel sind aus dunklem Holz gedrechselt, die Beleuchtung so trübe wie die Stimmung der gelangweilten Sommergäste. Wenn sie nach draußen gehen, tragen die Männer Sommeranzüge und Hüte, die Frauen weiße Blusen, lange Röcke und Sonnenschirme. Manchmal pflücken sie sogar Gänseblümchen. Das war schon 1974 altmodisch – und führt einen mal wieder zurück zu der Frage, ob sich alles aktualisieren lässt. Oder ob bestimmte Geschichten einfach in ein bestimmtes Umfeld gehören?

    Immerhin gelingt dieser Inszenierung etwas, was die „Sommergäste“ des vergangenen Jahres, bei den Salzburger Festspielen (Regie: Evgeny Titov) und am Münchner Residenztheater (Regie: Joe Hill-Gibbins), vermissen ließen: zwar etwas altmodische, aber echte Menschen zu zeigen. Das Ensemble spricht die Texte so unbefangen, als würden sie tatsächlich in diesem Moment entstehen. Vielleicht passt dieses Stück einfach nicht in holzgetäfelte Hotel-Lobbys (wie in Salzburg) oder auf steril-leere Drehbühnen (wie in München). Vielleicht sind die Themen und Fragen des Stückes zwar zeitlos, das Kreisen um die eigenen privaten Probleme, das Ausblenden der Welt um einen herum; vielleicht sind die Gespräche aber doch zu sehr in ihrer Zeit verwurzelt, als dass man sie eins zu eins ins 21. Jahrhundert verfrachten kann. Vielleicht braucht dieser Text eher ein wenig Distanz als Anbiederung, um wirken zu können.

    Die Steinschen Schauspielerinnen und Schauspieler laufen also durch Birkenwälder und lamentieren über ihre Sinnkrisen und Sehnsüchte. Die Männer haben wenig Scheu, sich dominant und zuweilen brutal zu verhalten. Sie tun das mit einer Selbstverständlichkeit, die heute undenkbar wäre. In so einem Setting ist auch ein Samowar, wie er ja in Gorki- und Tschechow-Inszenierungen gerne auf den Bühnen steht, kein Fremdkörper, sondern Alltag. Hier distanziert sich niemand von Stück, Sprache oder Rolle. Die Kritik am Text wird nicht mitgespielt, die Kritik an den Umständen ergibt sich durch das Darstellen derselben.„Was ist aus mir geworden?“, fragt Sabine Andreas als Olga. „Ich war doch auch einmal glücklich.“ Sie spricht diese Sätze klar und ohne Attitüde. Nicht als Fazit des Stückes, sondern als ganz persönliche Feststellung. Sie alle sprechen über die meist fehlende Liebe, das Schreiben und den ganzen Rest. In allem, was sie reden, schwingt all das mit, über das sie nicht reden.

    „Mein Gott, was sind wir für gleichgültige Menschen“, sagt Edith Clever als Varvara in der Schlüsselszene des Stückes, auf einer kleinen Feier unter bunten Lampions. „Wir sind Sommergäste in unserem Land.“ Die viel reden und nichts tun. Die sich verhalten, als wären sie nur zu Gast auf dieser Welt, nur zu ihrem Vergnügen hier, ohne Verantwortung für den ganzen Rest.

    Dieser Stream ist ein Blick in die Vergangenheit. Auf Schauspieler wie Otto Sander, Ilse Ritter, Jutta Lampe, Rüdiger Hacke oder Bruno Ganz. Ein Blick, der in der Gegenwartskunst Theater sonst nicht möglich ist. Das Theater lebt vom Moment, vom gleichzeitigen Produzieren und Konsumieren der Kunst, von seiner Vergänglichkeit. Eine Aufführung stirbt für gewöhnlich am Tag ihrer Derniere. Höchstens Theaterwissenschaftler blicken hie und da noch in die aufgezeichneten Überbleibsel prominenter Aufführungen. Nun aber, da der Live-Moment des Theaters, das Zusammen-Theater-Schauen-und-Spielen zum Problem geworden ist, wagt die Schaubühne selbst den Blick zurück in ihr Archiv, streamt längst vergangene Produktionen und macht sie der Öffentlichkeit zugänglich. Natürlich ersetzt das nicht das reale Theatererlebnis. Aber man bekommt Dinge zu sehen, die man immer mal sehen wollte, aber nicht konnte: weil man am falschen Ort war. Oder schlicht noch nicht geboren. So eine gelegentliche Rückschau könnten die Theater sich ruhig auch dann noch gönnen, wenn wir eines Tages in einen normalen Theateralltag zurückkehren können.

    Kleinbildnegativ: Schaubühne, 1974
    https://berlin.museum-digital.de/index.php?t=objekt&oges=44306

    Dachniki and gardeners: The Presidential Library spotlights the history of the country life in Russia | Presidential Library
    https://www.prlib.ru/en/news/1344295

    20 August 2022, Source: The Presidential Library

    Ever since Peter I initiated the donation of land, a unique phenomenon occurred and developed in Russia – the country life.

    The first measurement and “dacha” (distribution) of “convenient and inconvenient lands” were meant for peasants and craftspeople. Evidence of that is the decree of June 3 (14), 1712 On distributing lands in Ingria as plots for the peasants’ and craftspeople’ settlement, the text of which is available on the Presidential Library’s portal.

    The best lands were given to Peter’s entourage “for strolls and clear air”, as well as “for the fun of animal and bird hunt”. Dachas were located on the shores of the rivers, the Gulf of Finland and along the roads.

    By the early XIX century, the country life captured not only “circles close to the emperor” but also officials and the bourgeoisie. Therefore, the “great dacha migration” happened. The travel guide Regarding the health benefits of Petersburg dacha areas (1881), available in the digital collections of the Presidential Library, says: “The main goal of relocating to dachas is “health improvement” and an opportunity to “touch the living rays of sunshine””.

    Townspeople found it more convenient to rent a dacha, instead of owning one (“a good dacha could’ve been rented for 150-200 rubles, while buying one costs 600-700 rubles”). It was only a matter of picking a “dacha direction”.

    The country life of Old Peterhof was especially luxurious. Here, dachas were owned by the “big” aristocratic families.

    The most popular place for staying in dachas was Pavlovsk, as Petersburg residents considered the Pavlovsk Railway Station a “cultural centre” – orchestra and choir concerts were held there. The book Dachas and suburbs of Petersburg (1891), available in the collections of the Presidential Library, says: “Dachas in Pavlovsk were acquired, like seats in operas, year after year… and “the audience” not only knew who lives where, but also the amount of one’s dresses, hats, horses… Everyone had fun, and the Pavlovsk “trend” grew stronger”.

    The dacha direction along the Nikolayevskaya Railway Road that connected St. Petersburg in Moscow was the most perspective in the first half of the XIX century. “Lately, Tosno, Sablino, Ushaki… give shelter to hundreds of families, and it is undeniable that all of these places have a future. If one wants to enjoy the summer village life, milk, fields and air, then he should definitely stay on the Nikolayevskaya line; dachas here are half the price of the Finnish ones and four times cheaper than the Baltic ones. It provides a complete privacy and the most natural village idyll”.

    The Finland direction was also lively: “Over 5,000 dacha people leave this road every day”. The empty locations along the railway road were immediately filled up with dachniki. In 1903, the Kellomäki station (currently the settlement Komarovo) was founded on the spot of the “moose swamp” and became the centre of literary pilgrimage.

    The country life of the XIX – early XX centuries consisted of reading, parties, woodland walks, sailing on boats, music and swimming in ponds. Dachniki didn’t do farming and considered it odd.

    Despite the fact that “dachniki of Tsarist Russia” were associated with the bourgeois lifestyle, “middle-class comfort” and had an unspoken status of “idlers, only caring for entertainment”, the dacha culture not only survived the revolution, but also got a new development in the Soviet times.

    In the second half of the XX century, “dachniki-idlers” transformed into productive gardeners. The gardening movement became a part of the agrarian policy of the state. It began in accordance with the Decree of the Council of Ministers of USSR of 1949 On the collective and individual farming and gardening of workers and officials. Therefore, the “collective gardens” owned by enterprises were created. New horticultural areas were founded near the railway platforms: Mshinskaya (Luzhsky District), Pupyshevo (Volkhovsky District), Chashcha (Gatchinsky District), Trubnikov Bor (Tosnensky District).

    The 1970-1990s are associated with the gardeners’ dreams of “their own land”. Soon, these dreams became true and formed a new type of dachniki – “owners” of the gardens.

    In the early XXI century, dachas with gardens transformed into real country houses where people could live all year round.

    Alexandra Kasatkina’s abstract of theses Country conversations as a subject of ethnographic research: creating a method based on the materials of interviews about the development of garden plots in the 1980-1990s (2019) is available in the electronic reading room of the Presidential Library. Garden maintenance, plot’s planning, house renovation, socialization in villages, family members’ attitude to the dacha, - those seemingly “mundane” aspects of dachniki’s conversations became a material, revealing the great importance of country life for a contemporary resident of Russia.

    Researchers, who study the phenomena of country life, view it as an evidence of a “special Russian way”. The correlation of the country life with the history of Russia reveals that the former mirrors the realities of the country. Depending on the situation, a townsman either became a dachnik-beholder, or a gardener and a farmer. Still, in both cases, the image of dacha had a special charm, evident in the excitement about going to dacha as some kind of “shelter full of meanings”, as well as the heroic cultivation of “your own garden”, accompanied by the traditional tea parties on the terrace and slow conversations about anything and everything.

    #théâtre #Russie #Allemagne #Berlin-Ouest

  • Neues Buch : Egon Krenz liefert in seinen Memoiren Innenansichten der DDR-Führung
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/neues-buch-egon-krenz-liefert-in-seinen-memoiren-innenansichten-der


    Egon Krenz, l’éminence grise derrière le chef d’état en RDA publie la deuxième partie de son autobiographie.

    18.12.2023 von Maritta Adam-Tkalec - Erich Honecker als Gefühlsdeutscher und Christa Wolfs Nobelpreis – das neue Buch von Egon Krenz überrascht mit Unbekanntem. Ein Dokument der Zeitgeschichte.

    Wenn einer Memoiren schreibt, zumal einer, der über Jahre im engsten Machtzirkel eines Landes saß, dann darf das Publikum erwarten, dass ein paar Geheimnisse gelüftet werden – einige Häppchen Privates, über Freund- und Feindschaften, Politkrimi-Episoden. Das gibt es alles auch im soeben erschienenen Band zwei der Erinnerungen von Egon Krenz. Nicht gerade marktschreierisch lautet der weitläufige Titel „Gestaltung und Veränderung“. Auf Extra-Spektakel legt es Egon Krenz offenbar nicht an.

    Das Buch beginnt mit seinem Aufstieg an die Spitze der Freien Deutschen Jugend (FDJ) 1974 und endet schon fast tumultuös zu Beginn des Wendejahres 1989. Man darf aus seiner Position als Politbüromitglied heraus vermuten, dass er viel zu erzählen hat – und Antworten bietet auf manche Fragen, die die eigene Biografie unmittelbar betreffen. Zum Beispiel: Wo liegen die Ursachen für das sang- und klanglose Implodieren der DDR?

    Wie war es möglich, dass ein starres System alter Männer bis zum Ende stabil blieb und den Niedergang nicht nur akzeptierte, sondern organisierte? Welche Rolle spielte Erich Honecker dabei? Auf 446 durchaus spannenden Seiten bietet der Autor, inzwischen 86, abgeklärt und auch einsichtsvoll-selbstkritisch für Zeitgenossen wie die Autorin (Jahrgang 1956) eine Art Zeitleiste für wichtige Phasen des eigenen Lebens.

    Zunächst seien einige spezielle Geheimnisse angeführt, die die Boulevardzeitungen immer wieder einmal mächtig bewegten. Zum Beispiel die aus Erich Honeckers Tafelrunde in der siebenten Etage des ZK-Gebäudes, wo sich um 13 Uhr die Politbüromitglieder, also auch Egon Krenz, an einem reservierten Tisch zum zwanglosen Mittagessen trafen: Der Generalsekretär und Staatsratsvorsitzende aß am liebsten Makkaroni mit Schinken. Häufig wählte er auch Bratwurst mit Kartoffelbrei, Rippchen und Kassler. Das Deftig-Bodenständige entsprach den Vorlieben des Jüngsten in der Runde – außer Kassler, das mochte der Pommer nicht. Jeder zahlte für sich die moderaten Preise. In der sechsten Etage, in der Mitarbeiterkantine, war es noch mal günstiger.
    Ein Schlaglicht auf Schabowski

    Bei der Tafelrunde wurde es gelegentlich privat, und Krenz berichtet, wie sich ein Teilnehmer Tag für Tag mithilfe eines „perfekt entwickelten Nachrichtensystems“ eine günstige Position sicherte: Sobald der Chef zum Essen schritt, informierten „instruierte Posten“ Günter Schabowski, Parteichef von Berlin, der dann „alles stehen und liegen ließ“, meist Honecker noch einholte, mit ihm zusammen den Speisesaal betrat und bei Tisch wissen ließ, „wie groß das Vertrauen der Berliner zum Generalsekretär“ sei und „wie schlecht sie über Gorbatschow dachten“. Honecker gefiel das.

    Noch etwas aus dieser Güteklasse? Man liest, wer mit wem Kaffee trank, wie Krenz den Devisen-Guru Alexander Schalck-Golodkowski kennenlernte und Zugang zu dessen geheimen, nicht einmal dem Politbüro bekannten Zahlen erhielt, wie die Nachbarschaft im geheimnisumwitterten Politbürodorf Wandlitz funktionierte (bzw. nicht) – Krenz hatte es in seiner Plattenbauwohnung in Köpenick „geräumiger“ gefunden. Zu erfahren ist, wie der Auftritt Udo Lindenbergs im Palast der Republik zustande kam. Dazu eine nette Anekdote: Krenz hatte auf Honeckers Frage, was das denn dieser Lindenberg für einer sei, geantwortet: „Er nennt dich ,Honni‘ und ,Oberindianer‘“. Worauf Honecker bemerkte: „Ach, das ist ja lustig. Deshalb sagt mein Enkel jetzt manchmal ,Honni‘ zu mir.“

    Egon Krenz legt Erinnerungen vor: Gedächtnisstütze für Diktatursozialisierte

    Zwei Beispiele aus dem Promi-Nähkästchen: 1985 vertraute Honecker Krenz an, das Nobelpreiskomitee habe angefragt, ob die DDR Christa Wolf zur Entgegennahme des Literaturnobelpreises ausreisen lassen würde. „Großartige Sache“, sagte Krenz, und Honecker sah es ebenso, jedoch: „Ich hätte Nein sagen sollen, dann wäre ihr der Preis wahrscheinlich sicher gewesen.“ Die Klärung der Frage, wie Katarina Witt eine Karriere als Profisportlerin möglich wurde, korrigiert manch fehlgeleiteten Eindruck.

    Nun aber zum Eigentlichen: Wenige standen Erich Honecker, dem fraglos mächtigsten Mann der DDR, jahrelang näher als Egon Krenz. Der Jüngere hat den Erfahrenen, den Kämpfer gegen den Nationalsozialismus, der wegen seiner Überzeugungen jahrelang im Zuchthaus gesessen hatte, verehrt und als Förderer erlebt. Kein Wunder, dass sich das Buch in weiten Teilen um Honecker dreht. Krenz war ihm bis fast zum Schluss in nahezu bedingungsloser Loyalität zugetan und ringt gerade deshalb mit seinem historischen Urteil über die Figur.

    Folgt man der Darstellung des Autors, wurde er selbst immer wieder an neue Aufgaben herangeführt. Beförderungen wie die zum Kandidaten und dann zum Vollmitglied des Politbüros kamen überraschend. Gefragt wurde man nicht. Gelegentlich zog Honecker den Nachwuchs während langer Gespräche ins Vertrauen; regelrecht zur Initiation geriet offenbar ein Gespräch im Dezember 1983, als Honecker dem Politbüro-Neuling seinen Panzerschrank mit den geheimsten Dokumenten öffnete – Notizen von Pieck und Ulbricht über deren Treffen mit Stalin, über Gespräche mit SPD-Funktionären zur Vereinigung der beiden Arbeiterparteien, über ein Gespräch zwischen Ulbricht und Stalin über die deutsche Wiedervereinigung, Kaderakten früherer Politbüromitglieder, einschließlich der Akte Wehner, handschriftliche Aufzeichnungen über Agenten des sowjetischen Geheimdienstchefs Berija in der DDR. Da lag die Geschichte hinter der Parteigeschichte – geheimes Gedächtnis über Vorgänge, über die alte Genossen nur raunten. Nun erfuhr ein Nachgeborener davon, einer ohne eigene Erfahrung aus den Kämpfen und Intrigen der Zwanzigerjahre und der NS-Zeit.

    Die Grundlage: 27 Hefte mit Notizen

    Schnell kristallisiert sich in dem Buch der Dreh- und Angelpunkt aller Politik der DDR heraus: das Verhältnis zur Sowjetunion – Existenzgrundlage und Existenzrisiko des Staates zugleich. Immer wieder geht es um die Machtverhältnisse in Moskau, um Wünsche der DDR nach günstigen Rohstoffen und Gegenwünsche nach hochwertigen Waren. Ein ewiges Spiel zwischen Abhängigkeit und Streben nach Souveränität.

    Egon Krenz präsentiert sich in seinem Buch als Zeitzeuge, der alles aus seiner Sicht Wichtige so hinterlassen möchte, wie er es als unmittelbar Beteiligter sieht. Häufig bietet er Informationen, über die nur er verfügt – zum Beispiel aus Vieraugengesprächen mit Weltpolitikern, darunter mit sämtlichen Sowjetführern von Breschnew bis Gorbatschow und mit der ersten und zweiten Garde der alten Bundesrepublik.

    Krenz schrieb seine politischen Memoiren nicht einfach aus der Erinnerung. Er stützte sich auf 27 Hefte mit genauen Notizen über politische Gespräche, Sitzungen im Politbüro, über Krisen und unvorhergesehene Situationen, die sonst nirgendwo festgehalten sind. Seine selbstverfassten Quellen stellen eine wesentliche Grundlage der Erinnerungen dar und sprechen für Authentizität. Zudem hat er seine Notizen in den 1990er-Jahren mit den im Bundesarchiv befindlichen Akten abgeglichen. Auf diesen Grundlagen sieht sich Krenz in der Lage, „Vorgänge und Bewertungen mit wörtlichen Zitaten zu belegen (oder zu widerlegen)“. Zudem verfügt er über seine Terminkalender, aus denen er seine „Verpflichtungen auch inhaltlich rekonstruieren“ konnte.

    Folgt man seinen Berichten, staunte der Politbüro-Neuling gehörig über die Arbeitsweise im Machtzentrum der DDR, das klar über der Regierung stand. Die Parteispitze steuerte das Geschehen. Offenbar handelte es sich aber nicht um ein kollektives Führungsorgan. Denn Honecker hatte die wöchentlichen Sitzungen sukzessive so umgestaltet, dass die Anwesenden ausgearbeitete Vorlagen erhielten und bestätigten. Stundenlange Debatten wie unter seinem Vorgänger Ulbricht gab es nicht mehr.

    Da staunt auch der Leser: Im Zentrum der Macht soll massives Unwissen über reale Vorgänge geherrscht haben? Tatsächlich erscheint das Politbüro bei Krenz als bloßer Abnickzirkel. Wirtschaftsfragen interessierten Honecker demnach wenig, die glaubte er bei Günter Mittag gut aufgehoben – ein fataler Fehler, der bis zum Ende der DDR zerstörerisch wirken sollte. Genossen nannten den Wirtschaftsmann Mittag einen „falschen Fuffziger“.

    Honecker ritt derweil sein Steckenpferd Außenpolitik – erst ging es um die staatliche Anerkennung der DDR, dann immer stärker um die Beziehungen zwischen der DDR und der Bundesrepublik. Eine Geschichte, die ihn permanent in Kollision mit den verschiedenen Generalsekretären der KPdSU brachte. Geradezu obsessiv, diesen Eindruck kann man aus den Krenz-Berichten gewinnen, betrieb Honecker seine deutsch-deutsche Annäherung. Der Pommer Krenz bezeichnet sich als „von Gesamtdeutschem unbelastet“, während Honecker zunehmend sentimentaler auf den Westen, auf seine saarländische Heimat und seine Jugendfreunde (wie Herbert Wehner) blickte.

    Krenz pflegt andere, seine eigenen Sentimentalitäten: Wenn es seinem Buch um die Pioniere und die FDJ geht, fließt ihm das Herz über, und es wird selbst für die voll Pionier- und FDJ-sozialisierte Autorin zu heftig. Begeistert erinnert sich Egon Krenz an die „unvergessliche Einführung der roten Halstücher“ für ältere Pioniere als „wichtiges politisches Ereignis“. Diese Symbolik (ein Relikt der Zwanzigerjahre) mit Tüchern, Wimpeln, Blusen, Appellen, Fackelzügen war damals schon schwer zu ertragen und mutet bei aller Gelassenheit heute skurril an (meine Mutter, Jahrgang 1932, nannte mein Blauhemd ganz unschuldig „BDM-Bluse“). Den meisten war das äußerliche Brimborium wurscht und sie freuten sich an den sonstigen Angeboten für Kinder und Jugendliche. Sie erinnern sich noch heute an schöne Kindertage und sagen: „Wir waren gut aufgehoben.“

    Krenz beschreibt seinen früheren Chef Honecker als Gemisch aus starkem Eigenwillen plus Eitelkeit plus ökonomischem Unverstand. Er analysiert wichtige Entwicklungen, bewertet sie, auch mit Blick auf die eigene Verantwortung, die letztlich auf diese Frage zuläuft: Warum haben die Jüngeren, also vor allem er selbst, nichts gegen die offenkundige Erstarrung getan? Man sah den wirtschaftlichen Niedergang, den wachsenden technologischen Rückstand im Vergleich zum Westen, die schwache Arbeitsproduktivität – und tat nichts. Bis es zu spät war. Die Chancen eigenständigen Handelns beschreibt Krenz als eingeschränkt angesichts der Blockkonfrontation und der Vormacht der Sowjetunion, die auch zu Zeiten von Perestroika und Glasnost eifersüchtig über das Treiben in der DDR wachte.

    Warum aber konnte das Politbüro als Block der Alten dem wachsenden Druck standhalten? Eine kleine Geschichte erklärt vieles: Da wollte ein verdienter Genosse in Rente gehen. Man bedeutete ihm: Du bist doch zwei Jahre jünger als der Erich – soll der das als Rücktrittsaufforderung verstehen? Keiner konnte beiseitetreten, bevor es nicht der Chef, der vermeintliche Stabilitätsgarant, tat.

    „Es brodelte an der Basis. Die Zeichen stehen auf Sturm“

    Interessant ist auch, worüber Krenz, ZK-Sekretär für Sicherheitsfragen, nichts schreibt: über das Pilzgeflecht der Überwachung, mit dem Erich Mielke als Minister für Staatssicherheit die DDR-Gesellschaft durchziehen ließ. Auch stellt er sich nicht die Frage, warum das Politbüro ein geschlossener Männerklub blieb, der auch in dieser Hinsicht nicht die DDR-Gesellschaft repräsentierte – in der Frauen, ganz anders als im Westen, auf allen sonstigen Ebenen zeigten, was sie mit aller Selbstverständlichkeit zu leisten vermochten.

    Das Buch endet am Anfang des Schicksalsjahres 1989 mit dem Satz: „Es brodelte an der Basis. Die Zeichen standen auf Sturm.“ Band drei soll dann hineinführen, mitten in den Sturm.

    Das Buch

    Titel: „Gestaltung und Veränderung. Erinnerungen“
    Autor: Egon Krenz
    Verlag: edition ost, Berlin, 18. Dezember 2023
    Sonstiges: 352 Seiten, gebundene Ausgabe, 26 Euro

    Der erste Band der Memoiren, „Aufbruch und Aufstieg“, erschien 2022.

    #DDR #histoire #politbureau

  • Geil für Mielke und westliche Moneten
    https://taz.de/tazreisen!1347371

    Depuis 25 ans on n’a pas eu de nouvelles à propos de la prostitution en RDA sauf quelques documents de la Stasi qui conforment ce que tout le monde savait :

    – En RDA la prostitution constituait un phénomène visible mais éphémère.
    – Les structures mafieuses de proxénètisme et d’exploitation étaient absentes du commerce du sexe.
    – La Stasi se servait de la prostitution pour arrondir ses fins de mois en matière d’information.
    – Puisque la raison d’être des lois et des structures économiques en RDS étaient la sécurité économique, l’émancipation et la justice pour le peuple, la prostitution n’existait qu’á cause de l’alinéation (Entfremdung) et de ses conséquences psychologiques que l’état socialiste n’a jamais adressé.

    La comparaison avec les pays de l’Ouest montre que l’exploitation, la compétition économique et la pauvreté (aujourd’hui on préfère parler d’exclusion sociale) dans les pays capitalistes sont les raisons essentielles pour l’énorme ampleur du problème. Pour y remédier il faudrait s’en prendre aux raisons économiques et politiques.

    La prohibition sexuelle pratiquée dans plusieurs pays y fait autant de dégâts que la prohibition des drogues.

    28. 4. 1998 von Udo Scheer - Uta Falks Recherche zur Prostitution in der DDR in „VEB Bordell“ läßt die Auftragsarbeit der Huren für das MfS relativ unterbelichtet. Wichtig ist das Buch als Beitrag zur Mentalitätsgeschichte, weil es einen der wenigen Freiräume in der DDR ausleuchtet – den Sex.

    Es kam selten vor, daß sie es zu toll getrieben. Die „flotte Moni“, eine attraktive Sachbearbeiterin in Karl-Marx-Stadt, lockten wie viele andere in der DDR der Traum von der weiten Welt und der Luxus. Ihre Leidenschaft für die Exotik westlicher Männer rief die Volkspolizei auf den Plan, genauer, deren Stasi-Abteilung K1. Die stellte geplante Republikflucht durch Schleusung fest und übergab den Vorgang dem MfS.

    Ob die Staatssicherheit das Nummerngirl als Lockvogel zur Aushebung einer „feindlichen Menschenhändlerbande“ benutzte, ist Uta Falks Geschichte der Prostitution in der DDR nicht zu entnehmen. Die Autorin und Soziologin geht in „VEB Bordell“ zwar auf „Die Vernunftehe zwischen Prostitution und Staatssicherheit“ ein, stützt sich für die siebziger und achtziger Jahre jedoch überwiegend auf Presseveröffentlichungen und Gespräche mit Prostituierten, Barkeepern, Taxifahrern ..., ohne Akten und Dokumente heranzuziehen. So entwirft sie ein aufschlußreiches, teilweise voyeuristisches Panorama der Prostitution für Devisen. Die geheimdienstliche Dimension des Gewerbes ist mit dieser Methode nicht auszuloten. Sie ist jedoch ahnbar, wenn ein Ex- Stasi-Mitarbeiter zitiert wird, dem zufolge 95 Prozent der HwG- Personen (Personen mit häufig wechselndem Geschlechtsverkehr) zugleich für sein „Organ“ arbeiteten.

    Angesichts der 1968 erfolgten Erhebung der Prostitution zum Straftatbestand (§249, bis fünf Jahre Haft) hatten die Herren von der geheimen Front auch bei der „flotten Moni“ leichtes Spiel, sie sich „auf Basis von Wiedergutmachung“ dienstbar zu machen. Fortan empfing sie als IM „Petra Meyer“ westliche Diplomaten und Geschäftsleute. Im Land der Trabis und Wartburgs fuhr sie Mercedes: „Manchmal habe ich 5.000 Mark West pro Auftrag verdient und danach 1:12 getauscht.“ Das entsprach fünf Jahresgehältern eines Lehrers. Der Sex mit ihrem Führungsoffizier ging dann eine Nummer zu weit. Ihre IM-Akte weist Dekonspiration aus – den Tabubruch. Man trennte sich einvernehmlich: „Ich konnte weiter so ausschweifend leben, wie ich wollte.“

    Der geheime Dienst sammelte jede Information über den Klassenfeind und produzierte vorsorglich kompromittierendes Material. Romeo-IM umflirtete Sachbearbeiterinnen in bundesdeutschen Verwaltungen. Während der Leipziger Messe sorgten mehrere tausend „fleißige Bienchen“ aus allen Teilen der Republik für das körperliche Wohlbefinden westlicher Gäste, darunter Fremdsprachenstudentinnen. Trinkfreudige Lebedamen in der Rostocker Storchenbar verschönten devisenträchtigen Seeleuten den Landaufenthalt. Halbprofessionelle und professionelle Nutten waren in bestens präparierten Berliner Bars und Interhotels im ganzen Land zu Willen. 2.000 westdeutsche Persönlichkeiten sollen so den Herren von „Horch und Guck“ ins Netz der Geilheit gegangen sein. Unter ihnen war Heinrich Lummer, der nach seinem Aufstieg zum Innensenator in West-Berlin mit delikaten Fotos erpreßt werden sollte. Auch Uwe Barschel sei auf Orgien in Rostock gefilmt worden.

    Ostfrauen galten unter Westfreiern als Geheimtip, als hingebungsvoll und sinnlich. „Gib, was du denkst“ war ein häufiger Spruch in den siebziger Jahren. 20 D-Mark, damals 1:5 schwarz getauscht, entsprachen fast dem Wochenverdienst einer Sekretärin. Sich für „Geschenke-Sex“ hinzugeben, etwa für Kosmetik und Strumpfhosen – letztere sonst für 15 bis 30 Mark der DDR erhältlich –, erschien ihnen für diesen Kitzel nicht anstößig. Anders als professionelle verzichteten die Hobbyhuren schon mal auf Kondome. Sie schafften an für heißbegehrte Luxuswaren aus dem Intershop und redeten sich ein, sie könnten jederzeit von diesem Leben lassen, schließlich waren sie berufstätig und sozial gesichert.

    Fehlende religiöse Hemmungen, die seit 1972 kostenlosen Antibabypillen und die Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruchs führten zu einem selbstbewußten Sexualverhalten, das vergleichsweise häufige Partnerwechsel und Scheidungen einschloß. Einzig die SED-Genossen waren bis Mitte der siebziger Jahre der Vorbildwirkung halber gehalten, außereheliche Beziehungen zu meiden, oder sie zahlten mit Parteistrafe und Karriereknick. Dieser Aspekt wird in „VEB Bordell“ allerdings sowenig betrachtet wie die Prostitution an Armeestandorten und in einschlägigen Nachtclubs im Lande. Ein 16-Zeilen-Abschnitt unter der reißerischen Überschrift „Vergnügungen für die oberen Zehntausend“ weist darauf hin, daß sich ein Teil der Führungselite mehrfach im Jahr in der „Kleinen Revue“ des Berliner Friedrichstadtpalastes mit Kellnerinnen und Tanzmäusen vergnügt hat.

    Nach 1945 trug Prostitution in der DDR, wie Uta Falk anhand von Dokumenten und Recherchen im Gesundheitswesen und der Justiz sowie in Gesprächen, u.a. mit dem Transvestiten Charlotte von Mahlsdorf, aufzeigt, überwiegend existenzsichernde Züge. Moralische Bedenken gab es kaum, dafür drastische Gesundheitsrazzien zur Eindämmung von Geschlechtskrankheiten, mit denen rund ein Prozent der Bevölkerung infiziert war. Bereits in den fünfziger Jahren, in denen die Mehrheit der Frauen Berufen nachging, überwog die Prostitution als lockender Zusatzverdienst.

    Nach groben Schätzungen sollen in den achtziger Jahren rund 3.000 professionelle Huren in der DDR gearbeitet haben (BRD 400.000). 30.000 seien nebenbei für D-Mark, Intershop-Luxus und den inzwischen irrealen Schwarzumtausch von nicht selten 1:10 dem ältesten Gewerbe der Welt nachgegangen. Die Stasi machte den Luden und hielt die Lampe.

    Da verwundert es kaum, wenn Prostituierte die DDR als „Superzeit“ und „Schlaraffenland“ in Erinnerung haben. Die Autorin folgt dieser Logik nahezu kommentarlos. Gespitzelt haben den Interviews zufolge meist die anderen.

    Wer – wie der Titel „VEB Bordell“ suggeriert – schlüpfrige Sensationen über die Prostitution in der DDR erwartet, kommt kaum auf seine Kosten. Wer in dieser Reihe „Forschungen zur DDR- Geschichte“ insbesondere für die achtziger Jahre eine faktenreiche Analyse erwartet, ebenso. Statt dessen zeugt die chronologische Darstellung der Prostitution und Semiprostitution in der DDR von einem bemerkenswert selbstbewußten Sichausleben in einem der wenigen zugestandenen Freiräume – in der Sexualität.

    Uta Falk: „VEB Bordell“. Ch. Links Verlag 1998, 208 S., 38 DM

    Entfremdete Arbeit
    https://de.wikipedia.org/wiki/Entfremdete_Arbeit

    Karl Marx, Das Kapital", Bd. III, 27. Siebenter Abschnitt
    Die Revenuen und ihre Quellen, 48. Abschnitt, Die trinitarische Formel
    http://www.mlwerke.de/me/me25/me25_822.htm
    Toute alinéation psychologique est le reflet de l’alinéation matérielle dont Marx décrit à plusieurs reprises les raisons et les manifestations. L’ouvrier est aliéné de son produit parce qu’on le lui vole ; les classes au pouvoir sont touchées par l’alinéation parce que le processus économique cache le véritable charactère de la création de valeur et de la propriété.

    Souffrances et maladies sont les produits collatéraux de ce côté obscur de notre existence. La consommation est le remède de charlatan proposé par les idéologues de l’Ouest et le revenue de putain la clé du bonheur pour les petits esprits au pays du socialisme perverti.

    Endlich tritt neben das Kapital als selbständige Quelle von Mehrwert das Grundeigentum. als Schranke des Durchschnittsprofits und als einen Teil des Mehrwerts an eine Klasse übertragend, die weder selbst arbeitet, <838> noch Arbeiter direkt exploitiert, noch sich wie das zinstragende Kapital in moralisch erbaulichen Trostgründen, z.B. dem Risiko und dem Opfer im Wegleihen des Kapitals, ergehn kann. Indem hier ein Teil des Mehrwerts direkt nicht an Gesellschaftsverhältnisse, sondern an ein Naturelement, die Erde, gebunden scheint, ist die Form der Entfremdung und Verknöcherung der verschiednen Teile des Mehrwerts gegeneinander vollendet, der innere Zusammenhang endgültig zerrissen und seine Quelle vollständig verschüttet, eben durch die Verselbständigung der an die verschiednen stofflichen Elemente des Produktionsprozesses gebundnen, Produktionsverhältnisse gegeneinander.

    Im Kapital - Profit, oder noch besser Kapital - Zins, Boden - Grundrente, Arbeit - Arbeitslohn, in dieser ökonomischen Trinität als dem Zusammenhang der Bestandteile des Werts und des Reichtums überhaupt mit seinen Quellen ist die Mystifikation der kapitalistischen Produktionsweise, die Verdinglichung der gesellschaftlichen Verhältnisse, das unmittelbare Zusammenwachsen der stofflichen Produktionsverhältnisse mit ihrer geschichtlich-sozialen Bestimmtheit vollendet: die verzauberte, verkehrte und auf den Kopf gestellte Welt, wo Monsieur le Capital und Madame la Terre als soziale Charaktere und zugleich unmittelbar als bloße Dinge ihren Spuk treiben. Es ist das große Verdienst der klassischen Ökonomie, diesen falschen Schein und Trug, diese Verselbständigung und Verknöcherung der verschiednen gesellschaftlichen Elemente des Reichtums gegeneinander, diese Personifizierung der Sachen und Versachlichung der Produktionsverhältnisse, diese Religion des Alltagslebens aufgelöst zu haben, indem sie den Zins auf einen Teil des Profits und die Rente auf den Überschuß über den Durchschnittsprofit reduziert, so daß beide im Mehrwert zusammenfallen; indem sie den Zirkulationsprozeß als bloße Metamorphose der Formen darstellt und endlich im unmittelbaren Produktionsprozeß Wert und Mehrwert der Waren auf die Arbeit reduziert. Dennoch bleiben selbst die besten ihrer Wortführer, wie es vom bürgerlichen Standpunkt nicht anders möglich ist, mehr oder weniger in der von ihnen kritisch aufgelösten Welt des Scheins befangen und fallen daher alle mehr oder weniger in Inkonsequenzen, Halbheiten und ungelöste Widersprüche. Es ist dagegen andrerseits ebenso natürlich, daß die wirklichen Produktionsagenten in diesen entfremdeten und irrationellen Formen von Kapital - Zins, Boden - Rente, Arbeit - Arbeitslohn sich völlig zu Hause fühlen, denn es sind eben die Gestaltungen des Scheins, in welchem sie sich bewegen und womit sie täglich zu tun haben. Es ist daher ebenso natürlich, daß die Vulgärökonomie, die nichts als eine didaktische, mehr oder minder doktrinäre Übersetzung <839> der Alltagsvorstellungen der wirklichen Produktionsagenten ist und eine gewisse verständige Ordnung unter sie bringt, grade in dieser Trinität, worin der ganze innere Zusammenhang ausgelöscht ist, die naturgemäße und über allen Zweifel erhabene Basis ihrer seichten Wichtigtuerei findet. Diese Formel entspricht zugleich dem Interesse der herrschenden Klassen, indem sie die Naturnotwendigkeit und ewige Berechtigung ihrer Einnahmequellen proklamiert und zu einem Dogma erhebt

    ...

    <Seitenzahlen> verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 25, „Das Kapital“, Bd. III, Siebenter Abschnitt, S. 822 - 839, Dietz Verlag, Berlin/DDR 1983

    #histoire #DDR #prostitution

  • Traumatisierung durch politisierte Medizin
    https://www.mwv-open.de/site/books/m/10.32745/9783954664559

    En Allemagne l’héritage et les pratiques de la médecine nazie sont apparentes jusque dans les années 1970/1980. Malgré l’émancipation des femmes plus avancée dans l’état socialiste qu’en RFA les médecins formés sous les nazis et avant continuaient à exercer un régime brutal auquel on soumettait des femmes qui ne correspondaient pas à l’image officielle de la femme rangée et responsable.

    Cette étude s’intéresse aux cliniques pour le traitement de maladies sexuellement transmissibles en RDA.

    Il est difficile de comparer la situation dans les deux états allemands. Tout ce qu’on peut affirmer avec certitude c’est que chaque société avait des secteurs de soins où les abus de patients étaient courants.

    In der DDR kam es zu Zwangseinweisungen von Mädchen und Frauen ab dem zwölften Lebensjahr in geschlossene Venerologische Stationen. Die medizinischen Behandlungen und der Aufenthalt in den Stationen führten zu schweren Traumatisierungen der Zwangseingewiesenen. Allein der Verdacht auf eine Geschlechtskrankheit oder eine Denunziation reichten aus, um von der Polizei oder der Heimleitung auf eine solche Station gebracht zu werden. Auf den Stationen wurde durch eine politisierte Medizin ohne Aufklärung und Einwilligung der Zwangseingewiesenen in die körperliche Integrität der Mädchen und Frauen eingegriffen. Obwohl 70 Prozent nachweislich keine Geschlechtskrankheit hatten, mussten alle Mädchen und Frauen täglich eine gynäkologische Untersuchung über sich ergehen lassen. In einigen Stationen mussten die Zwangseingewiesenen Arbeiten verrichten. In anderen Stationen wurden die Mädchen und Frauen asyliert und von der Außenwelt isoliert. In einem hierarchisch organisierten Terrorsystem wurden die Zwangseingewiesenen körperlich wie psychisch gedemütigt und traumatisiert. Diese Traumatisierungen wurden transgenerational weitergegeben. Am Beispiel von Berlin, Berlin-Buch, Dresden, Halle (Saale) und Leipzig werden die Entstehung der Stationen in der Sowjetischen Besatzungszone, der Alltag auf den geschlossenen Venerologischen Stationen sowie die traumatischen Folgen der Zwangseinweisungen beschrieben. Für diese Rekonstruktion führten die Autoren neben umfangreichen Archivrecherchen Interviews mit ehemaligen Zwangseingewiesenen sowie mit Ärzten, Krankenschwestern und Mitarbeitern der geschlossenen Venerologischen Stationen durch.

    Einleitung
    Methode
    Von den geschlossenen Fürsorgeheimen für Geschlechtskranke in der SBZ zu den geschlossenen Venerologischen Stationen in der DDR
    Die geschlossene Venerologische Station der Poliklinik Mitte in Halle (Saale)
    Die geschlossene Venerologische Station in Leipzig-Thonberg
    Die geschlossenen Venerologischen Stationen in Berlin und Berlin-Buch
    Die geschlossenen Venerologischen Stationen der Hautklinik des Krankenhauses Dresden-Friedrichstadt
    Waren die Venerologischen Stationen in Magdeburg und Zwickau geschlossene Venerologische Stationen?
    Traumatisierung und transgenerationale Weitergabe
    Schluss

    Steger F. & Schochow M. 2015. Traumatisierung durch politisierte Medizin: Geschlossene Venerologische Stationen in der DDR. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft. DOI: https://doi.org/10.32745/9783954664559

    This book is distributed under the terms of the Creative Commons BY-NC-ND 4.0 license.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Geschlossene_Abteilung

    #DDR #iatrocratie #misogynie

  • Frösi Comics
    https://www.orlandos.de/coanfr_xmas_wk.htm

    Dans les carnets « Fröhlich sein und singen » (Frösi) de 1959 on trouve déjà cette solution astucieuse pour le père Noël à l’époque des hivers sans neige. Comme quoi ce n’étaient pas les inventions novatrices qui manquaient à l’état socialiste allemand. Comme indique le panneau sur le chariot c’était un essai. On ne l’a pas revu depuis.

    #bande_dessinée #DDR #noël

  • Berliner Gericht : Ex-Stasi-Mitarbeiter nach 49 Jahren wegen Mordes angeklagt
    https://www.berliner-zeitung.de/news/ex-stasi-mitarbeiter-wegen-mord-vor-berliner-gericht-angeklagt-li.2

    C’était l’époque des enlèvements d’avions par les Polonais et Allemands de l’Est. La méthode était trop facile. Immédiatement après le décollage à l’aeroport SXF / Schönefeld au sud de Berlin on menaça le pilote avec une fausse arme et cinq minutes plus tard l’apareil se posa sur le sol de THF / Tempelhof dans le secteur américain de Berlin-Ouest sous occupation militaire alliée.

    La Stasi menait une lutte acharnée contre ces violations de la frontière de l’état socialiste allemand et contre les criminels armés. Dans ce contexte un homme armé d’une fasse bombe a été tué par balles par un membre d’une unité antiterroriste de la Stasi.

    Le tireur est aujourd’hu accusé de meurte. Son procès sera ou un acte de proagande anticommuniste ou une enquête remarquable qui dévoilera le fonctionnement psychologique, administratif et légal des tchékistes d’Erich Mielke. On suivra les développements.

    12.12.2023 von Eva Maria Braungart - Rund 34 Jahre nach dem Mauerfall soll ein Ex-Stasi-Mitarbeiter wegen heimtückischen Mordes vor Gericht kommen.

    Über 34 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer soll ein ehemaliger Stasi-Mitarbeiter wegen heimtückischen Mordes vor Gericht kommen. Wie eine Gerichtssprecherin der Deutschen Presse-Agentur mitteilte, ließ das Landgericht Berlin eine Anklage gegen den inzwischen 79-Jährigen aus Leipzig zu. Wann der Prozess beginnen soll, ist noch nicht bekannt.

    Die Berliner Staatsanwaltschaft hatte Mitte Oktober bekannt gegeben, dass sie Anklage gegen den früheren Stasi-Mitarbeiter erhoben hat. Dieser soll am 29. März 1974 einen Polen in Ost-Berlin am früheren Grenzübergang Bahnhof Friedrichstraße erschossen haben. Laut Anklage soll der Mann das 38 Jahre alte Opfer „mit einem gezielten Schuss in den Rücken aus einem Versteck heraus“ getötet haben.
    Stasi-Mitarbeiter sollte Polen „unschädlich“ machen

    Der polnische Staatsangehörige soll zuvor in der polnischen Botschaft versucht haben, mittels einer Bombenattrappe seine ungehinderte Ausreise nach West-Berlin zu erzwingen. Das Ministerium für Staatssicherheit soll daraufhin entschieden haben, dem Mann zum Schein dessen Ausreise zu genehmigen. Mitarbeitende des Ministeriums sollen ihn dafür mit Ausreisedokumenten ausgestattet und zum Sektorenübergang am Bahnhof Friedrichstraße begleitet haben.

    Der Beschuldigte soll laut Anklage zur Tatzeit einer Operativgruppe des Ministeriums für Staatssicherheit angehört haben und mit der „Unschädlichmachung“ des Polen beauftragt worden sein.

    Zu Beginn der 1990er Jahre, nach dem Untergang der DDR und im Zuge der Ermittlungen wegen der Gewalttaten an der Berliner Mauer, griff die Staatsanwaltschaft Berlin den Fall vermutlich routinemäßig auf, stellte die Ermittlungen jedoch 1996 wegen mangelnder Ansatzpunkte ein.
    Staatsanwaltschaft sieht Merkmal für Mord erfüllt

    Erst 2016 habe es einen entscheidenden Hinweis aus dem Stasi-Unterlagen-Archiv gegeben, hieß es von einem Behördensprecher. Anders als heute sei man zunächst von einem Totschlag ausgegangen. In diesem Fall wäre die Tat verjährt gewesen.

    Inzwischen sieht die Staatsanwaltschaft das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt. Dieser Argumentation ist das Gericht zunächst gefolgt. Nach Angaben der Gerichtssprecherin hat die zuständige Kammer „die Anklage ohne Einschränkungen unter Eröffnung des Hauptverfahrens zur Hauptverhandlung zugelassen“.

    #DDR #Stasi #exécution_extrajudiciaire

  • SEZ an der Landsberger Allee gehört jetzt wieder Berlin: Das ist geplant
    https://www.berliner-zeitung.de/news/sez-an-der-landsberger-allee-gehoert-jetzt-wieder-berlin-das-ist-ge

    Na wunderbar, das SEZ ist wieder in Berliner Hand und zugleich auch nicht. Freibad, Wellenbad, Sportplatt und Partylocation wird es nicht wieder geben. Die „Stadt“ hat Angst daran wie die DDR pleite zu gehen und wird nun wohl das Gelände für Immobilienprojekte ausschreiben. Eklig.

    1.12.2023 - Der jahrelange Rechtsstreit um die Nutzung des früheren Sport- und Erholungszentrums (SEZ) in Berlin-Friedrichshain ist nach Angaben von Finanzsenator Stefan Evers (CDU) beendet.

    Das Land könne nun wieder über das vor 20 Jahren verkaufte Grundstück an der Landsberger Allee verfügen und dieses neu entwickeln, teilte Evers am Freitag mit. Laut aktuellem Bebauungsplan sind dort rund 500 Wohnungen und eine neue Schule vorgesehen.
    Das SEZ in Berlin-Friedrichshain musste 2002 schließen

    Das SEZ, 1981 eröffnet, war mit seinen verschiedenen Sport und Freizeitangeboten ein Prestigeobjekt in der ehemaligen DDR. Nach der Wende wurde der Betrieb zu teuer. 2002 musste das SEZ schließen.

    Das Grundstück war 2003 vom Land an einen Investor verkauft worden. Seit 2016 wurde vor Gericht darüber gestritten, ob der damalige Käufer seine vertraglichen Pflichten eingehalten hat. Das Kammergericht hatte 2022 entschieden, dass der Investor das SEZ- Gelände an das Land zurückgeben muss. Seine dagegen gerichtete sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde wies der Bundesgerichtshof nach Angaben der Finanzverwaltung nun ab. Damit bleibe das Urteil des Kammergerichts bestehen. Die Details der Rückgabe des Areals und dessen weitere Entwicklung würden zeitnah geklärt.

    „Das SEZ geht zurück an das Land Berlin und kommt damit endlich wieder den Berlinerinnen und Berlinern zu Gute“, erklärte Evers. „Das ist eine großartige Nachricht. Ich danke allen Beteiligten, die sich in diesem viel zu langen Rechtsstreit mit viel Herzblut für die Interessen der Allgemeinheit eingesetzt haben. Jetzt geht es darum, aus dieser Fläche gemeinsam das Beste für Berlin zu machen.“

    #Berlin #Friedrichshain #Landsberger_Allee #Danziger_Straße #SEZ #Sport #Wohnen #Politik #DDR

  • Gert Wunderlich: »Wenn die Sonne tief steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten.«
    https://www.jungewelt.de/artikel/463451.ddr-grafik-meister-der-form.html

    18.11.2023 von Peter Michel - Eine Erinnerung an den Plakatkünstler, Typographen, Buch- und Schriftgestalter Gert Wunderlich anlässlich seines 90. Geburtstages

    »Die Meisterung der Form, wenn sie keine leere Virtuosität, sondern eine wahre ­Meisterschaft sein soll, kommt aus einer ­Disziplin, die den ganzen Menschen ergreift.«, Johannes R. Becher

    Am 15. August 2023 verstarb Gert Wunderlich. Er war international geachtet und anerkannt. Gemeinsam mit seiner Frau Sonja sorgte er bis in die Gegenwart dafür, dass Maßstäbe einer anspruchsvollen Gebrauchsgrafik nicht aus dem Gedächtnis verschwinden. Seinen 90. Geburtstag erlebte er nicht mehr. Am 8. September 2023 wurde er auf dem Leipziger Südfriedhof beigesetzt.

    »Überklebt – Plakate aus der DDR« war der Titel einer Ausstellung, die 2008 in der Galerie der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde (GBM) stattfand, kuratiert von der Kunsthistorikerin Sylke Wunderlich. Auch ihr Vater, Gert Wunderlich, war zur Eröffnung am 22. Oktober erschienen. So sahen wir uns nach vielen Jahren wieder. Er gehörte zu den Lesern und Unterstützern unserer Zeitschrift Icarus.¹ Wir erinnerten uns an die gemeinsame Arbeit im Künstlerverband und an die jährlichen Ausstellungen der besten Plakate. Wir waren uns darin einig, dass die Plakatkunst in der DDR eigenständig war, dass sich – wie Friedrich Dieckmann in einem Katalogtext schrieb – an der Spitze der Zunft ein künstlerischer Eigensinn behauptet hatte, »der wusste, was in der Welt an relevanter Plakatgrafik produziert wurde, in Polen und in Japan, in Frankreich, Westdeutschland oder den USA, und ihr eine Kunst humaner Differenzierung, des intrikaten Effekts, der malerischen Figur, auch der vehementen Collage entgegensetzte, fast verträumt manchmal, dann wieder scharfzüngig oder auf ernsthafteste Weise verspielt«.²

    Der Leipziger Verlag Faber & Faber hatte im selben Jahr in seiner Reihe »Die Graphischen Bücher« einen Band mit einem Text des Wuppertaler Ästhetikprofessors Bazon Brock herausgegeben. Dieses Buch trug den Titel »Kotflügel. Sprechmaschine nackt im Damenjournal«. Brock war als Provokateur bekannt, er hielt auf dem Kopf stehend Vorträge, warf seine Schuhe in den Ätna und gründete ein Institut für Gerüchteverbreitung. Er war an Happenings mit Joseph Beuys beteiligt, bemühte sich, der öffentlich verbreiteten Ideologie entgegenzusteuern und hatte auf die Künstlergeneration der »Neuen Wilden« entscheidenden Einfluss. Gert Wunderlich gestaltete dieses Buch, legte jedem Exemplar acht schon 2006 geschaffene Originaltypographiken auf Transparentfolie bei und schrieb in eine der Ausgaben: »Wenn die Sonne tief steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten.« Hier übertraf wohl eine Ironie die andere. Als die Weimarer Ausstellung »Aufstieg und Fall der Moderne«, in der es 1999 um die Diskriminierung in der DDR entstandener Kunst ging, von allen Seiten heftig kritisiert wurde, hatte sich auch Bazon Brock eingemischt. Im Deutschlandradio Berlin äußerte er, angesichts dessen, was Ausstellungen und Kunstmarkt den Künstlern im Westen zugemutet hätten, sei die Kritik an der Weimarer Ausstellung lachhaft.³ Er war es also gewöhnt, dass man Kunst wie Müll behandelt.

    Die transparenten Originaltypographiken von Gert Wunderlich verstehe ich demgegenüber als Zeugnisse des Bestehens auf einer künstlerischen Leistung, die unwiederholbar ist und die man achten muss. Wunderlich spielte mit Schriften, farbigen und schwarzen, winzigen und großen Typen, mit geometrischen Formen, die die Funktion von Schriftzeichen übernehmen, mit spannungsvoll komponierten Flächen, mit herausfordernden Verrätselungen – und wenn man die Grafiken gegen das Licht hält, entstehen Assoziationen zu den Sprachblättern von Carlfriedrich Claus. Das sind Werke eines Künstlers, der sein typographisches Handwerk perfekt beherrschte und der solche Spiele – die natürlich ihren Eigenwert haben – braucht, um klare Botschaften ebenso meisterhaft unter die Leute zu bringen.
    »affiche directe«

    Sein Plakat »Hemmungsloser Maximalprofit tötet Moral« aus der Serie »affiche directe«, das 2008 entstand, ist ein Beispiel dafür. Der Begriff »Maximalprofit« steht schwer, schwarz und blockhaft im Zentrum. Die roten Schriftzüge bilden die weitergehende Aussage: »Profitgier tötet«, wobei die kalligrafisch scheinbar schnell hingeworfene und die massige Blockschriftzeile in ihrer Gegensätzlichkeit jeweils nach oben oder unten weisen und nach links einen Keil bilden. Es werden Bezüge zur frühen nachrevolutionären russischen Kunst deutlich. Die Serie »affiche directe« entstand seit den 1970er Jahren zu gesellschaftspolitischen Themen, die national und international von entscheidender Bedeutung waren – und noch sind. Hier stellten Gert und Sonja Wunderlich ihre eindeutige Haltung in einer breiten Öffentlichkeit aus. Sie stießen die Betrachter mit ihren Plakaten und Postkarten sehr direkt auf aktuell brennende Probleme, provozierten ein Weiterdenken und forderten zum Handeln auf. Sie nutzten dafür typographische, schriftgrafische und fotografische Mittel. Auf einem Plakat aus dem Jahr 1999 sind auf schwarzem Grund das NATO-Symbol und das Hakenkreuz miteinander verzahnt; darüber in Gelb das Wort »Aggressoren« und oben die Jahreszahlen 1939 und 1999 mit schlagwortartigen Schriftzügen: »Überfall deutscher Truppen auf Polen: 1.9.1939« und »Bombenkrieg der NATO gegen Serbien. Ohne UN-Mandat: 24.3.1999«.
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    Gert Wunderlich/Stiftung Plakat OST (2)

    Gert Wunderlich: Nie wieder Faschismus, Plakat (2006)

    Einige Postkarten dieser Serie schickte Gert Wunderlich an uns. Meist sind sie mit persönlichen Widmungen versehen. Wir bewahren sie als Zeugnisse unserer Freundschaft. »Kriege sind vom Aussterben nicht bedroht … Megaprofite, imperiale Gewalt und religiöser Fanatismus sind gegenwärtig«, steht auf einer dieser Postkarten aus dem Jahr 2014. Auf einer anderen wird davor gewarnt, Russland permanent als »Reich des Bösen« zu diffamieren. Auf der Rückseite einer Postkarte zur anhaltenden inneren Spaltung der Deutschen zitiert Gert Wunderlich eine Äußerung Stefan Zweigs aus dem Jahr 1938 über den Hass zwischen Systemen, Parteien, Klassen, »Rassen« und Ideologien. Anlässlich der V. Internationalen Plakatausstellung in Leipzig 2022 entstand sein Plakat mit dem Text des Gedichtes »Das große Karthago …« von Bertolt Brecht. Im selben Jahr beteiligten sich Sonja und Gert Wunderlich an einem japanischen Plakatwettbewerb gegen den Krieg und nutzten dafür die Nationalfarben der Ukraine.

    Das schöpferische Spiel mit der Schrift ist typisch für Gert Wunderlichs Plakatkunst. Als er das Plakat für die Internationale Buchkunstausstellung in Leipzig schuf, ordnete er die vierfach wiederholten Schriftzeichen der Abkürzung »iba« spiegelbildlich um eine senkrechte Mittelachse. Für die Thomas-Mann-Ehrung 1975 sind auf einer dunkelblauen Fläche drei Schriftzeilen an den oberen und unteren Rand sowie in die Mitte gestellt, so dass unter dem Wort »Mann« die Fliege genügt – die der Schriftsteller gern anstelle einer Krawatte trug –, um den Betrachter darauf zu stoßen, worum es geht. Beinahe monumental ist auf einem Plakat für eine Aufführung des »Rings des Nibelungen« die blockhafte Masse der schweren Typen auf einen Bühnenboden gestellt – als ein Zeichen für die Gewalt der Wagnerschen Musik. Ebenso symbolisiert ein kräftiger Punkt mit auf- und abschwellenden Linien die Kunst der Grafik auf einem Plakat für die Ausstellung »100 ausgewählte Grafiken 1977«. Solche Klarheit des Aufbaus bestimmte auch ein Schriftplakat zur Abrüstung 1983 und ein Plakat mit kyrillischer Schrift für eine Ausstellung grafischer Arbeiten der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst 1989 in Moskau. Fast alle diese Arbeiten sind Kulturplakate. Der Blickfang ist auf weite Sicht konzipiert, die notwendigen weiterführenden Informationen sind klein gedruckt. Wer neugierig geworden ist, tritt an das Plakat heran.
    Konsequenter Lebensweg

    Gert Wunderlich wurde am 18. November 1933 in Leipzig geboren. Er erlernte in den Deutschen Grafischen Werkstätten den Beruf des Schriftsetzers und studierte anschließend an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig (HGB) bei Irmgard Horlbeck-Kappler, Wolfgang Mattheuer und Elisabeth Altmann im Grundstudium. Sein Fachstudium absolvierte er bei den Designern, Kalligraphen und Typographen Albert Kapr, Oskar Zech und Otto Erler. Nach dem Diplom arbeitete er bis 1960 als Buchgestalter in der Druckerei »Fortschritt« Erfurt. 1959 wurde Wunderlich in den Verband Bildender Künstler aufgenommen. Seine erste große internationale Aufgabe war die Tätigkeit als Sekretär der Internationalen Buchkunstausstellung in Leipzig. Das dafür geschaffene Plakat machte ihn über die Grenzen der DDR hinaus bekannt. 1966 wurde er Aspirant bei Albert Kapr, 1967 Assistent, 1968 Oberassistent und 1971 Dozent. Der Bund Deutscher Buchkünstler, der seinen Sitz in Offenbach am Main hat, nahm ihn im selben Jahr als Mitglied auf. 1979 übertrug man ihm eine Professur mit künstlerischer Lehrtätigkeit sowie die Leitung der Abteilung Buchgestaltung/Gebrauchsgrafik an der HGB. 1982 wurde Wunderlich zum Vorsitzenden des DDR-Zweigs des International Council of Graphic Design Associations (Weltdachverband für Grafikdesign und visuelle Kommunikation, Icograda) gewählt. Eine erste Gastdozentur im Ausland führte ihn 1988 an die Akademie für Kunst und Design nach Beijing. Von 1991 bis 1999 bildete er Meisterschüler aus. 1992 erfolgte die Berufung als Professor neuen Rechts an der Leipziger Hochschule, bis 1999 leitete er dort die Fachklasse für Typographie, Buch- und Plakatgestaltung. Nach seiner Emeritierung ging Wunderlich 1999 noch einmal als Gastdozent für praktisch-künstlerischen Unterricht nach Beijing und hielt Vorträge an der Universität Xiamen und an der Kunsthochschule Suzhou. Er arbeitete in zahlreichen nationalen und internationalen Jurys mit und war von 1992 bis 2011 Mitglied des Kuratoriums zur Verleihung des Gutenberg-Preises der Städte Leipzig und Mainz.

    Gert Wunderlich gehörte zu den Typographen, die bis heute Maßstäbe setzen. Die klassische Ausbildung, die er nach dem Zweiten Weltkrieg in Leipzig erhielt, ist heute nicht mehr allgemein üblich. Sie schloss Offenheit gegenüber anderen Kunstbereichen ein. Schon in den 1950er Jahren – als das noch nicht selbstverständlich war – beschäftigte er sich mit dem Erbe des Expressionismus und des Bauhauses. Bewährtes und Neues zusammenzuführen, war Wunderlich wichtig. Stets war er der Auffassung, dass die typographische Form dem Inhalt entsprechen müsse; er wählte Formen, die es ermöglichen, einen Text dauerhaft erlebbar zu machen und zugleich die Lesbarkeit zu sichern. Das ist ohne gestalterische Disziplin nicht möglich; visuelles Marktgeschrei verbietet sich.

    Wunderlich entwickelte neue Schriften, darunter die »Antiqua 58«. Die von ihm geschaffene Linear-Antiqua »Maxima« gehörte wegen ihrer guten Lesbarkeit, ihrer Formschönheit und Ausdruckskraft in den 1980er Jahren zu den meistgenutzten Groteskschriften in der DDR und wurde für alle Buchgenres, aber auch zum Beispiel im Berliner Nahverkehr genutzt.
    Eigene Buchkunsttradition

    Die von Wunderlich gestalteten Bücher sind kaum zählbar. Wolfgang Hütts Bücher über Lea Grundig und Willi Sitte gehören dazu, der Sammelband »Weggefährten. 25 Künstler der DDR«, die vom Künstlerverband herausgegebene Publikation »Gebrauchsgrafik in der DDR«, Günter Meißners Buch über Werner Tübke, das Gert Wunderlich und seine Frau Sonja gestalteten, und andere. Gemeinsam mit den beiden älteren Buchgestaltern Albert Kapr und Walter Schiller gilt Gert Wunderlich als Vertreter einer Buchkunsttradition, die sich seit den 1950er Jahren in der DDR herausbildete – oft unter materiellen Schwierigkeiten und begleitet von kulturpolitischen Auseinandersetzungen. Die Zusammenarbeit mit Grafikern und Illustratoren war ihm stets wichtig, um ein ganzheitliches buchkünstlerisches Werk zu schaffen. Zwischen 1991 und 2011 schuf er zum Beispiel für den Leipziger Bibliophilen-Abend vorbildhaft gestaltete Bücher und Buchkassetten mit Holzstichen von Karl-Georg Hirsch, Lithographien und Steindrucken von Jiří Šalamoun und Rolf Münzner, Holzschnitten, Kupferstichen und Radierungen von Baldwin Zettl, Hans Ticha, Joachim John, Rolf Kuhrt und anderen. Seine Arbeiten zu Texten von Edgar Allan Poe, Bertolt Brecht, Volker Braun, Hermann Kant, Rolf Hochhuth, Lothar Lang und anderen sind Meisterwerke, die ihresgleichen suchen. Viele Verlage schätzten Gert Wunderlich als einfühlsamen, maßstabsetzenden Gestalter. Wenn man solche Bücher in die Hand nimmt und sieht, wie alle Teile zusammenspielen, wie komplizierte Texte und unterschiedliche grafische Elemente ein Ganzes geworden sind, wird einem die ästhetische Verarmung der Gegenwart bewusst. Aus dem Kulturgut Buch ist in vielen Fällen ein Wegwerfartikel geworden, eine Ware wie jede andere.
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    Gert Wunderlich/Stiftung Plakat OST

    Gert Wunderlich: Plakat für den Wettbewerb »100 Ausgewählte Grafiken« 1977 (1977)

    Bis kurz vor seinem Tod bestritt Wunderlich unzählige Einzel- und Gruppenausstellungen und wurde vielfach ausgezeichnet. Seine Arbeiten sind in Sammlungen auf der ganzen Welt zu finden. Der 1933 Geborene konnte auf das Erreichte stolz sein. Es machte ihn sympathisch, dass er bei alledem bescheiden auftrat und nicht vergaß, woher er kam. Wir trafen uns im Sommer 2013 zum letzten Mal. Der Anlass war traurig und unser Treffen war zufällig. In der Menschenmenge vor der Feierhalle auf dem Gertraudenfriedhof in Halle sahen wir uns, als wir von Willi Sitte Abschied nahmen.

    Der Grafikdesigner Kurt Weidemann schrieb: »Wer Typographie macht, dem muss es völlig wurscht sein, ob er im Trend liegt, up to date ist oder nicht. Wer dauernd neuen Idolen dient oder sie nur abkupfert, verliert seine Identität. Wer Angst davor hat, als altmodisch bezeichnet zu werden, darf seinen Kontrahenten Ahnungslosigkeit und Unkenntnis der Geschichte vorwerfen.«⁴ Gert Wunderlich besaß dieses Selbstbewusstsein. Und die Anmerkung Kurt Weidemanns betrifft wohl nicht nur die Typographie.

    Anmerkungen

    1 Icarus, Zeitschrift für soziale Theorie, Menschenrechte und Kultur, herausgegeben von der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde

    2 Friedrich Dieckmann: Eigensinn und Eigenart. Plakate aus der Deutschen Demokratischen Republik. In: Überklebt – Plakate aus der DDR, Schwerin 2007, S. 9

    3 Gespräch mit Bazon Brock, Deutschlandradio Berlin, Mai 1999. Siehe auch: Peter Michel: Ankunft in der Freiheit. Essays gegen den Werteverlust der Zeit, Berlin 2011, S. 42

    4 Kurt Weidemann: Typografen sind Dienstleute. In: Sonja und Gert Wunderlich: Graphik-Design, herausgegeben von der Stiftung Plakat Ost, Leipzig 2013, S. 94

    #art #DDR

  • Kurt Hager über Wissenschaftsmissbrauch im Sozialismus – Ein sinnentstellender Fehler
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/osten-ddr-kurt-hager-ueber-wissenschaftsmissbrauch-im-sozialismus-e

    Les Trotzkystes qualifient le socialisme de type stalinien comme règne de la bureaucratie. Ils ont raison. Voilà la preuve.

    19.11.2023 von Erhard Geißler| - Wie die Genossen das Politbüromitglied Kurt Hager ins offene Messer des Klassenfeinds laufen ließen.

    Vor fünf Jahrzehnten wurde die Gentechnik eingeführt. Sofort gab es nicht nur große Erwartungen, sondern auch erhebliche Bedenken. Genetic Engineering ist nicht nur mit Sicherheitsrisiken verbunden, sondern besitzt auch erhebliches Missbrauchspotenzial.

    In der DDR wurde das vor allem von einigen prominenten Schriftstellern artikuliert. Ernst Schumacher warnte in der Berliner Zeitung vor „kaltblütigen Genexperimentatoren“ und Jurij Brezan meinte, alle müssten nun „Angst vor Biologen haben“. Auch im Sozialismus?

    Wenn man wissen will, wie sich Partei- und Staatsführung der DDR zu den neuen Entwicklungen verhielten, bietet sich eine Lektüre der Werke des Chefideologen Kurt Hager an. Der hatte sich 1979 ausführlich zu Vorzügen und Nachteilen der Gentechnik in seiner Schrift „Philosophie und Politik“ geäußert. Die kann man noch heute ausleihen, beispielsweise in der Deutschen Nationalbibliothek.

    Sie residiert an zwei Standorten, in Frankfurt am Main und Leipzig, und verfügt folglich über zwei Hager-Broschüren. Im Leipziger Exemplar steht, was der informierte Leser von einem solchen Autor erwartet: Unter sozialistischen Produktions­verhältnissen sei der Missbrauch wissenschaftlicher Erkenntnisse ausgeschlossen.

    Ein sinnentstellender Fehler

    In der Frankfurter Ausgabe steht auf Seite 24 jedoch das glatte Gegenteil: „Gesellschaftliche Garantien zum Missbrauch von Forschungsresultaten bietet aber allein der Sozialismus“. So heißt es auch in der Broschüre, die man in Madison, Wisconsin, ausleihen kann. Wie das? Unterschiedliche Ost- und Westtexte?

    Ich stieß auf diese merkwürdige Tatsache erst neulich. Dirk Oschmann, Katja Hoyer, die Berliner Zeitung und andere hatten endlich eine breite Diskussion darüber angestoßen, wie überaus vielschichtig es in der DDR tatsächlich zugegangen war, und ich begann in diesem Zusammenhang über den sinnentstellenden Fehler in Hagers Broschüre zu recherchieren.

    Hagers Text ist das Schlußwort, das er im November 1979 auf dem V. Philosophen­kongress der DDR gehalten hatte. Es war von einer Arbeitsgruppe entworfen worden, welche die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED einberufen hatte. Die Gruppe legte einen 54-seitigen Entwurf vor.

    Etwa ein Viertel des Textes beschäftigt sich unter der Überschrift „Sozialismus und Wissenschaft“ mit neuen Entwicklungen in Naturwissenschaft und Technik, vor allem mit Mikroelektronik und mit den Pros und Kontras der Gentechnik. Und in diesem Zusammenhang ist der überraschende Satz über den im Sozialismus garantierten Wissenschaftsmissbrauch in den Text geraten, ganz sicher nicht absichtlich, sondern wohl beim Diktieren oder Abschreiben.

    Der Entwurf wurde dann gründlich überarbeitet und stark gekürzt. Aber die Passagen, die sich mit der Gentechnik und ihren Implikationen beschäftigten, wurden fast unverändert übernommen. Wer der Endkorrektor war, ist nicht überliefert. Das finale Manuskript ist im Bundesarchiv nicht in den Unterlagen des Büros Hager oder anderer Einrichtungen der SED-Führung archiviert, sondern in den Akten des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen. Vielleicht war ein Wissenschaftler der Korrektor?

    Aber vielleicht war es auch Hager selbst. Dafür sprechen die wenigen, sehr speziellen Detailkorrektoren. Beispielsweise wurde hinter der ursprünglichen Formulierung, die „vielschichtige Problematik von Gesundheit und Krankheit“ sei eine Herausforderung der marxistisch-leninistischen Philosophie, hinter „Krankheit“ eingefügt: „und Sterben“ – also ein realsozialistisches Tabuthema. Das konnte sich eigentlich nur ein Politbüromitglied erlauben.

    Dieser Teil des Manuskriptes wurde also bei der Endkorrektur offensichtlich ganz genau, Wort für Wort, gelesen, von wem auch immer. Um so erstaunlicher ist, dass dabei der sinnentstel­lende Fehler übersehen wurde.

    Jedenfalls war es Hager selbst, der ihn während seines Vortrages übersah. Ich nahm damals am Kongress teil und hörte sehr gespannt zu, denn ich war von Anfang an bei der Einführung der Gentechnik in der DDR beteiligt. Kurz vor der Tagung war ich vom Gesund­heits­minister zum Vorsitzenden der Kommission zur In-vitro-Rekombination von DNA berufen und damit für die Sicherheit gentechnischer Experimente verantwortlich gemacht worden.

    Deshalb fiel mir auf, dass sich der Redner in diesem Zusammenhang nicht an sein Manuskript hielt und minuten­lang völlig frei sprach. Allerdings war manches davon fachlich nicht korrekt. Dies habe ich dann wenige Tage später meinem Chef, dem Genossen Direktor des Zentralin­stituts für Molekularbiologie, mitgeteilt. Hager habe sich „fast ausschließlich auf veraltete Informationen bezogen“. Man soll ihm das in geeigneter Form mitteilen, damit „vor einer eventuellen Veröffentlichung des Gesamttextes noch eine Durchsicht und Überarbeitung erfolgen“ könne.

    Aber mein Brief kam zu spät: Im Dietz-Verlag war man bereits dabei, den Druck des Schlusswortes vorzubereiten. Schon am 6. Dezember waren die Korrekturbögen fertig und wurden Hager – auf dessen ausdrücklichen Wunsch hin – übersandt, mit der Bitte, die „von dir bearbeiteten Fahnenabzüge so bald wie möglich“ zurückzuschicken. Zwei Tage später antwortete Hager – ohne Kommentar zu den Fahnen. Auch dieses Mal hatte er den Fehler also übersehen. Und deshalb ging der Druckauftrag ohne weitere Änderungen an die Druckerei Neues Deutschland.

    Bereits am 14. Dezember 1979 erhielt der Verlag die ersten 100 Exemplare der Broschüre. 25 wurden sofort an Kurt Hager weitergeleitet. Drei Tage später wurden 41.280 Exemplare an den Buchhandel ausge­liefert. Besondere Abnehmer wurden individuell versorgt: Je 500 Exemplare gingen ans Ministerium für Staatssicherheit, an die Nationale Volksarmee und an die Partei­hochschule. Inhaltsschwere Lektüre für die Weihnachtsfeiertage – oder für die Wache in der Stasi-Zentrale oder in den Objekten der NVA. Aber offenbar stieß nicht einer auf den sinnentstellenden Fehler – oder scheute davor zurück, ihn zu melden.

    Ich scheute mich nicht. Ich fand ihn, als ich um den Jahreswechsel herum den Wissenschafts­teil der Broschüre sehr genau, Wort für Wort las, auf der Suche nach Hagers Fehleinschätzungen. Die waren nicht übernommen worden. Wohl aber der peinliche Lapsus.

    Ich war zwar schon seit mehr als zwei Jahrzehnten kein SED-Mitglied mehr, war aber auch kein Dissident. Wenn dieses Zitat Richard Löwenthal, dem westdeutschen Pendant unseres „Sudel-Ede“ Karl-Eduard von Schnitzler, in die Hände fiele … Nicht auszudenken, wenn der die Haltung der Partei- und Staatsführung zur Gentechnik lächerlich machte.

    Also suchte ich gleich im Januar 1980 meine Vorgesetzen an der Akademie der Wissen­schaften auf. Mein Institutsdirektor hörte entgeistert zu, sah aber keine Handlungsmöglichkeit. Der Direktor des Forschungsbereiches Molekularbiologie und Medizin ebenso. Vermutlich aus Angst, als Überbringer der schlechten Nachricht bestraft zu werden, riskierten diese einflussreichen Genossen lieber, einen ihrer obersten Chefs ins offene Messer des Klassenfeinds stolpern zu lassen.

    Also wandte ich mich eine Etage höher und informierte den Akademie-Präsidenten. Als ZK-Mitglied hatte der direkten Zugang zu Hager. Trotzdem wandte er sich nicht an den, sondern nur an den Leiter der Abteilung Wissenschaften des ZK. Der aber meinte, man solle die Sache besser auf sich beruhen lassen.

    Auslieferung der Exemplare wird gestoppt

    Hager wurde tatsächlich nicht informiert, aber die Auslieferung der restlichen 5700 Exemplare wurde am 5. Februar 1980 gestoppt. Die Mitarbeiter des Dietz-Verlags wurden über den „sinnentstellenden Fehler“ informiert und darüber, dass der „bereits im Manuskript enthalten“ war. Diesen peinlichen Befund konnte man Hager natürlich nicht mitteilen. Und vermutlich deshalb wurde auch keine Rückrufaktion der Broschüre gestartet, denn das hätte der Chef sicher gemerkt, vielleicht sogar selbst genehmigen müssen.

    Davon drang natürlich nichts nach außen. Und die fehlerhafte Schrift war weiter im Umlauf. Also fasste ich mir ein Herz und schrieb selbst an Kurt Hager, am 25. März 1980. Aber darauf gab es wochenlang keine Reaktion. Das war merkwürdig, denn auf Eingaben von Bürgern wurde gerade in Partei- und Sicherheitskreisen meist sehr aktuell und akkurat reagiert.

    Tatsächlich reagierte man – von mir unbemerkt – sofort auf mein Schreiben und beschloss, eine korrigierte Auflage der Broschüre zu drucken: Am 11. April wurde die Druckerei beauftragt, 10.000 Exemplare einer „zweiten Bindequote“ zu produzieren. Fünf Tage später begann deren Auslieferung. Hager selbst bekam diesmal kein Stück.

    Erst danach wurde mein Brief beantwortet. Ich wurde ins Haus des ZK der SED eingeladen, ins Büro Hager. Am 30. April erwarteten mich dort der Leiter des Büros sowie der Direktor des Dietz-Verlags. Man sei mir ja sooo dankbar, aber sie hätten bereits Bescheid gewusst. Zehn Genossen hätten Korrektur gelesen, aber ein elfter habe den Fehler dann doch noch gefunden.

    Druck und Auslieferung der Broschüre seien sofort gestoppt und eine korrigierte Ausgabe gedruckt worden. Die wurde mir in die Hand gedrückt. Es sei ihnen unvorstellbar, wieso ich trotzdem ein fehlerhaftes Exemplar in die Hand bekommen hätte. Aber nun sei die Sache aus der Welt, und den Genossen Hager, den wolle man damit gar nicht erst beunruhigen.

    Ich zog von hinnen – und merkte schon damals bald, dass ich nach Strich und Faden belogen worden war. Es gab nicht nur mein Exemplar. Die fehlerhafte Broschüre wurde immer noch im Buchhandel angeboten. Ich informierte den Verlagsleiter darüber am 16. Mai schriftlich. Der zeichnete meinen Brief ab und gab ihn in die Ablage. Eine Antwort blieb er mir schuldig.

    Und noch heute kann man Hagers verballhorntes Statement in mindestens 17 deutschen Bibliotheken unkommentiert lesen, allein im Bundesarchiv in fünf Exemplaren. Korrigierte Broschüren haben es in weit weniger Sammlungen geschafft, aber immerhin auch nach Los Angeles und nach Shanghai. In Hagers Nachlass befindet sich nur ein Exemplar, eines mit dem Fehler. Zu Lebzeiten hat er wohl nie von dem Vorfall erfahren.

    Notabene zur gleichen Zeit, als Hagers Rede veröffentlicht wurde, erschienen in der „West-Presse“ die ersten Meldungen, in der sowjetischen Waffenschmiede Swerdlowsk – dem heutigen Jekaterinburg – habe es in einer Biowaffeneinrichtung eine Explosion gegeben, die eine tödliche Milzbrandepidemie ausgelöst hätte. Missbrauch der Wissenschaft gab es tatsächlich im Sozialismus, unter brutalem Bruch völkerrechtlicher Verträge. Rechtssicher bewiesen werden konnte das aber erst nach der Wende.

    #socialisme #DDR #bureaucratie #sciences #histoire #biologie #recherche_génétique #culture #polirique

  • 34 Jahre nach dem Mauerfall : Die Ostdeutschen haben das Streiten verlernt
    https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/kommentar-34-jahre-nach-dem-mauerfall-die-ostdeutschen-haben-das-st
    Le sentiment d’indignation et l’absence complète de peur au sein de la vaste majorité des citoyens ont été deux facteurs principaux de la fin de l’état socialiste allemand. Aujourd’hui cet esprit n’existe plus en Allemagne de l’Est.

    9.11.2023 von Anja Reich - Die Menschen in der DDR haben eine Staatsmacht gestürzt, sich in wilden Debatten die Freiheit erkämpft. Warum sind viele von ihnen heute so still? Ein Kommentar.

    Ich bin gerne im Berliner Westen in diesen Tagen, im tiefen Westen. Am Botanischen Garten zum Beispiel, wo man sich im Café zwischen dem „Frühstück Lichterfelde“ (Croissant, Café Crema, Konfitüre) und dem „Frühstück Wannsee“ (Quark, frisches Obst, Tee, Orangensaft) entscheiden muss. Wo am Zeitungs- und Lottoladen das Schild „Pause bis 14 Uhr“ hängt, wo die alten Zeitungsaufsteller mit der alten Werbung stehen: „Heute schon B.Z. gelesen?“ und ein Plakat für die Räuber-Hotzenplotz-Vorstellung in der Kirchengemeinde wirbt.

    Das Leben scheint langsamer dort, die Leute scheinen mehr Zeit, bessere Laune und die unumstößliche Gewissheit zu haben, dass alles immer so weitergeht: Frühstück Wannsee, Räuber Hotzenplotz, Pause bis 14 Uhr. Ich genieße das. Wie man etwas genießt, das es nicht mehr lange geben könnte. Meine Ausflüge in den Westen kommen mir vor wie ein Abschied von einer Welt, in der ich nie so richtig angekommen bin.

    Es klingt seltsam, ich weiß. Und der Westen kann überhaupt nichts dafür. Die Ostdeutschen sind schuld, mit ihrem Mut, ihrer Kraft, ihrer Lust, alles einzureißen, jede Gewissheit infrage zu stellen. Sie haben damals, vor 34 Jahren, Maßstäbe gesetzt, an denen ich von da an alles gemessen habe, nach denen mir das bundesrepublikanische Leben oft langweilig vorkam, die Gespräche zu gepflegt, zu belanglos. Es ging um die Erhaltung eines Zustandes, die immer gleichen Querelen zwischen den immer gleichen Parteien, den nächsten Urlaub, die neue Wohnung, das neue Auto.

    Ich konnte erstmals quatschen, wie ich wollte, dabei stellte sich heraus, du hast eine Position. Es war atemberaubend.
    Günter Schabowski

    Ich sehnte mich nach der wilden Wendezeit zurück, in der nichts blieb, wie es war. Vor allem die Diskussionen fehlten mir. „Ich konnte erstmals quatschen, wie ich wollte, dabei stellte sich heraus, du hast eine Position. Es war atemberaubend“, sagte Günter Schabowski über die Tage, in denen er mit seinem Versprecher zum Reisegesetz die Mauer zum Einsturz gebracht hatte. „So viel wie in diesen Wochen ist in unserem Land noch nie geredet worden“, sagte Christa Wolf bei der Demonstration am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz. „Wir schlafen nicht oder wenig, wir befreunden uns mit neuen Menschen, und wir zerstreiten uns schmerzhaft mit anderen.“

    Es ist eine Erfahrung, die mein Leben geprägt hat. Das Reden, Streiten, Zweifeln. Kein Satz stört mich mehr als: Das ist nicht die richtige Haltung. Kein Einwand löst so viel Widerstand in mir aus wie: Darf man das denn sagen? Ich fühle mich unwohl mit Menschen, bei denen ich merke, sie halten sich zurück, aus Angst oder taktischen Gründen oder warum auch immer. Und liebe es, wenn Leute sich um Kopf und Kragen reden, sagen, was sie wirklich denken.

    Die DDR wird oft als Diktatur beschrieben und selten als das Land, das Reformen eingeleitet und seine Staatsmacht gestürzt hat.

    Ich habe daran andere Ostdeutsche erkannt, auch noch viele Jahre nach dem Mauerfall, auch welche, die 1989 noch Kinder waren. Nicht sagen, was die Chefs erwarten, offen sein für andere Meinungen, damit rechnen, dass jeden Moment alles zu Ende sein könnte, keine Angst vor der Zukunft haben.

    Aber während ich das schreibe, merke ich, ich beschwöre Erinnerungen, die zur Vergangenheit gehören. Es ist 34 Jahre her, fast ein halbes Menschenleben. Die wunderbare Christa Wolf ist tot, genau wie der zerstreute Günter Schabowski. Die DDR wird heute vor allem als Diktatur beschrieben und selten als das Land, das Reformen eingeleitet, wilde Debatten geführt, seine Staatsmacht gestürzt hat. Revolutionäre von damals erzählen mir heute Verschwörungstheorien über Juden, über Politiker, über den 11. September. In dem brandenburgischen Ort, in dem ich meine Wochenenden verbringe, haben bei der Landratswahl mehr als 50 Prozent für den AfD-Kandidaten gestimmt. Wer diese Leute sind, weiß ich nicht. Das Volk schweigt wieder, hat das Reden und Streiten verlernt.

    Der 9. November ist der Tag in der Geschichte, der die deutsche Welt ins Wanken brachte, der das Gute an Deutschland hervorgebracht hat und seine Abgründe. Vor 34 Jahren stürmten Ostberliner die Grenzübergänge, ohne dass ein Schuss fiel, vor 85 Jahren verübten Deutsche ein Pogrom, mit dem die Vertreibung und Ermordung des jüdischen Volkes begann. Noch nie habe ich mich beiden Ereignissen so nahe gefühlt wie in diesem Jahr, kam mir die Langeweile des gewöhnlichen Kapitalismus in Berlin-Lichterfelde so beruhigend vor – und so trügerisch. Ich habe das Gefühl, die Leute wachrütteln zu müssen, und auch mich selbst, mich an die Lehren des 9. November zu erinnern: Lieber streiten und quatschen als schweigen. Und keine Angst vor der Zukunft haben.

    #histoire #Allemagne #DDR